GOTT (Jes 6 1-8)

Das Geheimnis Gottes feiern
ohne es zu zerreden
das Geheimnis seiner Macht
das Geheimnis seiner Nähe
das Geheimnis seines Lebens

Trinitatis – Geheimnis des Glaubens:
Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus
und die Liebe Gottes
und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes
sei mit euch allen.
2. Kor 13, 13
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GOTT.
Vier Buchstaben, ein sehr kurzes Wort. Genauso kurz wie „(Th)eos“ im Griechischen oder „Deus“ im Lateinischen. Kürzer als die Worte Vater oder Geist, die wir ebenfalls Gott zuschreiben. Die haben je fünf, nicht nur vier Buchstaben.

Nicht vier, sondern nur zwei Buchstaben sind es zunächst
im Hebräischen: „EL“. Wir nutzten das auch heute noch, vor allem in Vornamen wie Micha-el oder El-isabeth oder El-ias. Elefant gehört nebenbei nicht in diese Reihe.

Das älteste schriftliche Zeugnis über „El“ haben wir übrigens nicht aus Israel, sondern aus Ugarit. Das lag ungefähr 100 km südwestlich von Aleppo in Syrien und war die Hauptstadt eines gleichnamigen Königreiches.

„El“ war der Name der höchsten Gottheit der Ugariter, und es ist nicht unwahrscheinlich, dass die Israeliten den Namen „El“ von den Ugaritern in ihren eigenen Wortschatz übernommen haben.

Im 1. Buch Mose wird „El“ zunächst wie ein Name gebraucht: Gott Abrahams, Gott Isaaks, Gott Jakobs zum Beispiel. Irgendwann wird daraus „Elohim“, ein Wort, dass auch mit der Silbe „El“ beginnt, aber eine Pluralform ist. Gott ist alles göttliche in einem, also bekommt er einen Mehrzahlnamen, ähnlich wie „Menschen“.

„Elohim“ entwickelt sich dann zu einer häufig benutzten Alternativbezeichnung für den späteren Gottesnamen „JHWH“, der frommen Juden so heilig ist, dass sie ihn weder in den Mund nehmen noch den Finger darauf legen.

Um in der Bibel nicht versehentlich doch darauf zu stoßen, nutzen sie daher Hilfsmittel wie Zeigestifte, um beim Lesen oder gar lautem Vorlesen nicht in der Zeile zu verrutschen. Nicht einmal der Name Gottes soll menschlich verunreinigt werden.

Hinter der Wortentwicklung von „El“ bis „JHWH“ steckt ein Problem, das Menschen sehr früh begriffen haben: Wenn sie beschreiben wollen, wer, was oder warum „Gott“ ist, versuchen sie etwas, was von Vornherein eigentlich zum Scheitern verurteilt ist.

Denn wie soll man EINEN Gott beschreiben, der ALLES in ALLEM, also auch ÜBERALL ist?
Wie soll man mit einem Wort nennen, was so unterschiedlich erfahren wird: Vom unstillbaren Zorn bis zur unüberwindbaren Liebe?
Wie soll man mit sichtbaren Buchstaben die Unsichtbarkeit beschreiben, also so, dass man wirklich begreifen kann, worum es geht?
Wie soll man „den Namen Gottes NICHT missbrauchen“, „unnützlich führen“?

Doch wenn „Gott“ der ist, der das Leben „schafft“, der es bestimmt und der es nimmt: Wie könnte man dann nicht darüber reden wollen, ja MÜSSEN?
Was also bleibt dem Menschen, als das zum Scheitern verurteilte dennoch zu versuchen, immer und immer wieder, sich immer wieder neu zu erklären?

Wenn ICH erklären soll, was „Gott“ für mich bedeutet, fällt mir immer zuerst ein, was er NICHT bedeutet: Nicht sichtbar. Nicht mit einem Anfang, nicht mit einem Ende. Nicht fassbar, nicht für mein Gehirn, nicht für deines, nicht für alle Gehirne der Menschen zusammen – weder die lebenden noch die aller lebenden und gestorbenen Menschen gemeinsam.

Wie also beschreibt man GOTT?

Wie unscharf der Menschen-Blick ist, der sich auf Gott richtet, hat schon das Gespräch zwischen Jesus und Nikodemus gezeigt (Joh 3,1-8): Von neuem geboren werden, aus Wasser und Geist, der Wind weht wo er will, so ist jeder, der aus dem Geist geboren ist – all das sind Bilder wie Schleier, letztlich undurchdringlich, die zwar viel Spielraum öffnen, aber schließlich mehr offen lassen als dass sie erklären könnten.

Und so fühle ich mich immer unbehaglich, wenn ich erklären soll, was „Gott“ positiv für mich bedeutet. Wenn ich also das Wort „nicht“ nicht benutzen soll, denn dann wird es gleich sehr kompliziert.

Aber damit bin ich nicht allein. Schon die Gottesbegegnung des Jesaja, über zweieinhalbtausend Jahre alt, die heute unser Predigttext ist, macht das mehr als deutlich.
Ich lese aus Kapitel 6 die Verse 1-8 in eigener Übertragung:

Es war in dem Jahr, als König Usija starb.

Da sah ich den Herrn; er saß auf einem sehr, sehr hohen Thron. Allein der Saum seines Mantels füllte den ganzen Tempel. Er war umgeben von mächtigen Engeln. Jeder von ihnen hatte sechs Flügel; mit zweien bedeckten sie ihr Gesicht, mit zweien den Leib, zwei hatten sie zum Fliegen.
Und die riefen sich gegenseitig zu:
„Heilig, heilig, heilig ist der HERR,
der Herrscher der Welt,
der ganze Kosmos bezeugt seine Macht!

Von ihrer Stimme bebten die Fundamente des Tempels und das Haus füllte sich mit Rauch.
Vor Angst schrie ich auf: „Ich bin verloren! Denn ich bin unwürdig, den HERRN zu preisen, und lebe unter einem Volk, das genauso unwürdig ist. Und doch habe ich den König gesehen, den Herrscher der Welt!“

Da kam einer dieser mächtigen Engel zu mir geflogen. Er hatte eine glühende Kohle mit der Zange vom Altar genommen. Damit berührte er meinen Mund und sagte: „Die Glut hat deine Lippen berührt. Jetzt bist du von deiner Schuld befreit, deine Sünde ist dir vergeben.“

Und dann hörte ich, wie der Herr sagte: „Wen soll ich senden? Wer ist bereit, unser Bote zu sein?“
Und ich antwortete: „Ich bin bereit, sende mich!“

733 v Chr nach dem verlorenen syrisch ephraimitischen Krieg. Dieser Katastrophe würden weitere folgen, das Unheil lag in der Luft, fast mit Händen zu greifen.

Da geht Jesaja in den Tempel in Jerusalem, dort begegnet ihm Gott in einer unheimlichen Vision. Wie hoch der Thron Gottes gewesen ist, den er sah, wird dadurch deutlich, dass allein der Saum des Gottesmantels den ganzen Tempel füllte. Und auch der war ja nicht wirklich klein.

Die mächtigen Engel, die ohne Zahl Gott umgeben, werden in der hebräischen Bibel „Serafim“ genannt. Die Serafim sind schlangenartige, geflügelte Feuerwesen, die sehr oft mit den Cherubim zusammen genannt werden, ohne dass man sie klar voneinander unterscheiden könnte. Mystische Feuerwesen, von denen Jesaja nicht viel mehr als die Flügel zu sehen bekommt.

Sie umfliegen den Thron Gottes. Sie sind so mächtig, so groß, dass allein von ihrer Stimme der Tempel erbebt. Luther übersetzt ihren Wechselruf so: „Heilig, heilig, heilig ist der HERR Zebaoth, alle Lande sind seiner Ehre voll!“

Dieser Wechselruf ist Teil der Tempelliturgie, ähnlich begegnet er uns auch in der Offenbarung des Johannes (Offb 4,8) oder in der Abendmahlsliturgie bei Katholiken oder Lutheranern
(EG 185,1: „Heilig, heilig, heilig, ist Gott, der Herre Zebaoth:/ voll sind Himmel und Erde seiner Herrlichkeit./ Hosianna in der Höhe./Gelobet sei, der da kommt im Namen des Herren,/ Hosianna in der Höhe“)

Dieser Ruf sagt: Gott ist groß, nicht nur der Gott Israels, der Christen oder Muslime, er ist Schöpfer des ganzen Kosmos. Gott ist heilig: Erhaben, himmlisch, nicht von dieser Welt, unantastbar, tabu.

Die Stimmen der gewaltigen Engel, die den Tempel erzittern lassen, der Rauch aus dem Allerheiligsten, diese ganze übermächtige Gottes -Erscheinung treiben Jesaja den Angstschweiß auf die Stirn.

Er begreift seine Winzigkeit, sowohl körperlich als auch moralisch. Nichts hat er, was er in die Waagschale legen könnte. Nichts, was ihn berechtigen würde, zu sehen, was er gerade sieht. Er nicht, sein Volk nicht, die Welt nicht. Er ist so winzig, dass er sich verloren glaubt.

Einer dieser mächtigen Engel erkennt seine Qual, hört sein Stimmchen, mit der er um Hilfe ruft. Er kommt mit einer der Kohlen vom Räucheraltar und rührt damit Jesajas Lippen an.

Was für uns wie eine Folter erscheint, wird für Jesaja ein Ritus der Reinigung. Seine Lippen werden mit Feuer gereinigt, wie Silber oder Gold durch Feuer geläutert werden, und der Engel verbindet das mit den Worten: „Die Glut hat deine Lippen berührt. Jetzt bist du von deiner Schuld befreit, deine Sünde ist dir vergeben.“

Das ist für den Propheten eine Befreiung, die Last seines ganzen Lebens fällt ihm von der Seele. So erleichtert hört er die Stimme vom Thron: Wer ist bereit, unser Bote zu sein?

Wie könnte Jesaja sich dieser übermächtigen Berührung Gottes entziehen? Was bleibt ihm übrig? Könnte er so tun, als habe er nicht gesehen, als habe er nicht gehört, als sei er nicht rein geworden? „Ich bin bereit, sende mich!“ Das ist wohl die einzig folgerichtige Antwort.

Er KANN gar nicht anders, als seine Winzigkeit ihm gegenüber zu akzeptieren. Er KANN gar nicht anders, als sich dieser unbeschreiblichen Macht unterzuordnen. Er KANN gar nicht anders, als dessen Bote zu sein. EGAL, ob er die Botschaft versteht oder nicht, ob er sie gut heißt oder nicht. Denn es geht nicht um ihn, Jesaja. Es geht um Gott.
Fasziniert stelle ich mir das alles vor, was Jesaja hier erlebt. Den Thron, den Mantel, die Serafim, den bebenden Tempel, den Rauch.

Zugleich aber bin ich froh, nicht selbst an Jesajas Stelle zu sein, sondern alles eher wie im Kino auf der Leinwand sehen zu können. Da kann ich mir nämlich die Ohren zuhalten oder die Augen schließen, wenn es mir zu viel wird.

Doch dann fällt mir Mose ein, zu dem Gott sagt: „Kein Mensch wird leben, der mich sieht.“ (2.Mose 33,20). Lange habe ich das so verstanden, dass jeder Mensch „tot umfallen“ müsse, der Gott tatsächlich zu Gesicht bekommen hat, und dass Mose wirklich Glück gehabt hätte, sich in einer Felsspalte versteckt haben zu können.

Später habe ich begriffen: Die Betonung liegt gar nicht so sehr auf „leben“, sie liegt auf „Mensch“: Kein Mensch kann all das beschreiben, was Gott ausmacht, egal wie lange er lebt. Kein Mensch kann das, und kein Mensch wird das können.

Doch kann dem Mensch wirklich vorbei an Gott? Steht er nicht so auf meinem Lebensweg, dass ich gar keine Chance dazu hatte oder haben werde? Wenn mein Leben von der Macht Gottes berührt wird: MUSS ich dann nicht auch wie Jesaja sagen: Ich bin bereit! und das übernehmen, was mir als Aufgabe zugedacht ist?

Meine Schwestern, meine Brüder:

Heute ist der Tag der Heiligen Dreifaltigkeit, kurz Trinitatis. Das ist ein Sonntag ohne eine Geschichte, ohne ein Ereignis, ohne Anschaulichkeit und Farbe. Mit unseren Sonn- und Feiertagen, die die Krippe im Stall, das Kreuz auf Golgatha, das leere Grab, Himmelfahrt oder Sprachwunder bedenken, haben wir es da deutlich einfacher.

Trinitatis ist ein dogmatischer Tag ohne einen Bibeltext, der die Trinität erklären würde. Doch alle Versuche, auf die Lehre der Einheit von Gott Vater, Gott Sohn und Gott Heiliger Geist zu verzichten, schlagen immer wieder fehl. Unsere wichtigsten Glaubensbekenntnisse kommen nicht ohne sie aus, und ein Gottesdienst, der nicht „Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“ beginnt, erscheint uns falsch. Denn diese Welt ist voller Götter. Hat aber nur einen dreieinen Gott.

Eine Geschichte zur Dreifaltigkeit kenne ich allerdings doch, aber sie steht nicht in der Bibel:

Der greise Bischof Augustin wandelt am Strand des Meeres, tief versunken über das Geheimnis der Dreifaltigkeit, über das er gerade ein Buch zu schreiben versucht, aber er kann es irgendwie nicht fertig bekommen.

Da trifft er auf einen Jungen, der oft hier spielt und mit dem er schon oft geredet hat. Der Junge hat einen Löffel in der Hand und schöpft damit Meerwasser in eine Muschel.

Darauf der Kirchenvater: „Was machst du denn da?“ „Ich schöpfe mit meinem Löffel das Meer in diese Muschel.“ „Das wird dir nicht gelingen, denn das Meer ist viel zu groß und zu tief, als dass Du es in deine Muschel schöpfen könntest!“ „Wenn Du das Geheimnis Gottes zwischen zwei Buchdeckel fassen kannst, dann kann ich auch das Meer in meine Muschel schöpfen!“ Daraufhin soll Augustin dankbar sein Buch zu Ende geschrieben haben.

Die Trinität ist ein Geheimnis und soll Geheimnis sein. Das Geheimnis dieses Wortes mit vier Buchstaben „Gott“ und seiner Macht. Trinität ist nicht weniger eine Vision der Größe unseres Gottes als es die Visionen des Jesaja oder die des Mose waren.

Seit in Jesus Christus Gott selbst in unsere kleine Welt kam, um uns kleinen Menschen so nah zu kommen wie nie zuvor, haben wir wenigstens eines begriffen:

Die Liebe Gottes, die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes
macht UNSER Leben heilig – erhaben, unantastbar, tabu.
Sie sei mit uns allen. AMEN

 

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