Amos’ Zorn (Am 5 21-24)

Den Gottesdienst zum Nachhören mit Herrn Volkmann an den Tasten finden Sie für vierzehn Tage hier.

jesus christus
er nahm den tod in kauf
er gab sein leben in zahlung
er machte unser soll zum haben

Seht, wir gehen hinauf nach Jerusalem,
und es wird alles vollendet werden,
was geschrieben ist durch die Propheten
von dem Menschensohn.
Lukas 18,31
***

Aus 1. Korinther 13 – (Volx-Bibel):

EIN LIED ÜBER DAS WICHTIGSTE: DIE LIEBE
Ohne Liebe geht gar nichts!
Selbst wenn ich perfekt
alle Sprachen, die es auf der Welt gibt,
sprechen könnte,
auch die Sprache der Engel,
aber in alldem,
was ich darin reden würde,
wäre keine Liebe,
dann wären meine Wort wie Müll,
sie wären ohne Bedeutung, hohl und leer.
Selbst wenn ich in einer Tour
prophetische Worte von Gott bekommen würde,
wenn er mir
alle geheimen Fragen über die Welt beantwortet hätte
und ich so ein Vertrauen auf Gott haben würde,
dass Berge auf mein Gebet hin verschwinden,
aber ich würde all das ohne Liebe tun,
dann wäre das immer noch nichts, es würde nichts bedeuten.

Und selbst wenn ich alles, was mir gehört,
an Obdachlose und Penner verschenken würde,
ja selbst wenn ich mein Leben für andere riskieren
und dabei sterben würde,
aber ich würde das nicht aus Liebe machen,
es wäre für die Tonne und umsonst.

Liebe ist entspannt,
sie mag Menschen,
sie ist nett zu Leuten.
Neid ist für sie ein Fremdwort,
sie sieht nicht von oben auf andere runter,
angeben hat sie nicht nötig
und sie markiert auch nie den dicken Macker.
Liebe will Leute nie fertigmachen,
und sie will auch nicht
das fetteste Stück vom Kuchen haben.
Die Liebe lässt sich
nicht so schnell aus der Ruhe bringen,
und sie verzeiht,
wenn man link zu ihr war.
Sie hat keinen Bock drauf,
wenn jemand abgelinkt
und ungerecht behandelt wird.
Sie feiert,
wenn die Wahrheit siegt
und alles korrekt zugeht.
Die Liebe ist nicht totzukriegen,
sie hört nie auf zu vertrauen,
sie verliert nie die Hoffnung,
sie übersteht jede Krise.

Die Sachen, die immer bleiben werden,
sind der Glaube, die Hoffnung und die Liebe.
Am fettesten kommt aber die Liebe, sie steht über allem.

GNADE SEI MIT EUCH und Friede von dem,
der da ist, der da war und der da kommt. Amen!

Wir haben ein wichtiges Jubiläum verpasst, letztes Jahr wäre es gewesen: Fünfzig Jahre Ölkrise 1973. da war er, der Ur-Lock down für Deutschland.
Natürlich nur im Westen, nicht etwa hier bei uns.

Als im Herbst 1973 der Benzinpreis auf über 70 Pfennige anstieg, war das ein schwerer Schock für alle, die Auto fuhren. (Hier bei uns waren das über Jahrzehnte hinweg bis zum Ende der DDR konstant 1,65 Mark für den Liter Super – beim Schwarzmarktkurs von 1:10 für Wessis ein echtes Schnäppchen…) Die Bundes-Regierung von Willy Brandt reagierte damals mit drastischen Maßnahmen, um Energie zu sparen.

Autofreier Sonntag, Schlangen wie im Osten selbst in der BRD, nur nicht beim Bäcker oder dem Werkzeugladen, sondern an der Tankstelle. Rollschuhe, Fahrräder und Wandergruppen auf leeren Autobahnen. Ein VW-Bus mit vorgespannten Pferden auf der Landstraße.

Blöde Witze: „An unserer Tankstelle gibt es jetzt einen ganz neuen Service.“ „Ach, welchen denn?“ „Nach dem Volltanken stellen sie dir einen Seelsorger.“ Flotte Sprüche: „Die Dicken können fahren, die Dünnen müssen sparen.“ Oder „Beim Tanken einfach mal nach Benzin vom Vortag fragen. Klappt ja beim Bäcker auch.“

Eine Karikatur: Ein Mann betritt ein durch rote Lampen am Eingang kenntliches Etablissement. Als offensichtliches Zahlungsmittel trägt er zwei Zwanzigliterkanister Benzin hinein. Bild-Unterschrift: Tempora mutantur.
Lateinisch für: Die Zeiten ändern sich.

Während der „Neuen Deutschen Welle“ sang Markus 1982: „Und kost‘ Benzin auch drei Mark zehn, scheiß egal, es wird schon gehn…“, und manch eine sang das dann leise oder gar laut nach, als die Supersäule am 10. März 2022 2,25.9 €/Liter anzeigte (und einfach mal zwei genommen wären das ja 4 Mark 50 je Liter).
Tempora mutantur.

Tempora mutantur auch bei Kirchens.
Lag 1970 der Anteil der Westdeutschen, die irgendwie einer christlichen Kirche oder einer der anderen Glaubensgemeinschaft angehörten, bei 96,1%, wird sie in Gesamtdeutschland in diesem Jahr deutlich unter die 50%- Marke fallen. Das kann man werten wie man will: Ein Grund zur Freude ist das für aber sicher für kaum jemanden von uns.

Ich erzähle das alles deshalb, weil mir das „Tempora mutantur“ wichtig erscheint, wenn ich über den Bibeltext von heute nachdenke. Aus dem Buch des Propheten Amos, 5 21-24 (Luther 1984):

21 Ich bin euren Feiertagen gram und verachte sie und mag eure Versammlungen nicht riechen.
22 Und wenn ihr mir auch Brandopfer und Speisopfer opfert, so habe ich kein Gefallen daran und mag auch eure fetten Dankopfer nicht ansehen.
23 Tu weg von mir das Geplärr deiner Lieder; denn ich mag dein Harfenspiel nicht hören!
24 Es ströme aber das Recht wie Wasser und die Gerechtigkeit wie ein nie versiegender Bach.

Brandopfer, Speisopfer, Dankopfer. Das sind nur drei von fast zwanzig Opferarten, von denen im ersten Teil unserer Bibel die Rede ist. Aber alle haben eines gemeinsam: Sie sind Gottesdienst.

Und so könnte man fragen: Was sollte uns dieser Bibeltext heute angehen? Fette Dank- und Speiseopfer haben weder in christlichen Gottesdiensten noch gesunden Ernährungsplänen Platz.

Brandopfer gibt es bestenfalls in der Weihrauchdose unserer katholischen Geschwister oder beim Pfarrer, der seine Pfeife raucht. Beim Singen geben wir uns redlich reformierte Mühe, außerdem haben wir extra einen Organisten hier, damit keiner von uns Harfe spielen muss. Also, wozu heute über Amos nachdenken?

Doch: Tempora mutantur. Die Zeiten HABEN sich eben sehr verändert. Verstand sich Israel damals doch als Kultusgemeinde: Israel und Gott, das gehörte untrennbar zusammen. Viel stärker noch als in der Bundesrepublik nach dem zweiten Weltkrieg, wo sich fast alle zu einer Kirche gehörig fühlten.

Das sollten wir nicht aus den Augen verlieren, wenn wir über die Frage nachdenken: Was hat Amos so aufgebracht, als dieser Text vor fast dreitausend Jahren entstand?

760 Jahre vor Christi Geburt: In Nord- Israel regierte König Jerobeam II., ein Erfolgsmensch, der an der Spitze seines Staatswesens drei Jahrzehnte lang regierte. Nicht lächerliche 16 Jahre wie Frau Merkel, bei der viele erleichtert waren, als sie in Rente ging.

Zu Jerobeams Zeiten herrschte Wohlstand. Der positive Ausgang eines Krieges mit Damaskus und Syrien hatte zur Folge, dass der Norden verlorene Gebiete im Osten jenseits des Jordan zurückerhielt. Israel gewann außenpolitisch wieder Ansehen. Die Grenzen waren befriedet. Die Wirtschaft verbuchte einen Aufschwung.

Die Menschen im Norden fühlten sich als die Gottestreuen. Im Südreich Juda ging man seine eigenen Wege; vom gemeinsamen Gott Israels war im Norden kaum noch die Rede. Das gab den Nordstaatlern das Gefühl, auf der richtigen Seite zu stehen. Man fühlte sich auf der sicheren Seite, weil man in guter alter Tradition zusammenstand.

Opferriten und Opferfeste gehörten einfach zum guten Ton, sie waren die kulturellen Höhepunkte des Lebens. Feiertage gehörten zum festen Kulturgut. Lieder sang man aus voller Kehle,
die Posaunen- und Harfenbegleitung war professionell. Die Opferriten alter Zeiten hatte man bewahrt; die Priester verfuhren nach allen Regeln überlieferter Kunst, um Gott zu ehren.

Und das war für Amos der Punkt: Gott die Ehre NEHMEN – das tat zwar niemand offen. Aber sie ihm wirklich zu GEBEN – das taten nur wenige. Man war sich vielmehr selbst genug: Wirtschaftlicher und außenpolitischer Erfolg bestätigten das. Der Weg ist richtig! Weiter so!

Darum nimmt Amos das Wort „Gottesdienste“ gar erst nicht in den Mund. Er redet von „Feiertagen“ und „Versammlungen“. Amos erkennt: Hier fragt niemand nach GOTT und dem, was DER vielleicht wollen könnte. Es geht vielmehr um Selbstdarstellung und den Dienst am Zeitgeist. Und dieser Zeitgeist sieht im ordentlich vollzogenen Opfer – Kult einen Garant für die Erhaltung von eigenem Wohlstand und politischer Bedeutung.

Solche Selbstdarstellung als „Gottesdienst“ zu bemänteln – das macht aus dem Viehzüchter und Maulbeerbaumveredler, also einem echten Bauern, einen zornigen Propheten. Den will zwar niemand hören, den setzt man darum irgendwann vor die Tür – aber den Mund verbieten lässt der sich nicht.

Liest man weiter im Buch Amos, begreift man seinen Zorn noch besser: Am gewachsenen Wohlstand Israels haben immer weniger Menschen überhaupt einen Anteil. Die Schere zwischen Reich und Arm wird stetig größer.

Auf der einen Seite schöne Häuser und üppige Feste, auf der anderen Seite die immer größer werdende Menge derer, die sich nicht nur das Opfern und Feiern, sondern vor allem das täglich Brot nicht mehr leisten können. Ich bin euren Feiertagen gram und verachte sie und mag eure Versammlungen nicht riechen.

Meine Schwestern, meine Brüder:

Tempora mutantur.
Die Menschen in UNSERER Gesellschaft stehen schon lange nicht mehr in Gefahr, „Kirche zu spielen“ und Gottesdienste zu missbrauchen. Da geht ja kaum jemand hin. Sie stehen eher in der Gefahr, mit „Gott“ überhaupt nichts mehr anfangen zu können, schon gar nicht mit der Frage, ob Gott ihr Leben zum Besseren wenden könnte.

Und das Verhältnis der Menschen zu Wohlstand und Reichtum hat sich in der Folge wohl seit Amos‘ Zeiten eher verschlechtert.
Im reichen Deutschland besitzen die wohlhabendsten zehn Prozent der Haushalte zusammen etwa 60 Prozent des Gesamtvermögens.

Die unteren zwanzig Prozent besitzen gar kein Vermögen. Der Sparkassenverband geht davon aus, dass inzwischen 60% der Menschen hierzulande auch gar kein Geld mehr zurücklegen KÖNNEN. Und etwa neun Prozent aller Haushalte haben sogar „negative Vermögen“, Klartext: Sie sind verschuldet.

Mit dieser schlechten Vermögens-Verteilung nimmt Deutschland in der Eurozone einen Spitzenplatz neben Österreich und den Niederlanden ein. Und weltweit gesehen ist es eigentlich noch schlimmer: Ende 2022 besaß ein gutes Prozent der Weltbevölkerung knapp 50 Prozent des weltweiten Vermögens.

Doch guter Rat ist teuer, ja unbezahlbar. Wie soll man es anstellen, dass das Weltvermögen dieser Welt nützlicher werden kann? Den Reichen einfach alles wegnehmen und es den Armen geben – das würde ja nur einen Moment lang funktionieren und dann in sein Gegenteil kippen.

Denn sehr bald hätte man gar keine Reichen mehr, weil keiner von denen mehr Lust hätte, reich zu werden. Scharen von Finanz- und Sozialpolitikern zerbrechen sich darüber seit Jahrhunderten ihre königlichen, diktatorischen oder demokratischen Köpfe, und in ihrer Politik wechseln sich Erfolge und Misserfolge ab. Eine wirklich gute Idee hatte da noch niemand.

Die Gefahr für MICH ist die, dass ich mich daran gewöhnt habe und mich immer öfter dem Gefühl überlasse, daran nichts ändern zu können. Und ich glaube, so wie mir geht es vielen.

Ich habe oft in meinem Leben über die Verteilung des Wohlstandes nachgedacht. War überzeugt davon, dass die Verteilung der Mittel in der DDR gerechter geregelt war als in der Bundesrepublik – bis die DDR pleite war.

Und das war sie, Zahlenspielereien hin oder her. Geld einfach auf Papier drucken – wir haben schon vor einhundert Jahren lernen müssen, dass das nicht funktionieren kann und man letztlich Aber-Milliarden für ein einziges Brot zahlen muss.

Und heute frage ich mich immer mal wieder, ob die Schweden es mit ihrer fast schon sozialistischen Lohn- und Sozialpolitik nicht eigentlich besser machen als wir hier in Deutschland.

Aber bei allem Nachdenken stellt sich bei mir immer wieder das Gefühl ein, ohnmächtig den Zahlen und Zahlenspielereien derer ausgeliefert zu sein, die mit Zahlen tagtäglich umgehen.

In meiner Kirche sieht das für mich übrigens nicht besser aus als in der deutschen Politik: Man kippt mich einfach mit Zahlen zu und ich weiß: Ohne ein Einser Mathe-Abi (mindestens!) habe ich hier nichts zu melden.

Ein Beispiel dafür, was man mit Zahlen alles machen kann, es geht noch einmal ums Tanken. In der Wikipedia kann man lesen:

„Im Jahr 1950 kostete ein Liter Normalbenzin … in der Bundesrepublik Deutschland durchschnittlich 56 Pfennige (heute inflationsbereinigt 1,84 €) und ein Liter Super 63 Pfennige (heute inflationsbereinigt 2,07 €) (Artikel „Entwicklung der Ottokraftstoffe“).

Wer hätte das gedacht, dass wir heute an der Tankstelle von Schnäppchen zu Schnäppchen fahren?

Ich kann das alles nicht mehr nachvollziehen, ich bin eben nur Pfarrer. Wie kann ich da die Welt gerechter machen?

Doch als Pfarrer habe ich schon eine deutlich bessere Ausbildung als der Viehzüchter und Baumveredler Amos. Und der konnte nicht nur Weckrufe. Der konnte auch schon Theologie. Der wusste, was er von seinem Gott zu erwarten hatte. Und er glaubte unbeirrbar an Gottes Zukunft mit uns:

Es ströme aber das Recht wie Wasser und die Gerechtigkeit wie ein nie versiegender Bach.

Für Amos gab es keine Zweifel:
Immer wenn der Mensch nach Gott fragt, WEIß er, wie er sich in der Welt bewegen sollte.
Dass die zehn Gebote KEIN leeres Geschwafel sind.
Dass Nächstenliebe und erst recht Feindesliebe keine sinnlosen Forderungen sind.
Dass Liebe der Punkt ist, auf den Gott uns ausrichten will, dass Liebe die Gerechtigkeit Gottes ist. Dass das goldene Kalb vom Thron der Anbetung herunter gehört.

Manchmal vergesse ich das. Gut, dass es Menschen wie Amos gab und gibt, die mich erinnern. Und wenn ich mich erinnern lasse, WER auf den Thron gehört, bin ich mir ganz sicher:

Amos hätte sich gefreut wie ein Schneekönig (gemeint ist übrigens der Zaunkönig, der selbst bei Eis und Schnee nicht in den Süden zieht sondern singt und hüpft, so dass man denken könne, er freue sich immer)- also:

Amos hätte sich riesig gefreut, wenn ER hätte lesen können, was knapp tausend Jahre später PAULUS in 1. Kor 13 geschrieben hat – wir haben es vorher in der Übertragung der Volx-Bibel gehört.

Denn Paulus führt aus, wovon Amos hier redet:
Es ströme aber die Liebe Gottes – so reich, dass jede und jeder von ihr haben kann. Sie solle immer fließen,
Gott setzt gegen alle Zahlen Gerechtigkeit, die Liebe. Sie fließt stetig, ist einer Quelle immer neuer Ideen und Anstrengungen. Sie findet ihren Weg zum Ziel, wie jeder Bach der irgendwann das Meer erreicht.
Und wie groß Gottes Liebe ist, werden wir in den nächsten Wochen wieder neu in Kreuz und Auferstehung Christi sehen

Tempora mutantur, ja die Zeiten ändern sich.
Wir LEBEN aber aus dem, was sich NIE ändert:

Die Liebe Gottes, die Gnade unseres Herrn Jesus Christus
und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes –

sie sind Gottes nie versiegende Bach,
der uns ans Ziel bringen wird.
AMEN

 

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