Worte und Wörter
werden Gerede
können Last werden
Freude nehmen
das Leben schwer machen
gar die Hölle zum Glühen bringen
Das Wort Gottes aber ist
Oase in der Wüste
Quelle lebendigen Wassers
in der Dürre menschlicher Unzulänglichkeit
Das Wort Gottes zu hören
ändert alles
schafft Leben
Heute, wenn ihr seine Stimme hören werdet, so verstockt eure Herzen nicht.
Hebräer 3,15
Worte können alles verändern. Meine Staatsbürgerkundelehrer hätten diesen Satz nicht stehen lassen. Sie hätten gesagt: Worte verändern niemals Realität. Realität kann man nur mit Taten verändern. Wer auf die Macht der Worte setzt, ist nur ein Idealist.
Und damit meinten sie einen Träumer, der nicht erkannt habe, dass man die herrschenden Verhältnisse ändern müsse, damit man die Verhältnisse der Beherrschten verbessern könne.
Das Leben aber ist anders: Worte können Realität verändern. Zum Guten ebenso wie zum Schlechten.
Wer zum Beispiel von dem Menschen seiner Träume hört: Ich liebe Dich! geht völlig verändert in den nächsten Augenblick. Er wird erfahren, wo der siebente Himmel ist. Ihm werden Kräfte zuwachsen, von denen er bisher nicht einmal zu träumen wagte. Der wird sie erleben, die unendliche Leichtigkeit des Seins.
Wer von dem Menschen seiner Träume aber hört: Lass mich in Ruh, jetzt und immer! wird erleben, wie der nächste Augenblick zum Alptraum wird. Der wird erfahren, wo die Hölle auf Erden ist. Dem werden zentnerschwere Gewichte an den Beinen hängen. Der wird den Spaß selbst am Essen verlieren und sich bei dem Gefühl erwischen, eigentlich nicht mehr leben zu wollen.
Worte können das Leben verändern. Sie kränken und bauen auf, sie informieren und desinformieren, sie langweilen und regen auf, sie fällen Urteile, entscheiden Kriege, stiften Frieden: Ihre Macht ist groß. Vielleicht größer als die Macht der Gewalt.
Worte kann man stempeln oder drucken, malen oder schreiben, schreien oder flüstern, aus Buchstaben oder Bildern zusammensetzen.
Worte sind das tägliche Brot des Geistes: Radio und Fernsehen, Zeitungen und Magazine, Autoren und Verlage, selbst Computer- und Kamerahersteller leben davon. Worte sind Ursache aller Missverständnisse und gerade darum auch die vielleicht wichtigste Grundlage allen Verstehens.
Der Sturm der Entrüstung über einen vermeintlich zu Tode gekommenen Flüchtling in Berlin in der vergangenen Woche war ausgelöst durch ein paar geschriebene Worte. Dieser Sturm war ebenso real wie die Fassungslosigkeit aller, als herauskam, dass alles nur erfunden war. Worte haben Macht.
Welche Worte aber lässt man an sich heran? Wir sind ja oft froh darüber, dass uns der Schöpfer zwei Ohren gegeben hat: Eines als Einlass, eines als direkten Auslass. Aber das funktioniert ja nicht immer. Kann es ja auch nicht, will man Worte des Scheiterns von Worten des Lebens unterscheiden. Wer kann oder will schon lebenslang weghören?
Welche Worte also werden wichtig? „BILD dir deine Meinung“ wirbt eine Zeitung und versucht, sich dadurch unentbehrlich zu machen. Manch einer braucht sie täglich. Für andere dagegen müssen es die Süddeutsche oder der Rheinische Merkur sein.
Aber auch hier: Worte, Wörter, Gerede. Welche Worte sollte man wirklich gehört haben? Ernst nehmen? Bewegen? Welchen sollte man sein Herz öffnen, um sie in sich aufzunehmen, dauerhaft?
Es wird nicht wieder leer zu mir zurückkommen, sondern wird tun, was mir gefällt, und ihm wird gelingen, wozu ich es sende.
So haben wir im Propheten Jesaja gelesen (55, 10-12). Er redet /vom Wort Gottes.
Von welchem Wort könnte man so etwas schon behaupten: Es wird tun, was Gott gefällt, ihm wird gelingen, wozu er es sendet?
Dieses Wort muss sich doch lohnen. Denn wenn es wirkt, was Gott zum Gefallen ist, kann das doch mein Schade nicht sein.
Andererseits ist das Wort Gottes auch das Wort, von dem der Predigttext für heute aus dem Hebräerbrief sagt, ich lese aus Kapitel 4 die Verse 12 und 13:
Denn das Wort Gottes ist lebendig und kräftig und schärfer als jedes zweischneidige Schwert, und dringt durch, bis es scheidet die Seele und Geist, auch Mark und Bein, und ist ein Richter der Gedanken und Sinne des Herzens. Und kein Geschöpf ist vor ihm verborgen, sondern es ist alles bloß und aufgedeckt vor den Augen Gottes, dem wir Rechenschaft geben müssen.
Mancher, der das hört, mag aufatmen: Endlich mal Klartext, deutliches Ziel, eine Entscheidung. Mitten in bösen, undefinierten oder langweiligen Reden endlich ein Wort der Macht!
Die Zeitung von Heute kann man nur noch zum Einwickeln benutzen. Es kann sogar sein, dass in der Zeitung von heute das Gegenteil von dem steht, was vorgestern drinstand – vielleicht unter der Überschrift: Gegendarstellung. Und nur wenige Roman- Bestseller von heute wird man in 200 Jahren noch lesen.
Aber für andere klingt das zunächst erschreckend. Soll man da weiter hinhören, wenn man nackt und bloßgestellt wird? Bedroht durch messerscharfe Schwertklingen?
Zum Glück ist das alles aber nicht vom Menschen gesagt. Hier geht es nicht um Psychologie, hier fühlt sich kein Mensch in einen anderen ein. Dieses Wort ist Gottes Wort.
So, wie es uns in der Bibel begegnet. Anders als Romane oder gar Zeitungen hat dieses Wort so, in der wir es heute lesen, schon zwei- oder dreitausend Jahre hinter sich gelassen.
Und doch lesen und hören Menschen heute, hier, und überall auf der Welt die Bibel. Christen, Nichtchristen, sogar selbsternannte Atheisten, wie Berthold Brecht einer war- die Bibel hat er einmal als sein wichtigstes Buch bezeichnet.
Warum dieses Buch so faszinierend ist? Weil man in der Bibel göttlichem Wort begegnet. Keiner Zeitung von Gestern oder Romanen von vorgestern. Weil man die Bibel nie ausliest, nie auslesen kann. All das bringen die beiden Verse aus dem Hebräerbrief auf einen Punkt.
„Denn das Wort Gottes ist lebendig und kräftig:“
Hier begegne ich Schicksalen von Menschen, die Gott begegnet sind. Und eigentlich begegne ich so mir selbst. Ich begegne allen Fragen, die mein Leben je betrafen oder betreffen. Ich entdeckte Antworten, von denen ich bisher keine Ahnung hatte.
Das macht Gottes Wort so lebendig und so voller Kraft. Das verschafft ihm Gewicht, lässt es Kraft entfalten, Bewegung bringen.
Das ist zugleich das Geheimnis der Bibel. Darum lässt sie mich nicht mehr los, macht geradezu süchtig nach mehr, nach neuen Entdeckungen. Es korrigiert Lebensrichtungen, nicht nur meine. Es weckt mein Vertrauen auf den, von dem diese Worte kommen.
Das Wort Gottes ist lebendig und kräftig.
„Gottes Wort ist schärfer als jedes zweischneidige Schwert, und dringt durch, bis es scheidet die Seele und Geist, auch Mark und Bein.“
Das klingt zuerst nach schwerster Verletzung, gewaltsamer Trennung, ja nach Tod. Das Griechische Wort „Macheira“, das schon Luther und auch die Neue Genfer Übersetzung aus heutigen Tagen um der Deutlichkeit des Bildes wegen mit Schwert übersetzt haben, meint aber auch ein chirurgisches Instrument: Ein zweiseitig geschliffenes, rasierklingenscharfes Skalpell.
So gesehen geht es bei den Verletzungen durch Gottes Wort nicht um den Tod, sondern eher um eine Operation. Mein Lexikon schreibt zu Operation: …“mit gewaltsamer Gewebedurchtrennung verbundener blutiger ärztlicher Eingriff, z.B. das Entfernen erkrankten Gewebes…“
Aber ist Gottes Wort nicht das der Liebe? Wie ist die Liebe Gottes mit den Schmerzen einer Operation, mit einem blutigen Eingriff in den Körper zu vereinen?
Andererseits: Ist Gottes Liebe ein schöner, großer Teppich, unter den man alles kehren kann, und der danach trotzdem so glatt und schön auf dem Boden liegt wie zuvor? Ist eine Operation nicht grundsätzlich immer dann nötig, wenn Leben erleichtert oder gerettet werden soll?
Ein französischer Pfarrer hat in seinem „Gebet um wahrhafte Liebe“ so formuliert :
„Herr,… behüte mich davor, an die Stelle Deines Erbarmens /meine Gutmütigkeit, an die Stelle Deiner Versöhnung /meinen Hang zur Nachgiebigkeit zu setzen.
Erhalte dem Salz der Erde seine Schärfe! …
Dulde nicht diese fade Freundlichkeit, … die nur nach dem Munde redet, doch auf keinen Fall befreit…
Die wahrhafte Liebe, die Deine, ist nicht Salbe, sondern Operation, kein warmer Umschlag, sondern Eingriff, nicht Not-Lösung, sondern Er-Lösung!“
Oder anders: Fallen ist das Schlimmste nicht, aber das Liegenbleiben. Gottes Wort der Liebe führt zum Ziel, nicht im Kreis. Es ist eine Heil- und keine keine Mogelpackung.
Gottes Wort bewirkt „keine Notlösung, sondern Erlösung“:
Wann immer ich fallen werde- Schmerzen werden nicht das Letzte sein. Gott wird mich aufrichten.
Schließlich: Gottes Wort ist
„ein Richter der Gedanken und Sinne des Herzens. Und kein Geschöpf ist vor ihm verborgen, sondern es ist alles bloß und aufgedeckt vor den Augen Gottes, dem wir Rechenschaft geben müssen.“
Gottes Wort ist Gericht – das einzige, das „Gedanken und Sinne des Herzens“ erkennen und werten kann. Das gilt für alles /und jede, aber zu allererst /für mich selbst:
MEIN Versagen, meine Schuld, meine Unfertigkeit, meine MOTIVE werden mir vor Gottes Wort bewusst. Ich muss mich endlich nicht mehr auf mildernde Umstände herausreden, weil Gottes Wort mich längst erkannt hat. Ich brauche mich vor niemandem mehr zu verstecken, weil vor den Augen Gottes ohnehin nichts versteckt werden kann.
All das nicht vor irgendeinem Richter, der mein Herz kaum erkennen will, nie erkennen kann und mir schließlich zwanzig Tagessätze oder lebenslänglich aufbrummt. Sondern vor Gott, der mein Herz kennt, die Wende in meinem Leben will und mich nicht fallen lässt. Hier ist das einzige Gericht, vor dem ich gestehen WILL: Weil es für mich nur Freiheit bedeuten kann, durch Gottes Wort gerichtet zu werden.
Da, wo an anderen Orten der Bibel von der „Königsherrschaft Gottes“ oder dem „Reich der Himmel“ die Rede ist, spricht der Hebräerbrief von der großen Sabbatruhe.
Um endlich, nachdem es im alten Bund schon oft vergeblich versucht wurde, zur inneren Ruhe in Gott und zur eigenen Sabbatruhe mit Christus als unserem Hohenpriester zu gelangen, ist es nötig, sich zuvor und dazwischen der Kraft des Wortes Gottes als zweischneidiges Schwert auszusetzen. Anders ist der Weg zur Sabbatruhe und zu Christus nicht zu gehen.
Meine Schwestern, meine Brüder,
Wir lesen in der letzten Zeit die einzelnen Gebote mit der Erklärung des kleinen Katechismus Martin Luthers. Vielleicht ist es euch aufgefallen: Jede Erklärung beginnt mit dem Satz „Wir sollen Gott fürchten und lieben…“.
Ein genialer theologischer Satz, er sagt: Jedes einzelne Wort Gottes im Gebot ist zu fürchten, weil es schmerzt wie ein Skalpell, und zu lieben, weil es zum Heil meines Daseins führt. Ein Gedanke, der gerade in der Vorpassionszeit immer wieder fesselt: Schmerz ist nicht nur unvermeidbar, sondern wichtig, weil aus ihm Heil wächst.
Wenn Gott mit uns redet, redet ein lebendiger Gott mit uns, seinen hoffentlich ebenso lebendigen Zuhörern. IHM sollten wir unsere Herzen öffnen. Denn sein Wort kennt kein JEIN, sondern ist an Deutlichkeit nicht zu überbieten. Sein Wort ist die wirklich einzige Instanz, die nicht nur gerecht ist, sondern gerecht macht.
Diese alles aufdeckende Kraft des Wortes Gottes bringt uns zur wahren Sabbatruhe, die kein Wort Gottes mehr versäumen will.
Hier finden wir die Ruhe unserer Seelen durch den Frieden Gottes, der höher ist als alle Vernunft, der unsere Herzen und Sinne bewahrt in Christus Jesus. AMEN