Nicht zu verstehen. Aber die Wahrheit. (1 Mose 22 1-19)

Unser Gottesdienst am Sonntag Judica zum Anhören ist für vierzehn Tage hier zu finden.

Ferner Gott
Seinen Sohn schickt er ans Kreuz
Fordert das Leid
Will das Opfer

Naher Gott
Gehorsam ist er
Dienend
Zu sehen durch alles Dunkel
Leben, aber anders

Der Menschensohn ist nicht gekommen,
dass er sich dienen lasse, sondern dass er diene
und gebe sein Leben
zu einer Erlösung für viele.
Matthäus 20,28
***

Dass die Passionszeit VOR ALLEM die Leidenschaft Gottes für seine Erde und nicht nur die Zeit des Leidens Christi zum Thema hat, ist in unserem Sprach-Gebrauch kaum noch zu erkennen.

Haben MENSCHEN eine Passion, ist das im Wesentlichen positiv besetzt: Ist man passioniert, ist man nicht leidend, sondern engagiert, mit dem ganzen Herzen bei der Sache. Da ist es egal, ob man etwas sammelt, ehrenamtlich arbeitet, einem Sport oder Hobby nachgeht: Kaninchenzucht, Zehnkampf oder Briefmarkensammeln aus Leidenschaft eben.

Redet man aber von der PASSIONSZEIT, also den sieben Wochen vor Ostern, geht es mit einem Male fast nur noch um die Angst in Gethsemane, um Gefangennahme, Verhör vor dem Hohen Rat, Folter und Kreuzigung. Doch damit ist nur eine FOLGE der Leidenschaft Gottes beschrieben, nicht aber die Leidenschaft selbst.

Gottes Leidenschaft für die Menschen:
Menschen, die Gott erleben, sind fasziniert von ihm. Sie erleben Gottes Handeln für diese und in dieser Welt und sind sicher: Gott will diese Welt, so wie sie ist und tritt darum für sie und seine Geschöpfe ein.

DAVON kann man in der Bibel lesen, von der ersten bis zur letzten Seite, von der Schöpfung über die Väter-, Königs – oder Hiobsgeschichten über die Evangelien bis zur Offenbarung an Johannes: All das sind Zeugnisse von Menschen über die göttliche Bewahrung des Erden-Lebens,
in denen die Größe Gottes manifest wird.

Ich glaube daran, dass die vielen Menschen, die das bezeugen, sich nicht irren KÖNNEN.

Nur VERSTEHEN – verstehen kann ich Gottes Passion gerade für uns Menschen nicht. Für diese Erde – ja, auch ich finde sie einfach wunderbar. Doch sind es nicht wir Menschen, die für diese Erde und das Leben darauf eher Last als Lust bedeuten?

Und nicht nur in dieser Zeit: Auch in der Ewigkeit Gottes!
Machen wir ihm nicht vom Anbeginn der Zeit nur Kummer und Ärger? Auch davon reden ja die Zeugnisse der Bibel.
DIESE Menschen hat er so geschaffen?
Diesen Menschen will er nahe sein?
Sie sollen seine Passion sein?

Doch Gott schickt sogar seinen Sohn in diese Welt, um uns so nah zu kommen wie nie zuvor. Daran glaube ich. Auch daran, dass Gottes Passion Folgen hat, die uns Menschen ein Leben möglich machen, das diesen Namen verdient. Ich glaube daran. Doch verstehen werde ich sie wohl nie so ganz, die Passion Gottes für seine Welt.

Genauso wenig wie ich Abraham verstehe, von dem heute in unserem Bibeltext die Rede ist. Hier wird davon erzählt, dass schon einmal ein Vater bereit gewesen sein soll, seinen Sohn herzugeben. Ich lese aus Genesis 22 (Elberfelder Bibel):

1 Und es geschah nach diesen Dingen, da prüfte Gott den Abraham. Und er sprach zu ihm: Abraham! Und er sagte: Hier bin ich!
2 Und er sprach: Nimm deinen Sohn, deinen einzigen, den du lieb hast, den Isaak, und ziehe hin in das Land Morija, und opfere ihn dort als Brandopfer auf einem der Berge, den ich dir nennen werde!
3 Da machte sich Abraham früh am Morgen auf, sattelte seinen Esel und nahm seine beiden Knechte mit sich und seinen Sohn Isaak. Er spaltete Holz zum Brandopfer und machte sich auf und ging an den Ort, den Gott ihm genannt hatte.

4 Am dritten Tag erhob Abraham seine Augen und sah den Ort von fern. 5 Da sagte Abraham zu seinen Knechten: Bleibt ihr mit dem Esel hier! Ich aber und der Junge wollen dorthin gehen und anbeten und zu euch zurückkehren.
6 Und Abraham nahm das Holz zum Brandopfer und legte es auf seinen Sohn Isaak, und in seine Hand nahm er das Feuer und das Messer. Und sie gingen beide miteinander.
7 Da sprach Isaak zu seinem Vater Abraham und sagte: Mein Vater! Und er sprach: Hier bin ich, mein Sohn. Und er sagte: Siehe, das Feuer und das Holz! Wo aber ist das Schaf zum Brandopfer?
8 Da sagte Abraham: GOTT wird sich das Schaf zum Brandopfer ersehen, mein Sohn. Und sie gingen beide miteinander.

9 Und sie kamen an den Ort, den Gott ihm genannt hatte. Und Abraham baute dort den Altar und schichtete das Holz auf. Dann band er seinen Sohn Isaak und legte ihn auf den Altar oben auf das Holz. 10 Und Abraham streckte seine Hand aus und nahm das Messer, um seinen Sohn zu schlachten.
11 Da rief ihm der Engel des HERRN vom Himmel her zu und sprach: Abraham, Abraham! Und er sagte: Hier bin ich!
12 Und er sprach: Strecke deine Hand nicht aus nach dem Jungen, und tu ihm nichts! Denn nun habe ich erkannt, dass du Gott fürchtest, da du deinen Sohn, deinen einzigen, mir nicht vorenthalten hast.
13 Und Abraham erhob seine Augen und sah; und siehe, da war ein Widder hinten im Gestrüpp an seinen Hörnern festgehalten. Da ging Abraham hin, nahm den Widder und opferte ihn anstelle seines Sohnes als Brandopfer.
14 Und Abraham gab diesem Ort den Namen »Der HERR wird ersehen«, von dem man heute <noch> sagt: Auf dem Berg des HERRN wird ersehen.

15 Und der Engel des HERRN rief Abraham ein zweites Mal vom Himmel her zu 16 und sprach: Ich schwöre bei mir selbst, spricht der HERR, deshalb, weil du das getan und deinen Sohn, deinen einzigen, <mir> nicht vorenthalten hast, 17 darum werde ich dich reichlich segnen und deine Nachkommen überaus zahlreich machen wie die Sterne des Himmels und wie der Sand, der am Ufer des Meeres ist; und deine Nachkommenschaft wird das Tor ihrer Feinde in Besitz nehmen.
18 Und in deinem Samen werden sich segnen alle Nationen der Erde dafür, dass du meiner Stimme gehorcht hast.

19 Dann kehrte Abraham zu seinen Knechten zurück, und sie machten sich auf und zogen miteinander nach Beerscheba; und Abraham ließ sich in Beerscheba nieder.

Ganz ehrlich: Ich bin in meinem ganzen Leben bisher niemandem begegnet, der mir zufriedenstellend erklären konnte, wie diese Abraham-Geschichte zu verstehen ist. Mir bleiben mehr offene Fragen als solche, die beantwortet wären. Und das, obwohl ich über sie immer wieder nachdenke, seit ich sie zum ersten Mal in meiner Kinderbibel gelesen habe, und das ist über 50 Jahre her.

Abraham hatte seinen Sohn Ismael mit seiner Mutter in die Wüste geschickt. Weil seine Frau Sarah ihn dazu getrieben haben soll.

Erst meinte sie, er solle mit ihrer Sklavin Hagar für einen Nachkommen sorgen. Ein damals übliches Mittel zum Erhalt der Sippe. Und Abraham tat, was von ihm erwartet wurde. Ismael wird Abrahams erstes Kind – der Sohn, der sein Erbe sein würde.

Dann aber, nachdem Sarah selbst ihren Sohn Isaak geboren hatte, hat sie die Gegenwart der Sklavin und ihres Sohnes nicht länger ertragen wollen. Isaak sollte einmal das Erbe seines Vaters antreten, die Sklavin mit ihrem Sohn verschwinden.

Von Abraham wird erzählt, dass ihm dieser Plan Sarahs übel aufstieß, dass aber Gott zu ihm gesagt habe, er solle tun, was seine Frau verlangte.

Übrig blieb nun Isaak. Und genau den sollte Abraham auf Geheiß Gottes nun als Brandopfer bringen? Also nicht nur hergeben, sondern sogar selbst umbringen, ihn schlachten? Verbrämt als Opfergabe?

Ich kann nicht begreifen, wie der Erzähler dieser Geschichte allen Ernstes darauf kommt, dass derselbe Gott, der Sarah und Abraham nach jahrzehntelangem Warten im hohen Alter ihren Sohn Isaak schenkt, den jetzt zum Spielball in der Beziehung zwischen Abraham und ihm werden lässt. Und, noch schlimmer: Dass Gott ein Menschenopfer fordert.

Doch ich kann in den Bildern dieser Geschichte auch schöne Dinge sehen.

Zuerst:
Leben wird als Unterwegssein mit Gott beschrieben. Das hebräische Verb halak findet sich siebenmal in unseren Versen (22,2.3.5.6.8.13.19). Das macht dieses Unterwegssein unübersehbar wichtig, ist doch die Sieben in der Bibel die Zahl der Fülle und Vollendung. Abraham ist und bleibt mit Gott unterwegs.

Dann:
Das Ziel des Weges soll das „Land Morija“ sein. Das ist als solches gänzlich unbekannt, so dass sich Abraham auf Gottes Geheiß wieder einmal in ein völlig fremdes Gebiet aufmacht, von dem niemand etwas zu sagen weiß. Nach der Überlieferung in 2. Chr 3,1 wird dieser Name auch für den Tempelberg von Jerusalem gebraucht. Wenn das zutrifft, betritt Abraham diesen heiligen Berg zum ersten Mal, weil er auf Gott hört.

Schließlich:
Abraham erliegt der Versuchung nicht, sich selbst zum Maßstab der Dinge zu machen. Stattdessen ist für ihn die Frage nach Gottes Willen wichtiger als alles, was er hat, selbst wichtiger als sein Sohn Isaak.

Er betrachtet seinen Sohn nicht als sein Eigentum, sondern als Geschenk Gottes. Er beansprucht ihn nicht für sich, weiß sein Lebensglück nicht an ihn, sondern an Gott gebunden. Gott ist der, der sein Leben steuert und steuern soll, sein eigenes Wollen und Trachten stellt Abraham hinter das Wollen und Trachten Gottes zurück.

Abraham ist bereit, seinen Sohn, in dem seine ganze irdische Zukunft liegt, als Gabe Gottes anzunehmen – und ihn auch wieder an Gott zurück zu geben. Er ist jemand, der Gott wirklich nichts vorenthält: ALLES legt er in Gottes Hände.

Damit setzt der Urvater des Glaubens an Gott den Maßstab des Glaubens. Den wird auch Jesus später bestätigen, wenn er im Garten Gethsemane nach Markus 14 betet: „Abba, Vater, alles ist dir möglich; nimm diesen Kelch von mir; doch nicht, was ich will, sondern was du willst!“ (V 36)

Meine Schwestern, meine Brüder:

Die Theologen des Neuen Testamentes hatten es noch nicht so schwer mit diesem Text wie ich. Natürlich, sie waren ja zeitlich viel näher an der Überlieferung des alten Testamentes, näher an den alten Gottesvorstellungen, die für mich heute unglaublich und fern sind.

Je länger es uns Menschen gibt, desto präziser wird ja der Blick unseres kollektiven Denkens auf Gott. Mag es zum Beispiel zu Zeiten Jesu noch viele Menschen gegeben haben, die Krankheit und Tod als konkrete Strafe Gottes für eine konkrete Person begriffen, gibt es heute nur noch sehr wenige, die das so sehen.

Zwei Stellen im Neuen Testament, die auf die Abraham-Geschichten Bezug nehmen, sind mir besonders wichtig geworden.

Der Schreiber des Hebräerbriefes denkt (Kap 12):

„Durch den Glauben hat Abraham den Isaak dargebracht, als er versucht wurde, und gab den einzigen Sohn dahin, … 19 Er dachte: Gott kann auch von den Toten erwecken; als ein Gleichnis dafür bekam er ihn auch wieder.“ (V 17,19)

Damit denkt er: Schon für Abraham war der Glaube an die Auferstehung von den Toten kein Hirngespinst, sondern zwangsläufig. Gott KANN, was kein Mensch kann. Darum ist JEDER Weg mit Gott ein Weg, der ins Leben führt.

Und dann ist da noch Paulus, der im Römerbrief immer wieder auf Abraham als den Urvater unseres Glaubens hinweist und dann mit Sicherheit auf unsere Geschichte hier Bezug nimmt, wenn er in Kapitel 8 schreibt:

„Ist Gott für uns, wer kann wider uns sein? Der auch seinen eigenen Sohn nicht verschont hat, sondern hat ihn für uns alle dahingegeben – wie sollte er uns mit ihm nicht ALLES schenken?“ (V 31f)

Ja – die uralte Geschichte von Abraham schreibt mir in mein Glaubens-Stammbuch:
Dieses Leben ist zu groß, als dass ich Pläne und Wege Gottes ergründen oder gar verstehen könnte. Darum ist es für mich auch unmöglich, die Leidenschaft Gottes für mich im Besonderen und die Menschheit im Allgemeinen zu verstehen.

Doch ich glaube auch: Gottes Passion ist Wahrheit. Und das macht mein Leben zu einem von Gott geschützten Leben, was immer ich auch erleben werde.
Von DIESEM Schutz reden die biblischen Zeugen von Noah über Abraham und David bis zu den Propheten.

DAVON redet auch Jesus, und in seiner Passion und Auferstehung wird es für alle Zeit sichtbar:

Die Liebe Gottes, die Gnade unseres Herrn Jesus Christus
und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes

sind sicher zu groß, um sie zu verstehen.
Aber genauso sicher ist es wahr:
Sie machen unser Leben zu einem Leben unter Gottes Schutz,
was immer auch auf dieser Erde geschehen mag.
AMEN

MUSIK

LIED EG 83: 1.6.7
1. Ein Lämmlein geht und trägt die Schuld
der Welt und ihrer Kinder;
es geht und büßet in Geduld
die Sünden aller Sünder;
es geht dahin, wird matt und krank,
ergibt sich auf die Würgebank,
entsaget allen Freuden,
es nimmet an Schmach, Hohn und Spott,
Angst, Wunden, Striemen, Kreuz und Tod
und spricht: »Ich will’s gern leiden.«
6. Das soll und will ich mir zunutz
zu allen Zeiten machen;
im Streite soll es sein mein Schutz,
in Traurigkeit mein Lachen,
in Fröhlichkeit mein Saitenspiel;
und wenn mir nichts mehr schmecken will,
soll mich dies Manna speisen;
im Durst soll’s sein mein Wasserquell,
in Einsamkeit mein Sprachgesell
zu Haus und auch auf Reisen.
7. Wenn endlich ich soll treten ein
in deines Reiches Freuden,
so soll dein Blut mein Purpur sein,
ich will mich darein kleiden;
es soll sein meines Hauptes Kron,
in welcher ich will vor den Thron
des höchsten Vaters gehen
und dir, dem er mich anvertraut,
als eine wohlgeschmückte Braut
an deiner Seite stehen.

 

Dieser Beitrag wurde unter Predigten abgelegt und mit , , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.