Fliegende Bäume (Lk 17 5+6)

Das Leben
es wächst hinaus
über die Köpfe der Lebendigen
Tage um Nächte
es raubt Gelassenheit
nimmt innere Ruhe
oft auch Gesundheit und Schlaf
sie werden immer neu
die Stunden
in Sorge
gar in Angst

Doch es ist uns gesagt:
Alle eure Sorgen werft auf ihn;
denn er sorgt für euch.
1 Petrus 5,7
***

Es soll in einer katholischen Kirche in der Nähe von Köln passiert sein. Beim Gottesdienst klopft der Pfarrer vor der Evangelienlesung ans Mikrofon und murmelt: „Hier stimmt was nicht mit dem Mikro.“ Und die Gemeinde antwortet: „Und mit deinem Geiste.“

Oder ein Kinderbrief.
„Lieber Gott, vielleicht hätte Kain den Abel gar nicht erschlagen müssen, wenn sie jeder ein eigenes Zimmer gehabt hätten. Bei meinem Bruder Sven und mir funktioniert das bis jetzt jedenfalls. Fürs nächste Mal, viele Grüße, Dein Hartwig.“

Auch bei uns im Osten gab es Kirchenwitze, also Nummer Drei, ob aller guten oder schlechten Dinge, könnt ihr selbst entscheiden:

Die Stasi verhört einen Kirchgänger. „Gibst du zu, dass du gerade in der Kirche warst?“ „Ja.“ „Gibst du auch zu, dass du die Füße von dem da am Kreuz geküsst hast?“ „Ja.“ „Würdest du auch die Füße unseres Genossen Erich Honecker küssen?“ „Sicher, wenn er dort hängen würde!“

Jaja, ich weiß – in unserer reformierten Gemeinde hätte das nicht passieren können. Doch viele Kirchgänger, egal welcher Konfession auch immer, bekommen tiefe Falten auf der Stirn, wenn Witze über Glauben und Kirche ins Spiel kommen. Schließlich ist Kirche keine Comedy-Show, beim Glauben geht es um wirklich ernste Sachen.

Das merken wir gerade ein Mal die Woche, wenn wir freitags im Römerbrief lesen: Der unendlich große Gott und der unendlich kleine Mensch treffen aufeinander, und da hat unsereiner tatsächlich sehr wenig zu lachen, und Paulus hätte da sicher nicht widersprochen:

Die Sache mit dem allmächtigen Gott, der Sünde der Menschen und der Rechtfertigung aus Glauben zum Ewigen Leben ist eine zutiefst ernste Angelegenheit.

Hatte Jesus eigentlich so etwas wie Humor?

Die meisten Zeitgenossen, wohl auch die meisten Kirchgänger, würden diese Frage vermutlich eher verneinen und hätten auch gute Gründe.

„Es wird Heulen und Zähneklappern geben“ klingt ebenso wenig zum Lachen wie „Wehe euch, die ihr jetzt lacht, denn ihr werdet weinen und klagen“ – beides beim Evangelisten Lukas zu finden, und ähnliche Stellen findet man des Öfteren in den Evangelien. Kirche und Lachen scheinen nicht in der selben Liga zu spielen.

Dass Jesus irgendwann laut gelacht oder Witze erzählt hätte, ist uns tatsächlich nicht überliefert. Auf den ersten Blick zumindest nicht. Doch sieht man genauer hin, ist es ziemlich unwahrscheinlich, dass Jesus freudlos, gewissermaßen als Spaßbremse durch sein irdisches Leben gelaufen wäre.

Bekanntlich berichtet ja Johannes gleich zu Beginn des Wirkens Jesu davon, dass dieser mit seinen Jüngern auf ein Hochzeitsfest in Kana gegangen sei.
Da hat er dann aber nicht den Gästen eine Predigt über den Ernst einer Gemeinschaft auf Lebenszeit gehalten. Überliefert ist vielmehr, dass er dort aus Händewaschwasser besten Wein gemacht hat – sicher zur Freude und, ja: auch zum Spaß fast aller auf dieser Feier.

Ich denke auch, dass man viele Worte Jesu besser verstehen kann, stellt man sich Jesus mit einem Schmunzeln auf dem Gesicht vor.

Zum Beispiel, als er vor dem Riesenevent der Speisung der Fünftausend seinen Jüngern sagt: „Gebt IHR ihnen zu essen! Und sie sagen zu ihm: Sollen wir hingehen und für zweihundert Denare Brot kaufen und ihnen zu essen geben?“ (Mk 6,37)

Das sind beides Dinge der Unmöglichkeit. Und beides besser zu verstehen, wenn man es nicht zu ernst nimmt. Das ist die Sorte Geplänkel unter Männern, wie man sie auf dem Bau auch heute noch täglich zu hören bekommt.

Dass die Evangelien nicht berichten, dass Jesus gelacht habe, ist für mich auch nicht verwunderlich. Denn jemand, der einen Scherz macht und selbst dabei lacht, kommt schlecht an. Die ANDEREN sollen froh werden, schmunzeln, nicht er selbst. Und kein Scherz ist lustig, wenn er erst erklärt werden muss.

Man muss also nur mal mit einem Scherz oder Ironie oder sogar schwarzem Humor rechnen, dann kann man sie auch erkennen.

So geht Jesus in das Haus des Jaïrus, dessen Tochter offenbar gerade gestorben ist, und sagt zu den Trauernden: „Was lärmt und weint ihr? Das Kind ist nicht gestorben, sondern es schläft.“

Hier wird dann sogar erzählt, dass die Menschen daraufhin lachen: „Und sie verlachten ihn.“ (Mk 5,40)
Ja, SIE lachen IHN aus – und wir wissen, dass dieser Scherz letztlich auf IHRE Kosten geht.

Und es scheint auch manchmal ganz offensichtlich schief zu gehen mit der Ironie. Jesus versucht einmal, einen didaktischen Witz zu machen, indem er seine Jünger warnt:

„Schaut zu und seht euch vor – vor dem Sauerteig der Pharisäer und vor dem Sauerteig des Herodes!“ (Mk 8,15+16). Weder Pharisäer noch Herodes sind ja schließlich Bäcker. Doch seine Jünger verstehen nur Bahnhof: „Und sie bedachten hin und her, dass sie kein Brot hätten…“

Ich denke wirklich: Humor spielt für Jesus sehr wohl eine Rolle. Da baut einer sein Haus auf Sand; der andere hat einen Balken im Auge; ein Kamel geht durch ein Nadelöhr; oder es gibt Pharisäer, die Mücken aussieben und dabei Kamele verschlucken. Jesus will seine Gemeinde lächeln sehen.

Oder Jesu erste Begegnung mit den Tempelautoritäten in Jerusalem, auf die die Leser des Evangeliums schon lange warten. Sie endet mit einer Nichtenthüllung: „Dann sage ich euch auch nicht, aus welcher Vollmacht ich das tue.“ (Mt 21,27)
Jesus überlistet seine Gegner. Ätsch.
Und das Publikum? Es wird, wenn nicht laut gelacht, zumindest geschmunzelt haben, denke ich.

Wer zuletzt lacht, lacht am besten, meint ein Sprichwort.
Und WIR sollen doch am letzten Tage lachen:
„Selig seid ihr, die ihr jetzt weint; denn ihr werdet lachen“ sagt Jesus in der Feldrede nach Lukas (Lk 6,21). Das aber kann doch nur heißen, dass wir uns bereits hier, auf dieser Welt, darauf freuen dürfen – also heute schon lachen können. Mit Jesus, der Humor hatte.

MIT Humor sind auch die beiden Verse leichter zu verstehen, die uns heute als Predigttext empfohlen sind, ich lese aus dem Evangelium nach Lukas, Kapitel 17, die Verse 5 und 6 in der Übersetzung der Zürcher Bibel:

5 Und die Apostel sagten zum Herrn: Gib uns mehr Glauben!
6 Der Herr aber sprach:
Hättet ihr Glauben wie ein Senfkorn, würdet ihr zu diesem Maulbeerbaum sagen: Reiß dich samt den Wurzeln aus und verpflanze dich ins Meer! – und er würde euch gehorchen.

Mit strenger Ernsthaftigkeit kommt man hier nicht weit: Wer könnte einem anderen eine Schippe Glauben oben drauf geben, so dass er mehr davon hätte als vorher?

Und Senfkörner, die einen eigenen Glauben haben, Maulbeerbäume, die samt Wurzeln durch die Luft Segeln und sich wo auch immer im Meer einpflanzen sollen: Was soll das werden? Wozu sollte ein Glaube gut sein, der Maulbeerbäume ins Meer verpflanzt?
Was sollen die da? Fische füttern?
Das passt gut in einen Comic. Selbst wenn es in der Bibel steht.

Dazu kommt: Ein Maulbeerbaum, das wussten damals nicht nur die Bauern, der musste doppelt so weit von dem Brunnen angepflanzt werden wie alle anderen Bäume. Vor allem vom Brunnen des Nachbarn.

Damit seine Wurzeln ihn nicht beschädigten. Der Maulbeerbaum ist besonders durstig, breit und tief verwurzelt. Maulbeerbäume konnte niemand umpflanzen – auch unter allergrößter Mühe nicht.

Und wenn unter uns heute jemand am Morgen sagt: „Ich könnte jetzt Bäume ausreißen!“, dann würde wohl jeder von uns verstehen, was der damit sagen will. Niemand käme auf die Idee, ihm zu sagen:

Hier, fang mit dem an – der alte Apfelbaum stört schon lange in meinem Garten. Nimm ihn, reiß ihn aus: Das spart mir die Motorsäge und das Stubbenbuddeln! Man würde vielmehr verstehen: Dieser Mensch fühlt sich ausgeschlafen, bärenstark, einfach gut.

Da hilft auch der Versuch mancher Bibelübersetzungen nicht, hier zu übersetzen: Hättet ihr Glauben „so groß“ wie ein Senfkorn… Denn mal ehrlich: Wer wüsste schon, wie groß ein ausgewachsener Glaube ist? Eins dreiundachzig und hundertzehn Kilo?

Also, meine Schwestern und Brüder:
Hört noch einmal mit einem Schmunzeln hin.

5 Und die Apostel sagten zum Herrn: Gib uns mehr Glauben!
6 Der Herr aber sprach:
Hättet ihr Glauben wie ein Senfkorn, würdet ihr zu diesem Maulbeerbaum sagen: Reiß dich samt den Wurzeln aus und verpflanze dich ins Meer! – und er würde euch gehorchen.

Ich höre Jesu Antwort so:
Macht euch nicht irre mit den vielen Grübeleien über euren Glauben: Ist mein Glaube stark genug? Glaube ich richtig? Kann er die Zweifel besiegen, die mir das Leben bringt? Hat der andere stärkeren Glauben als ich?

Denn eines gibt es in Glaubensfragen ganz sicher nicht: Irgendein Maß, das man anlegen könnte. Oder eine Glaubenswettkampf, bei dem es Podest-Plätze und Ferner Liefen Durchs Ziel gäbe.

Denn mit seinem Comic vom durch die Lüfte schwebenden Baum mit den großen Wurzeln erzählt Jesus es ja gerade anders. Er nimmt alles Idealisierte, Erstrebenswerte und allen Stolz – was auch immer man dem Glauben andichten könnte, auf den Arm und versenkt es im Meer.

Nein, ihr braucht keinen anderen Glauben. Keinen größeren, keinen stärkeren, keinen besseren, keinen tieferen Glauben. Denn es geht beim Glauben überhaupt nicht um irgendeine Leistung, die wir erbringen müssten. Denn wir KÖNNTEN sie gar nicht erbringen.

Es geht beim Glauben doch nicht um eine eigene Kraft die wir haben könnten, sondern um Gott. Unser Glaube ist sein Geschenk an uns, und da kann es nur und ausschließlich um unser Vertrauen zu ihm gehen, Vertrauen, dass von Herzen kommt.

Wer sich also nur nach einem perfekten Glauben fragt,
verliert leicht den aus dem Blick, dem der Glaube und das Vertrauen gilt: Gott. Und dem ist nichts unmöglich. Für den können Senfkorn und Maulbeerbaum gleich groß sein.

Gott wird den Glauben wachsen lassen, so groß wir ihn eben brauchen.

Vielleicht sucht er sich Wege und Orte, mit denen wir nicht gerechnet haben. Aber wenn das Grundvertrauen da ist, kann daraus etwas werden, wenn es sein soll.

Dann darf kommen, was kommt. Die Bibel lässt uns nicht im Unklaren: Gott will nicht ohne den Menschen, er will auch nicht ohne mich sein. Was das Leben uns an Aufgaben und Herausforderungen bringt, weiß niemand von uns.

Was wir aber glauben, was wir wissen können:
Gott lässt nicht von uns. Mir gibt das Hoffnung, dass ich am Ende zu denen gehören kann, die am besten lachen. Und dass ich bis dahin Spaß daran haben kann, von Senfkörnern mit eigenem Glauben und fliegenden Maulbeerbäumen zu träumen.

Aus der Liebe Gottes, der Gnade unseres Herrn Jesus Christus und der Gemeinschaft des Heiligen Geistes

wachsen uns Glaube, Hoffnung und Liebe,
die uns am Ende alle lachen lassen werden.
AMEN.

Die Musik zum Schluss ist auf englisch gesungen und mit der Sorte englischen, schwarzen Humor versehen, den ich auch sehr mag.
Da heißt es zum Beispiel:

„Wenn du dich fühlst, als lägst du schon auf der Müllkippe
Dann sei kein dummer Trottel
Spitz deine Lippen und pfeif, das ist der Trick!

Denn das Leben ist ziemlich absurd und der Tod hat das letzte Wort
Du musst immer mit einer Verbeugung vor den letzten Vorhang treten
Denk nicht an deine Sünden, zeig den Zuschauern ein Grinsen
Genieß es, es ist sowieso deine letzte Chance

Also, immer auf die fröhliche Seite des Todes schauen
Auch kurz bevor du den letzten Atemzug machst.“

Always Look On the Bright Side of Life
Schau immer auf die Sonnenseite des Lebens

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