Unterwegs sein
ein ganzes Leben
Neugier
man will sehen
gesehen werden
Aber wohin wenn man müde wird
wo Station machen
Ankommen
wohlfühlen
zuhause sein
Sehnsucht
nach leichtem Gepäck
nach Heimat
Und Christus spricht:
Kommt her zu mir alle,
die ihr mühselig und beladen seid;
ich will euch erquicken.
Matthäus 11,28
***
Aus 1. Kor 14:
1 Strebt nach der Liebe!
Bemüht euch um die Gaben des Geistes,
am meisten aber darum, dass ihr prophetisch redet!
2 Denn wer in Zungen redet, der redet nicht zu Menschen, sondern zu Gott; denn niemand versteht ihn:
im Geist redet er Geheimnisse.
3 Wer aber prophetisch redet, der redet zu Menschen zur Erbauung und zur Ermahnung und zur Tröstung.
23 Wenn nun die ganze Gemeinde an einem Ort zusammenkäme und alle redeten in Zungen, es kämen aber Unkundige oder Ungläubige hinein, würden sie nicht sagen, ihr seid von Sinnen?
24 Wenn aber alle prophetisch redeten
und es käme ein Ungläubiger oder Unkundiger hinein,
der würde von allen überführt und von allen gerichtet;
25 was in seinem Herzen verborgen ist, würde offenbar,
und so würde er niederfallen auf sein Angesicht,
Gott anbeten und bekennen, dass Gott wahrhaftig unter euch ist.
LASST UNS BETEN:
Gott,
wenn du sprichst,
lädst du alle Menschen ein,
in deine Gegenwart zu kommen.
Wir bitten dich:
Lass uns die Sprache deiner Liebe hören,
damit wir auch den Menschen,
die uns fremd oder fern sind,
in Liebe begegnen
und all das zum Besten wenden,
was in unserer Macht liegt.
AMEN
GNADE SEI MIT EUCH und Friede von dem,
der da ist, der da war und der da kommt. AMEN!
Das scheint ja nicht sonderlich schwer zu sein, diesem Rat des Paulus zu folgen: Weniger Zungenrede, mehr prophetische Rede, und schon wird die Gemeinde wachsen.
Damals in Korinth, heute in Hohenbruch und Brandenburg. Wenn dann jemand Neues zu uns käme, egal ob sonntags in den Gottesdienst oder irgendwann in der Woche zu irgendeiner Gemeindeveranstaltung, der würde uns einfach verstehen können und sich in der Gemeinde gleich wie zuhause fühlen.
Zugegeben, zunächst klingt erst einmal anders: „der würde von allen überführt und von allen gerichtet“ (V 24) – das hört sich so an, als müsste er seine Seele vor allen ausziehen und stände dann ziemlich nackt da. Da würde sich wohl kaum jemand wie zuhause fühlen.
Aber so meint es Paulus auch nicht, denn er schreibt, dass am Ende dieser neue Besucher, egal ob weiblich, divers oder männlich, „niederfallen“ würde „auf sein Angesicht, Gott anbeten und bekennen, dass Gott wahrhaftig unter euch ist“ (V 25). Dazu aber kann niemand gezwungen werden. Also muss etwas ganz Außergewöhnliches geschehen sein, wenn jemand FREIWILLIG so etwas macht.
„Von allen gerichtet“ ist dann in dem Sinne der letzten Strophe des Liedes nach der Predigt gemeint (EG 133,13): „Richt unser ganzes Leben allzeit nach deinem Sinn…“ – es geht also um kein Strafgerichtsverfahren, sondern um eine Neuausrichtung des Lebens. Wenn aber das Leben auf Gott hin ausgerichtet ist, dann hat man nichts mehr zur fürchten, dann ist sein Leben heil, also wirklich gut geworden.
Und das wollen wir doch: Alle, die in unsere Gemeinde kommen, würden hier DAS Leben finden, wonach sie schon lange suchen.
Wenn wir weniger in Zungen reden und mehr prophetisch.
Doch vieles, ja ALLES ist leichter als das. Manch einer von uns kann vielleicht in ANDEREN Zungen reden, weil er russisch oder englisch oder schwedisch verstehen und sprechen kann. Aber das hat nichts mit Zungenrede zu tun, wie sie auch heute noch in mancher christlichen Gemeinschaft während des Gottesdienstes üblich ist.
Dieses „Zungenreden“ gehört weder in Hohenbruch noch in Brandenburg zum Alltag unserer eher kopflastigen reformierten Gemeinde. In unserer ganzen evangelischen Kirche steht diese geistliche Ekstase, in der Geräusche den Menschen verlassen, die niemand anderes verstehen kann als Gott selbst, nicht wirklich hoch im Kurs.
Wir reden, beten, singen und predigen hier in Deutsch. Das ist in der Regel die Muttersprache derer, die in unsere Gottesdienste kommen. Das ist gerade keine Zungenrede.
Doch prophetische Rede, also eine, durch die ALLE hier zu Gott finden würden, haben wir damit noch nicht. Nicht einmal für die unter uns, die fast JEDEN Gottesdienst hier besuchen. Wie aber soll das erst bei solchen Menschen funktionieren, die als Gäste oder gar als Unkundige kommen?
Ein spannendes Thema, das uns auch gerade in den Bibelgesprächen freitags beschäftigt. Dort lesen wir zwar nicht den ersten Korintherbrief, aber den Brief des Paulus an die Gemeinde in Rom. Und dazu Ausschnitte aus dem Römerbriefkommentar von Karl Barth. Und im Römerbrief wird diese Frage vertieft: Warum kann man die Botschaft Jesu Christi nicht einfach anderen so weitersagen, so dass sie auch ankommt, von jedem verstanden wird?
Paulus legt dar: Evangelium bedeutet, dem lebendigen Gott zu begegnen. Wir haben in unserer Gemeinde also vom lebendigen Gott zu reden.
Und DAS ist eigentlich eine unmögliche Rede.
Denn der Mensch kann doch nur verstehen, was er irgendwie sehen oder nachvollziehen kann. Aber all das kann Gott nicht sein, sonst wäre er ja nicht Gott.
Der Mensch kann diese Welt, die Schöpfung, einen anderen Menschen SEHEN. Gott aber, den Schöpfer nicht nur dieser Welt, sondern dieses und jeden Universums kann er nicht sehen. Er kann relative Unendlichkeit vielleicht DENKEN, aber nicht fassen. Die Menge der Zahlen ohne Ende, das Weltall ohne Ende, gekrümmte Räume: Schon das bringt uns Menschen an das Ende des Verstehens.
Aber wie sollen wir dann Gott denken können, der all das geschaffen hat, der also größer sein muss als das alles, der also wirklich unendlich ist?
Wir können Zeiträume von Millionen von Jahren irgendwie denken. Wir wissen auch, dass irgendwann in für uns ewig weit entfernter Zukunft die Kraft der Sonne aufgebraucht sein wird.
Doch schon die Dauer eines Menschenlebens überfordert uns immer wieder. Je länger etwas her ist, desto schwerer die Erinnerung. Oder könnt ihr euch noch an euren ersten Schultag erinnern? Wenn es nicht ein Foto von mir gäbe: Malte mit Schultüte – ich erinnerte mich an nichts.
Und dass wir sterben müssen, wissen wir, ohne uns das aber vorstellen zu können.
Wie aber sollen wir dann Gott denken können, der ohne Anfang und Ende, ohne Geburt und Tod, also wirklich ewig ist?
Das ist ein großes Dilemma: Menschen können gar nicht anders, als nach Gott zu fragen, nach ihm zu suchen, sie müssen es einfach tun. Denn angesichts der Endlichkeit des eigenen Lebens, der Endlichkeit dieser Welt kann es nur bei dem Trost geben, der unendlich und ewig ist: Bei Gott.
Aber wo immer und wann immer Menschen zusammenkommen, um Gott näher zu kommen, wo sie also so etwas wie „Kirche“ sind, stehen sie auf verlorenem Posten. Sie müssen über etwas reden und können es nicht.
Karl Barth beschrieb das 1922, also vor fast genau einhundert Jahren, so: „Wir sollen … von Gott reden. Wir sind aber Menschen und können als solche nicht von Gott reden. Wir sollen Beides, unser Sollen und unser Nicht-Können wissen und eben damit Gott die Ehre geben“.
Je länger wir im Bibelgespräch über Paulus nachdenken und Barth hören, desto besser können wir begreifen, was gemeint ist:
Von Gottes Unendlichkeit können Menschen immer wieder etwas erahnen, wie ein Blitzlicht oder der Moment des Donners. Theologie ist eine wirklich spannende Sache, weil sie einem Menschen solche Momente durchaus bescheren kann.
Was aber ist mit den Menschen, denen solche Gedanken einfach zu abstrakt oder zu schwer sind? Denen Theologie einfach KEINE Freude macht oder zu hoch ist und denen die Bibel viel zu kompliziert ist? Denen alle Gottesdienste bisher zu lang, zu unverständlich oder zu lebensfern sind? Oder gar alles auf einmal?
Was wird also mit Menschen, denen also all das, was wir hier reden, beten, singen und predigen, immer noch so etwas wie Zungenrede ist:
Etwas, das ihnen fern ist und fern bleibt?
Wie können diese Menschen Gott begegnen?
Auch wenn wir unter uns oft den Ruf nach völlig anderen Gottesdienstformen, nach radikal anderer Sprache hören: Diesen Menschen hilft kein Prediger, der so zündend reden kann, dass er Sonntag für Sonntag Fußballstadien zu füllen vermag.
Da hilft auch keine Band mit Gospelchor, die die Menschen in diesen Stadien zum rhythmischen Klatschen, Tanzen und Mitsingen bringen. Und ich glaube, auch uns selbst würden diese Versuche nur Abwechslung bringen, aber nicht wirklich weiterhelfen.
Nein: Menschen sind darauf angewiesen, dass der richtige Mensch im richtigen Moment das Richtige sagt.
Das kann die Krankenhausseelsorgerin sein, die einem Kranken einfach nur zuhört oder ihn mit Öl salbt oder mit ihm betet.
Das kann aber auch die Sekretärin sein, die von einem wichtigen Augenblick ihres Glaubens mit dir redet.
Das kann AUCH der Pfarrer bei einer Predigt am Sonntag oder zu einer Beerdigung sein.
Genau das ist es, was Paulus unter „prophetischer Rede“ versteht. Dass der richtige Mensch im richtigen Moment das Richtige sagt. Dass er redet „redet zu Menschen zur Erbauung und zur Ermahnung und zur Tröstung“ (V 3).
Doch auch das ist keine Garantie dafür, dass man sein Gegenüber auch mit der Gottesbotschaft erreicht. Das Alte Testament ist ja voll von Berichten des Scheiterns, gerade auch der großen Namen wie Mose oder Jesaja.
Der einzige, der dieses Scheitern verhindern kann, ist Gott selbst. Der Geist Gottes ist es, der bewirken kann, dass aus meinem oder aus deinem Wort ein Moment wird, in dem ein anderer dem lebendigen Gott begegnen kann. Darum schreibt Paulus ja gleich zu Beginn: „Bemüht euch um die Gaben des Geistes“ (V 1)
Meine Schwestern, meine Brüder:
Diese Mühe ist ALLES, was wir selbst leisten können. Paulus wird noch deutlicher: „Strebt nach der Liebe!“ ( V 1) Und die hat er ja kurz vorher im berühmten Kapitel 13 beschworen und geschrieben:
„Wenn ich mit Menschen- UND mit Engelzungen redete und hätte der Liebe nicht, so wäre ich ein tönendes Erz oder eine klingende Schelle. Und wenn ich prophetisch reden könnte und wüsste alle Geheimnisse und hätte allen Glauben, sodass ich Berge versetzen könnte, und hätte der Liebe nicht, so wäre ich nichts.“ (13, 1.2) Auch Johannes wird später einen ähnlich bekannten Vers schreiben: „Gott ist die Liebe, und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm.“ (1. Joh 4,16)
Alle anderen Mühen um klare Sprache, um geeignete Gottesdienstformen, um Reformen der Verwaltung oder der anderen Kirchenstrukturen werden nichts nützen. Auch unsere Gemeindefusion nicht. Es würde auch nichts nützen, wenn wir in Geld schwimmen würden, wenn wir noch so viele Katecheten, Jugendmitarbeiter und solche für unsere Büros oder die Diakonie anstellen könnten.
Alle diese Bemühungen werden nichts nützen, wenn ihnen das Streben nach Liebe fehlt. Das Streben nach der Liebe Gottes, die genauso unendlich und ewig ist wie Gott selbst. Die jeden von uns auffangen und tragen kann.
Und das betrifft uns alle, so wie wir hier sitzen: Strebt nach der Liebe! Wendet euch dem anderen mit offenem Herzen zu. Versucht, ihm ein wirklicher Freund zu sein. Ihm zur Seite zu sein, zu begleiten, zuzuhören. Freundlich und entgegenkommend zu sein, eben liebevoll: NUR so kann man herausbekommen, was der andere gerade nötig hat. Welche Form der Liebe helfen kann.
Strebt nach der Liebe! Dieses Streben kann man nicht wegdelegieren. Nicht auf den Besuchskreis, nicht auf irgendwelche hauptamtliche Mitarbeiter, nicht auf den Nachbarn. Dieses Streben hat auch nur wenig bis nichts mit bestehenden Strukturen zu tun. Sondern einzig und allein mit mir selbst.
Hört in euch hinein: Die wirklich schönen Stunden des Lebens sind die, in denen man die Erfahrung macht, wirklich an- und ernstgenommen, in Schutz genommen, geliebt zu sein.
Wer diese Erfahrung macht, ist auch selbst in der Lage, jemand zu sein, der der Richtige ist, der im richtigen Augenblick weiß, was er zu sagen hat. Der prophetisch reden kann bei der Begegnung mit dem lebendigen Gott.
Die Sprache Gottes:
Seine Liebe, die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes.
Er sei mit euch allen.
Strebt nach seiner Liebe!
AMEN