Was wird aus Ostern? (Kol 2 12-15)

Ostern ist gefeiert
Jesus Christus auferstanden
tausendmal gehört
aber was hilft es
Thomas, der zweifelt,
nicht glauben kann, was nicht handfest wird

Auferstehung Christi
was hilft sie
den vielen, denen ihre Last
schon lange schwerer wiegt
als die Lust ihres Lebens

kann man heraus aus seiner Haut
Quasimodogeniti
gleichwie die Kinder
neugeborenen sein

Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus,
der uns nach seiner großen Barmherzigkeit
wiedergeboren hat
zu einer lebendigen Hoffnung
durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten.
(1. Petrus 1,3)
***Was wird aus den vielen bunten hartgekochten Eiern?
Anders als die aus Schokolade, die sicher noch ein paar Wochen halten würden, aber sowieso schneller aufgegessen sein werden – die Hartgekochten bunten stehen in Gefahr, schneller schlecht zu werden als sie gegessen worden sind.

Da hat man sich wie immer Mühe mit ihnen gegeben. Will man intensive Farben haben, braucht man weiße und keine braunen Eier, und die sind gerade vor Ostern oft knapp. Dann nicht zu lange kochen, sonst werden sie auch noch innen farbig, nämlich blau, und das ist optisch und geschmacklich von Nachteil.

Beim Färben hat dann die ganze Wohnung nach Essig gerochen, aber das gehört eben dazu. Manch einer poliert nach dem Färben noch mit Speckschwarte, damit ein glänzendes Ergebnis erzielt wird. Dann in ein paar hübsche Osternester, vielleicht mit grüner Holzwolle und gelben Küken, und dann freundlich in der Wohnung verteilen.

Dann aber kam noch ein Freund vorbei und verschenkte gefärbte Eier aus dem Supermarkt. Manche davon noch bunter weil mehrfarbig, alle dafür noch mit Schellack überzogen. Dadurch ist die Eierschale luftdicht und die Eier halten länger als die selbstgefärbten.

Doch wer soll die nun alle essen?
Diese lebensprägende Frage wurde in den letzten Tagen oft gestellt, sogar im Radio. Die Lösung: Kreative Gerichte aus Eiern. Viele Rezepte wurden am Telefon zusammengetragen, so dass nun eine reelle Chance beseht, alle gegessen zu haben, bevor sie verderben – man muss nur die Rezepte nachkochen.

Aber die Frage, die NOCH lebensprägender ist, fiel im Radio unter den Tisch. Und leider nicht nur dort:

Was wird aus Ostern?
Es steht schon lange in Gefahr, schlecht zu werden. Genauer: Vergessen, verdrängt zu sein. Denn der Alltag hat es in sich. Er sät Zweifel und Angst in die Ostersaat.

Dabei hört sich so gut an, was aus der Ostersaat wachsen könnte: Quasimodogeniti nämlich. Wie ein Neugeborenes: Das könnte man werden. Ein Mensch ohne Last der Vergangenheit, ein Mensch, der ein neues Leben beginnen kann. Selbst mit neunzig Jahren.

Doch der ALLTAGSZWEIFEL sagt: Das geht doch gar nicht. Wer auf die Lebenserfahrung sieht und auf die klugen Köpfe hört, der muss erkennen: Neugeboren ist man nur ein Mal im Leben. Und egal, wie oft man sich die Neugeburt wünscht: Vor dem Tod wird nichts draus, und nach dem Tod – alles Spekulation.

Und für alle, die es mit dem Glauben leichter haben, kommt noch die ALLTAGSANGST hinzu und sagt: Was du hast, das kennst du. Aber was du kriegst, das kennst du nicht. Bleib darum lieber bei dem, was du hast: Sicher ist sicher.

Die Gemeinde in Kolossä lebt in Alltagszweifel und Alltagsangst. Das macht Paulus Sorgen, und so schreibt er aus dem Gefängnis heraus: „Seht zu, dass euch niemand einfange durch die Philosophie und leeren Trug, die der Überlieferung der Menschen und den Elementen der Welt folgen und nicht Christus.“ (2,8)

Und später dann die Verse unseres Predigttextes Kap. 2 ab Vers 12:

12 Mit ihm seid ihr begraben worden in der Taufe; mit ihm seid ihr auch auferweckt durch den Glauben aus der Kraft Gottes, der ihn auferweckt hat von den Toten.
13 Und Gott hat euch mit ihm lebendig gemacht, die ihr tot wart in den Sünden … und hat uns vergeben alle Sünden.
14 Er hat den Schuldbrief getilgt, der mit seinen Forderungen gegen uns war, und hat ihn aufgehoben und an das Kreuz geheftet.
15 Er hat die Mächte und Gewalten ihrer Macht entkleidet und sie öffentlich zur Schau gestellt und über sie triumphiert in Christus.

Der Kern dieser Paulusbotschaft ist wohl der Halbsatz:
„und hat uns vergeben alle Sünden.“

Tausendmal haben wir das schon gehört, wir sitzen ja nicht zum ersten Mal im Gottesdienst zusammen. Tausendmal haben wir das sogar selbst gesprochen: Ich glaube an den Heiligen Geist, die heilige christliche Kirche, Gemeinschaft der Heiligen, Vergebung der Sünden…

Aber wer kann das verstehen, ermessen, schätzen?
Was „Sünde“ IST, das haben die meisten inzwischen auch verstanden. Alles, was von Gott trennt, ist der Sund zwischen ihm und uns. Im Laufe eines Menschenlebens kann der breit und breiter werden, zu viele fragwürdige Entscheidungen und Handlungen häufen sich an.

Nicht umsonst rufen wir darum in jedem Gottesdienst „Herr, erbarme dich über uns“. Und so fühlen sich die meisten auch: Wenn du über vierzig bist und morgens aufwachst und nichts tut weh, bist du wahrscheinlicher tot als ein Neugeborenes.

Aber VERGEBUNG? All das, was sich da auftürmt, soll Gott vergessen? Und das, wo Menschen versucht haben, seinen Sohn am Kreuz zu vernichten? Doch „vergessen“ ist da eben genau NICHT gemeint. „Vergeben“ funktioniert anders. Die Psychologie sagt uns heute zuerst, was Vergeben nicht ist:

Vergeben ist nicht Nachsicht oder entschuldigendes Verzeihen. Wenn also Fehlverhalten zwar erkannt, aber verstanden und toleriert wird. Vergebung ist auch nicht Duldung, die ein Fehlverhalten fortgesetzt ohne Widerstand oder Widerspruch schweigend hinnimmt.

Vergebung ist auch nicht Ignorieren oder Vergessen. Das sich jemand also unbewusst oder bewusst weigert, Fehlverhalten zur Kenntnis zu nehmen. Auch Versöhnung oder Begnadigung meinen nicht, was Vergebung meint.

Was Vergebung IST: Durch Vergebung VEZICHTET man auf den Schuldvorwurf UND den Anspruch auf Wiedergutmachung erlittenen Unrechtes, OHNE die erlittene Verletzung zu relativieren oder zu entschuldigen. Durch Vergebung befreit man sich aus der Opferrolle – egal, ob der Täter das einsieht oder gar Reue zeigt.

Vergeben wird also nicht die Tat, sondern dem Täter. Wer vergibt, handelt ähnlich einem Gläubiger, der einem Schuldner die Schuld erlässt. Und genau dieses Bild benutzt Paulus in Vers 14:

„Er (also Gott) hat den Schuldbrief getilgt, der mit seinen Forderungen gegen uns war, und hat ihn aufgehoben (also aus dem Weg geräumt) und an das Kreuz geheftet“ (also an den Ort irdischer Vernichtung).

Das ist das Ende von Erden – „Philosophie“ und leerem „Trug“. Denn die irdischen Mächte und Gewalten stehen nackt da, der Triumpf ist öffentlich und er geschieht in der Auferstehung des Christus.

Gott vergibt den Menschen: Nicht deren Taten, aber den Tätern. Gott erweist sich darin als Souverän. Was aber ist mit den Tätern? Was ändert sich für sie?

Wenn sie über ihre Taten und Worte Gott gegenüber nicht nachdenken, ändert sich für sie: NICHTS. Sie lassen Gott weiter „links liegen“, der „Sund“ kann breit und breiter werden, er stört sie nicht. Sie leben vielleicht besser ohne Gott als manche von uns mit ihm.

Doch Vergebung kann auch für Täter wirksam werden. WENN nämlich die Täter über Taten und Worte Gott gegenüber nachdenken. Wenn ihnen die Auswirkungen des Sundes bewusst werden. Wenn der Abstand zu Gott und dem gottgewollten Leben als Belastung für das eigene Lebensglück begriffen wird.

Für diese Täter kann die Vergebung Gottes zu einer Tat werden, die ALLES möglich werden lässt. Gottes Vergebung wird dann DER Lichtblick. Sie gibt diesen Tätern die Chance, dem Tod von der Schippe zu springen und ledig und lebendig zu sein: „Gott hat euch mit ihm (Christus) lebendig gemacht, die ihr tot wart in den Sünden“ (V13)

Diese Täter erleben, wie Gott ihnen ihre Alltagszweifel nimmt: Indem er vergibt. Alles. Für immer: Der Schuldbrief liegt nicht mehr im Weg, er hängt am Kreuz der Vernichtung.

Das ist theologisch schlüssig. Paulus hat in mir die Alltagszweifel an Quasimodogeniti benannt und ausgeräumt. In meinem Kopf. Aber damit bin ich noch nicht selbst Quasimodogeniti. Es mag Wahrheit sein: Gott will Quasimodogeniti. Aber wie werde ICH das? Wie ein Neugeborenes? Wie werde ICH die AlltagsANGST auch noch los, bekomme Mut zum Neubeginn? Und den immer dann, wenn das alte Leben wieder Oberhand gewinnt?

Meine Schwestern, meine Brüder:

Vielleicht geht es euch auch so, dass diese Angst mehr im Weg von Quasimodogeniti steht als fehlende theologische Einsicht. Dass das Wissen über Gott da ist, aber der Glaube an seine Macht, die alles zum Guten wendet, nicht stark genug ist.

Wie bei den Zwillingen vor ihrer Geburt, von denen ich kürzlich eine abgehörte Unterhaltung gelesen habe:

„Sag mal, glaubst du eigentlich an ein Leben nach der Geburt?“„Ja, auf jeden Fall.“ „Aber das ist doch Blödsinn: Wie soll das denn aussehen?“ „So ganz genau weiß ich das auch nicht. Aber es wird sicher viel heller sein als hier. Und vielleicht werden wir herumlaufen und mit dem Mund essen.“
„So einen Unsinn habe ich ja noch nie gehört. Mit dem Mund essen? Was für eine verrückte Idee! Es gibt doch die Nabelschnur, die uns ernährt. Und wie willst du denn herumlaufen? Dafür ist die Nabelschnur doch viel zu kurz.“

„Doch, es wird bestimmt gehen, es ist eben dann alles nur anders.“ „Du spinnst! Es ist noch nie einer zurückgekommen von nach der Geburt. Mit der Geburt ist das Leben zu Ende. Punktum.“
„Ich gebe ja zu, dass keiner richtig weiß, wie das Leben nach der Geburt aussehen wird. Aber ich weiß, dass wir dann unsere Mutter sehen werden und dass sie für uns sorgen wird.“ „Mutter??? Du glaubst doch wohl nicht an eine Mutter!!!???“ (Eine Geschichte nach Henry Nouwen)

Gibt es eine Mutter nach der Geburt? Und wenn ja: Wäre es trotzdem nicht viel besser, im Bauch zu bleiben? Wer weiß, was den beiden nicht alles zustoßen wird. Lieber drinnen bleiben. In der Welt kann viel zu viel passieren. Das Leben ist viel zu gefährlich.

Genau da sind wir beim Anfang unseres Textes. Für die Gefährlichkeit des Lebens hält Gott die Taufe bereit. Für alle Menschen ist sie das Angebot des Endes der Trennung von Mensch und Gott durch den Sund. Reinigung von den vielen Fehl- und Tiefschlägen: Vergebung der Sünde.

Gott handelt für alle sichtbar an jedem Menschen, der je getauft wurde und wird: Das Wasser tötet den alten Menschen, lässt ihn mit Christus begraben sein, und das Wasser spendet neues Leben: Quasimodogeniti.

Die Taufe hält Ostern lebendig und schafft Quasimodogeniti.

Denn
die Liebe Gottes, die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes

entkleiden die Mächte und Gewalten ihrer Macht.
Ihre Maßstäbe sind öffentlich vorgeführt und unwirksam.
Damit wir Quasimodogeniti erleben.
AMEN

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