Unseren Gottesdienst vom letzten Sonntag nach Epiphanias zum Nachhören finden Sie für vierzehn Tage hier.
Das Kind in der Krippe
die Weisen aus dem Morgenland, die einem Stern folgen
die Jünger auf dem Berg der Verklärung
Licht der Schöpfung
Licht der Welt:
Die Weihnachtsbilder zeigen nicht
was sich außen abgespielt hat
sondern Verborgenes und Unsichtbares
ausgebreitet vor unser aller Augen.
Über dir geht auf der HERR,
und seine Herrlichkeit erscheint über dir.
Jesaja 60,2
***
Letzter Sonntag nach Epiphanias.
Letzter Sonntag nach dem Fest der Erscheinung des Lichtes der Welt. Am Ende dieser Woche schließt er sich, der Kreis.
Der Weihnachtsfestkreis.
Etwas wehmütig denke ich an den Weihnachtsbaum.
Er hat nun seine Bestimmung erfüllt, mich durch die Weihnachtszeit begleitet. Mit seinem hoffnungsvollen Grün,
mit seinem Licht in der dunkelsten Zeit des Jahres, mit seinem Schmuck, seinen Sternen, seinen leuchtend goldenen oder farbigen Kugeln…
Nun wird er abgeschmückt und kommt aus dem Haus.
Hat sein Licht mich erreicht?
Beleuchtung kann ich ja selbst anbringen, Kerzen entzünden oder einfach den Stecker für die elektrische Baumbeleuchtung in die Steckdose stecken. Dann wird es heller – im Raum.
Aber ist es auch heller geworden in MIR?
Ist aus der BE-Leuchtung eine ER-Leuchtung geworden?
Für mich?
6 Denn Gott, der da sprach: Licht soll aus der Finsternis hervorleuchten, der hat einen hellen Schein in unsre Herzen gegeben, dass die Erleuchtung entstünde zur Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes in dem Angesicht Jesu Christi.
So Paulus im zweiten Brief an die Gemeinde in Korinth, Kapitel 4 ab Vers 6. Für Paulus scheint es Wirklichkeit geworden zu sein. Das Licht, das Gott über der ganzen Schöpfung leuchten lässt, hat auch das Innerste, die dunkelste Stelle des Paulus erreicht.
Paulus redet dabei vom „Herzen“. Das ist der dunkle Ort, an dem das Wesen des Menschen zu finden sein soll.
Oder besser: An dem sein Wesen VERBORGEN ist. Lebenslang.
„Ein Mensch sieht, was vor Augen ist; der HERR aber sieht das Herz an.“ (1. Sam 16,7). Der HERR sieht ins dunkle Herz, niemand sonst kann das. Auch wenn Ärzte heute das anders sehen könnten.
Und in diesem Herzen gibt es mehr, als der Mensch verstehen kann. Es ist gebrochen, es ist voller Liebe, voller Angst, es ist fest, es hängt am Reichtum. Es ist bereit, es ist zerschlagen, es ist rein. Es ist verständig, es dichtet feine Lieder, ist fröhlich und voll Vertrauen, geläutert – und zerschmilzt wie Wachs.
So vieles ist darin, was unausgesprochen, widersprüchlich, voller Hass und voller Liebe zugleich ist, so dass der Mensch oft nicht anders kann, als es vor Gott auszuschütten. Von all dem ist in der Bibel zu lesen, von all dem singen die Psalmen (hier Ps 22-69), und sie singen so vom Menschen-Leben, das so ist und sein wird, so lang die Welt sich dreht.
Ich höre diese Lieder gern. Ich verstehe, dass die Augen Licht brauchen und das Herz Erleuchtung. Und ich wünsche mir auch so eine Erleuchtung wie sie Paulus hatte, für MEIN Herz.
In Paulus war Gott es, der „Erleuchtung“ entstehen ließ.
Im Griechischen steht dafür das Verb „lampein“, der gleiche Wort-Stamm, aus dem unsere „Lampe“ wurde. Diese schafft die „Erleuchtung… zur Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes in dem Angesicht …Christi“.
Ja, Erleuchtung – die hätte wohl jeder gern. Erkenntnis, die hell, die herrlich ist. Glänzend, so dass aller Schmutz und aller Gestank, alles Leid und alles Elend auf dieser Welt überstrahlt würde von einer Herrlichkeit, die nur Gott selbst sein kann.
Wenn ich diesen Vers in der Neuen Genfer Übersetzung lese, verstehe ich auch leichter, was Paulus mit dieser „Erleuchtung“ genau verbindet:
Denn derselbe Gott, der gesagt hat: »Aus der Finsternis soll Licht hervorstrahlen!«, der hat es auch in unseren Herzen hell werden lassen, sodass wir IN DER PERSON VON JESUS CHRISTUS den vollen Glanz von Gottes Herrlichkeit erkennen.
DAS ist die Erkenntnis des Paulus:
Dass im Menschen Jesus Gottes Herrlichkeit zu erkennen ist. Die GANZE Herrlichkeit. Oder vielleicht präziser:
Dass er, Paulus, in Christus Jesus Gott selbst erkannt HAT.
Das kann nicht jeder sehen, einfach so von außen.
Das ist tief in ihm. Das sieht Gott allein.
Ein innerer Wert. Kommt es im Leben nicht genau darauf an:
Auf die inneren Werte?
Und der, der das äußere Licht geschaffen hat aus dem Nichts, der schafft auch das innere. Das bis durch die Augen hindurch strahlt.
Das Licht am Anfang der Schöpfung – Gott ruft es und lässt es aus der Finsternis hervorleuchten, das große Licht, umfassend und für seine ganze Schöpfung.
Und das andere: das Licht ganz im Verborgenen, so dass es lange niemand sehen kann, bis die Augen leuchten. Gott selbst leuchtet dort hinein, wo es sonst ganz dunkel wäre, stellt die Lampe in das Herz des Paulus. Diese Erleuchtung nennen Menschen auch „Glauben“.
Paulus hält hier keinen Vortrag, er will niemandem etwas beibringen wie ein Lehrer seiner Schul-Klasse.
Paulus lehrt nicht. Er bekennt. Er bekennt seinen Glauben.
Er hätte ja auch von seiner Berufung reden können, damals vor Damaskus. Aber es geht Paulus hier eben nicht um das, was man aus seiner Bekehrung lernen kann. Sondern er will DEN bekennen, der ihn erleuchtet HAT. Maßgeblich ist, wer Urheber des Glaubens ist. Und Paulus bekennt:
Gottes Ziel mit den Menschen ist ihre „Erleuchtung“.
Paulus hat seine Erleuchtung ja „auf die harte Tour“ erfahren müssen, bei seiner Bekehrung vor Damaskus.
Als er plötzlich nichts mehr sehen konnte – und doch alles sah. Blind war und Klarheit bekam. Die Herrlichkeit Gottes fand. Sie ERKANNTE in Jesus, dem Christus, dessen Jünger er verfolgte.
Erkenntnis, dieses Ereignis höchsten Wertes –
dem „Herzen“ allein ist es klar, was dieses Erkennen bedeutet. Nur im Herzen wird durch die Erleuchtung Gottes
nicht nur der Mensch Jesus GESEHEN,
sondern die Herrlichkeit Gottes im Angesicht des Christus STRAHLEN.
Erleuchtung ist darum der größte Schatz des Paulus, und von dem schreibt er weiter:
7 Wir haben aber diesen Schatz in irdenen Gefäßen,
auf dass die überschwängliche Kraft von Gott sei
und nicht von uns.
Das Unerhörte für Paulus: Gott gibt sein ganzes Tun in„irdenen“ Gefäßen in diese Welt. Also Gefäßen aus Erde, genauer aus Ton.
Sie sind einfach, mit viel dickeren Wänden als die aus dem kostbaren Glas, Silber oder Porzellan. Und trotz ihre dicken Wände sind irdene Gefäße leichter zerbrechlich, schneller angeschlagen, noch schneller zerschlagen.
Aber sie sind preiswert und erfüllen ihren Zweck.
Wasserkrüge, Tassen, Teller, Zahnputzbecker, Nachttöpfe. Weinkelche. Bierkrüge!
Sie sind immer unverschlossen, bestenfalls einmal mit einem Deckel. Gott verschließt seinen Schatz nicht in mit Eisen beschlagenen Truhen oder in Tresoren, er legt sie nicht in Bankschließfächer, er lässt sie nicht von Scharen von Engeln bewachen. Jeder kann hineingreifen und sich bedienen.
So kann nur der mit Kostbarkeiten umgehen, der das, was er geschaffen hat, liebt. UNENDLICH Liebt. So liebt Gott.
So zeigt Paulus die überschwängliche Kraft Gottes auf. Sie ist so stark und vor allem: So unendlich, dass sie nicht von einem Menschen stammen kann.
Für ihn geht es hier nicht um die Überlegenheit des Weisen, den weder Freud noch Leid berühren können, wie es zu Lebzeiten des Paulus in der Philosophie der Stoa geübt wurde.
Paulus geht es auch nicht um das Ausharren im Leid „bis ans Ende“ der Märtyrer.
Aber er will am eigenen Beispiel zeigen, dass die Kraft Gottes selbst im Leid gegenwärtig ist und schreibt weiter:
8 Wir sind von allen Seiten bedrängt,
aber wir ängstigen uns nicht.
Uns ist bange, aber wir verzagen nicht.
9 Wir leiden Verfolgung, aber wir werden nicht verlassen.
Wir werden unterdrückt, aber wir kommen nicht um.
Wenn Paulus hier von „Wir“ spricht, spricht er nicht von sich allein im pluralis majestatis. Also nicht wie „Wir, Wilhelm, von Gottes Gnaden deutscher Kaiser“ (der letzte hatte übrigens in der vergangenen Woche seinen 165. Geburtstag…)
Wenn Paulus „Wir“ sagt, spricht er hier von seinem Mitarbeiterstab. Er hebt sich selbst nicht hervor. Denn Paulus und die Seinen fühlen gleich: Was auch passiert oder je passieren wird – Gott wird sie nicht aufgeben. Niemals.
Die „Erleuchtung“ hat ihr Leben ja nicht einfacher gemacht.
Nicht einmal im Leben der Gemeinden, die Paulus und seine Mitarbeiter gründeten. Anfeindungen und harte Auseinandersetzungen gab es selbst hier.
Doch Anfechtung und Leid auf der einen Seite
und die Bewahrung ihres Glaubens auf der anderen Seite
sind für sie kein Zufall, keine eigene Leistung, kein Ergebnis von Unterschriftensammlung oder Protest. Sie erleben sie als Kraft Gottes, als Macht über den Mächten dieser Welt, selbst als Macht über dem Tod.
Ihre Erleuchtung: Gottes Zeichen für diese Welt liegt „in dem Angesicht Jesu Christi“.
Meine Schwestern, meine Brüder,
für Paulus wird damit die Kraft der Taufe am eigenen Leib spürbar. Paulus glaubt, dass er in Christi Tod getauft ist und mit ihm in der Auferstehung gleich sein wird. Und schreibt hier weiter:
10 Wir tragen allezeit das Sterben Jesu an unserm Leibe,
auf dass auch das Leben Jesu an unserm Leibe offenbar werde.
Allezeit das Sterben Jesu am Leibe zu tragen – das meint nicht einfach nur das Leid derer, die wie Jesus hingerichtet wurden und als Märtyrer starben.
„Am Leibe tragen“ – im Griechischen sind damit Lasten Gemeint, die man nicht einfach absetzen kann wie eine zu schwere Tasche. „Am Leibe getragen“ werden zum Beispiel Wunden am Körper oder Kinder während der Schwangerschaft. Das Sterben Jesu, seine Passion, wird so als etwas beschrieben, dass zum eigenen Menschsein, zum eigenen Körper gehört.
Man hört immer wieder, wir hätten als Christen in unserem Land seit dem Fall der Mauer ja nichts mehr zu befürchten, hätten nichts zu ertragen, weil hier ja jeder glauben und bekennen könne, was er wolle.
Doch jeder von uns, der seine Erleuchtung, seinen Glauben „am Leibe trägt“, dessen Glaube also der wichtigste Schatz seines Lebens ist, leidet heute oft noch mehr als vor dem Fall der Mauer. Sticheleien und Intrigen in Betrieben, in Vereinen, sogar in Familien gegen Menschen, die sich offen als Christen zu erkennen geben, sie machen das Leben oft schwerer als vor der „Erleuchtung“.
Mir fallen da gleich zwei aktuelle Dinge ein: Der Umgang der Öffentlichkeit mit der Mitgliederumfrage der EKD, die uns angeblich sagen will, dass sämtliche Christen mit dem Schiff, das sich Gemeinde nennt, untergehen werden – wenn sie nicht endlich das Schiff wechseln.
Oder der Umgang der Öffentlichkeit mit der gerade veröffentlichten Studie für die EKD zur sexualisierten Gewalt, die uns angeblich sagen will, dass die evangelische Kirche noch ein viel größeres Problem hat als Parteien, Chöre, Sportvereine oder Familien: Allein weil sie behauptet heilig zu sein und ihr damit sowas nicht passieren dürfe, dass in ihren Reihen missbraucht und vertuscht wird. Ja, wir haben es schon immer gewusst: Diese Gemeinschaft der Heiligen ist die Gemeinschaft der Scheinheiligen…
Aber das Kontrastbild zu den irdenen Gefäßen des Paulus fällt mir auch ein: Die Spardose. Seit dem Mittelalter bei uns auch als Sparschwein verbreitet. Die sind auch „irdene Gefäße“, aber von den Menschen nur einem kleinen Schlitz versehen.
Rein geht alles leicht, raus eher nicht, was jeder weiß, der schon mal versucht hat Münzen oder gar Scheine wieder herauszubekommen, ohne Dose oder Schwein unter den Hammer kommen zu lassen. Ja, es gibt auch welche mit Luke unten, die man aufklappen kann. Aber die haben ein Schloss, brauchen also einen Schlüssel. Der Mensch teilt seinen „Besitz“ nicht mit jedem!
Die „Erleuchtung“ aber, unser Glaube, unser größter Schatz, ist Gottes offen, frei liegende Kraft. Jeder kann sie erleben und ausprobieren, leider auch missbrauchen. Doch das liegt wohl in der Natur des Wesens Gottes: Gottes Kraft beeindruckt den Menschen schon immer sehr, sie macht ihn aber nicht zum Sklaven, sondern macht ihn frei.
Davon spricht die Befreiung des Todes Jesu
durch die Auferstehung des Osterfestes. Nach dem Sterben Jesu kommt das Leben Jesu, das Osterfest.
Und auch das Osterfest ist eine Geschichte,
die mich der Weihnachtsbaum hat sehen lassen,
auf das wir jetzt im Kalender zugehen.
Ein wirklich schönes Licht hatte der Weihnachtsbaum,
durch das ich es erkenne:
Die Liebe Gottes, die Gnade unseres Herrn Jesus Christus
und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes
sind unser größter Schatz.
AMEN.