Gott geht weiter als wir denken (können) (Mt 25 31-46)

PREDIGT zum Abschluss der diesjährigen Gebetswoche
(Allianz / Einheit der Christen)
in Brandenburg an der Havel, EFG Domlinden

LASST UNS BETEN:

Gott, sei Dank:
DU beurteilst unser Leben
durch Jesus Christus, deinen Sohn,
den Herrn unseres Lebens.

Wir bitten dich darum:
Bei allen Beurteilungen, die wir in unserem Alltag
von anderen Menschen erfahren,
die wir aber auch selbst vornehmen
in Gedanken, Worten und Taten –
lass uns nie vergessen,
dass DU das letzte Wort über uns hast.
Du, der Leben und Liebe schafft
durch diese Zeit und in der Ewigkeit.
AMEN

GNADE sei mit euch und Friede von dem, der da war,
der da ist und der da kommen wird. Amen.

Als Kopfzeile des Veranstaltungsplans unserer diesjährigen Gebetswoche ist zu lesen:

„Gott hat einen Plan, eine Mission –
und lädt alle dazu ein, ein Teil davon zu sein.“
Das ist eine sehr mutige Überschrift.
Denn was wissen Menschen denn schon sicher von Gott?
Was kann ein Sandkorn vom Meer wissen,
was alle Sandkörner dieser Welt gemeinsam vom Universum?

Schon beim Propheten Jesaja ist doch zu lesen:
„Weh dem, der mit seinem Schöpfer hadert, eine Scherbe unter irdenen Scherben! Spricht denn der Ton zu seinem Töpfer: “Was machst du? Dein Tun ist ungeschickt!”“ (Lutherübersetzung; 45,9)

Auch Paulus schreibt uns das zwar nicht ganz so handfest, aber genauso unmissverständlich ins Stammbuch, wenn er in Römer 11 schreibt:
„Wie unerschöpflich ist Gottes Reichtum! Wie tief ist seine Weisheit, wie unermesslich sein Wissen! Wie unergründlich sind seine Entscheidungen, wie unerforschlich seine Wege! »Hat jemals ein ´Mensch` die Gedanken des Herrn ergründet?
Ist je einer sein Berater gewesen?« (Neue Genfer Übersetzung; 33 f)

Nein, wirklich WISSEN können wir nichts vom Plan Gottes, NICHTS von dem, was seine „Mission“ ausmacht.

Doch wir GLAUBEN.
Wir glauben nicht, dass wir Kinder eines großen Zufalls, sondern Kinder Gottes sind.
Wir glauben daran,
dass wir Gottes Stimme hören, seine Sprache lernen können.
Wir glauben daran, dass auf Gottes Wort Verlass ist.
Auf Gottes Wort in der Heiligen Schrift.
Auf Gottes Fleisch gewordenes Wort Jesus Christus,
der Herr aller Herren und vor allem:
Der Herr UNSERES Lebens ist.
IHM glauben wir wie unsere Mütter und Väter vor uns:

Gott HAT einen Plan, auch wenn der so groß ist, dass wir ihn weder durchschauen noch begreifen.
Und das ist ein Plan MIT uns, FÜR uns Menschen. NICHT gegen uns. Das haben wir in der vergangenen Woche gemeinsam bedacht.

Die Teilüberschrift für heute: „Gottes Mission geht WEITER“.
Doch wie ist das gemeint?
„Geht weiter“ im Sinne von:
Hört noch lange nicht auf?
oder im Sinne von:
Geht weiter als ihr je denken könnt?

Sehr wahrscheinlich beides.
Der Bibeltext allerdings, der heute auf unserem Plan steht, redet eher von „geht weiter als ihr je denken könnt“.
Denn Matthäus redet da vom ENDE. Von dem Tag, an dem der Menschensohn auf dem Thron seiner Herrlichkeit sitzen wird. Matthäus redet vom Ende, vom letzten Tag, vom jüngsten Tag, vom „Jüngsten Gericht“.

Das IST weiter als wir je denken können, darüber wissen wir eigentlich nichts.
Die Vorstellungen der Menschen um uns herum sind da allerdings sehr phantasievoll, meist wird von „Himmel und Hölle“ geredet. Dann ist es aber schon vorbei mit der Einigkeit.

Manche behaupten dann zum Beispiel, dass die Hölle zwar existiere, aber leer sei und nur für die Katholiken vorgehalten würde. Damit sie sich ordentlich und ausreichend zur Beichte bewegen oder Ablässe kaufen.

Andere wieder behaupten, dass der Platz im Himmel auf 144.000 Plätze limitiert sei. Was allerdings nicht bedeute, dass alle anderen automatisch in der Hölle landen würden: Die „anderen Schafe“ hätten vielmehr die Chance, für immer als Untertanen des Reiches Gottes auf der dann paradiesischen Erde leben zu dürfen. Hat mit kürzlich ein Zeuge Jehovas erzählt.

Bei 144.000 Plätzen finde ich es allerdings viel zu eng im Himmel. Schon deshalb, weil man da nicht nur alle seine Lieben, sondern auch all die anderen wiedersehen würde.

Und wenn ich in die Bibel sehe, gibt es auch keine einheitliche Sicht auf Dinge wie Jüngstes Gericht, Himmel und Hölle oder Paradies.

Hiob zum Beispiel hofft darauf, dass der Zorn Gottes, den er an eigener Haut verspürt, sich am letzten Tag gelegt haben wird und eine große Liebe Raum nimmt:
„Du würdest rufen und ich dir antworten; es würde dich verlangen nach dem Werk deiner Hände. Dann würdest du meine Schritte zählen und nicht achtgeben auf meine Sünde. Du würdest meine Übertretung in ein Bündlein versiegeln und meine Schuld übertünchen.“ (14,15 ff)

Paulus, von dem die ältesten Schriftstücke im zweiten Teil unserer Bibel stammen, redet in Röm 2 vom „Tag des Zorns und der Offenbarung des gerechten Gerichtes Gottes, der einem jeden geben wird nach seinen Werken: ewiges Leben denen, die in aller Geduld mit guten Werken trachten nach Herrlichkeit, Ehre und unvergänglichem Leben; Zorn und Grimm aber denen, die streitsüchtig sind und der Wahrheit nicht gehorchen, gehorchen aber der Ungerechtigkeit…“ (5 ff)

Auch das, was von Jesus zum Themenkreis überliefert ist, ist vielfältig.
Im ältesten unserer Evangelien (Mk 13, 26 f) lesen wir:
„Und dann werden sie sehen den Menschensohn kommen in den Wolken mit großer Kraft und Herrlichkeit. Und dann wird er die Engel senden und wird seine Auserwählten versammeln von den vier Winden, vom Ende der Erde bis zum Ende des Himmels.“

Johannes, der jüngste Evangelist, zitiert Jesus so (5,29): „… und es werden hervorgehen, die Gutes getan haben, zur Auferstehung des Lebens, die aber Böses getan haben, zur Auferstehung des Gerichts.“

Lukas spricht explizit gar nicht über das Gericht. Der Gerichts-Gedanke allerdings ist ihm nicht fern, wie an der Geschichte vom reichen Mann und dem armen Lazarus (Lk 16,19 ff) oder der Rede vom Mühlstein um den Hals des Verführers (17,1 f) deutlich wird.

Die einzige Stelle, die ausführlich über das Jüngste Gericht spricht, ist in Matthäus 25 zu finden, aus dem der Bibelvers über diesem Gottesdienst kommt.
Ich lese ihn aus der Neuen Genfer Übersetzung. Da sagt Jesus:
31 »Wenn der Menschensohn in seiner Herrlichkeit kommen wird und mit ihm alle Engel, dann wird er in königlichem Glanz auf seinem Thron Platz nehmen…

Und dann geht es so weiter im Text:

32 Alle Völker werden vor ihm versammelt werden, und er wird die Menschen in zwei Gruppen teilen, so wie der Hirte die Schafe und die Ziegen voneinander trennt. 33 Die Schafe wird er rechts von sich aufstellen und die Ziegen links.

34 Dann wird der König zu denen auf der rechten Seite sagen: ›Kommt her, ihr seid von meinem Vater gesegnet! Nehmt das Reich in Besitz, das seit der Erschaffung der Welt für euch vorbereitet ist. 35 Denn ich war hungrig, und ihr habt mir zu essen gegeben; ich war durstig, und ihr habt mir zu trinken gegeben; ich war ein Fremder, und ihr habt mich aufgenommen;
36 ich hatte nichts anzuziehen, und ihr habt mir Kleidung gegeben; ich war krank, und ihr habt euch um mich gekümmert; ich war im Gefängnis, und ihr habt mich besucht.‹

37 Dann werden ihn die Gerechten fragen: ›Herr, WANN haben wir dich denn hungrig gesehen und dir zu essen gegeben, oder durstig und dir zu trinken gegeben? 38 Wann haben wir dich als Fremden bei uns gesehen und haben dich aufgenommen? Oder wann haben wir dich gesehen, als du nichts anzuziehen hattest, und haben dir Kleidung gegeben? 39 Wann haben wir dich krank gesehen oder im Gefängnis und haben dich besucht?‹

40 Darauf wird der König ihnen antworten: ›Ich sage euch: Was immer ihr für einen meiner Brüder getan habt – und wäre er noch so gering geachtet gewesen -, das habt ihr für mich getan.‹

41 Dann wird er zu denen auf der linken Seite sagen: ›Geht weg von mir, ihr seid verflucht! Geht in das ewige Feuer, das für den Teufel und seine Engel vorbereitet ist! 42 Denn ich war hungrig, und ihr habt mir nicht zu essen gegeben; ich war durstig, und ihr habt mir nicht zu trinken gegeben; 43 ich war ein Fremder, und ihr habt mich nicht aufgenommen; ich hatte nichts anzuziehen, und ihr habt mir keine Kleidung gegeben; ich war krank und war im Gefängnis, und ihr habt euch nicht um mich gekümmert.‹

44 Dann werden auch sie fragen: ›Herr, WANN haben wir dich denn hungrig oder durstig gesehen oder als Fremden oder ohne Kleidung oder krank oder im Gefängnis und haben dir nicht geholfen?‹
45 Darauf wird er ihnen antworten: ›Ich sage euch: Was immer ihr an einem meiner Brüder zu tun versäumt habt – und wäre er noch so gering geachtet gewesen -, das habt ihr mir gegenüber versäumt.‹

46 So werden sie an ´den Ort` der ewigen Strafe gehen, die Gerechten aber werden ins ewige Leben eingehen.«

Was ist hier über dieses „Jüngste Gericht“ zu lesen?
Zuerst: Es wird Gerechtigkeit hergestellt. Bei Gottes Mission soll es also um Gerechtigkeit zu gehen. Etwas, wonach sich fast alle Menschen ein Leben lang vergeblich sehnen. Etwas, was Könige, Diktatoren, Beamte, Politiker, kurz: Was sämtliche große und kleine Herrscher dieser Welt bis heute nicht herstellen konnten oder können.

Wir Menschen können uns eben nicht einmal darauf einigen, wie man einen Apfel gerecht unter drei andere Menschen aufteilt. Denn unsere Maßstäbe sind einfach zu verschieden.
Einer sagt: Jeder bekommt ein Drittel.
Die andere sagt: Der eine bekommt den ganzen Apfel, denn er hat heut noch nichts zu essen bekommen.
Unsere Maßstäbe sind eben nicht kompatibel.

Hier, am jüngsten Tag, soll es endlich so sein, dass die Gerechten obsiegen. Wie aber kann man sich das vorstellen?

Die „Neue Genfer Übersetzung“ ist mir da zunächst sympathischer als die meisten anderen Übersetzungen. Sie redet nämlich NICHT von „Schafen und Böcken“, die nach links und rechts gestellt werden.
Denn das kann man doch nur so verstehen, als würde der gute Hirte plötzlich die Männer von den Frauen trennen und die Männer zum Teufel schicken.

Die „Neue Genfer“ übersetzt hier „Schafe und Ziegen“. Das hört sich nicht nur besser an, der griechische Text gibt das so auch her. Da hätte ich da als Mann wenigstens noch eine Chance.

Doch genau besehen macht das die Sache nicht leichter. Ja, Ziegen von Schafen zu trennen, das machten ordentliche Hirten in Palästina so, weil die Ziegen anders als die Schafe die Kälte nicht so gut ertrugen und besser nicht im Freien übernachten sollten.

Doch hier scheinen die Ziegen dann gleich ins GANZ Warme, auf den Grill, zu müssen.
Was aber haben die Schafe geleistet, dass sie Schafe,
und was haben die Ziegen verbrochen, dass sie Ziegen sind?

Auch im weiteren Verlauf der Szene wird es nicht leichter verständlich. Denn sucht man hier nach einem Platz für sich selbst, wird man kalt erwischt – und heiß behandelt.
ALLE werden sich ZWISCHEN den Stühlen wiederfinden.

Eine große Unsicherheit bleibt, und Matthäus beschreibt sie so ausführlich, dass es beim Lesen fast langweilig wird:
Wann, wann, wann denn bloß haben wir denn???

Die Überraschung ALLER kann gar nicht ausführlich genug beschrieben werden, denn sie ist echt.

Die einen sind völlig überrascht, weil sie sich nicht daran erinnern können, dass sie Jesus begegnet wären und ihm geholfen hätten – auch wenn sie es natürlich GERN getan haben.

Und die anderen sind völlig überrascht, weil sie sich nicht daran erinnern können, dass sie es NICHT taten – auch wenn sie es natürlich gern getan HÄTTEN.

Matthäus will keine Zweifel aufkommen lassen:
All unser Tun und Lassen wird nicht dazu führen können, dass wir uns sicher unter den Gerechten wiederfinden.
All unsere Maßstäbe, die wir uns hier auf dieser Welt zurechtlegen, werden nicht messen, nicht helfen, keine Gültigkeit haben.

Das einzige, was überhaupt etwas gelten wird:
Wer Hungrigen und Durstigen und Nackten gibt, was sie brauchen, Fremde aufnimmt, sich um Kranke kümmert und Gefangene besucht, dessen Chancen stehen nicht schlecht, gerecht genannt zu werden.

Doch auch das offenbar nur, solange die MOTIVATION dazu stimmt:
Wenn die linke Hand nicht wusste was die rechte tat.
Und wer, der einem Bettler Geld in die Schale wirft,
wird DAS von sich mit Sicherheit behaupten können?

Meine Schwestern, meine Brüder,

Christiane Tietz, Professorin für systematische Theologie in Zürich, schreibt zum Letzten Gericht:

Jeder Mensch wird SICH
im Gericht so sehen,
wie er wirklich ist.
Jede Lebenslüge wird verblassen…
Für (uns ist) grundlegend,
dass Jesus Christus,
also der, in dem uns Gottes Gnade begegnet,
richten wird.
Dann wird JEDER Mensch der Gnade Gottes
unverstellt ansichtig werden und erkennen,
wo er aus sich selbst heraus hat leben wollen
und wo er anderen einen gnädigen Umgang verweigert hat.
Diese Erfahrung der Gnade wird sein Herz weitmachen,
so weit, dass er selbst vergeben kann.

DAS scheint mir Gottes Mission für uns zu sein.

Wir Menschen sollen alle Lebenslügen als solche erkennen.
Wir sollen lernen,
dass wir NICHT AUS UNS SELBST leben KÖNNEN,
sondern aus der Liebe Gottes KOMMEN
und auch einzig aus IHR leben.

Wir sollen die Erfahrung von GNADE machen können,
die uns das Herz weit machen wird.
Denn Gnade allein findet das Gute im Menschen und macht es groß. In JEDEM Menschen.

Und so sollen alle in die Lage versetzt werden, zu vergeben. Zuerst wohl sich selbst, dann aber auch allen anderen.
Wir sollen das LIEBEN lernen.
Aus ganzem Herzen, selbst – und bedingungslos.
Endlich.
Zu unserem Glück:

Die Liebe Gottes, die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes

lehren uns schon HEUTE, was es bedeutet:
Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe.
(1. Kor 16, 14 – die Jahreslosung).
AMEN

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