Gottesbegegnung (1 Mose 32 23-32)

Den kompletten Gottesdienst können Sie hier  für vierzehn Tage nachhören.

Ostern ist gefeiert
Jesus Christus auferstanden
tausendmal gehört
aber was hilft es
Thomas, der zweifelt,
seinem Glauben nicht trauen kann

Auferstehung Christi
was hilft sie
den vielen, denen ihre Last
schon lange schwerer wiegt
als die Lust ihres Lebens

kann man heraus aus seiner Haut
Quasimodogeniti
gleichwie die Kinder
neugeborenen werden

Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus,
der uns nach seiner großen Barmherzigkeit
wiedergeboren hat
zu einer lebendigen Hoffnung
durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten.
(1. Petrus 1,3)
***
Jakob, der Lügner. Es war zuerst eine Notlüge, die Jakob aus dem Stehgreif erfinden muss, will er seinen Freund Mischa davon abhalten, in einem namenlosen Judenghetto irgendwo im durch Hitler besetzten Polen Kartoffeln zu stehlen. Denn Jakob ist sich sicher: Dieser Diebstahl würde nicht unentdeckt bleiben und Mischa das Leben kosten.

Die Wahrheit hatte Mischa nicht glauben wollen, die Notlüge dann aber schon, was aus Jakob Notlügner Jakob Lügner macht. Er muss die Lüge irgendwie am Leben erhalten, denn diese Lüge musste weiterhin die Kraft entfalten, ihrerseits Leben zu erhalten.

Jakob, der Lügner – dieser Buchtitel ist so vielen bekannt, dass auf die Frage, was der Name Jakob wohl bedeutet, viele mit „Lügner“ oder „Betrüger“ antworten. Selbst in der Bibel ist einmal Ähnliches zu lesen (Gen 27,36…)

Doch das ist ein Irrtum. Der hebräische Vorname Jakob ist abgeleitet von „Ja’akow“ – das bedeutet „Gott wird schützen“. Da die Bezeichnung „Ja’akow“ etymologisch auf das hebräische Wort „akew“ für „Ferse“ zurückgeht, ist auch die Bedeutung „der Fersenhalter“ überliefert.

Die Jakobsgeschichten im ersten Buch unserer Bibel halten für beide dieser Namensdeutungen Nahrung bereit. „Fersenhalter“ ist Jakob bei seiner Geburt. „Und es kam die Zeit, da … (Rebekka) gebären sollte, und sieh, da waren Zwillinge in ihrem Leib. Der Erste, der hervorkam, war rötlich, über und über mit Haaren bedeckt wie mit einem Fell, und man nannte ihn Esau. Danach kam sein Bruder hervor, und seine Hand hielt die Ferse Esaus fest, und man nannte ihn Jakob.“ (Gen 25, 24-26)

„Esau wurde ein Mann, der sich auf die Jagd verstand, ein Mann des freien Feldes. Jakob aber war ein gesitteter Mann, der bei den Zelten blieb“ (25,27) – im Klartext: Esau lebte als Sammler und Jäger, Jakob wurde Viehzüchter und Bauer.

Wer die Jakobsgeschichten einmal gelesen hat weiß, dass auch die Namensdeutung „Gott wird schützen“ in Erfüllung gegangen ist. Und doch hatte Jakob zunächst nicht das, was man eine unbeschwerte Jugend nennt.

Sein Vater Isaak zieht seinen Bruder Esau, der doch nur ein paar Minuten älter ist, vor. Er ist offenbar Gefangener seiner Tradition, die dem Erstgeborenen das Haupt-Erbrecht einräumt, egal ob er es verdient hat oder nicht, egal ober er drei Jahre oder drei Minuten älter ist. Diese Regel wird vielerorts selbst heute noch befolgt.

Wie sehr Isaak Gefangener dieser Tradition zu sein scheint, kann man daran schon sehen, dass Esau ihm schweren Kummer bereitete, indem er sich seine Ehefrauen bei den Hetitern suchte. Hier waren er und seine Frau Rebekka sich einig (26,35). Von Kummer in Bezug auf Jakob aber berichtet die Bibel zunächst nichts.

Uneinig allerdings waren sich Isaak und Rebekka wohl bei ihren Lieblingsspeisen: „Isaak liebte Esau, weil er gern Wildbret aß. Rebekka aber liebte Jakob.“ (25,28) Sie konnte wohl gut auf Wildbret verzichten und mochte, was Jakobs Zucht und Feld hergab – die Liebe ging eben schon immer durch den Magen.

Aber in der Tradition ist auch sie verfangen. Darum erschrickt sie, als sie mit anhört, dass Isaak Esau den Erstgeburtssegen geben will. Der scheint ihr so wichtig, dass sie meint, dass Jakob den bekommen MÜSSE. Sie überredet Jakob darum zu einer List, und Jakob und nicht Esau bekommt schließlich diesen Segen.

Das führt übrigens dazu, dass Esau den Namen Jakob negativ deutet (27,36): „Er heißt mit Recht Jakob, denn er hat mich nun zweimal überlistet. Meine Erstgeburt hat er genommen und siehe, nun nimmt er auch meinen Segen“. Allerdings lässt die Bibel auch genügend Zweifel an der Aufrichtigkeit Esaus aufkommen, aber das ist ein anderes Thema.

Jakob wurde dann das, was man heutzutage „erfolgreich“ zu nennen pflegt. Ursache seines wirtschaftlichen Erfolgs waren seine Beharrlichkeit, sein Gespür für gute Geschäftsideen und seine Cleverness. Geerbt hat er diese Cleverness wohl von seiner Mutter.

Aber die Last, die Mutters List beim Erstgeburtssegen bedeutete, hatte im Wesentlichen Jakob zu tragen. Er muss vor seinem Zwillingsbruder fliehen und in Furcht vor ihm weiterleben. Nach jahrelangem Exil wird ihm das irgendwann zu viel. Er will wieder nach Hause und schickt einen Boten zu Esau, der Esau als Herrn Jakobs anredet und unterwürfig um Gnade bittet.

Der Bote kehrt zurück mit der Nachricht, dass Esau ihm mit vierhundert Mann entgegenziehen würde. Jetzt bekommt es Jakob wirklich mit der Angst zu tun, denn er weiß nicht, ob Esau im freundlich oder als Feind entgegenkommt.

Darum stellt er drei große Vieh-Herden zusammen, die er in einigem Abstand untereinander seinem Bruder als Geschenk entgegenziehen lässt. Seine eigene Habe teilt er in zwei Züge in der Hoffnung, dass wenigstens einer unbeschadet davonkommt.

Den Zug seiner beiden Frauen und seiner Söhne begleitet er selbst und kommt an den Jabbok, einem Nebenarm des Jordan. Hier setzt nun unser Bibeltext für heute ein:

(So zog das Geschenk ihm voraus, er selbst aber blieb jene Nacht im Lager.)
23 Noch in jener Nacht aber stand er auf, nahm seine beiden Frauen, seine beiden Mägde und seine elf Kinder und ging durch die Furt des Jabbok.
24 Er nahm sie und brachte sie über den Fluss. Dann brachte er hinüber, was er sonst noch hatte.
25 Jakob aber blieb allein zurück. Da rang einer mit ihm, bis die Morgenröte heraufzog.
26 Und er sah, dass er ihn nicht bezwingen konnte, und berührte sein Hüftgelenk, so dass sich das Hüftgelenk Jakobs ausrenkte, als er mit ihm rang.
27 Und er sprach: Lass mich los, denn die Morgenröte ist heraufgezogen. Er aber sprach: Ich lasse dich nicht, es sei denn, du segnest mich.
28 Da sprach er zu ihm: Wie heißt du? Und er sprach: Jakob.
29 Da sprach er: Du sollst nicht mehr Jakob heißen, sondern Israel, denn du hast mit Gott und mit Menschen gestritten und hast gesiegt.
30 Und Jakob fragte und sprach: Bitte nenne mir deinen Namen. Er aber sprach: Was fragst du nach meinem Namen? Und dort segnete er ihn.
31 Und Jakob nannte die Stätte Pnuel. Denn, sagte er, ich habe Gott von Angesicht zu Angesicht gesehen und bin mit dem Leben davongekommen.
32 Und als er an Pnuel vorüber war, ging ihm die Sonne auf. Er hinkte aber wegen seiner Hüfte.

Alles hat Jakob durch die Furt gebracht, er selbst bleibt zurück. Er ist noch nicht bereit für das Zusammentreffen mit Esau, seine Angst hat ihn fest im Griff. „Da rang einer mit ihm“ – EINER. Wer ist EINER? Jakob weiß es nicht. Aber er ist stark, der Kampf dauert, er ist unentschieden.

Fachleute sagen, die Schilderung des Kampfes ließe an einen Kampf mit einem feindlichen Dämon denken, der an diesem Ort seine Macht ausübt, aber das Tageslicht scheuen muss. In dieser Form erlebten die Menschen des Altertums das Unheimliche nächtlicher Gefahren.

Die Morgenröte naht, EINER muss also ablassen. Eine „Berührung“ – kein Schlag! – von ihm verletzt Jakob an der Hüfte, aber der gibt nicht auf. „Ich lasse dich nicht, es sei denn, du segnest mich“: Segen bedeutet Leben, in diesem Moment also die Garantie für Jakob, nicht noch weiter Schaden zu nehmen, wenn er den EINEN nun doch loslässt.

Der EINE segnet ihn und gibt ihm einen Namen, der anders als Jakob nicht mehr viele Deutungen zulässt: Israel bedeutet „Gott streitet“. Seinen eigenen Namen aber nennt EINER nicht.

Warum glaubt Jakob nun, Gott begegnet zu sein? Vieles spricht ja dagegen. Zuerst: Gott hätte ihn ganz sicher besiegt. Dann: Gott hätte Jakobs Namen gewusst. Schließlich: Warum hätte Gott hier nicht auch einen seiner Namen nennen können? Das macht er an anderen Stellen der Bibel doch auch.

Doch darf man nicht vergessen: Zur Zeit des Jakob begannen Menschen erst damit, Gott kennenzulernen. Wir können ja zumindest in der Bibel nachschlagen, wenn wir etwas über Gott wissen wollen, und unsere Bibel ist dick, für viele zu dick. Oder man geht in die Kirche und fragt da.

Jakob aber hatte weder das eine noch das andere. Ja, es gab erste Menschen, die sich mit der Frage nach Gott und seinem Wesen beschäftigten. Priester, die man aufsuchen und fragen konnte. Doch keine heilige Schriften und keinen Tempel, noch nicht einmal Israel als VOLK.

Man kann also verstehen, warum Jakob meint, Gott begegnet zu sein: EINER war für ihn eine unbezwingbare Macht, EINER hatte ihm einen weiteren Namen gegeben, der auf Gott hinwies, EINER hatte ihn gesegnet.

Und da wir tausende Jahre später ja getrost davon ausgehen, dass unser Gott auch Jakobs Gott ist, der ewig, unendlich und auch allmächtig ist, geschieht ja nichts ohne seinen Willen, ob wir das nun verstehen oder nicht. Also wird Gott auch hier dem Namen Jakob gerecht geworden sein: Gott wird schützen. So nennt Jakob-Israel den Ort Pnuel, das bedeutet „Angesicht Gottes“.

Darum geht es: Jakob fühlte sich, als sei er Gott persönlich begegnet. Und ein schönes Bild zum Abschluss: IHM ging „die Sonne auf. Er hinkte aber wegen seiner Hüfte“ (32): IHM geht die Sonne auf, er fühlt sich großartig, hat etwas Großes erlebt. Und er erinnert trotzdem, dass er nicht überheblich werden kann: Die Schmerzen in seiner Hüfte halten ihn auf dem Boden der Tatsachen, doch seinen Kopf hält er wieder oben.

Meine Schwestern, meine Brüder:

IHM ging die Sonne auf. Ein neuer Tag öffnet vor ihm seine Tore. Diese Begegnung Gottes rührt ihn an, nicht nur an der Hüfte, sondern tief innen. Dieser neue Tag eröffnet einen neuen Abschnitt seines Lebens, und das wird sich ändern.

Die Zwillinge werden sich um den Hals fallen, sie werden Frieden machen, und Jakob unterstreicht das mit dem Satz an seinen Bruder: „Ich habe dein Angesicht gesehen, wie man das Angesicht Gottes sieht, und du hast mich freundlich aufgenommen“ (33, 10b) EINER hat Jakob ins Gesicht gesehen, auch Esau, und in beiden erkennt er das Angesicht Gottes wieder.

Jakob hat seine Gotteslektion gelernt, und ER wird einmal mit der Tradition brechen und jedem seiner zwölf Söhnen seinen Segen geben, einem jeden seinen ganz Eigenen, Besonderen. DEN zwölf Söhnen, aus denen die Stämme Israels werden.

Mir sagt das: Die Begegnungen mit Gott öffnen die Tore zu neuem Leben. Dieser Sonntag Quasimodogeniti redet für uns davon. Jakob geht die Sonne auf. Für Thomas wird Ostern zur Begegnung mit Gottes Macht (Tages-Evangelium nach Johannes 20 19-29). Thomas wird aus der irdischen Macht seiner Trauer und des Irrglaubens, es gäbe nur das was man sehen kann, gerissen und dem Leben des Auferstanden begegnen.

Genau das ist für mich die Kraft, die das Osterfest lebendig macht und lebendig hält. Die Begegnung mit dem lebendigen Gott zeigt mir, dass ich nicht einfach nur Teil dieser Welt bin, dass ich nicht nur habe, was ich hier habe, und nichts mehr habe, wenn ich sterben muss.

Ich weiß und fühle mich vielmehr als Teil von etwas wirklich Großem. Als Teil der Welt Gottes, die seit tausenden Jahren die Mächte und Gewalten dieser Wert entkleidet, ihre Maßstäbe öffentlich vorführt und damit unwirksam macht.

Von Jakob, der durch die Begegnung mit Gott frei wird von Angst, Hass und falschem Traditionsgebaren über Thomas, der endlich seinem Glauben trauen bis hin zu mir, der ich so die schönen Seiten dieser Welt lieben und mich vor ihren Grauen und Schmerzen nicht mehr fürchten muss. Denn ich kann das Angesicht Gottes schauen. Jesu Auferstehung eröffnet mir neu die Chance, mein Leben als Teil Gottes zu begreifen.

Und ich glaube: Das kann uns ALLE neu machen,
Quasi Gleichwie
modo geniti
die Art der Neugeborenen

Die Liebe Gottes, die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes
schließt unser zeitliches Erdenleben ein in das ewige Leben Gottes. Und das kann alles ändern. AMEN

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