Gott glauben
den klugen Menschen unklug geworden
weggeschoben aus dem selbstbestimmten Leben
hingeschoben in die Welt der Klöster und Kirchen
ewig gestrig
Wer aber GOTT glaubte,
würde sie finden:
Heimat in seiner ewigen Stadt
Gerechtigkeit für alle
in seiner Liebe für seine Welt.
Gott erweist seine Liebe zu uns darin,
dass Christus für uns gestorben ist,
als wir noch Sünder waren.
Römer 5,8
***
Klassentreffen meines Abiturjahrgangs. Ich gehe da nicht wirklich gern hin, weil mir das Klima da nicht angenehm ist.
Zum einen liegt das sicher daran, dass man sich nur alle 5 Jahre sieht und mir da zu den so selten gesehenen Gesichtern die Namen und die Geschichten nicht mehr einfallen, und das ist mir irgendwie peinlich.
Und dann bin ich immer traurig, dass einige von denen, die ich während der drei Jahre sehr gemocht habe, nie zum Klassentreffen kommen. Woran das liegen mag? An der Schulzeit jedenfalls kaum.
Ich bin in den drei Jahren bis zum Abitur zum ersten Mal in meinem Leben gern in die Schule gegangen. Vor allem lag das daran, dass eigentlich alle der 32 Schüler*innen eines einte:
Wir WOLLTEN zur Schule.
Wir wollten unsere Berufsausbildung in den Getriebewerken, und wir wollten unser Abi. Viele aus der Klasse gingen sogar wie ich noch freiwillig nach der Schule in die Volkshochschule, um dort Biologie zu belegen, um später ein komplettes Abi zu haben. Man konnte ja noch nicht so genau wissen, was man studieren wollte.
Wir wollten diese Schule, das machte das Klima in der Klasse wirklich angenehm und sogar Sport oder Staatsbürgerkunde immer wieder mal zum Highlight der Woche. Selbst für mich.
Das war in den ersten zehn Schuljahren für mich anders. Die Schulpflicht zwang uns in einen Klassenraum, und Schule war darum für die meisten darin eher eine Last als eine Lust. Sowohl in den acht Jahren in Zehdenick als auch in den letzten beiden in Brandenburg.
Dazu kam, dass wir zuletzt von je 31 Schülern nur drei waren, die offen zugaben, etwas mit Kirche zu tun haben: Zwei von uns evangelisch, einer katholisch.
Gerade wir drei trafen uns dann in der selben Abi-Klasse wieder. Dort aber waren wir plötzlich 15, die evangelisch, und 3, die katholisch waren. Eine Laune der Kaderleiterin in den Getriebewerken (heute heißt das wohl Personalchefin oder hat einen denglischen Namen).
Die wollte als letzte Tat vor ihrer Berentung ihrem offenbar nicht geliebten Arbeitgeber ein besonderes Kuckuckskind ins Nest legen. Als uns das klar wurde, schweißte uns das noch enger zusammen. So hatten wir eine gute Schulzeit zusammen, und doch verlor ich die meisten nach dem Abi schnell aus den Augen.
Zuerst natürlich, weil wir in alle möglichen Richtungen verschwanden: Einige wurden Offiziere in NVA, Justiz oder Polizei; nicht wenige wurden Lehrer, zwei studierten Medizin, nur drei studierten etwas Technisches und immerhin genau so viele Theologie. Die Saat der alten Kaderleiterin war offenbar aufgegangen.
Aber auch gute Freundschaften verliefen einfach im Sande. Von den drei Theologen bin ich der einzige, der wenigstens gelegentlich zu den Klassentreffen geht. Klar, man trifft sich an einem Freitag oder Sonnabend, das ist für Pfarrersleute kein besonders guter Tag. Die haben ja meist nur am Montag frei.
Weitere Gründe: Von den 32 Schüler*innen haben nur fünf DAS Studium abgeschlossen, das sie begonnen hatten. Und außer mir sind nur noch zwei in den Beruf gegangen, den sie im Plan hatten. Der Lebensweg der meisten verlief eher holperig, nicht nur beruflich, sondern oft auch privat. Und Bestenfalls fünf machten den Eindruck, zufrieden mit ihrem Leben zu sein.
Die Unzufriedenen aber erzählten nicht gern von sich, ihrem Familienleben und ihrer Karriere. Und hörten auch nicht besonders gerne von den Fünfen, dass es denen offenbar besser ergangen war. Deren „Erfolgsgeschichten“ kamen bei den Unzufriedenen fast zwangsläufig als Prahlerei an. Und ihre Kirchen haben die meisten auch mit der Wende verlassen, als sie kirchensteuerpflichtig wurden.
Und schon wurden die meisten Gespräche des Abends flach und nichtssagend. Zum Glück war das Essen meist gut und Wein und Bier immer reichlich. So war mein Gefühl im Magen nicht ganz so flau, als ich wieder nach Hause ging.
Aber es blieb für mich eine eher traurige Angelegenheit: Die meisten aus meiner Klasse machten den Eindruck auf mich, als dass sie keinen Frieden mit ihrem Lebenslauf gefunden hätten.
Frieden mit diesem Leben, besser noch Frieden mit Gott: Wer den gefunden hat, darf sich glücklich schätzen. So ein Frieden ist nicht hoch genug einzuschätzen. Über diesen Frieden schreibt Paulus im Römerbrief, ich lese aus Kapitel 5 die ersten beiden Verse in der Übertragung der Guten Nachricht:
1 Nachdem wir nun aufgrund des Glaubens bei Gott angenommen sind, haben wir Frieden mit Gott.
Das verdanken wir Jesus Christus, unserem Herrn.
2 Er öffnete uns den Weg des Vertrauens
und damit den Zugang zur Gnade Gottes,
in der wir jetzt festen Stand gewonnen haben.
Frieden mit Gott, der Schalom, von dem schon das Alte Testament spricht: Das Höchste und Erhabenste, was Menschen zuteil werden kann. Der Zustand eines vollkommenen Heils, in dem die Gerechtigkeit Gottes, die absolut ist, und das Tun und Lassen des Menschen, das nur Sünde sein kann, in größtmögliche Übereinstimmung kommen. Dass der Mensch sich also nicht mehr von Gott gestraft oder alleingelassen oder irgendwie anders schlecht behandelt fühlt.
Wer Frieden mit Gott haben kann, wird auch mit allem anderen Frieden schließen können.
Mit der Schöpfung, den Geschöpfen, seinem Leben und der Lebensdauer.
Das bedeutet nicht, dass man künftig alles in Ordnung finden wird, was das Leben einem beschert. Da tut es schon weh, wenn ein anderer Mensch diesen Frieden selbst nicht gefunden hat. Besonders, wenn er einem nahe steht.
Aber es bedeutet, ein tiefes Vertrauen in das Handeln Gottes gefunden zu haben. Sich sicher sein zu können, dass Gott alles zu einem guten Ende führen wird. Für wahr zu halten, dass Gottes Ewigkeit alle Grenzen unserer Zeit überwindet. Dass unsere Endlichkeit in seiner Unendlichkeit aufgehen wird.
„… ja, dass mir alles zu meiner Seligkeit dienen MUSS“, haben wir vorhin gemeinsam zu Frage 1 des Heidelberger Katechismus gesprochen.
Dazu hat sich uns der unendliche und ewige Gott in Jesus Christus so klein gemacht, dass wir ihn sehen, seine Liebe erkennen, seine Gnade begreifen und seine Gemeinschaft erfahren können.
Liebe, die keine Grenzen gelten lässt;
Gnade, die in jedem Menschen das Schöne, das Gute hervorbringt;
Gemeinschaft, die uns nicht nur wissen, sondern GLAUBEN lässt, dass Gott es gut mit uns meint.
Jesus Christus ist es denn auch, der Menschen durch seinen Weg ans Kreuz begreifen lässt, dass Gottes Liebe, Gnade und Gemeinschaft das Heil sind, weil sie uns Frieden mit Gott finden lassen.
Nicht umsonst steckt in der Rede von der Trinität das Geheimnis Gottes: Gottes Liebe, die Gnade Jesu Christi und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes öffnen Menschen den Weg in ein Vertrauen zu Gott, das sie endlich erleben lässt, wie sehr Gott seine Geschöpfe und seine Schöpfung liebt.
Und das sind keine leeren theologischen Formeln. Wer diese Liebe erlebt, der findet Frieden mit Gott, das Heil und Glück seines Lebens. Der findet „festen Stand“.
So, wie Liebende festen Stand für ihr Leben haben, wenn sie ihre Liebe verschenken. Wenn sie sich gegenseitig ihrer Liebe vergewissern, selbst wenn sie das schon tausend Mal getan haben oder noch tun werden.
Genau so sagt Gott jeden Tag, jede Stunde neu „Ich liebe Dich“ zu dir. Dieses „Ich liebe dich“ lässt dich an ihn glauben. Und durch das Geschenk dieses Glauben wird alles in deinem Leben dir zur Seligkeit dienen.
Frieden mit Gott: Heil des Lebens, größtes Glück, Geschenk aller Geschenke, und du bekommst es, weil Jesus Christus durch seinen Weg ans Kreuz dich hat Gott finden lassen.
Und Paulus schreibt weiter:
Nun haben wir Grund, uns zu rühmen, weil wir die gewisse (sichere) Hoffnung haben, dass Gott uns an seiner Herrlichkeit teilnehmen lässt.
3 Mehr noch: Wir rühmen uns sogar der Leiden, die wir für Christus auf uns nehmen müssen. Denn wir wissen:
Durch Leiden lernen wir Geduld,
4 durch Geduld kommt es zur Bewährung,
durch Bewährung festigt sich die Hoffnung.
5 Unsere Hoffnung aber wird uns nicht enttäuschen.
Denn dass Gott uns liebt, ist uns unumstößlich gewiss.
Seine Liebe ist ja in unsere Herzen ausgegossen
durch den Heiligen Geist,
den er uns geschenkt hat.
Was hat das Rühmen hier plötzlich zu suchen?
Früher wäre Paulus zu seinem Klassentreffen gegangen und hätte von seinen Erfolgen erzählt. Er war ja erfolgreich. Erfolgreich als Religionspolizist gegen die, die seine Religion aufweichen wollten. Gegen die Jesusjünger, Frauen und Männer, die sich nicht an die Hausordnung halten wollten. Das musste aufhören, und Paulus hatte den Auftrag, die Hausordnung durchzusetzen, und er war erfolgreich damit: Die „Unordentlichen“ lernten schnell, sich nicht über ihn lustig zu machen.
Aber das hatte ihn dem Frieden mit Gott nicht näher gebracht. Im Gegenteil. Er fand sich mit Blindheit geschlagen irgendwo vor den Toren von Damaskus wieder. Gott, der unendlich Ewige unendlich Überraschende, regelte das auf seine Weise.
ER liebte Paulus einfach so, wie der nun einmal war. Mit all seinen Fehlern oder Macken. Und jetzt ist Paulus in dieser Liebe Gottes gefangen. Er ist selbst verliebt und benimmt sich auch so.
Und hat es erst mal KLICK gemacht/ dann hält sie keiner auf/
sie laufen vor Laternen/ doch sie stehen wieder auf/ Sinnlos sich zu wehren/ niemand kommt dagegen an/ sie sprengen alle Ketten/ geh’n wenn’s sein muss; – durch die Wand
Verliebte Jungs sind irgendwie wie Kinder:/ je verliebter – je blinder.
Das war nicht Paulus; das sang Purple Schulz vor 40 Jahren.
Aber es trifft die Gemütslage des Paulus ziemlich gut: Er ist wieder blind geworden, aber diesmal gegen die Zwänge dieser Welt, auch seiner Religion, die von Arroganz, Lieblosigkeit und Gewalt geprägt Menschen in ihre Hausordnungen zwingen wollen. Diese alten Zwänge aber haben Paulus in das Leid geführt, mit der ersten Blindheit geschlagen und abhängig von Blindenführern gemacht.
Und genau umgekehrt geschieht es ihm jetzt, seit er der Liebe Gottes verfallen ist: Durch Leiden lernt er Geduld, Geduld führt ihn in die Bewährung, und er spürt, dass so seine Hoffnung immer stärker wird.
Die Hoffnung, dass die Liebe Gottes keine Sache des Moments ist. Dass Gottes Liebe „unumstößlich gewiss“ ist. Dass sie jeden Tag neu ist. Ihn an jedem Tag von neuem gefangen nimmt. Seinem Leben Heil bringt. Den Frieden Gottes. Den Schalom.
Meine Schwestern, meine Brüder:
Der Frieden, den Gott Paulus schenkte, hat ihn nicht vor Ungemach oder gar Leid bewahrt. Wir wissen, dass er als Schiffbrüchiger in Todesangst geriet, mehr als ein Mal im Gefängnis saß und seinen Gemeinden, die er gegründet hatte und über alles liebte, unter Tränen manchen Brief schreiben musste.
Aber der Blick auf das Kreuz Christi hat ihn immer wieder aufgefangen. Hier konnte er sehen, dass Gottes Liebe den Menschen Jesus nicht nur in die Höhen geleitete: Ihn Freunde finden ließ, die ihn begleiteten; die richtigen Worte finden ließ, die Menschen berührten; Krankheiten heilen ließ, die Menschen ihre Lebenslust verlieren ließen.
Gottes Liebe trug Jesus auch durch alle Tiefen des Menschseins: Verlassenheit, Folter, Hinrichtung. Und von dort weiter in ein Leben ohne die Grenzen von Zeit oder Raum.
Auch uns wird das Leben Höhen und Tiefen spüren lassen. Doch gerade in der Passionszeit kann uns der Blick auf das Kreuz Christi die Augen öffnen für die Größe der Liebe Gottes. Uns spüren lassen, dass unsere Hoffnung auf Gott nie enttäuscht werden wird, weil Gottes Geist seine Liebe in unsere Herzen hineingießen wird.
Lasst uns wie Paulus Botschafter Gottes werden.
Botschafter SEINER Liebe, die unumstößlich ist.
Die in uns Geduld weckt und Ausdauer schafft.
Uns lasst uns nicht uns unserer Leistungen rühmen.
Sondern uns rühmen, dass wir geliebt werden
MIT allen Fehlern und Macken, die wir haben.
Und verliebt sind in den,
der uns das alles schenkt, an jedem Tag neu.
Der Friede Gottes, der höher ist als alles Denken es je fassen kann, er wird unsere Leiber und Seelen bewahren –
durch das Kreuz Jesu Christi.
AMEN