Scheidet die Geister (1 Joh 4)

Den kompletten Gottesdienst gibt es hier für vierzehn Tage zum Nachhören.

Sehen
zuhören
verstehen
helfen
lieben
Das ist LEBEN

Gesehen sein
erhört werden
sich verstanden wissen
Hilfe erfahren
geliebt sein
auf ewig
Das ist LEBEN MIT GOTT

Christus spricht:
Wer euch hört, der hört mich;
und wer euch verachtet, der verachtet mich.
So der Wochenspruch aus Lukas 10. (16)

***
Noch einmal aus Jeremia 23 ab Vers 16:

„Hört nicht auf die Worte DER Propheten, die euch weissagen!
Sie betrügen euch, sie verkünden euch Gesichte aus IHREM Herzen und nicht aus dem Mund des HERRN. …

Ich sandte die Propheten nicht, und doch laufen sie;
ich redete nicht zu ihnen, und doch weissagen sie…
Wer aber mein Wort hat, der predige mein Wort recht.“

So in der Bibel-Lesung gerade eben gehört.
Ich würde Jeremia ja wirklich gerne fragen wollen, wie er das versteht.
Woher soll ich wissen, welches Wort „aus dem Mund des Herrn“ kommt und welches nicht? Wer die falschen Propheten sind und wer die richtigen? Wer das Wort Gottes „hat“ und wer nicht?

Doch wenn Jeremia nicht schon längst gestorben wäre, würde er den Spieß vermutlich einfach umdrehen und fragen:
Wieso weißt du das nicht?
Warum hast du Theologie studiert, wieso predigst du fast jede Woche, wenn du das immer noch nicht weißt?

Als wenn die Antworten darauf so einfach wären.
Wenn ich länger darüber nachdenke, weiß ich sicher nur: Theologie habe ich studiert, weil ICH mich dafür entschieden habe. Ja, vielleicht gab es auch so etwas wie eine Berufung, so eine innere Stimme, die sagte: Mach das! Doch ob diese Stimme Gottes Stimme war? Da waren viele Stimmen in mir, die irgendwie miteinander stritten.

Die eine sagte:
Studiere Maschinenbau und werde Ingenieur. Du hast Spaß an Getrieben, an Autos, an Motorrädern. Also konstruiere selbst welche. Solche, die wirklich zu den Menschen passen. Die mindestens genau so gut sind wie die im Westen. Möglichst besser.

Diese Stimme kam aus meinem Onkel, der entwickelte damals bei Daimler Benz in Stuttgart Busse und LKW.

Die zweite Stimme sagte:
Studiere Musik. Gesang, Gitarre oder Klavier. Deine Stimme ist ausbaufähig, viele Sachen kannst du doch schon einfach so. Und wenn du dann noch fleißig üben würdest, dann könnte ein ordentlicher Musiker aus dir werden.

Das war die Stimme einer meiner Großmütter, die war Lehrerin und hatte ein gutes Gespür für die Begabungen, die in den Menschen steckten.

Die dritte Stimme sagte:
Studiere Theologie. Du rennst doch nicht drei oder vier Mal die Woche in die Junge Gemeinde, weil dich kalt ließe, was ihr da macht. Christ sein, Christ sein aus gutem Grund, für die Kirche arbeiten, die überall madig und schlecht gemacht wird, die für dich aber gut genug ist, um all deine Freizeit da zu verbringen: Werde Pfarrer und mach etwas draus!

Das war nicht die Stimme meines Vaters, der Pfarrer war und den ich eigentlich nur im Urlaub wirklich sah.
Auch nicht die meiner Mutter, die meinte, ich solle mir gut überlegen, ob mir das gut tun würde, so ein Leben als studierter Staatsgegner, der am Ende des Geldes mit Schrecken sieht, wieviel Monat noch übrig ist (niemand ahnte ja Anfang der 80er, dass das Jahr 89 alles ändern würde, selbst meine kluge Mutter nicht…)

Welche Stimme war nun diese dritte? War es Gottes Stimme? Oder die Stimme der menschlichen Vernunft, die zu mir sagte:

Ingenieur im Fahrzeugbau der DDR – das KANN in diesem System nur eine böse Enttäuschung für dich werden. Du wirst für den Papierkorb arbeiten. Du machst dich unglücklich.

Musiker – Musik ist Entspannung für dich. Egal ob du sie hörst oder machst. Aber wobei solltest du dich dann entspannen, wenn du die Entspannung zu deinem Beruf machst?
Außerdem sagte die andere Großmutter immer: Genie ist Begabung UND Fleiß. Hatte ich wirklich das Zeug dazu, mindestens acht Stunden am Tag Klavier, Gitarre oder Gesang zu üben?

Theologie – die Lehre von Gott. Da kannst du lernen, was wirklich Hand und Fuß hat, was dein Leben hält, auf welchem Fundament du stehst. Da kannst du lernen, warum es überall auf der Welt Christen gibt, nicht nur im „faulenden parasitären Kapitalismus“, wie mein Staatsbürgerkundelehrer immer sagte, sondern selbst unter den, wie ich fand, widrigsten Bedingungen: Also selbst im Kommunismus.

Woher kam also diese Stimme wirklich, der ich schließlich folgte?

Im Theologiestudium wurde ich dann mit der Bibel konfrontiert. Nicht, dass ich nicht vorher schon Bibel gelesen hätte. Nun aber konnte ich ihr nicht mehr entkommen. Auch nicht den Teilen, die ich immer lieber weggelegt hatte, weil sie mir eher unheimlich waren. Und ich bekam so denn auch weniger handfeste Antworten als vielmehr neue, schwerwiegende Fragen in meinen Kopf und mein Leben geschrieben.

Zum Beispiel:
Woher wusste Mose, dass Gott es war, der aus dem brennenden Dornbusch zu ihm sprach, der ihn Steintafeln mit Geboten vom Berg schleppen ließ, der ihn das gelobte Land sehen ließ, in dem Milch und Honig fließen würden?
War es derselbe Gott, der Saul in Ungnade fallen ließ, nur weil der nach gewonnener Schlacht nicht alle Frauen, Kinder und Greise der „Feinde“ umbringen ließ?
Konnte überhaupt irgendein Mensch „wissen“, was der unendliche, ewige Gott „wollte“? Und was sollte ICH dann über Gott „wissen“?

Als ich kurz vor der Wende dann ins Pfarramt ging, hörte ich von amerikanischen Pop-Ikone Prince dann eine Lied mit der Zeile: God is love, love is god.

Selbst mit meinen mageren Englisch-Kenntnissen wusste ich, was das übersetzt heißt: Gott ist Liebe, Liebe ist Gott. Das machte mich neugierig, worum es in diesem Song ging, der den merkwürdigen Titel „Anna Stesia“ trägt. Es war nicht einfach, im Osten an den Text zu kommen, aber wozu hatte man Freunde im Westen?

Gott ist Liebe, Liebe ist Gott: Auf diesen einfachen Refrain läuft dieses Lied zu. Prince beschreibt dabei, wie er seiner Einsamkeit im Erfolg des Popgeschäftes zunächst mit Drogen zu entfliehen suchte. Er beschreibt, wie er nach einem schlechten nächtlichen Trip mit Ecstasy (Anna Stesia…) eine Gotteserfahrung machte.

Am Ende dieser Nacht war ihm dann allerdings klar, das nicht Drogen, sondern nur der Glaube an Gott ihn aus dieser großen Einsamkeit führen konnte, und er fand eindrückliche Worte dafür:

Sprich mit mir, reiße mich hin, entzücke mich, befreie meinen Geist. Sag mir, was du von mir denkst. Lobe mich, mach mich verrückt, raus aus diesem Raum und dieser Zeit: Vielleicht, vielleicht, vielleicht könnte ich lernen zu lieben. Ich meine den richtigen Weg, ich meine den einzigen Weg… Näher am Himmel näher an Gott.

Rette mich, Jesus, ich war ein Narr. Wie konnte ich vergessen, dass DU die Regel bist.
Du bist mein Gott, ich bin Dein Kind. Von nun an werde ich für DICH wild sein. Ich werde schnell sein, ich werde stark sein,
ich werde DEINE Geschichte erzählen, egal wie lange… Nun, mein Herr, ich verstehe – Liebe ist Gott, Gott ist Liebe…

Diese Worte kleidete Prince in eine Musik, die sich von einer leisen Piano-Ballade in einen vielstimmigen Gospel verwandelt, und der wieder und wieder und wieder „Gott ist Liebe“ singt, bis das ganze Publikum in der Halle mitsingt.

Und mich zwar mitriss, aber auch irgendwie ratlos stehen ließ: Woher wusste er, was ich nicht wusste?
Heute denke ich: Er hat im 1. Brief des Johannes gelesen. Und geglaubt, was er dort im vierten Kapitel zu lesen bekam, zum Beispiel:

„Glaubt nicht einem jeden Geist, sondern prüft die Geister, ob sie von Gott sind; denn viele falsche Propheten sind hinausgegangen in die Welt. Daran erkennt ihr den Geist Gottes: Ein jeder Geist, der bekennt, dass Jesus Christus im Fleisch gekommen ist, der ist von Gott (V 1+2)

„Niemand hat Gott jemals gesehen… (V 12) Gott ist Liebe; und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm.“ (V 16)

Johannes hat den Mut, letztlich das auszusprechen, was der Mensch von Gott begriffen haben kann. Für mich geht er damit noch weiter als Paulus, der in 1. Kor 13 so eindringlich und mit wunderschönen Worten die Macht der Liebe beschreibt, auf die allein es im Leben ankäme.

Johannes geht einen mutigen Schritt weiter und sagt: Auch wenn kein Mensch jemals Gott gesehen hat und sehen werden kann: Jesus sehen wir.

Durch das Wirken Jesu, seine Worte über Gott, seine Wunder von Gott, sein Handeln durch Gott können wir endlich Gewissheit haben über Gott. In Jesus ist Gott so nah neben uns getreten wie nie zuvor, damit wir endlich die Geister voneinander scheiden und sicher sein können: Gott ist die Liebe in Person. Ganz sicher ist Gott unendlich viel mehr. Aber genauso sicher nicht weniger.

Meine Schwester, meine Brüder:

Ich glaube fest, dass Johannes sich nicht irrt. Denn ich glaube, dass in Jesus Gott selbst Mensch geworden ist.

Das muss Konsequenzen für mein Leben haben. Ich sehe auf Jesus und erkenne: Gott ist die Liebe. Und eben an der Liebe kann ich erkennen, was Gott für mein Leben sagt, was er will. Nicht umsonst oder unbedacht hat Jesus die Liebe als Gottes größtes Gebot beschrieben: Liebe Gott, liebe deinen Nächsten, liebe dich selbst.

An dieser Liebe kann ich die Geister oder die Propheten scheiden. An dieser Liebe entscheidet sich mein Leben: Die Liebe ist alles, ohne Liebe ist alles nichts.

Vieles ist über Gott gesagt und geschrieben worden, auch in der Bibel. Am Geist der Liebe Gottes scheidet sich Menschenwort von Gotteswort.

Vieles wurde, vieles wird über Gott gesagt und geschrieben. Auch über seine Kirchen in dieser Welt. An Stammtischen, in Zeitungen, in Rundfunk oder Fernsehen oder im Internet. Auch auf dem Kirchentag, der heute in Nürnberg zu Ende geht.

In allem galt, gilt und wird gelten: Die Liebe ist die Prüflatte für das Wort Gottes, und sie ist die Prüflatte für mein Leben. Das erleichtert mir mein Leben wesentlich, denn wenn ich glaube, dass alle Liebe in Gott ist, weiß ich, woran ich mich ausrichte, wonach ich von Gott aus-gerichtet und ge-richtet werde

Liebe ist alles im Leben, ohne Liebe ist alles nichts.
Prince hat das begriffen: „Rette mich, Jesus, ich war ein Narr. Wie konnte ich vergessen, dass DU die Regel bist. Du bist mein Gott, ich bin Dein Kind. Von nun an werde ich für DICH wild sein. Ich werde schnell sein, ich werde stark sein, ich werde DEINE Geschichte erzählen, egal wie lange…“

God is love – Gott ist Liebe.
Eine Liebe ohne die Grenzen, die ich oft in mir spüre, wenn ich täglich Menschen nicht verstehe oder ertrage. Gottes Liebe ist weit, so weit, dass sie keine Grenzen kennt. Sie schenkt Freiheit, die mich Ja oder Nein sagen lässt. Sie bringt mein Leben zurecht, zeigt mir fruchtbare Weide, rettendes Ufer und lebenslanges Zuhause.

Davon will ich auch singen, und da geht es mir wie Price: Egal wie lange.

Die Liebe Gottes, die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes

sind alles, worauf es im Leben ankommt.
AMEN

MUSIK
Jetzt gleich will ich mit dem Singen anfangen, singt doch einfach mit:
LIED Herr, deine Liebe ist wie Gras und Ufer 663

1. Herr, deine Liebe ist wie Gras und Ufer,
wie Wind und Weite und wie ein Zuhaus.
Frei sind wir, da zu wohnen und zu gehen.
Frei sind wir, ja zu sagen oder nein.
Kehrvers
Herr, deine Liebe ist wie Gras und Ufer,
wie Wind und Weite und wie ein Zuhaus.
2. Wir wollen Freiheit, um uns selbst zu finden,
Freiheit, aus der man etwas machen kann.
Freiheit, die auch noch offen ist für Träume,
wo Baum und Blume Wurzeln schlagen kann.
Kehrvers
Herr, deine Liebe ist wie Gras und Ufer,
wie Wind und Weite und wie ein Zuhaus.
3. Und dennoch sind da Mauern zwischen Menschen,
und nur durch Gitter sehen wir uns an.
Unser versklavtes Ich ist ein Gefängnis
und ist gebaut aus Steinen unsrer Angst.
Kehrvers
Herr, deine Liebe ist wie Gras und Ufer,
wie Wind und Weite und wie ein Zuhaus.
4. Herr, du bist Richter! Du nur kannst befreien,
wenn du uns freisprichst, dann ist Freiheit da.
Freiheit, sie gilt für Menschen, Völker, Rassen,
so weit wie deine Liebe uns ergreift.
Kehrvers
Herr, deine Liebe ist wie Gras und Ufer,
wie Wind und Weite und wie ein Zuhaus.

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