Den Himmel offen sehen (Joh 1 35-51)

Den kompletten Gottesdienst zum Nachhören finden Sie für vierzehn Tage hier.

Sie
predigen ihre Wahrheit
predigen Gesundheit und Schönheit
Reichtum und Erfolg
Selbstfindung und Autonomie
eine Welt die besser würde

Was predigt die Kirche Jesu Christi?
Wo finde ich Heil und Leben?
Wie wirst du gerettet?

Aus Gnade seid ihr gerettet
durch Glauben,
und das nicht aus euch:
Gottes Gabe ist es.
Eph 2,8
***
Der Zwölfjüngerkreis:
Große Namen, die in den frühen christlichen Gemeinden in aller Munde waren. Auch den meisten heute fallen Namen aus diesem Kreis ein, wenn auch sicher nicht alle, da müssen sie erst in der Bibel nachschlagen.

Aber Petrus oder Judas werden sicher erinnert, vielleicht sogar, dass es nicht nur einen mit Namen Judas im Zwölfjüngerkreis gab. Dass es genau zwölf waren, weil Israel zwölf Stämme hatte und das für das Angebot Gottes spricht, alle Menschen Heil finden zu lassen, die danach suchen.

Auch dass Petrus eigentlich ein Spitzname war für den Jünger namens Simon war. Doch Simons gab es zwei im Zwölfjüngerkreis, und DER Simon, der zum Sprecher dieses Kreises wurde, war eben Simon Petrus, der erste Bischof von Rom, wenn die Überlieferung sich nicht irrt.

Man geht heute davon aus, dass Ende des ersten nachchristlichen Jahrhunderts das Evangelium nach Markus in den entstehenden Christen-Gemeinden bekannt war. So wird auch die Gemeinde des Evangelisten Johannes das Markusevangelium gekannt haben, also auch die Namen des Zwölfjüngerkreises. So wie wohl heute jeder etwas mit Namen wie Dietrich Bonhoeffer, Martin Luther oder Hildegard von Bingen anfangen kann.

Der Evangelist Johannes erzählt hier seiner Gemeinde nun, wie Jesus zu seinen ersten Jüngern kam. Eine wunderbare, wirklich schöne Geschichte davon, wir die Gemeinschaft mit Jesus entsteht und zu wachsen beginnt.

Der Täufer zeigt auf Jesus: Seht, das Lamm Gottes! und zwei seiner Jünger hören das und folgen Jesus.
Andreas sagt das seinem Bruder Simon, und auch der folgt. Philippus wird gefunden, findet dann Nathanael und auch sie folgen Jesus.

Und zwei Tage später sind sie alle auf der großen Feier der Hochzeit zu Kana und dürfen dabei sein, wie Jesus aus abgestandenem Wasser edlen Wein werden lässt – und dabei nicht knausert: Ungefähr zweihundertvierzig Liter sollen es gewesen sein. Das wäre ein ganz schön großes Fass. So lohnt sich das Feiern.

Was aber hat diese schöne Geschichte mit uns zu tun? Mit dem, was unser Alltag ist? So leicht wie das bei Johannes den Anschein hat ist das Gemeindegliederfinden ganz sicher nicht. Auch dann nicht, wenn wir kommenden Monat auf ein Schild hinter „Jünger gesucht!“ in Klammern m/w/d schreiben würden und zwei Fässer Wein zum Höfefest ausgeben würden.

Genau besehen aber redet Johannes gar nicht davon, wie Jesus SICH seine Jünger sucht.

Vielmehr ist das eine Geschichte über Menschen, die auf der Suche sind, vom Zeigen, Kommen und Sehen, von Wundern und Skepsis, vom Finden und Gefunden Werden.

Der Täufer zeigt auf Jesus und sagt zu seinen Jüngern: Siehe, DAS ist Gottes Lamm! Das erinnert an das Passahlamm (Ex 12) und das Lied vom leidenden Gottesknecht (Jes 53). Das wissen die beiden. Also folgen sie dem Fingerzeig des Johannes und gehen Jesus hinterher.

WAS SUCHT IHR? (V 38)
Das sind die allerstersten Worte, die Jesus im Johannesevangelium spricht.
Was sucht ihr? fragt er die beiden Täuferjünger, die ihm folgen. WAS, nicht WEN. WEN sucht ihr? DIESE Frage gehört zu den letzten Worten Jesu in Freiheit, kurz bevor er gefangen genommen und gekreuzigt wird.

WAS sucht ihr also? Ja, was suchten die beiden? Offenbar weder einen Beruf noch ein Zuhause oder andere irdische Dinge. Denn sonst wären sie ja nicht Jünger des Johannes gewesen.

Doch eine Antwort auf diese Frage scheinen sie auch nicht zu haben, denn sie antworten Jesus zunächst mit einer Ehrenbezeugung und dann mit einer Gegenfrage.

Die Ehrenbezeugung:
Rabbi. Ein Wort in Jesu Muttersprache, das für die griechisch sprechende Gemeinde des Johannes erst noch übersetzt werden muss: Meister, wörtlich eigentlich Lehrer.

Mit dem hebräischen Wort Rabbi steht für die beiden Jünger Jesus in der Reihe der Lehrer Israels, die Gottes Willen erkennen können und darum gefragte Gesprächspartner sind auf der Suche nach Gott und seinem Willen für das eigene Leben.

Dann die Gegenfrage: Wo wirst du bleiben?
Ich höre das nicht als Frage nach der Herberge Jesu für die nächste Nacht oder nach seinem Wohnhaus.
Die beiden wollen nicht wissen, ob Jesus ein weiches Bett und ein hübsch eingerichtetes Zimmer hat.

Sie wollen vielmehr wissen, wo sie ihm begegnen, wie sie von ihm hören und lernen können. Sie fragen also eigentlich: Meisterlehrer, wo kann ich in deine Schule kommen? Wo ist der Ort, an dem du lehrst?

Genauso undeutlich, genau so wenig „zum Anfassen“ ist Jesu Antwort auf diese Frage:
„Kommt und seht! Sie kamen und sahen’s und blieben diesen Tag bei ihm. Es war aber um die zehnte Stunde.“ (V 39)

Wir erfahren nicht, WOHIN die beiden nun kommen. Genau so wenig, WAS sie dort zu sehen. Aber wir erfahren, dass es „um die zehnte Stunde“ war, also zehn Stunden nach Tagesbeginn. Tagesbeginn war damals um 6 Uhr unserer Zeit, zehn Stunden später war es also 4 Uhr nachmittags. Und wir erfahren, dass die beiden bei Jesus blieben – für den Rest des Tages.

HINTER Worten, die scheinbar nichts sagen, verbirgt sich das Wesentliche, ohne ausgesprochen zu sein: Wir wissen nicht, wohin sie gingen und was sie sahen, wohl aber, dass sie bleiben. Ganz offenbar sind sie bei ihrer Suche an einen Punkt gekommen, den sie nicht so schnell wieder verlassen wollten. Ich glaube: Sie haben auch erfahren, was Johannes von den anderen beiden erzählt: Angekommen, mit ihren Fragen ernst genommen, als Mensch erkannt zu sein.

Davon redet doch schon die nächste Begegnung mit Jesus: Andreas „findet“ seinen Bruder. Hatte er ihn verloren? Wie auch immer: Er lässt ihn offenbar genau das sehen, wonach er sucht. Wir haben den Messias, den Gesalbten, den Christus gefunden. Ein weiterer Name der Ehre, noch bedeutender als „Rabbi“ das ist.

So folgt Simon ihn zu Jesus, und als die beiden sich begegnen, kommt auch Simon „nach Hause“: Er ist Jesus bekannt. „Du bist Simon, Sohn des Johannes. Du sollst Kephas heißen.“ (V42)

Von Philippus wird zunächst nur erzählt, dass er gefunden wird: Jesus fordert ihn zur Nachfolge auf, er folgt und „findet“ Nathanael. Ein Jünger dieses Namens taucht übrigens nur im Johannesevangelium auf, unsere anderen Evangelien kennen ihn nicht. Philippus sagt: Komm mit, „Wir haben den gefunden, von dem Mose im Gesetz und die Propheten geschrieben haben, Jesus, Josefs Sohn, aus Nazareth.“ (V 45)

Und der sagt: „Was kann aus Nazareth Gutes kommen!“ (V 46) und belegt damit, dass er sich auskennt. Denn nach Nach dem Buch des Propheten Micha (Kap 5) kommt der Messias aus Bethlehem, nicht aus Galiläa, also ganz sicher nicht aus Nazareth in Galiläa.

Und doch folgt er Philippus, will Jesus wahrscheinlich sagen: Nirgends in unserer Heiligen Schrift ist Nazareth bisher einer Erwähnung wert gewesen. Wie kann aus einem so unbedeutenden Ort also Gott Gutes entstehen lassen?

Jesus weist den Skeptiker nicht ab. Er überzeugt ihn vielmehr von sich durch seine prophetische Gabe. Wir erfahren, dass er ihn nicht nur mit Namen kennt, sondern bereits schon unter einem Feigenbaum sitzen sah, BEVOR ihn Philippus eben dort ansprach.

Von Nathanael erfahren wir dann, dass Jesus „ins Schwarze getroffen“ hat. Nathanael wird zu einem überzeugenden Vorbild der Nachfolge. Er stellt seinen Verstand nicht ab. Er leugnet auch nicht, dass er aus ganzem Herzen Jude ist. So zeigt er, dass er weiter denkt als an der Oberfläche, dass seine jüdischen Wurzeln tief reichen.

Sein Bekenntnis sollen sich ganz offensichtlich die zu eigen machen, die das Evangelium lesen, denn es hat „Hand und Fuß“: „Rabbi, du bist Gottes Sohn, du bist der König von Israel!“ (V 49) Rabbi, Gottes Sohn, König von Israel: Gleich drei Ehrentitel für Jesus. Nathanael ist sicher, dass er gefunden hat.

Meine Schwestern, meine Brüder,

eine für mich wunderbare Geschichte über Menschen, die auf der Suche sind, vom Zeigen, Kommen und Sehen, von Wundern und Skepsis, vom Finden und Gefunden Werden. Keine Geschichte, die uns auffordert oder gar zwingt, nun auch „Jünger zu machen“. Wohl aber eine Geschichte, die sie Sehnsucht weckt nach „Mehr als hier und jetzt“.

Am vergangenen Donnerstag kamen meine Frau und ich vom Nicolaiplatz und bogen in die Ritterstraße ein. Hier mussten wir hintereinander laufen, weil hier gerade eine größere Baustelle ist und der Bürgersteig schmal ist.

Da kamen von vorn zwei junge Männer mit Anzug und Namensschild und Umhängetasche links – dieses Erscheinungsbild kennen wir schon, sie kommen von der „Kirche Jesu Christi der Heiligen der letzten Tage“, früher kurz Mormonen genannt, und die haben ihr Gemeindehaus nur ein paar Meter von unserem entfernt in der Bäckerstraße.

Vielleicht habe ich zu offensichtlich auf ein Namensschild gesehen, jedenfalls sprach mich einer von den beiden an: „Was bringt ihnen Freude?“ Ich hatte keine Lust, mich mit den beiden zu unterhalten, auch wenn ich eine spontane Antwort bereits auf den Lippen hatte.

Denn erstens hätten sie mir sicher ein „Buch Mormon“ schenken wollen, und ich habe schon eines, irgendwo in den Tiefen meines Bücherregals. Außerdem war an dieser Stelle wirklich zu wenig Platz um stehenzubleiben und den Fußverkehr auf dem Bürgersteig zu behindern.

Aber die Frage beschäftigte mich doch, und das tut sie schon lange, in dieser oder in ähnlicher Form:
Was bringt Freude ins Leben?
Wie wird man glücklich? Oder heute:
Was sucht ihr?

Ich glaube:
Die meisten Menschen um mich herum suchen nach Antworten auf diese Fragen, nur suchen sie die nicht in der Religion, schon gar nicht in der Kirche. Ihre Antwort würde ähnlich klingen wie die des Nathanael: Was kann aus der Kirche schon Gutes kommen? Doch anders als Nathanael fragen sie nicht erst nach dem Gott Israels.

Ja, er ist ihnen zumeist einfach egal.
Würde Jesus heute in unserem Land geboren worden sein, hätte er sicher genau so Menschen finden können, die in seine Nachfolge treten wie vor zweitausend Jahren.

Aber Jesus den Prozess machen, ihn aus dem Verkehr ziehen, ihn an den Galgen bringen: Das wäre nicht nur gegen alle Gesetze von heute, die die Glaubensfreiheit aller sichern und die Todesstrafe ganz ausschließen. Nein: Den meisten heute wäre Jesus egal, weil ihnen andere Dinge im Leben wichtiger sind.

Ich weiß, dass sie sich irren. Denn das Wunder, das es schon zu Jakobs Zeiten gab, können sie so nicht sehen, weil die ganzen anderen Dinge es verstellen: Dass der Himmel offen steht.

Spaß macht mir vieles im Leben. Lesen, Filme sehen, Motorrad fahren, verreisen, einkaufen und oft sogar das Arbeiten.

Aber Freude, die mein Leben erfüllt und glücklich macht, finde ich genau hier: Dass über dem Menschen Jesus die Engel herauf- und herabsteigen mit den Botschaften Gottes für die Menschen und den Botschaften der Menschen für Gott.

Denn egal, ob das gute oder schlechte Botschaften sind:
Die Liebe Gottes, die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes
lassen uns den Himmel Gottes nicht verschlossen,
sondern offen sehen. AMEN

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