Gentlemans Botschaft (Luk 1 26-38)

Ave
sei gegrüßt Maria
dein Sohn ist Gottes Sohn
und nichts wird mehr sein
wie es war

Ave Maria
dein Sohn unser Herr
Sein Advent
ist unsere Zuversicht
weit über alle Sicht der Welt

Sein Advent ist Frieden
im Krieg der Zeiten
sein Advent ist
Recht und Gerechtigkeit
durch Ausrichtung des Erden-Lebens
auf den ewigen Gott

Freuet euch in dem Herrn allewege,
und abermals sage ich: Freuet euch!
Der Herr ist nahe!
Philipper 4,4.5b
***
„Ein wahrer Gentleman ist jemand, der nichts dem Zufall überlässt. Es reicht nicht, dass man sich tadellos kleidet und dass alles makellos gepflegt ist. Die ganze Erscheinung muss vollkommen sein. […] Sind die Fingernägel gut manikürt? Sitzt der Hut im rechten Winkel? Ist der Regenschirm so eng gerollt, wie es sich gehört? Alle diese Fragen muss ein Gentleman sich stellen, sobald er mit dem Frühstück fertig ist.“ – Nick Yapp: Der Gentleman. Handbuch der klassischen Herrenmode.

Erkennt man einen Gentleman tatsächlich von außen? Und dann noch einen wahren? „Der Ausdruck („Gentleman“) wurde in England geprägt und galt stets bei höheren Kreisen als besonderer Ausdruck britischen Nationalcharakters.“ meint das Lexikon (Wikipedia). Doch was sind „höhere“ Kreise?

ER war wohl tatsächlich ein wirklicher Gentleman. Denn wörtlich übersetzt bedeutet das ja: Liebenswürdiger, gütiger oder sanfter Mann. ER schreibt Geschichte – nicht, indem er versucht, die Welt zu verändern, sondern indem er die Veränderung der Welt beschreibt, die mit der Geburt des Jesus aus Nazareth begonnen hat.

Damit macht er nichts anderes als einige andere in seiner Zeit. Aber er möchte das anders machen: Er möchte der sein, der an Gründlichkeit und Breite der Quellen Maßstäbe setzt – und gleichzeitig beschreiben, warum Jesus nicht nur das Leben des frommen Israel, sondern der ganzen Welt verändert.

Dabei erkennt er, dass es zum sichtbaren, fast revolutionären Kern der Botschaft Jesu der Friede gehört, der sich in Gottes Nähe für den Menschen ausbreitet. Und dass dieser Friede DARAUF gründet, dass JEDER Mensch Ebenbild Gottes ist, und darum sich JEDER Mensch der Hochachtung und der Liebe Gottes sicher sein kann.

So liegt das Heil der Welt für ihn im Ende aller sozialen, gesellschaftlichen und religiösen Diskriminierung. Und dieses Ende kam für ihn mit Jesus Christus in diese Welt: Der Fleisch gewordenen Liebe Gottes.

Dem römischen Kaiser Augustus war es vielleicht gelungen, das römische Reich zu befrieden und eine lange Reihe blutiger Kriege und Bürgerkriege zu beenden. Doch wirklicher Friede war so nicht dauerhaft herzustellen – das konnte nur Gott selbst durch Jesus Christus, davon ist er überzeugt.

Und so schreibt der Gentleman mit Namen Lukas seine Bücher, die heute noch Bestseller sind, obwohl sie schon fast zweitausend Jahre alt sind. Sein „Evangelium“ und seine „Apostelgeschichte“ kennt fast jeder; sie waren und sind gerade in der Weihnachtszeit Dauerbrenner und damit Stoff für Musik und Literatur sowie für Gemälde, Film und Theater.

Und er scheut sich dabei nicht, gegen den Geist seiner Zeit gerade den sozial, gesellschaftlich und religiös Diskriminierten eine unüberhörbare Stimme zu geben. Er wird darum oft der „Evangelist der Armen“ genannt.

Eine spezielle Gruppe Geringgeachteter stellen in – nicht nur – seiner Zeit die Frauen dar. Und nach dem Zeugnis des Lukas ist Jesus gerade ihnen in einer Weise begegnet, die für seine Jüngerschaft völlig neue Maßstäbe setzte.

Darum beschreibt Lukas durch sein ganzes Evangelium hindurch die Wichtigkeit der Rollen, die Frauen spielen, und beginnt damit schon in der Kindheitsgeschichte Jesu. Maria, Elisabeth und Hanna bekommen durch ihn nicht nur Namen, sondern Gesicht und Bedeutung. Anders als bei Matthäus, bei dem Weihnachten aus der Perspektive des Joseph erzählt wird.

Es mag das Verdienst seines Verlegers Theophilus gewesen sein, dass wir Lukas heute noch kennen. Aber dass es die Weihnachtsgeschichte des Lukas ist, die noch heute das Weihnachtsfest maßgeblich für so viele Menschen überall auf der Welt bestimmt, das liegt an der Botschaft, die Lukas für uns aufbewahrt hat.

Denn diese Botschaft trifft den Kern der Hoffnungen, die die Menschen zu jeder Zeit hatten und haben: Dass ihnen die Liebe Gottes begegnet, die der Seele tiefen Frieden schenkt. Tiefer Friede strahlt denn auch aus den Bildern, die Lukas in die Weihnachtszeit der Menschheit gemalt hat.

Dazu gehört auch die Geschichte, die heute Predigttext ist. Aus dem Evangelium nach Lukas, Kapitel 1, ab Vers 26:

26Und im sechsten Monat wurde der Engel Gabriel von Gott gesandt in eine Stadt in Galiläa, die heißt Nazareth, 27zu einer Jungfrau, die vertraut war einem Mann mit Namen Josef vom Hause David; und die Jungfrau hieß Maria. 28Und der Engel kam zu ihr hinein und sprach: Sei gegrüßt, du Begnadete! Der Herr ist mit dir! 29Sie aber erschrak über die Rede und dachte: Welch ein Gruß ist das?
30Und der Engel sprach zu ihr: Fürchte dich nicht, Maria! Du hast Gnade bei Gott gefunden. 31Siehe, du wirst schwanger werden und einen Sohn gebären, dem sollst du den Namen Jesus geben. 32Der wird groß sein und Sohn des Höchsten genannt werden; und Gott der Herr wird ihm den Thron seines Vaters David geben, 33und er wird König sein über das Haus Jakob in Ewigkeit, und sein Reich wird kein Ende haben.
34Da sprach Maria zu dem Engel: Wie soll das zugehen, da ich doch von keinem Manne weiß?
35Der Engel antwortete und sprach zu ihr: Der Heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten; darum wird auch das Heilige, das geboren wird, Gottes Sohn genannt werden. 36Und siehe, Elisabeth, deine Verwandte, ist auch schwanger mit einem Sohn, in ihrem Alter, und ist jetzt im sechsten Monat, sie, von der man sagt, dass sie unfruchtbar sei. 37Denn bei Gott ist kein Ding unmöglich.
38Maria aber sprach: Siehe, ich bin des Herrn Magd; mir geschehe, wie du gesagt hast. Und der Engel schied von ihr.

Unüberhörbar feierlich die Anrede des Engels gegenüber einem jungen Mädchen. Da man damals Töchter schon mit 12-14 Jahren zu verheiraten pflegte, wird Maria kaum älter gewesen sein. Kein Wunder also, dass sie bei dieser Anrede erschrickt, die voller Anspielungen auf die Bibel ist.

Dass sie schon jetzt schwanger werden soll, ist für sich genommen MEHR als eine schlechte Nachricht. Insbesondere, weil sie noch nicht verheiratet ist.

Aber dass es Gottes Wille ist, der mit diesem Kind sein Reich groß machen will, eine gute. Sie wird damals kaum verstanden haben, was „Thron seines Vaters David“ oder „König sein über das Haus Jakob in Ewigkeit“ zu bedeuten haben. Damit haben ja auch wir Erwachsenen heute unsere Schwierigkeiten.

Aber sie hat instinktiv spüren können, dass Gabriel GOTTES Bote war. Und das Gott es gut mit ihr meinte. Dass sie wertvoll war für seine Geschichte und ihren Lauf. Und dass sie nicht die Einzige war, deren Leben aus den Angeln geriet, sondern dass es der hochbetagten Elisabeth anders und doch genauso ging.

Die Worte des Engels, bedeutungsschwanger und hochachtungsvoll – diese Worte verfehlen ihre Wirkung nicht. So kann Maria ohne Angst sagen: Es ist gut so. „Siehe, ich bin des Herrn Magd; mir geschehe, wie du gesagt hast.“

Meine Schwestern, meine Brüder,

die Weihnachtsbilder zeigen nicht, was sich außen abgespielt hat, sondern Verborgenes und Unsichtbares – ausgebreitet vor unser aller Augen.

Verborgen und unsichtbar ist das, was mit Maria geschieht. Doch Sonntag für Sonntag erinnern sich Christen an das, was Gott geschehen ließ: „geboren von der Jungfrau Maria“. Tausendmal von den Klugen dieser Welt für unmöglich gehalten und beiseite geschoben.

Doch wie groß die Macht Gottes wirklich ist, dass sie alle menschlichen Grenzen außer Kraft zu setzen und gegen alle menschliche Erwartung den Frieden der Seele stiften kann:

An kaum einer anderen Stelle wird das begreifbarer als hier, an diesem Weihnachtsbild der Jungfrau Maria, die dem Engel Gabriel begegnet.

Tausend Mal gemalt, besungen, geträumt. Weil der Gentleman Lukas es vermag, in uns die Sehnsucht nach der Liebenswürdigkeit, der Güte, der Sanftheit Gottes zu wecken und wachzuhalten. Indem er uns an der Schwelle des Raumes stehen lässt, in dem Maria Gabriel trifft.

Uns damit miterleben lässt, wie groß dieser Augenblick gewesen ist, an dem die Angst der Maria in Glaubensgewissheit und Freude verwandelt wird. Das kann man sehen, wenn man weiterliest vom Besuch bei Elisabeth oder vom Lobgesang der Maria: Aus Lebensangst wurde große Freude.

Freut euch, der Herr ist nahe! Er steht direkt neben euch. So wie Gabriel bei Maria. Und sagt: Was auch geschieht – fürchte dich nicht. Du bist Teil der großen Geschichte Gottes. Die einen Thron aufrichtet, so wie ihn die Welt noch nicht gesehen hat. Die heilig ist und die ganze Welt beherrscht.

Die die Grenzen der Naturgesetze und des Verstandes sprengen wird und euch erleben lässt: Nichts, kein Ding ist bei Gott unmöglich. Was auch geschieht – Gott wurde Mensch, dass ihr sehen, erleben und spüren könnt:

Der Friede Gottes, der größer ist, als all unser Denken es fassen kann, er bewahrt nicht nur unsere Leiber, sondern auch unsere Seelen in Christus Jesus, seinem Sohn, unserem Herrn.

AMEN

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