Unser Gottesdienst vom Sonntag Sexagesimae zum Nachhören ist für vierzehn Tage hier zu finden.
Worte und Wörter
werden Gerede
werden zur Last
nehmen Freude
machen das Hören schwer
Das Wort Gottes
Oase in jeder Wüste
Quelle lebendigen Wassers
selbst
in der Dürre
menschlicher Unzulänglichkeit
Das Wort Gottes zu hören
ändert alles
schafft Leben
wer Ohren hat, der höre
Heute, wenn ihr seine Stimme hören werdet,
so verstockt eure Herzen nicht.
WSp Hebräer 3,15
***
„Wir pflügen und wir streuen den Samen auf das Land,
doch Wachstum und Gedeihen stehn in des Himmels Hand“
Wenn wir jetzt gemeinsam die 508 singen würden: Manch einer würde den Kopf schütteln und denken, ich hätte mich im Termin für das Erntedankfest geirrt.
Denn heute ist der 4. Februar, wir haben Winter! Und vor Erntedank hätten man gerne noch einen wunderschönen Frühling für die Seele und einen warmen Sommer für den Leib – oder?
Im Bibeltext für heute geht es allerdings nur vordergründig um ein Bild aus der Landwirtschaft. Jesus lässt die Zuhörenden darüber auch nicht im Unklaren und erklärt, worum es ihm tatsächlich geht:
Es geht um die Geheimnisse des Reiches Gottes, die man nur erahnen kann, so groß sind sie. Aber beim Erahnen dieser Größe können Gleichnisse eine Hilfe sein. Eben auch Bilder aus der Landwirtschaft. Darum sagt Jesus nach Markus 4 (26-29):
26 … Mit dem Reich Gottes ist es so,
wie wenn ein Mensch Samen aufs Land wirft
27 und schläft und aufsteht, Nacht und Tag;
und der Same geht auf und wächst – er weiß nicht wie.
28 Denn von selbst bringt die Erde Frucht,
zuerst den Halm, danach die Ähre,
danach den vollen Weizen in der Ähre.
29 Wenn sie aber die Frucht gebracht hat,
so schickt er alsbald die Sichel hin;
denn die Ernte ist da.
So ist es mit dem Reich Gottes.
Ein Mensch wirft aus. Wer, erfahren wir nicht.
Vielleicht ein Mensch, der in der Landwirtschaft arbeitet und weiß, was er da tut. Vielleicht aber auch nicht.
Geht schlafen, steht wieder auf,
schläft wieder, steht wieder auf,
Tag und Nacht, Nacht und Tag.
Seine Saat aber – sie geht auf.
Sie wächst und wächst.
Ganz von allein.
Er weiß nicht wie.
Sie tut es von selbst.
Halm, Ähre, volle Frucht.
Dann kann geerntet werden.
Guter Weizen – das Warten hat sich gelohnt.
Ernte wird eingefahren.
Eine schwere Lebensübung:
Säen und Abwarten.
Wer kennt das nicht.
Viel kann man nicht machen.
Vielleicht mit Wasser besprengen, wenn es trocken ist. Vielleicht Unkraut jäten, wenn man dabei die jungen Weizenpflanzen nicht zertrampelt. Vielleicht, vielleicht, und keine Garantie zum Erfolg. Ein heftiger Hagel und es bleibt kaum noch etwas übrig.
Das ist nicht gut für mein Selbstwertgefühl.
Ich bin ja schließlich heraus aus dem Stadium des Jägers und Sammlers. Ich will mein Leben doch irgendwie in der Hand behalten, wenigstens so weit es geht. Wenigstens das schaffen, was zu schaffen ist.
Jesus erzählt dieses Gleichnis DEN Menschen,
die ihm nachfolgen.
Andere werden es auch hören oder lesen.
Aber die fragen nicht nach den Dingen HINTER den Bildern.
Sie sehen, als wenn sie nicht sehen, und hören, als hörten sie nicht (4,12).
Das ist die Kehrseite der Freiheit. Den anderen aber ist das Herz für das Wort Gottes bereits aufgeschlossen. Sie SUCHEN Gott, sehnen sich nach ihm, und sie haben einen Namen für den Ort ihrer Sehnsucht: Das Reich Gottes.
Und sie haben verstanden:
Das Reich Gottes ist irgendwie zwei Reiche.
Das ewige, himmlische Reich, das mit der Zeit und Endlichkeit dieser Welt und damit ihrer Beschränktheit nichts zu tun hat. Das ist der Ort, wo alles anders, alles besser sein wird. Das ist zwar wenig konkret, nicht mehr als eine große Unbekannte. Aber wenn alles anders, alles besser ist – dann ist das allen Hoffens wert.
Hier, auf dieser Welt, gibt es doch viel zu viele Menschen, die genau diese Hoffnung brauchen, um überhaupt überleben zu können. Für die ist die Hoffnung auf dieses Reich Gottes oft das Einzige, was sie in diesem Leben hält. Und tatsächlich: Die Hoffnung auf dieses ferne Reich macht es sogar möglich, schon hier auf der Erde darin zu leben.
Und da wären wir beim zweiten Reich Gottes.
Natürlich ist das kein ANDERES Land. Es ist TEIL des unendlichen und ewigen Reiches. Es ist gewissermaßen Staat im Staate. Und, davon können wir alle doch ein Lied singen:
Dieser kleine Staat im großen Staate ist uns ans Herz gewachsen, ist uns Lebenssinn und Lebensaufgabe.
Das ist auch keine große Überraschung.
Denn außerhalb dieses kleinen Reiches Gottes tobt das Leben in seiner ganzen Unbarmherzigkeit. Nicht nur, weil die Erde an vielen Orten brennt, wie in der Ukraine oder Nahost. Sondern weil diese Welt ist wie sie ist, die Menschen sind wie sie sind.
Und das wissen wir, WEIL wir hier leben, hier denken und hier fühlen, uns selbst jagen und treiben und auf Abwege führen lassen.
In der Hängematte bleiben? Etwa vom Bürgergeld leben müssen?
Das kann doch nicht Leben sein.
Fortschritt muss in die Welt.
Und schließlich soll die Rente reichen. Auch ohne Bürgergeld.
So müssen Bruttosozialprodukte wachsen, Tarife er-kämpft, Krankheiten be-kämpft, Missstände und Hunger abgeschafft werden. Das Leben MUSS besser werden, hier auf dieser geplagten Erde.
Schöner.
Und irgendwie auch länger.
So wird der Ruf immer lauter und drängender:
Ändert die Verhältnisse!
Wir brauchen nicht den Himmel im JENSEITS.
Wir brauchen den Himmel auf ERDEN!
Das Himmelreich hier, unter uns!
Doch sehen wir zurück:
Wir wissen, dass Menschen nach Gott, dem Schöpfer des Himmels und der Erde, FRAGEN und ihn SUCHEN. Sicher seit gut dreitausend Jahren, denn so lange schreiben die Menschen schon an unserer Bibel. Mindestens SO LANGE GIBT es sie also, die Hoffnung auf das ewige Reich Gottes und die Sehnsucht nach dem kleinen Reich Gottes auf dieser Erde.
Doch ist es wirklich gewachsen, größer geworden?
Durch die Jahrtausende hindurch regiert das Schwert.
Auch aus den Mündern der so genannten Gläubigen: Auf zur Vergeltung! Auf zum Kreuzzug! Gegen die Feinde des Volkes Israels! Vertreibt die Ungläubigen aus Jerusalem! Dann kommt es, das Reich Gottes.
Auf in den Heiligen Krieg! Tod den Amerikanern und der westlichen Dekadenz! Dann hat der Verfall des Unglaubens endlich ein Ende. 70 Jungfrauen für jeden Selbstmord -Märtyrer.
Schlachtfelder, wann und wo auch immer. Auch in den Gesellschaftssystemen, wenn ich die mal so nennen darf, ist es ähnlich.
Revolution, Diktatur des Proletariats, gesellschaftliches Eigentum der Produktionsmittel, jeder nach seinen Bedürfnissen, dann kommt die Gesellschaft der Gleichen, das Paradies auf Erden – erzählen Karl Marx und seine Jünger bis heute.
Ändert die Verhältnisse!
Macht euch stark für den demokratischen Rechtsstaat! Selbstheilung der Wirtschaft, Kampf für Demokratie und Menschenrechte, Freiheit für das Denken und die Geschlechter,
nicht nur hier, sondern überall, auch in Nordkorea, China, Taiwan, Iran, erzählen die Realpolitiker und ihre Jünger.
Ändert die Verhältnisse!
Und als ob das alles noch nicht traurig genug wäre:
Unserem kleinen Reich Gottes auf Erden schwimmen alle Felle davon, erzählt uns die Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung KMU. All unsere Glaubwürdigkeit droht dahinzufließen, erzählt uns die ForuM – Studie über sexualisierte Gewalt in der evangelischen Kirche. Ändert die Verhältnisse!
Lass das Land wie es ist, erzählt Jesus.
Streue einfach nur den Samen aus.
Gib ihn aus der Hand, überlasse ihn der Kraft der Erde.
Gib das Wort aus deinem Mund, überlasse es der Kraft des Geistes Gottes. Geh schlafen und steh wieder auf.
Lebe in der Nacht, lebe im Tag.
Denn WAS kannst du tun?
Kannst du die Ernte erzwingen? Kannst du dich bücken und an den Halmen ziehen, damit sie besser und schneller wachsen? Wird der Weizen besser, wenn er mit Schädlingsbekämpfungsmitteln oder Dünger überschüttet wird? Kannst du die Dürre besiegen, indem du dir das Wasser dagegen aus dem Boden holst?
Was KANNST du tun?
Kannst du das Reich Gottes erzwingen?
War es je sinnvoll, Menschen in die Kirche zu treiben, notfalls gegen ihren Willen zu taufen, mit Feuer und Schwert?
Wurde es je besser, seit man neue und immer neue Arbeitsformen erfindet und ausprobiert, von der Krabbelkirche bis zum Seniorentanz?
Konnte man je das Gottes-Reich auf Erden vergrößern, indem man Kirchen-Strukturen änderte, Kirchen-Gesetze erließ, Leitbilder für Mitarbeitende abfasste und aushängte?
Meine Schwestern, meine Brüder:
Natürlich kommen wir um Reformen nicht herum.
Niemals. Auch das gehört in diese Welt.
Denn Fehler, die man erkannt hat, einfach zu wiederholen:
Sowas tut kein Mensch, jedenfalls nicht freiwillig.
Das würde diesem Leben jeden Sinn nehmen.
Ich lerne:
Natürlich werde ich mir, um in Jesu Bild zu bleiben, stets genau ansehen, WELCHEN Samen ich in die Hand nehme. Schließlich soll die Ernte nicht nur essbar, sondern ein Genuss für Leib und Seele werden.
Natürlich werde ich mir, um in Jesu Bild zu bleiben, stets genau ansehen, WOHIN ich den Samen werfen. Ich weiß doch, dass es sich nicht lohnt, ihn einfach in die Havel zu kippen, nur weil er da immer genug Wasser haben wird.
Doch das Reich Gottes ist der Weg Gottes,
und Gottes Wege sind nicht meine Wege,
das war schon vorhin in der Lesung aus Jesaja 55 (8-11) zu hören. Ich kann Gott keinen Weg vorschreiben, ich kann nur seinen Weg mitgehen.
Das bedeutet:
Nicht mein Aktionismus ist gefragt, sondern mein Mut zum Dienen. Um im Bild Jesu zu bleiben:
Überlegen, WELCHEN Samen ich WOHIN säe.
Und dann Gott zu folgen, Nacht und Tag.
Denn so ist es mit dem Reich Gottes: Einer wirft aus. Geht schlafen, steht wieder auf, schläft wieder, steht wieder auf,
Tag und Nacht, Nacht und Tag. Seine Saat aber geht auf. Ganz von allein wächst sie. Er weiß nicht wie.
Sie tut es von selbst. Halm, Ähre, volle Frucht.
Dann wird geerntet werden.
Gottes Weg ist der Weg Jesu ans Kreuz.
Mit seiner Bergpredigt war eben keine Politik zu machen,
sagen viele.
Doch genau an DIESEM Weg ans Kreuz wächst auf,
wovon schon die Propheten schwärmten:
Da wird der Löwe liegen neben dem Lamm,
da werden die Schwerter zu Pflugscharen,
da wird Gott nicht nur auf den Lippen,
sondern in den Herzen sein.
Reich Gottes, von dem Jesus schwärmt:
Selig sind, die Frieden stiften. Die ihre Wesens – Armut nicht leugnen, sondern vor Gott bekennen. Selig sind, die Gottes Wort hören – und bewahren.
Das Wort vom Weg Gottes ans Kreuz nach bestem Wissen aussäen.
Mehr nicht.
Aber auch nicht weniger.
Der Mut zum Dienst an Gottes Wort, die Demut ihm zu folgen,
sie glaubt:
Die Liebe Gottes, die Gnade unseres Herrn Jesus Christus
und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes
sind guter Weizen.
Diese Ernte wird Genuss für Leib und Seele.
AMEN