Unser Gottesdienst am 16. Sonntag nach Trinitatis zum Nachhören ist für vier Wochen hier zu finden.
Ein Leben im Glauben an Gott
Glauben, dass unsere Grenzen
nicht durch Todesmächte
sondern durch Gott gesetzt sind
Ein Leben in Wonne und Glückseligkeit
nicht bestimmt durch Angst oder Ende
bestimmt durch Freiheit des Ewigen Lebens
die uns jetzt leben und lieben lässt
Christus Jesus hat dem Tode die Macht genommen
und das Leben
und ein unvergängliches Wesen ans Licht gebracht
durch das Evangelium.
(2 Timotheus 1,10b)
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Der Bibeltext für heute ist ein seltener Predigttext,
denn es ist ein Psalm.
Ich lese Psalm 16:
1 Ein güldenes Kleinod Davids.
Bewahre mich, Gott; denn ich traue auf dich. /
2 Ich habe gesagt zu dem HERRN: Du bist ja der Herr!
Ich weiß von keinem Gut außer dir.
3 An den Heiligen, die auf Erden sind,
an den Herrlichen hab ich all mein Gefallen.
4 Aber jene, die einem andern nachlaufen,
werden viel Herzeleid haben.
Ich will das Blut ihrer Trankopfer nicht opfern
noch ihren Namen in meinem Munde führen.
5 Der HERR ist mein Gut und mein Teil;
du hältst mein Los in deinen Händen!
6 Das Los ist mir gefallen auf liebliches Land;
mir ist ein schönes Erbteil geworden.
7 Ich lobe den HERRN, der mich beraten hat;
auch mahnt mich mein Herz des Nachts.
8 Ich habe den HERRN allezeit vor Augen;
er steht mir zur Rechten, so wanke ich nicht.
9 Darum freut sich mein Herz, und meine Seele ist fröhlich;
auch mein Leib wird sicher wohnen.
10 Denn du wirst meine Seele nicht dem Tode lassen
und nicht zugeben, dass dein Heiliger die Grube sehe.
11 Du tust mir kund den Weg zum Leben:
Vor dir ist Freude die Fülle und Wonne zu deiner Rechten ewiglich.
Ein Freund spielt. Das tut er schon viele Jahre lang. Wenn er seine Ausgaben für die vielen Lottoscheine seines Lebens mit den erzielten Gewinnen gegenrechnet, bleibt kein Haben, sondern ein Soll. Kein großes, er hat immer wieder ein paar kleinere Gewinne gemacht. Aber eben doch ein Soll.
Doch dann passiert es: Er gewinnt richtig. Viel Geld bekommt er, und das steuerfrei. Bei einer Gewinn-Chance von 1:10 Millionen wirkliches Glück.
So ein Glück hätte ich auch gern einmal! Dann könnte ich alle Baustellen meines Lebens bezahlen und hätte sogar noch Geld übrig. Ja, ich weiß: Dazu müsste ich mir aber wenigstens mal wieder einen Lottoschein kaufen.
Doch die Gewinn-Chance – hat die nicht gerade erst mein Freund gehabt? Da werde ich nicht auch noch so ein Glück haben, denk ich mir.
Habe ich dann also kein Glück? Das zu sagen wäre nun wirklich nicht richtig. Denn ich fühle mich eigentlich an den meisten Tagen glücklich und nicht oft unglücklich. Ich habe also Glück. Oder?
Wenn ich nun allerdings genau sagen soll, was das ist: Glück – dann komme ich in Erklärungsnot. Schon deshalb, weil ich weiß, dass mein Glück nicht dein Glück sein kann. Ich fühle mich zum Beispiel auf dem Motorrad glücklich, meine Frau aber fühlt sich da unglücklich.
Und es gibt Menschen, die Glück als Ziel suchen und darum auf ihrem Lebensweg daran vorbeilaufen.
Alexa Feser singt über das Glück:
„Du hattest es vor deinen Augen, aber niemals entdeckt.
Immer dann, wenn es vor dir stand, hast du es nicht erkannt; immer dann wenn es greifbar war, dann war es dir zu nah“.
Wie wahr.
Was kann man denn nun überhaupt über das Glück sagen?
Zwei Stimmen über das Glück:
Die erste ist die von Hector aus einem Buch, das ich gelesen habe. Hector ist Psychiater in Paris, der gut zuhören kann und sich für seine Patienten interessiert. Er versteht sein Handwerk, denn auch die Psychiatrie ist ein Handwerk, bei dem man seine Werkzeuge kennen und gut gebrauchen muss. Zwar nicht ganz so offenkundig wie beim Zahnarzt, aber eben doch nicht weniger.
Er weiß, wie er wichtige Fragen in den Gesprächen stellt, und er kennt die Möglichkeiten des Gespräches ebenso wie die Möglichkeiten der Medikamente, die er einsetzt. Manches im Denken hängt eben auch im Inneren der Chemie des Körpers eines Menschen fest, so dass man auch dort gegensteuern muss, wenn es darauf ankommt, dass es dem Menschen in seinem Inneren wieder besser geht.
Darum hat er viele Patienten, und es werden mehr und mehr, und irgendwann kommt Hector an seine eigenen Grenzen: Die Grenzen seiner Arbeitsbelastung, die Grenzen seiner Gesprächsmöglichkeiten, die Grenzen seiner Medikamente, die er zur Verfügung hat.
Und er merkt: Die Menschen, die zu ihm kommen, wollen glücklich sein. Zumindest nicht mehr unglücklich, und das sind sie fast immer.
Doch wie kann er helfen, sie glücklich zu machen? Das hat er im Studium nicht gelernt. So nimmt er sich eine Auszeit und unternimmt eine Reise in verschiedene Gebiete der Erde, bei der er sich mit dem Thema Glück beschäftigen will.
Er hat Freunde in vielen Teilen der Welt, und so besucht er sie in Asien, Afrika und Amerika. Er erlebt wunderschöne und lebensbedrohliche Tage und lernt viele neue Menschen kennen: Freundliche, gefährliche, gesunde, kranke, Mönche, Professoren, Prostituierte.
Mit allen versucht er, über sein Thema zu reden und schreibt sich die Lektionen, die er dabei lernt, in kurzen griffigen Sätzen in sein Notizbuch.
Zum Beispiel Lektion 1: „Vergleiche anzustellen ist ein gutes Mittel, sich sein Glück zu vermiesen.“ Und ich merke, dass er zum Teil Recht hat, zumindest wenn ich „nach oben“ vergleiche, also zum Beispiel mit dem Freund und seinem Lottogewinn, den ich wohl nie haben werde. Denn wenn ich das mache, stellt sich bei mir so etwas wie Neid ein, und Neid ist ein Gefühl, das mich unglücklich macht.
Doch vergleiche ich „nach unten“, geht es mir ganz anders. Ich habe mich noch nie so glücklich gefühlt wie in den Wochen, ja sogar Monaten nach meinem Afghanistan-Einsatz mit der Bundeswehr. Als ich wieder nach Hause kam: Weg aus der latenten Gefahr übergriffiger Gewalt, weg aus dieser Hitze und diesem Wüstenstaub, weg von dieser himmelschreienden Armut. Nach Hause in das grüne Deutschland mit seinem reichen Leben und den Menschen, die ich kannte und liebte. Ich hatte lange Zeit das Gefühl, dass man hier alle Probleme irgendwie lösen könnte – ganz anders als in Kabul.
Oder Lektion 18: „Glück ist, wenn man der Meinung anderer Leute nicht zu viel Gewicht beimisst.“ Auch das trifft bei mir einen Nerv, der schmerzt. Darum nehme ich mir immer wieder neu vor, mich vor allem an der Meinung der Menschen zu orientieren, die mich mögen, und die Meinung der anderen in mir nicht zu wichtig werden zu lassen. Denn wenn ich das nicht schaffe, stellt sich in mir Niedergeschlagenheit ein, und die macht mich wirklich unglücklich.
Spannend fand ich auch Lektion 16: „Glück ist, wenn man richtig feiert.“ Denn dazu schreibt sich Hector eine Frage: „Ist Glück einfach eine chemische Reaktion im Hirn?“ Vieles spricht für mich dafür. Denn ich kann großen Feiern wenig abgewinnen. Sie machen mich eher unglücklich.
Überhaupt nichts anfangen kann ich mit Lektion 11: „Glück ist, wenn man ein Haus und einen Garten hat.“ Das trifft für mich irgendwie überhaupt nicht zu. Aber ich weiß, dass es beispielsweise für meinen Vater ein großes Glück war, Haus und Garten zu haben.
Am Schluss des Buches wird für mich klar, dass Hector viele Gedanken hatte, denen ich oft und auch gern nachgehe. Doch sein Ziel, zu wissen, wie er andere Menschen glücklich machen kann, hat er nicht erreicht. Für sich selbst aber ändert seine Reise vieles: Er sieht ganz neu auf das Leben, das er hat.
Und da bin ich bei der zweiten Stimme über das Glück: Es ist die aus Psalm 16. Da weiß ich nicht einmal, was ob das eine Frauen- oder eine Männerstimme ist. Auch nicht, ob sie ein Gedicht vorträgt oder ein Lied singt oder ein Gebet spricht. Zu alt sind ihre Worte, als dass das jemand mit Sicherheit sagen könnte.
Ganz sicher aber ist: Diese Stimme IST glücklich.
Sie beginnt dieses „güldene Kleinod Davids“, wie Luther ein sonst unbekanntes Wort übersetzt, mit der Grundlage von allem, was dann folgt: Gott allein ist Herr und Glück ihres Lebens. Und zwar nicht EIN, sondern DAS schlechthin: „Ich weiß von keinem Gut außer dir.“ (V 2)
Darum hat die Gemeinschaft der Heiligen, also derer, die ihr Leben diesem hohen Gut widmen, diesen hohen Stellenwert: Sie hat an dieser Gemeinschaft „all mein Gefallen“. (V 3) Ohne die Gemeinschaft der Glaubenden geht für diese Stimme nichts im Leben. Gar nichts.
Sie sieht, das viele Menschen Herren dieser Welt nachlaufen, ist sich aber sicher, dass sie selbst sich richtig entschieden hat: Deren Namen will sie nicht einmal in ihrem Munde führen. (V4)
Dann ab Vers 5 übernehmen Worte aus der Landvermessung das Bild. Da fallen im Hebräischen Worte wie „Maß meines Anteils und meines Bechers“, „Messschnur“, „Erbbesitz“, auf den das „Los fällt“ (5f). Luther übersetzt für die Ohren seiner Zeit wunderschön: „Das Los ist mir gefallen auf liebliches Land;
mir ist ein schönes Erbteil geworden.“ (V 6)
Von einigen Fachleuten hört man, Wortwahl und Rhythmus der Stimme wiesen darauf hin, dass sie unter den Leviten zu suchen sei, also unter dem Stamm Israels, der ausschließlich für die religiösen Dienste abgestellt war und kein eigenes Land besaß.
Dann höre ich: Gott selbst ist es, der liebliches Land und schönes Erbteil für die Stimme geworden ist. „Das Los ist mir gefallen auf liebliches Land; mir ist ein schönes Erbteil geworden.“ Was für eine schöne Liebeserklärung!
Darum findet die Stimme ALLES in ihrem Leben in bester Ordnung vor: Herz, Seele, Leib.
„Darum freut sich mein Herz,
und meine Seele ist fröhlich;
auch mein Leib wird sicher wohnen.“ (V 9)
Und all das nicht irgendwann, schon gar nicht erst im Jenseits, sondern JETZT, mitten im Leben:
„Du tust mir kund den Weg zum Leben:
Vor dir ist Freude die Fülle
und Wonne zu deiner Rechten ewiglich.“
Diese Stimme WIRD nicht, sie IST glücklich.
Meine Schwestern, meine Brüder:
Weder die Stimme Hectors noch die des Psalms haben ein Rezept zum Glücklich-Machen Dritter. Das zeigt den Realismus ihres Blickes: Man kann über das Glück nachdenken, man kann beschreiben, was einen selber glücklich sein lässt oder was einen glücklich machen könnte.
Doch weder das Buch über Hector noch der Psalm machen den leisesten Versuch zu sagen: Hier, so ist das, mach es so, dann ist Glück garantiert! Also: GlücklichMACHEN können sie mich nicht.
Aber NACHDENKLICHmachen über das Glück – das können sie.
Vielleicht geht es mir letztendlich nicht so wie im Lied von Alexa Feser, dass ich mein Glück nicht erkenne, obwohl es mir so nah ist.
Darum hat es mir besonders die Stimme des Psalms angetan, weil sie eine Glaubenszuversicht und ein Gottvertrauen ausstrahlt, die ich mir wirklich wunderbar für mich vorstelle.
Und ich kann darum gut verstehen, dass die Stimme dieses Psalms seit über zweitausend Jahren Menschen in ihren Bann gezogen hat. Dass die reformierten Kirchen gerade die Psalmen als Grundlage ihres Gemeindegesangs auswählten und mit den Reimpsalmen eine Art „Kanon im Gesangbuch“ erstellten.
Da wurden die Psalmen der Bibel Mitte des 16. Jahrhunderts in gereimte französische Strophen übertragen und vornehmlich in Genf mit Melodien verknüpft. Der so entstandene „Genfer Psalter“ verbreitete sich auch in seiner deutschsprachigen Übersetzung schnell, 1793 schuf Matthias Jorissen seine bis heute gesungene Fassung des Reimpsalters. Aus einem haben wir ja schon zu Beginn unseres Gottesdienstes gesungen (EG 281).
Seither haben auch nicht wenige neuere Reim-Psalmtexte Eingang gefunden. So auch der zu unserem Psalm 16;
der ist von Alfred Rauhaus und genau 30 Jahre alt.
Da heißt es:
1. Ich flieh zu dir, mein Gott, bewahre mich!
Du bist mein HERR, mein Heil, du bist mein Leben.
Die Mächtigen der Welt verachte ich.
In ihren Dienst will ich mich nicht begeben.
Wer ihnen folgt, vergrößert seine Leiden.
Nichts in der Welt soll mich von dir, Gott, scheiden.
2. Mein Glück entspringt aus deiner Hand allein.
Du sättigst mich auf grünen Lebensauen.
Du tust mir wohl, hüllst mich in Segen ein.
Ein gutes Land lässt du mein Augen schauen.
Auf ewig willst du meinen Hunger stillen,
den Lebensbecher bis zum Rand mir füllen.
Das macht doch schon beim Hören glücklich.
Ich glaube ganz sicher: Damit will Gott uns glücklich werden lassen. Hier könnten wir alle sie finden:
Die Liebe Gottes, die Gnade unseres Herrn Jesus Christus
und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes,
die es vermögen, JEDES Leben glücklich zu machen.
AMEN
EG 681
1. Gelobt sei deine Treu,
die jeden Morgen neu
uns in den Mantel deiner Liebe hüllt,
die jeden Abend wieder,
wenn schwer die Augenlider,
das schwache Herz mit Frieden füllt.
2. Wir wolln dem Namen dein
im Herzen still und fein
lobsingen und auch laut vor aller Welt.
Nie hast du uns vergessen,
schenkst Gaben unermessen,
tagtäglich deine Hand uns hält.
3. Kleidung und Brot gibst du,
der Nächte Ruh dazu,
und stellst am Morgen über jedes Dach
das Taggestirn, das helle;
und mit der güldnen Welle
des Lichts nimmst du das Ungemach.
4. Gelobt drum deine Treu,
die jeden Morgen neu
uns deine abgrundtiefe Liebe zeigt.
Wir preisen dich und bringen
dir unser Lob mir Singen,
bis unser Mund im Tode schweigt.