Den Kopf nach vorn beugen
auf die eigenen Füße sehen
den nächsten Schritt sehen
aber nicht weiter
Was kann der Mensch tun
wenn der andere den Kopf hängen lässt
was kann man bieten
dass der Blick nach vorn sich wieder lohnt?
Advent: Erlösung in Sicht
Bewahrung der Sehnsucht
Blick in den offenen Himmel
Seht auf und erhebt eure Häupter,
weil sich eure Erlösung naht.
Lukas 21,28
***
In zwei Wochen fällt der vierte Advent auf den 23. 12.- eine der kurzen Adventzeiten bis zum Weihnachtsfest.
Weihnachten: Das wievielte ist es eigentlich?
Das 2018te? Für mich das 56. Das wievielte ist es für Euch?
Alle Jahre: Wieder Weihnachten. Die Christenheit feiert die Geburt des Jesus aus Nazareth. Die Christvespern werden WIEDER gut besucht sein, die uralten Texte werden wieder gelesen, die bekannten Lieder wieder gesungen.
Nicht nur Christen freuen sich auf die freie Zeit an den Feiertagen, auf das traditionelle gute Essen, auf gemeinsame Zeit mit der Familie oder auch mit Freunden.
Und doch spüren nicht wenige: Es fehlt etwas. Irgendetwas wichtiges. Aber was genau ist das? Wärme und Licht? Wohl kaum. Manche feiern inzwischen Weihnachten mit Kerzen auf einem Kaktus irgendwo da, wo es richtig warm ist. Und auch bei uns hier im Norden werden Kerzen die Kirchen warm und hell erstrahlen lassen.
Nicht wenige SUCHEN nach dem, was ihnen fehlt. Viele verfallen in den alljährlichen Konsumrausch vor Weihnachten. Sie kommen selbst in der kurzen Adventszeit auf ihre Kosten. Auf Märkten und bei verkaufsoffenen Adventssonntagen. Ob sie in den Verkaufstempeln finden, was ihnen fehlt?
Nicht wenige haben gemerkt, dass ihnen die Adventszeit irgendwie abhanden kam. Sie wurde einfach zur Vorweihnachtszeit umgeformt. Plätzchenbacken, Fest vorbereiten, Geschenke kaufen. Und Nahrungsmittel bunkern, als würden die Geschäfte nach Weihnachten nie wieder öffnen. Und Konzerte über Konzerte. Jauchzet frohlocket, manchmal schon vor dem ersten Advent.
Auch sie suchen weiter nach dem, was da fehlt.
Eigentlich beginnt Weihnachten mit dem 25. Dezember, der Weihnachtsfestkreis endet mit der Epiphaniaszeit. In diesem Kirchenjahr ist das neu geordnet, sie dauert künftig immer gleich lang bis zum Tag der Darstellung des Herrn. Das ist der 40. Tag nach Jesu Geburt, also der 2. Februar, katholisch ehemals Mariä Lichtmess. 40 Tage Weihnachtszeit. Ist das einfach ZU lange? Oder kommt Weihnachten einfach nur zu spät, obwohl es doch immer pünktlich kommt?
Es ist schon merkwürdig: In der Hast ihres Lebens Zeit versuchen immer mehr Menschen, die Weihnachtszeit irgendwie zu überholen, sie vorzuziehen. Die ersten Weihnachtsauslagen gibt es ja auch schon im September, und wer am 24.12. noch Weihnachtsbaumkerzen kaufen möchte, kommt vielerorts bereits zu spät. Liegt es da nicht NAHE, Weihnachten früher vorzubereiten? Weihnachtsbäume schon vor dem 24. zu schmücken? Die Kerzen schon vorher anzuzünden oder die Lichterketten in die Steckdosen zu stecken?
Nur: Wer die Weihnachtszeit immer früher beginnen lässt, dem geht sicher schon am zweiten Weihnachtstag die Luft aus. Dann verschwinden die Weihnachtsbäume auch schon mal vor dem Dreikönigstag aus dem Wohnzimmer. Man hat sie ja lang genug gehabt. Und doch immer noch nicht das gefunden, was da fehlt.
HABEN tun wir eine Menge: Ideen, Wohlstand, Ziele. Vor allem an Zielen fehlt es nicht: Reiseziele und Zahlungsziele, erreichte Ziele, verfehlte Ziele. Und doch fehlt etwas.
ADVENT: Die Zeit der jährlichen Neuorientierung. Zeit der Einkehr, Bußzeit, liturgische Farbe: Violett. Auch alle Jahr wieder.
Die Erlösung ist euch nahe, erinnert der Wochenspruch. Darum hebt Euren Blick. Über die Fußspitzen, über den nächsten Schritt hinaus. Was kommt auf euch zu? Worauf könnt ihr euch einstellen?
Und der Predigttext für diesen zweiten Advent beschreibt eine Vision, ich lese aus dem Propheten Jesaja Kapitel 35 ab Vers 3:
3 Stärkt die müden Hände und macht fest die wankenden Knie! 4 Sagt den verzagten Herzen: »Seid getrost, fürchtet euch nicht! Seht, da ist euer Gott! ER …wird euch helfen.«
5 Dann werden die Augen der Blinden aufgetan
und die Ohren der Tauben geöffnet werden.
6 Dann wird der Lahme springen wie ein Hirsch,
und die Zunge des Stummen wird frohlocken.
Denn es werden Wasser in der Wüste hervorbrechen
und Ströme im dürren Lande.
7 Und wo es zuvor trocken gewesen ist, sollen Teiche stehen, und wo es dürre gewesen ist, sollen Brunnquellen sein.
Wo zuvor die Schakale gelegen haben,
soll Gras und Rohr und Schilf stehen.
8 Und es wird dort eine Bahn sein und ein Weg,
der der heilige Weg heißen wird. …
9 Es wird da kein Löwe sein
und kein reißendes Tier darauf gehen;
sie sind dort nicht zu finden,
sondern die Erlösten werden dort gehen.
10 Die Erlösten des HERRN werden wiederkommen
und nach Zion kommen mit Jauchzen;
ewige Freude wird über ihrem Haupte sein;
Freude und Wonne werden sie ergreifen,
und Schmerz und Seufzen wird entfliehen.
Das ist Gottes Licht weit über unseren Zielen, die Hoffnung unter oder über allem, der freie Blick über die Fußspitzen hinweg in Gottes Himmel. Alles, wirklich ALLES wird gut, wenn Gott den Menschen helfen wird. So gut, dass es besser nicht werden kann.
Lahme werden nicht nur am Stock gehen lernen, sondern springen können. In der Wüste wird kein Brunnen gebohrt, sondern es werden breite Ströme fließen. Alle Bedrohung der Existenz wird ein Ende haben, der Weg der Erlösten voller Kraft und ohne Gefahr. Leid mit Seufzen und Schmerzen wird ein Ende haben, weil Jauchzen und ewige Freude regieren.
Klingt das nicht zu schön, um überhaupt jemals wahr werden zu können? Sind das nicht Illusionen, die nur unsere Sinne vernebeln und Kräfte an falscher Stelle verzehren? Ist das nicht Vertröstung auf den Sankt- Nimmerleins- Tag? Sollten wir uns nicht lieber den Zielen widmen, die wenigstens auch irgendwie erreichbar sind? Die wir auch noch erleben können, wenn wir uns ordentlich anstrengen?
Doch es vergeht kaum ein Tag im Leben, an dem einen nicht die Furcht ankommt. Die Furcht, es könnte alles, was uns lieb und teuer ist, irgendwann einfach untergehen.
Menschen in unseren Gemeinden sammeln Geld und lassen Brunnen in Zimbabwe bohren. Aber Asiens Wüsten und das Ozonloch werden immer größer. Tausend Menschen gehen in Italien in einen Club, um zu feiern, der Abend endet in einer Massenpanik mit sechs Toten und über hundert Verletzten.
Menschen bauen Atomkraftwerke und leben weiter unter dem Damoklesschwert der Atombombe. Sie reden von Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit – und schicken ihre Polizei gegen die, die Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit in ihrem Alltag vergeblich suchen.
Die Menschheit hätte genug von allem und für alle, aber scheitert immer wieder neu daran, Hunger und Armut zu beenden. Menschen sprechen Recht in ihren Gerichtssälen und suchen doch lebenslang nach Gerechtigkeit. Sie schicken Soldaten nach Afghanistan und scheitern im Jemen. Ihr medizinisches Können wird von Jahr zu Jahr größer und für immer mehr Menschen unbezahlbar.
Nichts, was sie an Gutem hätten, würde nicht zu schlechtem missbraucht: Selbst die Religionen durch Inquisition und Kreuzzüge, Heiligen Krieg und Selbstmordattentate.
Welche Ziele, die wir zu Lebzeiten erreichen könnten, wären es denn WERT, dass wir unsere Lebensenergie investieren? Wie kann man bei all dem noch wissen, was WIRKLICH gut und richtig ist? Wie kann man bei all den täglichen Verlusten und Niederlagen an der Menschlichkeit der Menschen NICHT verzweifeln? Kann man nicht zufrieden sein, wenn man wenigstens auf den nächsten seiner Schritte schauen kann, damit man nicht stolpert oder gar fällt?
Stärkt die müden Hände! Macht fest die wankenden Knie! Sagt den verzagten Herzen: Gott wird euch helfen!
Jesaja sieht das Licht weit über unseren Lampen, die Hoffnung vor allem. Alles wird gut werden, wenn der Mensch nicht sich selbst, sondern Gott begegnet.
Lahme werden nicht nur am Stock gehen lernen, sondern springen können. In der Wüste werden keine Brunnen gebohrt,
sondern es werden breite Ströme fließen. Schakale oder Löwen werden keine Bedrohung mehr sein auf dem Weg, den die Menschen zu Gott gehen: Alles Leid mit Seufzen und Schmerzen wird ein Ende haben, herrschen werden Jauchzen und Freude.
Es wäre doch zu armselig, wenn es alles im Leben wäre, mit ansehen zu müssen, wie Menschen Tag um Tag scheitern. Jesaja ist sich sicher: Gott ist der Ursprung von allem, was wir sind oder haben. Er ist nicht nur unsere Anfang, sondern unser Ziel. Er wird allem einen Sinn geben. Den Blick heben, den Gang aufrecht machen, die weichen Knie und müden Hände wieder zurecht bringen.
Nur wer DECKT diesen Scheck? Wie kann diese Hoffnung Leben ändern? Wird Gott wirklich wahr machen, was Jesaja schrieb? Vor über zweitausend Jahren?
Meine Schwestern, meine Brüder:
Advent erinnert: Diese Hoffnung ist ein GEDECKTER Scheck! Gott wurde Mensch und kam auf diese Welt. Vor 2018 Jahren, ungefähr wenigstens. Jesus übernahm seither die Herrschaft über die Herzen vieler Menschen. Und so ganz anders, als sie es erwartet hätten.
Johannes der Täufer sitzt im Gefängnis. Er ist unsicher, was das da ist mit diesem Jesus. Er schickt Freunde, um zu fragen: Bist du es, Jesus, auf den wir warten? Und Jesus antwortet nach Matthäus: Geht hin und sagt Johannes wieder, was ihr hört und seht: Blinde sehen und Lahme gehen, Aussätzige werden rein und Taube hören, Tote stehen auf, und Armen wird das Evangelium gepredigt; und selig ist, wer sich nicht an mir ärgert.
Es ist die Begegnung mit Jesus, die das Leben der Hirten und den Alltag der Weisen aus dem Morgenland veränderte. Es ist die Begegnung mit Jesus, seine Seelsorge, Predigt und heilende Zuwendung. Und auch in unserer Zeit begegnen Menschen dem auferstandenen Christus. Sie empfangen Taufe und Abendmahl und erleben am eigenen Leibe: Himmel und Erde werden vergehen, aber das Wort Gottes gilt und bleibt. Die Vision des Jesaja ist für viele Menschen bereits Realität.
Und damit haben wir auch gefunden, was vielen fehlt: Eine Zeit, in der die Lebensrichtung neu gefunden wird. Auf die Begegnung mit Gott zu, die uns bevorsteht. Diese Begegnung ist der Magnetpol, der unsere Lebens- Nadel einnordet. Die Hoffnung über allem. Über allen Teilerfolgen und Niederlagen des Lebens.
Der Blick in den freien Himmel Gottes.
Vielen Weihnachtsfeiern fehlt einfach die Adventszeit. Lasst sie uns gemeinsam wahr nehmen und jeder für sich neu entdecken, wer denn dieses Kind ist, dessen Geburt wir zu Weihnachten feiern. Blinde sehen, Lahme gehen, Tote stehen auf – wenn GOTT in das Leben tritt und es verändert.
Und GOTT TRITT in das Leben ein.
Er stärkt die müden Hände.
Macht die weichen Knie fest.
Gibt den verzagten Herzen Freude.
Und die, die er schon ergriffen hat und die sich darum fest auf sein Kommen verlassen, werden es auch sehen können:
Die Erlösten des HERRN werden wiederkommen
und nach Zion kommen mit Jauchzen.
Denn die Liebe Gottes, die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes lassen das wahr werden. Heute und ewig. AMEN.