Liebesgeplänkel (1 Pet 3 8-17)

Den kompletten Gottesdienst gibt es hier für vierzehn Tage zum Nachhören.

Urteile
das ist gut
das ist verwerflich
Urteile gehen leicht über Menschen-Lippen

DAS Urteil aber liegt allein bei Gott
Seine Gerechtigkeit öffnet uns
Augen und Herzen
allein SEINE Liebe ist es
die Vergebung und Leben schafft
wir können nicht mehr tun
als das

Einer trage des andern Last,
so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen.
(Gal 6,2)
***
Aus 1. Pet 3:

10 …”wer das Leben lieben und gute Tage sehen will,
der hüte seine Zunge, dass sie nichts Böses rede,
und seine Lippen, dass sie nicht betrügen.
11 Er wende sich ab vom Bösen und tue Gutes;
er suche Frieden und jage ihm nach.
12 Denn die Augen des Herrn sehen auf die Gerechten,
und seine Ohren hören auf ihr Gebet;
das Angesicht des Herrn aber (…wendet sich gegen) die, die Böses tun” (Psalm 34,13-17).

8 (Also)… seid allesamt gleich gesinnt, mitleidig, brüderlich, barmherzig, demütig. 9 Vergeltet nicht Böses mit Bösem oder Scheltwort mit Scheltwort, sondern segnet vielmehr, weil ihr dazu berufen seid, auf dass ihr Segen erbt.

13 (Denn) … wer ist’s, der euch schaden könnte,
wenn ihr dem Guten nacheifert?
14 Und wenn ihr auch leidet um der Gerechtigkeit willen,
so seid ihr doch selig.
Fürchtet euch nicht vor ihrem Drohen und erschreckt nicht;

15 heiligt aber den Herrn Christus in euren Herzen. Seid allezeit bereit zur Verantwortung vor jedermann, der von euch Rechenschaft fordert über die Hoffnung, die in euch ist,
16 und das mit Sanftmut und Ehrfurcht, und habt ein gutes Gewissen, damit die, die euch verleumden, zuschanden werden, wenn sie euren guten Wandel in Christus schmähen.
17 Denn es ist besser, wenn es Gottes Wille ist, dass ihr um guter Taten willen leidet als um böser Taten willen.

 

Hildegard von Bingen, Edith Stein.
Albert Schweizer, Friedrich von Bodelschwingh.
Martin Luther, Karl Barth.
Dietrich Bonhoeffer, Pater Maximilian Kolbe.
Martin Luther King, Mutter Teresa.

Alles Namen von Menschen, die einmal in der Nachfolge Christi lebten und so berühmt wurden, das viele Menschen heute ihre Namen und ihre Geschichte kennen.
Vielleicht konntet ihr ja sogar mit allen Namen etwas anfangen?

Das waren Menschen, die Mystik erschlossen, Wegweisendes in der Nächstenliebe leisteten, das Wort Gottes für andere hörbar machten. Nonnen, Mönche, Pfarrer. Einige von ihnen starben für ihren Glauben sogar den Märtyrer – Tod.
Christen zum Vorzeigen und Nachahmen.

Ich bin von einem Vorzeigechristen weit entfernt. Wenn ich die Worte aus dem Petrusbrief lese, weiß ich das mehr denn je. Mich erfasst irgendwie Hilflosigkeit, denn ich kann nicht anders als vielen zu vieles schuldig zu bleiben.

Andererseits –
grenzenloses Mitgefühl: Welcher Mensch kann das haben?
Wer übt uneingeschränkte Barmherzigkeit?
In welcher Gemeinde, ja in welcher Familie herrscht Eintracht, gleiche Gesinnung?
Wo stößt Liebe nicht täglich an ihre Grenzen?
Nicht einmal frisch Verliebte lieben maßlos.
Selbst die Menschen mit den großen Namen von eben, konnten die das alles? In mir nagen da Zweifel.

Doch fraglos hat Petrus recht. Böses mit Bösem heimzahlen, das muss unterbrochen werden, denn es führt nur zu Leid und Elend. Im Großen wie im Kleinen.

Da muss man doch nur nach Israel-Palästina sehen, wo man sich stellvertretend für das an eigener Haut erlittene Unrecht immer neu mit Raketen beschießt oder mit Bomben bewirft.

Wenn das Uno-verbriefte Recht auf Menschen-Würde und Freiheit für alle Menschen, also nicht nur für Israelis, sondern auch für Palästinenser gilt, bleibt Unrecht Unrecht, auf beiden Seiten und für beide Seiten. Und die angestrebte Justizreform wird es den Regierenden in Israel noch leichter machen, den Schein des Rechts über eigenes Unrecht leuchten zu lassen. Doch das wird alles nur noch schlimmer machen.

Und wenn man in Familien, im Beruf oder in der Gemeinde nicht immer neu aufeinander zugeht, genau hinsieht, wie das Gegenüber lebt, und wie es sich dabei zwangsläufig verändert: Dann kann einfach nichts gut werden.

Da ist die Sprüche-Palette des Scheiterns groß. Vom „So, wie du arbeitest, will ich mal Urlaub machen“ über „Du hast doch nicht mehr alle Pellen auf der Zwiebel“ bis zum unverhohlenen „Du mieser Armleuchter“ oder noch Schlimmerem reicht sie.

Und diese Palette ist auch in meinem Wortschatz vorhanden, meist leise für mich, manchmal allerdings auch laut hörbar für mein Gegenüber. Manchmal kocht eben das Adrenalin den Ärger so hoch, dass mir die Galle überläuft.

Da kommt mir Petrus zunächst vor wie ein Oberlehrer mit erhobenem Zeigefinger: Benimm dich wie ein ordentlicher Christ! und ich weiß, dass ich daran gescheitert bin und scheitern werde.

Wer gute Tage sehen will, der tue selber Gutes? Der Volksmund weiß es doch anders: „Schlechten Leuten geht es immer gut“. Ich kenne nicht wenige in meiner Gemeinde, die das selbst nicht im Scherz sagen.

Sie haben am eigene Leibe erfahren, dass sich das Tun des Guten keineswegs immer auszahlt. Dass die Nachbarn, die über den Glauben lachen, gesund sind, während in der eigene Familie Krankheit und Leid den Alltag bestimmen. Der Ehrliche ist oft genug der Dumme.

„Vergeltet nicht Böses mit Bösem, sondern segnet vielmehr“ – soll das Böse also ungestraft bleiben? Dieser Satz scheint doch völlig unbrauchbar zu sein in dieser Welt, in der es Krieg, Verfolgung und Terror gibt, und in der Betrüger und Demagogen frei herumlaufen oder gar Präsident werden dürfen. In dieser Welt, wo nicht einmal Kinder, Greise oder Abendgäste in einer Bar sicher sein können vor Gewalt und Missbrauch.

Was also stimmt daran, dass ich Gutes tun soll, wenn ich gute Tage erleben will?

Doch auf den zweiten Blick erkenne ich Petrus ganz ohne den erhobenen Zeigefinger. Ich muss nur den ganzen Brief lesen, lang ist er ja nicht. Da steht im zweiten Kapitel (V9) zum Beispiel der Satz:

„Ihr aber seid ein auserwähltes Geschlecht, ein königliches Priestertum, ein heiliges Volk, ein Volk zum Eigentum, dass ihr verkündigen sollt die Wohltaten dessen, der euch berufen hat aus der Finsternis in sein wunderbares Licht.“

Heute im „Feiertag“ im Deutschlandradio Kultur hat der Theologe Fulbert Steffensky von seinem Vater erzählt. Der hatte seine Familie im armen Saarland der 30er Jahre mit einer kleinen Landwirtschaft durchzubringen und arbeitete dafür hart.

Aber sonntags zog er sich die besten Sachen an. Da fütterte er nur die Tiere, arbeitete nicht und war ein Mensch, der fröhlich und gelöst mit seiner Familie zu Tisch saß oder in den Gottesdienst ging. Aufrecht und mit einem Gang wie ein König, so Steffensky.

Königskinder seid ihr, Lieblinge des Höchsten, würdig die Krone zu tragen! Euch ruft der Höchste in eine Welt voller wunderbarem Licht! sagt Petrus.

Und weil ihr Königskinder seid, wie eure Großväter und Urgoßmütter im Glauben, könnt ihr auch leben wie sie. Denkt an ihre Weisheit, wie sie in Psalm 34 zu lesen ist:

10 …”wer das Leben lieben und gute Tage sehen will,
der hüte seine Zunge, dass sie nichts Böses rede,
und seine Lippen, dass sie nicht betrügen.
11 Er wende sich ab vom Bösen und tue Gutes;
er suche Frieden und jage ihm nach.
12 Denn die Augen des Herrn sehen auf die Gerechten,
und seine Ohren hören auf ihr Gebet;
das Angesicht des Herrn aber (…wendet sich gegen) die, die Böses tun” (Psalm 34,13-17).

Auch wenn es auf dieser Welt den Anschein hat, dass es schlechten Leuten immer gut geht – dem Höchsten ist nicht gleichgültig, was seine Königskinder tun und lassen. Denn er möchte, dass sie gute Tage sehen in ihrem Leben, an die sie sich gern erinnern. Dass sie dieser guten Tage wegen gern leben – trotz allem, was dagegen zu sprechen scheint.

DARUM sollen sie Gutes tun, und nicht Schimpfwort mit Schimpfwort vergelten. Sie sollen über ihre Königskindschaft reden – nicht überheblich und siegessicher, sondern zurückhaltend, freundlich und mit deutlich spürbarem Respekt vor dem Gegenüber. So, wie es der tat, dem sie nacheifern in ihrem Leben.

Wie er sollen sie nicht fluchen, sondern segnen: Denn die Königskinder können sich des Segens des Höchsten sicher sein. DANN werden sie gute Tage sehen, die so wertvoll sind, dass alle bösen überstanden werden können. Dann wird ihr Glaube an Christus in ihrem Herzen so groß werden können, das nichts und niemand ihnen auf dieser Welt einen ernsten Schaden zufügen kann:

13 (Denn) … wer ist’s, der euch schaden könnte,
wenn ihr dem Guten nacheifert?
14 Und wenn ihr auch leidet um der Gerechtigkeit willen,
so seid ihr doch selig.

Oder wie Paulus es schreibt: NICHTS, aber auch gar nichts kann euch scheiden „von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserm Herrn“ (Röm 8, 39)

Meine Schwestern, meine Brüder,

genau da verschwindet für mich auch der erhobene Zeigefinger, den ich vorhin noch hinter den Worten des Petrus gesehen zu haben meinte. Denn es ist hier so wie in der Eingangsszene eines meiner Lieblingskinderbücher, das ich bestimmt schon zwanzig Mal gelesen habe.

In Erich Kästers „Emil und die Detektive“ gibt es ganz am Anfang eine wirklich schöne Abschiedsszene. Während Emil und seine Mutter am Bahnhof auf den Zug warten, der ihn in das große und gefährliche Berlin bringen soll, beginnt sie:

„Lass nichts liegen, mein Junge! Und setz dich nicht auf den Blumenstrauß! Und den Koffer lässt du dir von jemand in das Gepäcknetz heben. Sei aber höflich und bitt erst darum!“
„Den Koffer hebe ich selber hinauf. Ich bin doch nicht aus Pappe.“ „Na schön. Und verpass nicht, auszusteigen.“
„Nur keine Bange, junge Frau!“
„Und sei vor allem zu den anderen Leuten nicht so frech wie zu deiner Mutter. Und wirf das Papier nicht auf den Fußboden, wenn du deine Wurstbrote isst. Und – verlier das Geld nicht.“

Emil griff sich entsetzt an die Jacke und in die rechte Brusttasche. Dann atmete er auf und meinte: „Alle Mann an Bord.“ Er fasste die Mutter am Arm und spazierte mit ihr auf dem Bahnsteig hin und her. „Und überarbeite dich nicht, Muttchen! Und werde ja nicht krank! Du hättest ja niemand, der dich pflegen könnte. Ich nähme auf der Stelle ein Flugzeug und käme nach Hause. Und schreib mir auch einmal! Und ich bleibe höchstens eine Woche, dass du’s nur weißt.“
Er drückte die Mutter fest an sich.
Und sie gab ihm einen Kuss auf die Nase.

Auch hier: Eine ganze Reihe von Ermahnungen, erst von der Mutter an den Sohn, dann vom Sohn an die Mutter. Aber unschwer als Liebesgeplänkel erkennbar. Da wird ganz Überflüssiges gesagt, völlig Selbstverständliches und sogar Albernes. Und am Ende umarmt er sie, und sie gibt ihrem Jungen einen Kuss auf die Nase.

So ein Liebesgeplänkel finde ich auch hier im Petrusbrief. Ihr seid Königskinder! LEBT, was ihr glaubt. Versucht, immer neu den Kreislauf des Bösen zu unterbrechen. Zurückhaltend, höflich, voller Respekt. Segnet diese Welt. Geht aufrecht: Sonst rutscht euch die Krone ins Gesicht.

Es lohnt sich! Denn selbst, wenn euch das Leben übel mitspielt: Ihr werdet gute Tage erleben, so wie auch schon eure Großmütter und Urgroßväter vor euch. So gute Tage, dass sie in eurer Erinnerung stärker sind als alles, was euch das Leben mies macht.

Die Liebe Gottes, die Gnade eures Herrn Jesus Christus und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes
werden diese Tage so wertvoll machen, dass sie eure Leiber und Seelen bewahren.
In die Ewigkeit des Höchsten.
AMEN

P.S.: Die Verse sind mir beim Vorlesen etwas durcheinander geraten. Lest am besten noch einmal nach: 1. Brief des Petrus, Kapitel 3, Verse 8-17

 

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