Die wundervollen kleinen Dinge
im Strumpf vom Weihnachtsmann –
Danke, alter Freund, fürs Packen.
Das hörten wir in einem Titel der schwedischen Kultband Abba,
eine der schöneren Neuigkeiten dieses Jahres (Little Things).
Wir feiern derweil den zweiten Corona-Heiligabend:
Eine kurze Christvesper OHNE Gemeindegesang,
dafür MIT ffp2- Maske.
Welch fader Tausch!
Immer mehr Menschen geht in dieser Pandemie
nicht nur ihre Gesundheit,
sondern auch ihre Lebensfreude verloren.
Immer größere Hilflosigkeit, wohin man schaut,
eingepackt in immer neue Regeln:
Kontaktbeschränkungen, Bußgelder bei Verstößen, Feuerwerksbeschaffung aus Polen.
In diesen dunkelsten Tagen des JAHRES
entzünden wir ein Lichtermeer.
Denn selbst in die dunkelste Zeit eines LEBENS
trägt Gott das Licht der Welt,
seinen Sohn Jesus Christus.
Das Wort ward Fleisch
und wohnte unter uns,
und wir sahen seine Herrlichkeit.
Johannes 1,14a
***
Aus dem Buch des Propheten Micha Kapitel 5 –
seine Weissagung ist zugleich heute Predigttext:
1 Und du, Bethlehem Efrata,
die du klein bist unter den Städten in Juda,
aus dir soll mir der kommen, der in Israel Herr sei,
dessen Ausgang von Anfang und von Ewigkeit her gewesen ist.
2 Indes lässt er sie plagen bis auf die Zeit, dass die, welche gebären soll, geboren hat.
Da wird dann der Rest seiner Brüder wiederkommen zu den Israeliten.
3 Er aber wird auftreten und sie weiden in der Kraft des HERRN und in der Hoheit des Namens des HERRN, seines Gottes.
Und sie werden sicher wohnen; denn er wird zur selben Zeit herrlich werden bis an die Enden der Erde.
4 Und er wird der Friede sein.
Brandendorf: So nennen Manche etwas despektierlich den Ort, der sein Stadtrecht seit deutlich über tausend Jahren hat, der diesem Land seinen Namen gab und der heute immerhin 72.231 Einwohner hat. Und in Wahrheit Brandenburg an der Havel heißt.
Brandendorf – das nur, weil Brandenburg eben keine Großstadt ist. Geht man regelmäßig ins Theater oder in die Orgelmusik oder in die Stadtbibliothek, trifft man da irgendwann die Menschen, die da auch regelmäßig hingehen, und irgendwann kennt man sich eben. So stellt sich mancher Städter eben ein Dorf vor. Nur dass man dort Theater und Bibliotheken genauso vergeblich sucht wie regelmäßig verkehrende öffentliche Nahverkehrsmittel.
„Und du, Bethlehem Ephrata, die du klein bist unter den Städten in Juda,…“- diese Worte des Propheten Micha haben vor fast 3000 Jahren sicher so geklungen, als würde ich heute über Hohenbruch reden. Der zweite Ort unserer Evangelisch-reformierten Kirchengemeinde im Havelland.
Wer im Land weiß schon, wo dieses Dorf mit 689 Einwohnern liegt?/ Na das ist ein Ortsteil von Kremmen./ Achso. Und wo bitte liegt das?
Mit Bethlehem dürfte das genauso gewesen sein: Bethlehem. Wo liegt das denn?/ Hieß früher mal Efrata./ Achso. Und das liegt bitte wo?
Ohne den Propheten Micha würde das kaum jemand wissen. Bethlehem wäre eine namenlose Kleinst-Stadt im zerrissenen Israel- Palästina. Zu Zeiten der Geburt Jesu lebten dort wahrscheinlich nicht einmal 1000 Menschen, also durchaus mit Hohenbruch vergleichbar.
Ob es ohne Micha jemals den Stall in Bethlehem gegeben hätte?
Den Stall, in dem die Schwangere aus Nazareth Mutter wurde?
Die Krippe, um die wir uns heute nach 2021 Jahren noch immer versammeln?
Als Micha diese Verse schrieb, war an Weihnachten mit all seinen Verwicklungen überhaupt nicht zu denken, es ließ noch Jahrhunderte auf sich warten.
Die Israeliten hatten keine entspannte Festmeile, sondern angespannte politische Zeiten. Unrecht, Gewalt, Korruption.
Der eigene König gefangen und misshandelt. Die Hauptstadt Jerusalem zerstört. Keine Souveränität, auch keine Hoffnung darauf.
So hatten die Bilder, die Micha hier benutzt, für die Menschen damals zuerst eine klar politische Dimension. Die Hoffnung auf politische Verhältnisse in Israel, die das Volk Gottes aus seiner Bedrängnis in eine lichte Zukunft führen mögen.
Aber sie waren schon damals viel mehr.
Sie richteten ihren Blick nicht auf die RESIDENZSTADT der Davididen Jerusalem,
sondern auf die HEIMATSTADT Davids Bethlehem.
Das wäre ähnlich dem Unterschied zwischen Hohenbruch und Brandendorf (äh Verzeihung, Brandenburg an der Havel).
Michas Bilder beschreiben schon damals mehr als einen irdischen Herrscher. Sie beschreiben einen Herrn, „dessen Ausgang von Anfang und von Ewigkeit her gewesen ist“.
Unter den Königen damals war niemand zu erwarten, der „herrlich sein“ würde, „soweit die Erde ist“, und der der personifizierte Friede wäre. Kein Mensch damals erwartete so göttliche Qualitäten wirklich ernsthaft von den politischen Größen seiner Zeit. Auch heute dürfte das nicht anders sein, schon gar nicht in Corona-Zeiten.
Bethlehem – das ist bei Micha also keine schlichte Ortsangabe.
Es ist theologisches Programm.
Aus dieser bedeutungslosen KLEINST- Stadt wird die Rettung nicht nur eines Volkes kommen, sondern er wird herrlich werden, „so weit die Erde ist“. Hier wird Gott wie aus dem Nichts eingreifen und neu Geschichte schreiben.
So ist es wenig überraschend, dass christliche Augen seit Weihnachten diese Micha- Vision als messianische Weissagung
auf die Geburt Jesu Christi beziehen.
Schon der Evangelist Matthäus sieht es so: Als die Weisen zu Herodes kommen, um den Geburtsort des neuen Königs zu erfragen, verweisen die Ratgeber des Palastes eben auf diese Bibelstelle Micha 5 und damit auf Bethlehem. Und genau dorthin schickt Herodes dann die Gelehrten aus dem Osten, aus denen die Tradition irgendwann die drei Könige macht.
Und Lukas erwähnt Micha zwar nicht, aber die Bilder des Micha werden zu den Bildern der berühmten Weihnachtsgeschichte nach Lukas:
Die Krippe steht in einem Stall in Bethlehem, Maria ist die, die dort gebären wird, und der große Hirte Jesus bekommt Besuch
von den vielen kleinen Hirten, die genauso unscheinbar am Rande der Gesellschaft leben wie Bethlehem im Schatten der großen Stadt Jerusalem liegt.
Beide Evangelisten sind fest in jüdischer Tradition verwurzelt, für beide ist die Geburt des Kindes die Erfüllung der Micha-Weissagung:
Gott greift in das Weltgeschehen ein, aus Bethlehem, dem unscheinbaren politischen Nichts. Ohne wirtschaftliche, politische oder militärische Lobby. Er handelt aus einem Futtertrog.
Gott schreibt Gerechtigkeits- Geschichte. Nicht als Herrscher einer Weltmacht, nicht als Richter eines internationalen Tribunals, nicht mit Mitteln von Polizei oder Militär.
Sondern als einer, der Menschen am Rande der Gesellschaft zuspricht, wonach sie sich sehnen:
Fürchtet euch nicht mehr, denn das Heil ist Euch geboren!
Als einer, der Menschen nachgeht, aufrichtet, heilt.
Der sie eine Liebe erfahren lässt, deren Größe sie nie vergessen werden: Die Leib und Seele weidet, die Sicherheit bietet ohne Grenzen, die selbst durch den Tod am Kreuz hindurch Frieden stiftet.
All das kommt aus dem Dorf Bethlehem in die Weite dieser Welt.
All das kommt zur Weihnacht in unsere Wohnungen, wo immer wir auch sind.
Meine Schwestern, meine Brüder:
Die Vision einer wirklich gerechten Herrschaft – wir teilen sie mit den meisten Menschen auf der Welt.
Dass die Unfähigkeit vieler Menschen, sich LIEBEVOLL in Augen zu blicken und nicht herrschsüchtig, rechthaberisch oder arrogant – dass diese Unfähigkeit sich wandeln ließe in die Bemühung um liebevolles Miteinander, in echten Frieden.
Diese Hoffnung eint die Menschen, sie eint Reiche und Arme, Schwarze und Weiße, Junge und Alte, Gesunde und Kranke.
Gottes Antwort auf diese Hoffnung nach einem echtem Frieden:
Das Zeichen aus Bethlehem.
Das Micha kommen sah und das die Hirten erlebten.
Gott vergisst die Geschundenen und Enttäuschten nicht.
Sein Angebot: Frieden durch Liebe.
Und Liebe kommt nicht im machtvollen Auftreten der Könige und Kaiser dieser Welt.
Liebe kommt aus Bethlehem, das kaum einer kennt.
Liebe kommt durch die 40: DAS Symbol des Neubeginns. 40 Jahre Wüstenwanderung, 40 Tage fastet Jesus in der Wüste, 40 Wochen Schwangerschaft. Gottes Liebe kommt in einem Kind, zum Anfassen, endlich.
Seine Liebes-Macht ist nicht auf das politische Israel begrenzt.
In der Zeit unserer Welt bietet er allen seinen Frieden an, die nach ihm fragen und ihn von Herzen suchen.
In der Ewigkeit seines Himmels wird er herrlich werden „bis an der Welt Enden“.
Und seine Ewigkeit ist nicht am Ende unserer Zeit, sie ist JETZT.
Darum haben wir Grund zum Feiern, alle Jahre wieder.
Dass die Wurzeln wahrer Liebe aus dem Stall zu Bethlehem
Blüten des Friedens in unser Leben trägt..
Weihnachten- das ist der Tag,
an dem die Liebe Gottes,
die Gnade unseres Herrn Jesus Christus
und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes
diese Welt verändern,
weil sie uns verändern.
Amen.