Dankbar für die Undankbaren (5 Mose 8 7-18)

Leben
kaufen oder erschaffen
wir könnten es nicht
und lebensWERT ist es nicht,
weil wir das LEISTEN würden

Leben ist Geschenk
GOTT SCHENKT Leben
jeder
und allem
EINmal ganz am Anfang
und NEU an jedem Tag

Wer das erkennen kann,
kann nicht anders,
als Gott zu danken
denn lebenslang gilt:

Aller Augen warten auf dich,
und du gibst ihnen ihre Speise
zur rechten Zeit.
Psalm 145,15
***

Unglaublich, was in der Bibel alles erzählt wird: 120 Jahre alt soll Mose geworden sein. Nicht wenige hier sind deutlich älter als ich, aber niemand ist 100 oder gar darüber, und die meisten wollen das auch nicht werden. Wie heißt es so schön: Alt werden will jeder, alt sein keiner.

Mose aber soll so alt geworden sein, und nicht nur das:
Von Unterarmstützen, Inkontinenz oder Rollator steht kein Wort in der Bibel, auch nichts von Hüft- oder Knie- OPs mit anschließender Reha. Ganz im Gegenteil, da kann man lesen: „Seine Augen waren nicht schwach geworden, und seine Kraft war nicht verfallen“ (5.Mose 34, 7b). So würde wohl jeder gern alt sein wollen. Jede auch.

Dabei schien sein Leben unter keinem guten Stern zu stehen: Kaum geboren wird er als Säugling in einem Kasten im Fluss ausgesetzt, doch gerettet. Als junger Mann muss er dann vor den Ägyptern fliehen, weil er einen Aufseher erschlagen hat. Doch aus dem Totschläger Mose wird der große Führer Mose, der sein Volk aus der Sklaverei Ägyptens in das gelobte Land führen will.

Nun ist er schon 120 und immer noch nicht am Ziel, aber er fühlt und weiß sich auf gutem Weg. Und da er ahnt, dass er die 121 nicht mehr erreichen wird, will er von seiner Lebensweisheit nicht alles mit ins Grab nehmen, sondern sie lieber an sein Volk weitergeben. Darum hält er viele Reden, eine von denen ist Predigttext für den heutigen Erntedanktag (5. Mose 8,7-18):

… der HERR, dein Gott, führt dich in ein gutes Land, ein Land, darin Bäche und Quellen sind und Wasser in der Tiefe, die aus den Bergen und in den Auen fließen, 8ein Land, darin Weizen, Gerste, Weinstöcke, Feigenbäume und Granatäpfel wachsen, ein Land, darin es Ölbäume und Honig gibt, 9ein Land, wo du Brot genug zu essen hast, wo dir nichts mangelt, ein Land, in dessen Steinen Eisen ist, wo du Kupfererz aus den Bergen haust. 10Und wenn du gegessen hast und satt bist, sollst du den HERRN, deinen Gott, loben für das gute Land, das er dir gegeben hat.
11So hüte dich nun davor, den HERRN, deinen Gott, zu vergessen, sodass du seine Gebote und seine Gesetze und Rechte, die ich dir heute gebiete, nicht hältst. 12Wenn du nun gegessen hast und satt bist und schöne Häuser erbaust und darin wohnst 13und deine Rinder und Schafe und Silber und Gold und alles, was du hast, sich mehrt, 14dann hüte dich, dass dein Herz sich nicht überhebt und du den HERRN, deinen Gott, vergisst, der dich aus Ägyptenland geführt hat, aus der Knechtschaft, 15und dich geleitet hat durch die große und furchtbare Wüste, wo feurige Schlangen und Skorpione und lauter Dürre und kein Wasser war, und ließ dir Wasser aus dem harten Felsen hervorgehen 16und speiste dich mit Manna in der Wüste, von dem deine Väter nichts gewusst haben, …
17Du könntest sonst sagen in deinem Herzen: Meine Kräfte und meiner Hände Stärke haben mir diesen Reichtum gewonnen. 18Sondern gedenke an den HERRN, deinen Gott; denn er ist’s, der dir Kräfte gibt, Reichtum zu gewinnen, auf dass er hielte seinen Bund, den er deinen Vätern geschworen hat, so wie es heute ist.

In höchsten Tönen lobt Mose das Land, in dem das Volk Israel seine Heimat finden soll und wird. Üppige Natur, Bodenschätze, Nahrung für alle, genug sogar für Wohlstand und Reichtum.

Doch Mose wäre nicht weise, wenn er nicht wüsste: HAT der Mensch erst einmal Wohlstand, gewöhnt er sich schnell daran. Das war wohl schon immer so: Not lehrt beten, Wohlstand aber lehrt Gottesvergessenheit. Darum seine eindringliche Warnung:

Überhebt euch nicht. Wenn es euch gut geht, dann vergesst nicht, wem ihr all das zu verdanken habt. All das von der Befreiung aus der Sklaverei über die Bewahrung in der Wüstenzeit bis zum Überfluss in der neuen Heimat.

Wer erfolgreich arbeitet und Wohlstand erwirtschaftet, kommt ja schnell auf die Idee, er habe all das selbst erarbeitet. Aber das hat noch nie gestimmt. Denn wenn die äußeren Umstände nicht stimmen, einem das Glück nicht hold ist, dann kann man nichts von all dem erzwingen, was Wohlstand ausmacht. Wer wüsste das besser als der Landwirt: Dürre oder Hagel oder Wolkenbrüche sind stete Feinde guten Ernteertrages.

Das betrifft jeden Bereich des Lebens. Erfolg, Überfluss und Wohlstand kann es in einer Gesellschaft nur geben, weil es geschenkt ist. Und Mose sagt seinem Volk, woran er aus tiefstem Herzen glaubt: All das habt werdet ihr nur haben, wenn es Gottes Geschenk an euch ist.

Darum diese Mahnung des greisen Führers an sein Volk: Vergesst niemals, was Gott euch Gutes getan hat und tut, und denkt daran, was ihr ihm darum schuldig seid.

Als wir am vergangenen Freitag im Bibelgespräch darüber nachdachten, wurde schnell klar: Dankbarkeit kann wohl nur der empfinden, der mit Gott im Reinen ist. Doch solange Menschen auf dieser Welt an Hunger sterben und leiden, fällt das immer wieder schwer.

Darum trifft die Mahnung des Mose auch uns, und das tausende Jahre später. Von Erkenntnissen der Psychologie belegt konnten wir inzwischen lernen: Wer dankbar sein kann, ist glücklicher im Leben. Glücklich sein wollen wir wohl alle. Doch wie kann man dankbar sein, wenn Zweifel nagen?

Gerade am Erntedanktag wird das deutlich. Denn der kommt langsam, aber sicher unter die Wohlstandsräder. In den Statistiken konnte man zwar vor zwei Jahren noch lesen, dass der Erntedankgottesdienst in Deutschland nach der Christvesper der bestbesuchte Gottesdienst des Kirchenjahres sei.

Aber hier im Osten unserer Republik, gerade rund um das große Berlin, ändert sich das spürbar. Als wir in Brandenburg vor ein paar Jahren merkten, dass so gut wie keine Erntegaben mehr in den Gottesdienst gebracht wurden und der Gottesdienstbesuch stark nachließ, haben wir uns zu diesem zentralen Gottesdienst hier in Hohenbruch verabredet.

Denn hier auf dem Dorf scheint die Erntedank-Welt noch in Ordnung zu sein, dazu ein Abendmahlsgottesdienst mit Chor und Posaunenchor: Das ist viel festlicher, als wir in unserer Mittel-Stadt es uns selbst machen könnten. Hier ist noch etwas zu spüren vom Geist, den dieser Tag ausstrahlen kann.

Und nicht nur uns ging es so, auch größere Gemeinden unserer Stadt wie z.B. der in St. Katharinen nebenan geht es ähnlich: Sie muss schon seit Jahren den Altarschmuck zu Erntedank im Supermarkt einzukaufen, weil kaum jemand aus der Gemeinde noch etwas dafür mitbrachte. So, wie es in Berlin in sehr vielen Gemeinden schon seit Jahren läuft. Dankbarkeit für die guten bis sehr guten Ernten in allen Bereichen des Lebens – also in Beruf, Beziehung oder der Landwirtschaft: Das scheint nicht mehr zu den Genen unserer Christengemeinschaft zu gehören.

Dazu ist in diesem Jahr zu merken, dass Existenzangst zunimmt unter uns. Viele unter uns sehen mit Schrecken auf die explodierenden Preise für Gas, Strom oder an der Tankstelle. Sozialverbände wie Diakonie oder Caritas warnen bereits, dass selbst mittlere Einkommen in einigen Fällen nicht mehr ausreichen könnten, um die gestiegenen Energiekosten zu bezahlen, besonders wenn Menschen weite Strecken pendeln und/ oder in energetisch ungünstig gebauten Wohnungen wohnen müssten.

Leben wir einfach nur im falschen Land, machen „die da oben“ in Deutschland alles falsch? Ich war ja gerade 5000 km mit meinem Motorrad unterwegs, durch Tschechien, Österreich, Italien und Slowenien bis nach Mittel-Kroatien an die Adria. Und in jedem dieser Länder ist das Tanken deutlich billiger als in Deutschland, in Slowenien kostete der Liter 1,30 €. Und mit den Gas- oder Stromkosten soll das nicht viel anders sein.

Wir waren uns im Bibelgespräch einig: Unsicherheit und Ohnmacht sind der Dankbarkeit nicht förderlich, sie verhindern sie oft sogar. Warum sieht Gott zu, wenn Menschen sich mit Kriegen überziehen wie im Jemen oder der Ukraine? Dass die Einen in ihrem Leben glücklich sein können, während Andere unglücklich sind? Und dass selbst in unserem reichen Land Menschen Angst vor dem Morgen haben müssen, und das ganz sicher nicht ohne handfeste Gründe?

Dann war das Bibelgespräch zu Ende und ließ mich mit dem Versuch einer Antwort auf diese Fragen zurück. Daraufhin habe ich mir diese Mose-Rede noch einmal genauer besehen und mir ist klar geworden: Auch zu seiner Zeit ist es nicht einfacher gewesen, Dankbarkeit zu bewahren.

Denn das Volk Israel hat auch Leid tragen müssen in den vierzig Jahren Flucht vor der Sklaverei Ägyptens. Wir lesen von vielen, die den Tod fanden in der Wüste durch Schlangen, Hunger und Durst. Von Auseinandersetzungen und Zwietracht im Volk, die Mose sein Leben als Führer mehr als schwer gemacht haben dürften.

Auch für Mose wird es also so gewesen sein:

Viele, die seine Rede hörten, werden sich gesagt haben: Ja, wir sind Gott dankbar dafür, dass er uns bis hierher gebracht hat. Er hat uns bis hierher erhalten und macht unser Leben auf dieser Welt glücklich.

Mose hat recht: Das lasst uns bewahren und daran denken, wenn wir das Ziel erreicht haben, wenn wir uns Häuser bauen, Äcker bebauen, Vieh züchten oder anderer Arbeit nachgehen. Gerade wenn wir nicht nur von einem Tag zum anderen leben müssen, sondern Wohlstand erleben: Lasst uns Gott nicht vergessen, der uns das alles möglich gemacht hat. Viele würden sicher einstimmen den Psalm: Aller Augen warten auf Dich, Gott, und du gibst ihnen Speise zur rechten Zeit.

Aber es wird auch die Anderen gegeben haben. Die, die Angst vor morgen hatten. Die unglücklich waren. Die Mütter und Väter, Schwestern und Brüder tot in der Wüste zurücklassen mussten.

Und die jetzt sagten: Wie soll ich für all das auch noch dankbar sein? Und die den Psalm NICHT mitsingen konnten: Aller Augen warten auf Dich, Herr…

Mose wäre ein schlechter Führer gewesen, wenn er nicht von den Ängstlichen und Leidenden in seinem Volk gewusst hätte. Darum erinnert er nicht nur einfach daran, wie weit das Volk inzwischen gekommen ist. Er weiß: Die einen sehen das als Werk Gottes, die anderen aber KÖNNEN das nicht so sehen.

Darum sagt er auch:
Gott hält seinen Bund, den er euren Vätern geschworen hat, und er hält ihn HEUTE.
JETZT erfüllt er seine Versprechen. Gegen alle Angst. Trotz aller Ohnmacht. Gegen alles, was das Leben bedroht.

Anders gesagt: Es ist die LIEBE, die Gott mit seinem Volk verbindet. Es ist LIEBE, die Gott an seinem Volk FESTHALTEN lässt – auch wenn viele aus dem Volk sich immer wieder von Gott abwenden.

Wer aber von Herzen liebt, der will nicht, dass der geliebte Mensch zu irgendetwas gezwungen wird. Auch nicht zu seinem Glück. Sondern er will, dass der Andere selbst aus Liebe heraus das tut, was ihn glücklich macht.

Das ist Gottes System Welt: Liebe soll als das erkannt werden, was sie ist – die EINZIGE Möglichkeit, glücklich und von Herzen dankbar zu werden.

Und DIESE ERINNERUNG, meine Schwestern und Brüder,

kann gerade HEUTE in uns wach und stark werden. Heute, wo wir die Ernte des Lebens geradezu mit HÄNDEN GREIFEN, sie SEHEN können.

Denn Gott ist uns in Jesus Christus begegnet, damit wir erleben können, wie groß Gottes Liebe zu uns, seinen Menschen, ist. Jesus Christus ist es, der Gottes Liebe in unser Leben getragen hat und uns durch alles Leid hindurchträgt. Der durch seine Auferstehung gezeigt hat, dass diese Liebe nicht einmal im Tod ihr Ende findet, sondern ewig ist. Gott hilft uns durch Christus. Immer.

Alle unter uns, die glücklich und dankbar sind angesichts der reichen Ernte unseres Lebens, werden so gar nicht anders KÖNNEN, als diese Ernte und Gottes Liebe zu teilen:

GERADE mit denen, die Angst haben, am Leben verzweifeln und unglücklich sind. Das Leben aller Menschen soll so dankbar und glücklich werden aus der
Liebe Gottes,
der Gnade unseres Herrn Jesus Christus
und der Gemeinschaft seines Heiligen Geistes. AMEN

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