Den kompletten Gottesdienst können Sie hier für vierzehn Tage nachhören.
Ostern
Leben
feiert das Fest
Leben das war
das ist
das sein wird
Altes vergeht
Neues beginnt
Hoffnung unzerstörbar
Lasten werden anders getragen
neues Leben wird gefunden
Tod wird überwunden
der Frühling hält Einzug
auch in der Seele
neue Trauben entstehen am Weinstock
Ostern lässt jubeln
SEINE Auferstehung von den Toten
lässt UNS leben
Oster – Geheimnis
jetzt und ewig
Jubilate!
Ist jemand in Christus,
so ist er eine neue Kreatur;
das Alte ist vergangen,
siehe, Neues ist geworden.
2. Kor. 5,17
***
Jesus: Ganz Mensch.
Christus: Ganz Gott.
Jesus: Niedrige Christologie.
Christus: Hohe Christologie.
Niedrige Christologie:
Die kann man ganz gut verstehen.
Denn was Menschsein bedeutet
oder bedeuten könnte oder bedeuten sollte,
das kann man sich vorstellen und bedenken.
Was WAHRER Mensch dann bedeuten kann, auch.
Hohe Christologie:
Jetzt wird es schwieriger. Im Menschen Jesus Gott selbst zu erkennen, Unendlichkeit und Ewigkeit zu bedenken: Schon das sprengt jede menschliche Alltags-Erfahrung.
Wenn man dann noch zu begreifen sucht, dass und warum im historischen Menschen Jesus Gott selbst auf der Erde ist uns ans Kreuz genagelt wird, ist man mit seinem Erdenwissen wirklich am Ende.
Doch wir suchen genau das: Hohe Christologie. Spüren wir doch, dass wir mehr sind als nur das Leben, das wir leben. In uns lebt mehr, da leben unsere Eltern, Großeltern, Urgroßeltern, und unser Leben beeinflusst das Leben nach uns. Unser Leben ist Leben in Gottes Leben. Das sprengt unsere natürlichen Grenzen von Geburt, Tod, Verstehen und Begreifen.
Wenn nun Jesus Christus lediglich ganz Mensch wäre, würde er zwischen zwei Deckel eines Geschichtsbuches passen. Doch da passt Gott ganz sicher nicht hinein, wenn aber doch, könnte er keine Quelle des Lebens sein.
Wir in der Kirche sind nun einmal eine Gemeinschaft derer, die nach Gott als Quelle und Ziel des eigenen Lebens fragt. Deren Hoffnung es ist, dass Gott das Leben nicht nur schafft, sondern erhält. Es froh macht. Jubilate schafft.
Johannes ist der Evangelist, der sein Hauptaugenmerk darum auf die hohe Christologie legt.
Der weiß: Jesus hat man das Leben nehmen können.
Aber Christus ist ALLES – ihm kann man NICHTS nehmen.
Dass ER der Herr der Kirche ist, DARUM geht es hier.
Die Abschiedsreden nach Johannes, wie die Kapitel 13 bis 17 oft genannt werden, sind darum nicht einfach nur Rede vom Abschied. Jesus will seine Jünger weiterbringen im Denken über Gott, er will sie befestigen, also „konfirmieren“.
Zunächst reagiert Jesus dabei auf Fragen seiner Jünger. Als sich der Verrat abzeichnet, sind sie wie die aufgescheuchten Hühner, und „da lehnte sich (der Lieblingsjünger) an die Brust Jesu und fragte ihn: Herr, wer ist’s?“ (13,25), denn er fürchtet, er selbst könnte versagen.
Auch Petrus fürchtet das, will nicht von Jesus lassen, und fragt: „Herr, warum kann ich dir jetzt nicht folgen? Ich will mein Leben für dich lassen.“ (13,37) Thomas kann nicht erkennen, wo das Ziel ist, und fragt: „Herr, wir wissen nicht, wo du hingehst; wie können wir den Weg wissen?“ (14,5) Auch Philippus (14,8) und Judas (14,22) wollen Klarheit, wie es weitergehen soll.
Darum lässt Johannes Jesus weit ausholen und „Konfirmandenunterricht“ in Form einer langen Jünger-Rede geben: Beinahe zwei Kapitel lang ist diese Rede ohne Unterbrechung, und sie handelt von hoher Christologie.
Jesus spürt dabei, dass er seinen Jüngern dabei viel abverlangt, eigentlich zu viel (16,12): „Ich habe euch noch viel zu sagen; aber ihr könnt es jetzt nicht ertragen“.
Aber Jesus redet trotzdem weiter, sagt mehr und immer noch mehr, und da setzt unser Predigttext ein, ihr könnt ihn in Kapitel 16 ab Vers 16 finden. Mit diesem Vers beginne ich jetzt auch:
16 Noch eine kleine Weile, dann werdet ihr mich nicht mehr sehen; und abermals eine kleine Weile, dann werdet ihr mich sehen.
Die Gemeinde des Johannes lebt über ein halbes Jahrhundert nach Ostern. SIE wird in diesen nebulösen Zeitfenstern „kleine Weile“ die Zeitspanne bis zum Karfreitag und dann bis zum Ostertag erkannt haben.
Aber die Jünger? Hatte Jesus nicht vorhin auch gesagt, dass er zum Vater gehen würde? Wie aber soll das gehen können, wenn er doch hier, bei ihnen sein wollte?
Jetzt fangen die Jünger denn doch an, erregt untereinander zu reden. Sie stören den Jesus-Unterricht, erst ganz leise, dann schon lauter:
17 Da sprachen einige seiner Jünger untereinander: Was bedeutet das, was er zu uns sagt: Noch eine kleine Weile, dann werdet ihr mich nicht sehen; und abermals eine kleine Weile, dann werdet ihr mich sehen; und: Ich gehe zum Vater?
18 Da sprachen sie: Was bedeutet das, was er sagt: Noch eine kleine Weile? Wir wissen nicht, was er redet.
Sie sind überfordert. Dabei führt uns Johannes wie in seinem ganzen Evangelium immer neu durch in ständigem Wechsel der Perspektive um das Thema herum. Rein in den Raum, Bild ansehen, raus aus dem Raum. Aber der Ausgang hat eine Drehtür. Und in der Drehtür denkt man: Habe ich das jetzt richtig gesehen? Und geht gleich wieder rein, sieht noch einmal auf das Bild.
Was bedeutet dieser Satz, den die Jünger eben gehört haben, wenn er doch zum Vater gehen will, nun wirklich? Und so gehen sie noch dichter an das Bild heran: Was bedeutet „noch eine kleine Weile“ nun konkret? Vers 19:
19 Da merkte Jesus, dass sie ihn fragen wollten, und sprach zu ihnen: Danach fragt ihr euch untereinander, dass ich gesagt habe: Noch eine kleine Weile, dann werdet ihr mich nicht sehen; und abermals eine kleine Weile, dann werdet ihr mich sehen?
Jesus unterbricht hier seine fast zwei Kapitel lange Rede. Er verdeutlicht nun das Bild, indem er zurückfragt: Darum genau geht es euch also? Um Sehen, Nichtsehen, kleine Weilen?
Und dann erklärt er es mit einem neuen Bild. Das bedeutet, wieder eine neue Perspektive einzunehmen:
20 Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Ihr werdet weinen und klagen, aber die Welt wird sich freuen; ihr werdet traurig sein, doch eure Traurigkeit soll zur Freude werden.
21 Eine Frau, wenn sie gebiert, so hat sie Schmerzen, denn ihre Stunde ist gekommen. Wenn sie aber das Kind geboren hat, denkt sie nicht mehr an die Angst um der Freude willen, dass ein Mensch zur Welt gekommen ist.
Ich habe oft darüber nachgedacht, warum Jesus hier ausgerechnet das Bild der Geburtswehen benutzt haben sollte. Wirft es nicht mehr neue Fragen auf als es beantwortet?
Sicher, es sind auch Frauen in Jesu Jüngerschaft gewesen, von denen EINIGE vielleicht eher als ich gewusst haben könnten, was es nun wirklich mit dem Gebären auf sich hat. Aber was ist mit den anderen, was ist mit den Männern?
Kurz vor meinem siebenten Geburtstag verschwand meine Mutter mit einem deutlich dicken Bauch aus unserer Wohnung und kam ein paar Tage später mit einem Brüderchen im Arm aus dem Krankenhaus wieder nach Hause. Ich war einfach nur enttäuscht, denn ich wollte lieber eine Schwester als einen Bruder. Lieber eine Helga als einen Helge.
Wochen später erst habe ich dann gefragt, wie das mit dieser Geburt eigentlich funktioniert hat. Meine Mutter erzählte, dass mein Bruder doch eher schwer gewesen sei. Über acht Pfund (ich hatte keine Vorstellung, was das bedeutete), und dass er ziemlich breite Schultern gehabt habe.
Diese Erläuterung reichte mir zwar für den Moment, doch was das konkret bedeutet haben könnte, wurde mir erst ein paar Jahre später klar, als ich in unserem Schwarz-Weiß-Fernseher irgendeinen Film mitbekam, in dem es um eine Hebamme in einem Kreißsaal ging.
Und da ging es bei den Geburten (schon in den 70er Jahren!) echt zur Sache: Schweiß, Tränen und laute, sehr laute Schreie – das sowas zu einer Geburt gehörte, war mir völlig neu, und da war ich ungefähr zwölf Jahre alt, denke ich. Jetzt bin ich 60 und war noch immer bei keiner Geburt selbst dabei. Also: Was wüsste ich ohne den Fernseher?
Wussten die Frauen und Männer in der Jüngerschaft Jesu damals wirklich mehr als ich? So ganz ohne Fernseher, Kino und Internet?
Doch vielleicht waren sie ja längst selbst Zeugen von Geburten in ihren Familien geworden, so ohne keine Kreißsäle und Krankenhäuser.
Aber hätte Jesus nicht besser über Zahn- oder Ohrenschmerzen reden sollen? Die hätte ich mir wenigstens gut vorstellen können, denn davon hatte ich mit zwölf Jahren bereits deutlich mehr als mir lieb gewesen war.
Inzwischen denke ich allerdings:
Es würde Jesus hier nicht einfach um ein Bild für Schmerzen gegangen sein, sondern um das Gegenüber von Angst, Schmerz und Erschöpfung und einem neuen Menschenleben. Jesus redet hier tatsächlich nicht davon, dass „IHR KIND“, sondern dass „ein neuer Mensch in den Kosmos geboren“ ist, so wörtlich im griechischen Urtext.
Und dann redet Jesus weiter:
22 Auch ihr habt nun Traurigkeit; aber ich will euch wiedersehen, und euer Herz soll sich freuen, und eure Freude soll niemand von euch nehmen.
23 Und an jenem Tage werdet ihr mich nichts fragen.
Ob das den Jüngern zu Lebzeiten Jesu weitergeholfen hätte?
Das mag man getrost bezweifeln.
„Noch eine kleine Weile, dann werdet ihr mich nicht mehr sehen; und abermals eine kleine Weile, dann werdet ihr mich sehen“ – was hat das mit einer Frau, ihren Geburtswehen und einem neuen Menschen im Kosmos zu tun?
Doch die nachösterliche Gemeinde des Johannes WIRD verstanden haben. Der Traurigkeit des Karfreitags folgt die Freude des Ostertages und der „Gang zum Vater“ – der Himmelfahrt.
Die nachösterliche Gemeinde versteht: Die Jünger werden letztlich durch den „Tröster“, von dem Jesus hier geredet hat und der mit dem Pfingsttag reichlich ausgegossen ist, bestärkt, konfirmiert werden. Für all das, was vor ihnen liegt, für ein Weiterleben auf dieser so wunderbaren und so grausamen Welt. Für Ein Weiterleben, ohne Jesus neben sich zu sehen, mit ihm sprechen, ihn anfassen zu können.
Und ich habe hier für mich den Grund, besser den AUGENBLICK der Freude gefunden. Es ist der Augenblick eines neuen Lebens im Kosmos. Der Freude darüber, dass dieses neue Leben möglich geworden ist: Gegen alle Traurigkeit, alle Angst, jeden Schmerz. Die Freude darüber, dass Gott etwas Undenkbares möglich gemacht hat.
Ostern feiert den Augenblick eines überirdischen, komplett neuen Lebens durch die Auferweckung des Christus von den Toten. DAS ist der Grund, das ist der Augenblick, für den der Schlusssatz (V 23) gilt: Und an jenem Tage werdet ihr mich NICHTS fragen. Da gibt es nämlich nichts zu fragen, denn alles ist so großartig, so neu und erfreulich, dass für nichts Raum und Zeit ist – außer für Jubel. Jubilate!
Meine Schwestern, meine Brüder:
Dieses neue Leben, Jesus Christus, Gott selber – DAS ist der wirkliche Herr des Kosmos, dieser Welt, unseres Lebens. Denn in der Taufe schenkt Gott jedem Menschen PERSÖNLICH all das, was zu Karfreitag, Ostern, Himmelfahrt und Pfingsten für diese Welt geschehen ist.
Ja: Diese Welt bleibt, was sie ist. Ein Ort voller Schönheit und Schmerzen, voller Liebe und Hass, voller Antworten und Fragen. Die Kirche bleibt, was sie ist: TEIL eben dieser Welt. Ein Ort voller Schönheit und Schmerzen, voller Liebe und Hass, voller Antworten und Fragen.
Doch wir haben die Taufe, die uns all das schenkt, was Gott an Heil für uns Menschen hat. Und wir können mit der Gemeinde des Johannes, mit den JüngerInnen Jesu bestärkt, konfirmiert sein und wissen:
Es gibt ihn, den Grund, den Augenblick der Freude.
Den Moment, an dem Gott UNS neues Leben schenkt.
Unser ganz persönliches Ostern:
Die Liebe Gottes, die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes werden für jeden von uns Grund zum Jubel sein.
Jubilate: An jenem Tage werden wir IHN NICHTS fragen.
AMEN
Dass war eine sehr sinnige und wahrlich beeindruckende Predigt über die Entstehungs des Lebens und die immerwährende Verbundenheit mit Gott. Es ist immer ein Wunder wenn neues Leben entsteht. Zufriedenheit mit dem Glauben und die Hoffnung was denn die Zukunft noch Gutes für jeden Einzelnen von uns bereit hält, gibt Kraft sowie Freude an jedem Tag wo wir aufwachen, leben und Gott dem Herren dankbar sind.