Die Liebe bleibt (Joh 21 15-19)

Schlechte Hirten
vor ihnen wird gewarnt
sie bringen ihr Schäflein ins Trockene
weiden sich selbst
Wölfe im Schafspelz

Der gute Hirte
Glücksfall für die Menschen
seine Herde
ist seine Leidenschaft
sein Leben
wird ihr Leben
durch seine Liebe

Der gute Hirte
wer ihn kennt
lernt sie kennen
Misericordias Domini
die Barmherzigkeit des Herrn

Christus spricht:
Ich bin der gute Hirte.
Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie,
und sie folgen mir;
und ich gebe ihnen das ewige Leben.
(Johannes 10,11a.27-28a)
***
1. Der Herr ist mein getreuer Hirt,/ hält mich in seiner Hute,
darin mir gar nicht mangeln wird/ jemals an einem Gute.
Er weidet mich ohn Unterlass,/ da aufwächst das wohlschmeckend Gras/ seines heilsamen Wortes. (EG 274,1)

Als wenn dieser Psalm für ihn geschrieben worden wäre. Seit ihm Jesus begegnet war, fühlte er sich irgendwie wie neu geboren. Sein Verhältnis zu Gott hatte sich grundlegend gebessert, er hatte den Mut gefunden, alte Gleise zu verlassen und neu zu beginnen.

Simon war mit Jesus gegangen, hatte gelernt, was für sein Leben wichtig war. Darum hatte er den ganzen Fischerkrempel einfach stehen- und liegenlassen. Denn Jesus hatte etwas zu sagen. SEINE Worte konnten einen Gott SELBST sehen lassen.

Damals konnte man nicht einfach Follower werden, indem man in irgendeinem Smartphone-Programm ein Häkchen setzte. Oder sich ein Mal die Woche vor ein Radio oder einen Fernsehen setzte. Oder jede Kirchenzeitung von Anfang bis Ende durchlas (das funktioniert leider auch heute nicht wirklich gut). Man musste schon dran bleiben, diesem Mann nachlaufen, besser mit ihm gehen, wenn man hören wollte, was er zu sagen hatte.

Aller guten Dinge sind drei. Auch das hatte Simon mit Jesus ganz neu erkannt: Er war nämlich die Nummer drei. Jesusjünger der Dritte. Und diese Drei würde ihn durch sein ganzes Leben verfolgen. Aber erst einmal lief alles, ja wie soll man das sagen? Vielleicht: Traumhaft. Ja, das trifft es vielleicht.

Denn Jesu Worte waren wirklich Balsam für die Seele des Simon. Er fühlte sich einfach fantastisch, konnte wieder wirklich aufrecht gehen. Das sahen ihm sogar die anderen an, so dass er den Beinamen „Kefas“, der Fels, Petrus bekam. Diesen Namen trug er gern und, das musste er zugeben, mit einigem Stolz.

2. Zum reinen Wasser er mich weist,/ das mich erquickt so gute,
das ist sein werter Heilger Geist,/ der mich macht wohlgemute;
er führet mich auf rechter Straß/ in seim Gebot ohn Unterlass
um seines Namens willen.

Diese Quelle reinen Wassers schien niemals zu versiegen. Tage, Monate, Jahre reihten sich aneinander. Der dritte Jünger hatte sich zum ersten Jünger entwickelt, jedenfalls nahm man ihn inzwischen als Sprecher der Jüngerschaft war.

Als es zur Spaltung unter der immer weiter anwachsenden Jüngerschaft kam und einige sich abwandten und gingen, fragte Jesus die Zwölf: Und ihr- wollt ihr auch gehen?

Und ihr Sprecher Simon Kefas antwortete geradezu mit einer Liebeserklärung: „Herr, wohin sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens; und wir haben geglaubt und erkannt: Du bist der Heilige Gottes.“ Und sagte damit genau das, was der Zwölferkreis dachte und fühlte. Jesus selbst war der Hirte ihres Lebens. Sie liebten ihn so, wie er sie liebte. Das dachte Simon zumindest.

3. Ob ich wandert im finstern Tal,/ fürcht ich doch kein Unglücke
in Leid, Verfolgung und Trübsal,/ in dieser Welte Tücke:
denn du bist bei mir stetiglich,/ dein Stab und Stecken trösten mich,/auf dein Wort ich mich lasse.

Dieses finstere Tal, das sprichwörtlich für alle erzwungene Kapitulation des Menschen und des Menschseins steht, sollte auch Simon nicht erspart bleiben.

Noch ist er sich seiner sicher und bringt das in große Worte: „Ich will mein Leben für dich lassen!“, zieht bei der Gefangennahme sogar sein Schwert und will Jesus mit Waffengewalt schützen.

Dann aber wird er Zeuge des Verhörs und der Folterung Jesu, und dem Fels rutscht das Herz in die Hose, sein Mut ganz offenbar auch. Der dritte Jünger Simon verleugnet seinen Hirten drei Mal. Dann kräht der Hahn. Und bis zur Kreuzigung wechseln beide, Jesus und Simon, kein Wort mehr miteinander.

Im Johannesevangelium wird nicht erzählt, wie Simon persönlich auf diesen Hahnenschrei regierte. Nichts steht von Tränen, nichts von Trauer. Aber dass dieser Hahnenschrei dem Simon das Blut in seinen Adern gefrieren ließ, kann man doch erahnen. Und wer das Johannesevangelium weiterliest, wird besser verstehen, was später zwischen den beiden geschieht.

Als Maria am Ostermorgen das Grab leer vorfand und es den Jüngern berichtete, gingen sie zu dritt zum Grab, um nachzusehen, was es mit dem Bericht der Maria auf sich hatte: Maria, Simon und der namenlose Lieblingsjünger Jesu.

Aber während DER nach einem Blick ins Grab glaubte, dass Jesus auferstanden war, können Maria und Simon es nicht fassen und gehen verstört zurück. Der dritte Jünger beginnt der großen Osterwende erst zu trauen, als Jesus gleichsam durch die Wand mitten in ihren verbarrikadierten Raum tritt.

Doch auch jetzt: Keine klärenden Worte zwischen Jesus und ihm. Wie er sich dabei wohl gefühlt haben mag: Den Auferstandenen vor Augen, die dreifache Verleugnung seiner großen Liebe im Magen?

Ziemlich sicher wird ihn das schlechte Gewissen geplagt haben, weil er versagt hatte. Er konnte Jesus auch nicht unbeschwert entgegentreten. Sein Scheitern stand wie eine Wand zwischen ihnen. Das schnürt ihm den Hals zu. Drei mal fester als zu ertragen war.

Dann, beim Fischzug auf dem See Tiberias, als sie nach einem erfolglosen Tag auf dem See bei diesem merkwürdigen zweiten Versuch nach Feierabend die Netze zum Zerreißen voll hatten, hört Simon plötzlich: Da, da ist Jesus! Und er weiß: Jetzt – oder nie. Stürzt sich halbnackt ins Wasser, will eher an Land sein als das Fischerboot. Denn er muss das in Ordnung bringen.

Und dort, nach einem guten gemeinsamen Mahl in bekannter Tischgemeinschaft dann das Gespräch zwischen den beiden Männern, unser Predigttext aus Johannes 21 ab Vers 15:

15 Da sie nun das Mahl gehalten hatten, spricht Jesus zu Simon Petrus: Simon, Sohn des Johannes, liebst du mich mehr, als mich diese lieb haben?
Er spricht zu ihm: Ja, Herr, du weißt, dass ich dich lieb habe.
Spricht Jesus zu ihm: Weide meine Lämmer!
16 Spricht er zum zweiten Mal zu ihm: Simon, Sohn des Johannes, hast du mich lieb?
Er spricht zu ihm: Ja, Herr, du weißt, dass ich dich lieb habe. Spricht Jesus zu ihm: Weide meine Schafe!
17 Spricht er zum dritten Mal zu ihm: Simon, Sohn des Johannes, hast du mich lieb?
Petrus wurde traurig, weil er zum dritten Mal zu ihm sagte: Hast du mich lieb?, und sprach zu ihm: Herr, du weißt alle Dinge, du weißt, dass ich dich lieb habe.
Spricht Jesus zu ihm: Weide meine Schafe!
18 Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Als du jünger warst, gürtetest du dich selbst und gingst, wo du hinwolltest; wenn du aber alt bist, wirst du deine Hände ausstrecken und ein anderer wird dich gürten und führen, wo du nicht hinwillst.
19 Das sagte er aber, um anzuzeigen, mit welchem Tod er Gott preisen würde.
Und als er das gesagt hatte, spricht er zu ihm: Folge mir nach!

Drei Mal fragt Jesus seinen Jüngers. Simon, Sohn des Johannes, nicht etwa: Petrus, Kefas, Fels. Für jedes Verleugnen eine Frage: Liebst du mich?

Große Trauer überkommt Simon bei der dritten Frage. Denn die ganze Vergangenheit, die Erinnerung an sein Versagen, die er so gern verdrängt hätte – alles wieder da, an der Oberfläche, so als wäre es gerade geschehen.

Denn du bist bei mir stetiglich,/ dein Stab und Stecken trösten mich,/auf dein Wort ich mich lasse.

Jesus fragt ganz ohne Vorwurf, ohne jede Vermahnung, ohne Forderung zur Wiedergutmachung. Indem der Hirte Christus sich liebevoll seinem Jünger, der die Liebe verraten hatte, jetzt neu zuwendet, gewinnt er Simon für die Liebe zurück.

Nicht Wiedergutmachung also, Gutmachung geschieht. Doch gerade dadurch wird Simon an all das erinnert, was er selbst nicht wiedergutmachen kann.

Dieses Erinnern macht ihn traurig. Aber eben so wird Simon fähig, Schuld nicht mehr zu verdrängen, sondern sich selbst ins Gesicht zu sehen, seine dunklen Seiten zu erkennen und sie sich auch einzugestehen.

Simon Petrus wird frei, neu einzusteigen in die Liebe, es neu zu wagen mit dem Lieben, dem Leben. Er hört, dass Christus ihm etwas Großes zutraut. Ihm, der sich mit dem Treueschwur restlos überhoben hat. Ihm traut Jesus zu, Gemeinde zu lieben. Selbst Hirte zu werden. Der Christus gewinnt seinen verlorenen Jünger zurück, indem er ihn danach fragt, ob er wieder lieben kann. Das JA genügt.

Dieses JA kann Simon nur sagen, weil er spürt: Alles, was bis eben zwischen ihm und Jesus stand, ist weggeräumt.
Weg, weil Jesus IHN liebt.
Mit einer Liebe, die nicht eifersüchtig festhält, gekränkt nachbohrt oder gar die Scheidung einreicht.

Fehler sind dick, wo die Liebe dünn ist, sagt der Volksmund. Simon erlebt hier dicke Liebe: Liebe, die den anderen an die Seite nimmt, ihm den Arm um die Schulter legt und mit ihm gemeinsam nach vorne sieht, auf das, was kommt.
Weil das was war jetzt nicht mehr wichtig ist.
Jesu Liebe ist groß – und die Fehler des Simon werden klein.
Die Liebe feiert Auferstehung. Simon feiert seine Auferstehung.

„Sich gürten“ meint in der Sprache der Bibel mit geschürztem Gewand leicht losgehen zu können, beweglich zu sein. Nun beginnt Petrus zu ahnen, die Nachfolge der Liebe werde ihn lehren, dass er sich NICHT immer in freier Selbstbestimmung bewegen wird, sondern dass die Liebe Jesu ihn begrenzen, ihn führen wird, selbst dahin, wohin er ganz sicher nicht will.

Er wird wie Jesus hingerichtet, berichtet die spätere Tradition.
Aber das Was und Wie ist hier auch nicht so wichtig.
Die Liebe wird regieren.
Das ist wichtig.
Folge mir nach: Das sagt Jesus NACH Ostern, das sagt der Auferstandene. Der, dessen Märtyrertod am Kreuz nicht das Ende war.

Folge mir nach:
Wenn Simon diesem Hirten weiter folgen würde, würde dessen Liebe ihn tragen. Durch alle finsteren Täler dieser Erde. Darum würde er selbst auch einer der guten Hirte werden können:
Denn die Liebe des Christus würde die Liebe sein, in der er den Menschen begegnen wollte.

Meine Schwestern, meine Brüder:

Kein Mensch möchte wohl gern Schaf genannt werden. Lammfromm – das sollen besser andere sein.
Immer mit der Herde laufen – das zeugt nicht von einem eigenen, selbstbestimmten Lebensplan.

Und doch fühlen sich die meisten Menschen im Bild von dem guten Hirten, der sein Leben für seine Schafe lässt, gut aufgehoben. Er weidet mich ohn Unterlass,/ da aufwächst das wohlschmeckend Gras – Nichts scheint da zum Glück zu fehlen.

Hier aber geht es nur indirekt um die Schafherde. Es geht vielmehr um das Hirtesein. In Jesu Jüngerschaft hat das bequeme Schafsein eine Grenze: Wenn aus dem Schaf ein Hirte wird.

Das trifft uns alle. Wir alle haben Menschen, die zu unserer Herde gehören, die sich darauf verlassen, dass WIR ihnen „wohlschmeckend Gras“ , „reines Wasser“, „rechte Straße“ und „erquickte Seele“ werden.

Doch egal wie schwer uns das ist oder werden wird:
Wir leben in der Herde Gottes, und hier leben wir aus der Miserikordias Domini. Diese Barmherzigkeit Gottes kommt aus seiner Liebe, nicht nur aus Petrus, sondern aus uns allen gute Hirten macht, die sich recht um ihre Herde sorgen können.

Und sich lebenslang auf den großen Hirten verlassen können. Gott wird nie mit seiner Liebe sparen. Hier, in seiner Herde, werden unsere Fehler ganz dünn, weil die Liebe Christi zu uns so dick ist.

Wie Simon der Fels finden wir hier die Liebe Gottes, die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes, die Großes mit uns allen vorhaben.
Heute und morgen.
AMEN

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