Wo die Zukunft wirklich liegt (4. Mose 11 ab V4 in Ausz)

PFINGSTEN
Die Gemeinschaft der Heiligen feiert
sie ist begeistert
vom Wort Gottes, dass Herzen entzündet
und das Leben wandelt
in ewiges Leben

Es soll nicht durch Heer oder Kraft,
sondern durch meinen Geist geschehen,
spricht der HERR Zebaoth.
Sacharja 4 Vers 6
***

Der Pfarrer solle nicht so viel bauen sondern lieber Kinder- und Jugendarbeit machen. Dann wäre auch mehr Gemeinde da und man könnte das alte Pfarrhaus erhalten. Solches und Ähnliches war im Dorf zu hören, als es vor guten sechs Jahren mit dem Bauvorhaben Gemeindehaus ernst wurde.

Und tatsächlich – viele in Hohenbruch können sich noch daran erinnern, dass ein junger Pfarrer ins alte Pfarrhaus zog und aus einem Singkreis eine immer größer und stärker werdende sogenannte „JG“, also „Junge Gemeinde“ wurde. Angesichts staatlicher Repressionen gegen die Kirchen hier im Osten Deutschlands fanden sich dort die, denen Kirche wichtig war, und man hatte hier im DDR-Staat nicht nur einen starken Gegner, sondern auch ein starkes Feindbild, das einig machte.

Nicht nur in Hohenbruch war das so, sondern auch anderswo, sogar im roten Brandenburg an der Havel. Und so erinnert man sich nicht nur in Hohenbruch, sondern auch in Brandenburg allzu gern an diese spannende Hoch-Zeit evangelischer Kirche.

In meiner Jungen Gemeinde trafen sich bis zu fünf Mal je Woche bis zu 40 Leute im Keller eines Pfarrhauses am Gotthardtkirchplatz zu Schmalzstullen, Tee (manchmal auch Wein) und heißen Wortgefechten im Zigarettenrauch mit dem Pfarrer…

Hohenbruch entwickelte ich zu einem Jugendzentrum im Kirchenkreis Oranienburg, der Hohenbrucher Pfarrer wurde Jugendpfarrer im Kirchenkreis, auch mein Vater war als junger Pfarrer hier mit Jugendgruppen zum Schlafen in Fachwerkscheune und Pfarrhaus.

Und die Junge Gemeinde von damals wurde zur prägenden Kraft der Gemeinde vor Ort, und sie ist das bis heute: Ohne Haases läuft in Kirche, Gemeindehaus und auf dem Friedhof auch heute nichts, und bei den Akteuren der JG von damals in Brandenburg sieht das auch nicht viel anders aus.

Doch das Leben ist hart mit uns: Die Junge Gemeinde von damals ist alt geworden, und ordentlicher Nachschub scheint seit den 80er Jahren nicht in Sicht, weder in Hohenbruch noch anderswo hier im Osten. Auch der Mauerfall brachte hier keine „Wende“.

Und so wird aus den Erinnerungen an die guten alten Zeiten oft eine Klage: Was, wenn wir einmal nicht mehr sind? Wer geht dann noch in den Gottesdienst? Wer wird das neue Gemeindehaus mit Leben füllen? Ach, wäre es doch so schön wie früher…

Das Leben ist hart, nicht nur mit uns, denn das war es schon immer. Die meisten kennen die Geschichte des Volkes Israel in der Wüste, das zu murren beginnt, weil es sich nach den Fleischtöpfen Ägyptens zu sehnen beginnt. An jedem Tag morgens, mittags und abends nur Manna ist wie jeden Tag Sekt ist eben wie immer Selters. Irgendwann kommt einem das zu den Ohren heraus…

Wir hören aus dem 4. Mosebuch Kapitel 11 (ab V4 in Auszügen):

Da fingen auch die Israeliten wieder an zu weinen und sprachen: Wer wird uns Fleisch zu essen geben? Wir denken an die Fische, die wir in Ägypten umsonst aßen, und an die Kürbisse, die Melonen, den Lauch, die Zwiebeln und den Knoblauch.
Nun aber ist unsere Seele matt, denn unsere Augen sehen nichts als das Manna….
Mose (aber) sprach zu dem HERRN:
Warum bekümmerst du deinen Knecht? Und warum finde ich keine Gnade vor deinen Augen, dass du die Last dieses ganzen Volks auf mich legst? Hab ICH denn all das Volk empfangen oder geboren, dass du zu mir sagen könntest: Trag es in deinen Armen, wie eine Amme ein Kind trägt…? Woher soll ich Fleisch nehmen, um es all diesem Volk zu geben? Sie weinen vor mir und sprechen: Gib uns Fleisch zu essen. Ich vermag all das Volk nicht allein zu tragen, denn es ist mir zu schwer. Willst du aber doch so mit mir tun, so töte mich lieber, … damit ich nicht mein Unglück sehen muss.
Und der HERR sprach zu Mose:
Sammle mir siebzig Männer unter den Ältesten Israels…und bringe sie vor die Stiftshütte und stelle sie dort vor dich. So will ich herniederkommen und dort mit dir reden und von deinem Geist, der auf dir ist, nehmen und auf sie legen, damit sie mit dir die Last des Volks tragen, und du nicht allein tragen musst…
Und Mose ging hinaus und sagte dem Volk die Worte des Herrn und versammelte siebzig Männer aus den Ältesten des Volks und stellte sie rings um die Stiftshütte. Da kam der Herr hernieder in einer Wolke und redete mit ihm und nahm von dem Geist, der auf ihm war, und legte ihn auf die siebzig Ältesten. Und als der Geist auf ihnen ruhte, gerieten sie in Verzückung wie Propheten und hörten nicht auf.

Ach, die guten alten Zeiten. Damals war alles besser, selbst die Zukunft. Sie weinen der guten Versorgung mit Grundnahrungsmitteln nach, wo das Brötchen noch 5 und das Mischbrot 78 Pfennige kostete und der Schinken noch in ordentlich dicken Scheiben beim Fleischer lag.

Ach du himmlisches Ägypten – Fisch umsonst, Kürbis, Melone, Lauch, Zwiebel, und das Wichtigste: Knoblauch! Ist der Verlust dieser kulinarischen Genüsse eigentlich dieses ganze Gerede von „Freiheit aus der Sklaverei“ wert?

Sie jammern nicht etwa, weil sie jetzt hungern müssten, sondern weil sie Appetit nach Abwechslung haben. Keine Mangelernährung – das Manna ist wunderbar, so für sich gesehen. Aber immer nur Manna ist ihnen zu langweilig. Das ist ein guter Grund, so laut zu weinen, dass Mose nervös und nervöser wird: Warum weinen die Kinder nur?

Das Volk will mitten in der Wüste Fleisch? Also ist Fleisch zu besorgen. Nur: „Woher soll ich Fleisch nehmen, um es all diesem Volk zu geben?“ Mose weist den Wunsch nicht etwa als unverschämt oder zumindest nicht sachgemäß zurück. Er zeigt keinerlei Distanz zum Volkswillen. Darum will er zur Lösung des Problems eine Machttat Jahwes.

Mose ist nicht einfach darum überlastet, weil zu viel auf ihm lastet. Er ist überlastet, weil er sich alles auflasten lässt, was andere nicht handeln können oder wollen. Er entscheidet offenbar nicht selbst, welches Anliegen er zu seiner Aufgabe macht.

Er lässt sich vielmehr zum Erfüllungsgehilfen seines maßlosen Volkes machen. Er benimmt sich wie eine Amme, die ihren Säuglingen jeden Wunsch von den Augen ablesen will.

Das KANN aber nicht gut gehen, DARUM ist Mose jetzt völlig demotiviert und will alles hinschmeißen. Anderenfalls möchte er, dass Gott ihn sterben lässt, damit er, Mose, sich dieses Elend nicht länger ansehen müsse.

Gott lässt niemanden, der ihn um Hilfe bittet, ohne Schirm im Regen stehen. Schon gar nicht den treuesten seiner Knechte Mose. Wie hilft er hier?

Das Kapitel, in dem unser Predigttext steht, erzählt einen doppelten Ausgang dieser Geschichte. Der zweite, den ihr vorhin NICHT gehört habt, kennen aber die meisten:

Jahwe lässt Wachteln kommen und sie rund um das Lager einfach vom Himmel fallen. Nicht ein Mal die Woche und eine oder zwei für jeden, sondern einen ganzen Monat lang so viele, wie man essen mag. Und die Israeliten springen auf, um sie einzusammeln- nicht wenige überfressen sich daran und müssen in der Wüste begraben werden. Bezeichnender Weise nennt man das so entstehende Grabfeld „Lustgräber“.

Jahwe rächt sich nicht am undankbaren Volk. Er ZWINGT ja niemanden mehr zu essen, als ihm gut tut. Aber wie gute Eltern lässt er die Kinder die Folgen ihres Tuns spüren. Ihre maßlosen Wünsch bleiben ihnen im wahrsten Sinne des Wortes im Halse stecken.

Mose aber wird auf sehr überraschende Weise entlastet. Er soll siebzig Menschen auswählen und um die Stiftshütte, wörtlich das „Zelt der Begegnung“ versammeln. Hier begegnen sich Gott und Mensch, es ist das „Kirchenzelt“ in der Wüste.
Siebzig: Die Zahl für das Große, das Ganze. Wie oft soll ich meinem Bruder, der an mir sündigt, vergeben? Jesus sagt: Sieben mal siebzig Mal. Nicht nur dieses Mal, sondern ganz und gar!

So auch hier: Siebzig Älteste sind es, die zusammen kommen und sich an der Stiftshütte versammeln. Und Gott nimmt vom prophetischen Geist des Mose, der ja vom Geist Gottes bestimmt und durchzogen ist, und legt ihn auf die siebzig. Prophetischer Geist- das ist der Geist, der Gottes Wort zu den Menschen trägt. Geist, der Menschen Gott erfahren lässt: Gottes Geist, Heiliger Geist.

Und wo dieser Geist weht, da ist Hilfe nah. Siebzig mal stärker, also die ganz große Kraft. Mose ist nicht mehr allein mit seiner Aufgabe. Er hat seine „Kirche“. In dieser Gemeinschaft ist das Volk Israel gut aufgebhoben auf seinem langen Weg in das Land der Verheißung.

Meine Schwestern, meine Brüder:

Es gibt Dinge, an denen sich die Geister scheiden, und daraus folgt, dass es viele Geister auf dieser Welt gibt. Manch einem mag nur der „Geist des Weines“ einfallen, aber da gibt es den Vereins-Geist, den Geist der Schlussakte von Helsinki, den Geist der Verzagtheit – und viele, viele Geister mehr. Und die sind nichts für die Geisterstunde ab null Uhr – sie sind allgegenwärtig. Es bestimmt unser Leben, „wes Geistes Kind“ wir sind.

Pfingsten feiert den Geist Gottes, der schon immer auf unserer Welt da weht, wo Gott zu finden ist. Der Geist Gottes machte aus einem Planeten, der „wüst und leer“ war, unsere wunderbare Erde, auf der und von der wir leben dürfen.

Sein Heiliger Geist machte das Volk Israel zu seinem Volk und brachte es ins verheißene Land. Sein Heiliger Geist schaffte es, das fünfzig Tage nach Ostern alle fremden Menschen in Jerusalem IN IHRER MUTTERSPRACHE von den großen Taten Gottes hörten. Sein Geist, den er auf die Siebzig legte, rettete das Volk – die Fleischtöpfe Ägyptens, Manna und Wachteln oder das Mischbrot zu 78 Pfennigen waren es ganz sicher nicht.

Das bedeutet aber auch, mit einem Missverständnis aufzuräumen: NICHT in der Jugend liegt die Zukunft. Sie gehört zweifelsohne zum natürlichen Kreislauf des Lebens auf dieser Welt, aber die ZUKUNFT unserer Gemeinde ist sie nicht.

Es war ja auch nicht die JUGEND, die die Junge Gemeinde von damals groß und erfolgreich gemacht hat, auch nicht der Pfarrer, der sie anleitete oder die große Zahl derer, die damals dabei waren. Es war der GEIST GOTTES, der all diese Menschen für sich gefangen nahm und für das Leben dieser Gemeinde wichtig werden ließ.

Darum, liebe Gemeinde, ist mir auch nicht bange darum, wer dieses Gemeindehaus mit Leben erfüllen wird. Das Geld mag uns von Jahr zu Jahr knapper werden, nicht nur Öl für Heizung und den Salat werden immer teurer. Vor jeder Presbyteriumswahl plagt uns vielleicht weiter die Angst, ob uns die Kandidaten ausgehen werden.

Doch der Geist Gottes wird niemals ausgehen. Er hat und er wird immer Menschen für sich gefangen nehmen, sie für das Wort Gottes in Brand setzen und „Kirche“ schaffen.

Wenn es dafür wieder eine Jugendgruppe gäbe – gut, so sei es denn. Aber er hat hier im Dorf oder in den anderen Orten auch genügend andere Menschen, die bis zum heutigen Tag von Gott wenig oder nichts wissen.

Darum ist der Geist der Zukunftsangst in der Gemeinde gelebter Unglaube. Sie lässt Menschen dem Wirken des Heiligen Geistes im Wege stehen, weil sie ängstlich fragt: Wer wird nach uns kommen? Das ist eine Frage aus der Kategorie Volkeswillen wie: Woher soll ich das Fleisch nehmen?

Doch unsere Zukunft ist sicher!
Denn unsere Zukunft ist die Liebe Gottes, die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes.

Gibt es etwas besseres, liebe Nachbarn?
Kommt, lasst uns reden und feiern – dann wird unsere Zukunft vielleicht auch eure.
Ein Dach über dem Kopf haben wir jedenfalls schon mal.
AMEN

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