Gerecht? Geliebt. (Mt 20 1-16)

Freiheit von den Grenzen
die die Welt uns zieht
gefangen sein in der Liebe
die Gottes Güte schenkt

wer Christus glaubt
ist abhängig
nicht
von eigener Lebensleistung
wohl aber
vom dreieinen Gott
der die Güte in Person ist

wer sich gefangen nehmen lässt
von ihm
wird frei
schon jetzt
und auf ewig

Wir liegen vor dir mit unserm Gebet
und vertrauen nicht auf unsre Gerechtigkeit,
sondern auf deine große Barmherzigkeit.
Daniel 9,18
***
Wir haben so eine Amazon-Fernsehbox. Mit der kann man, wenn man will, seine gesamte Freizeit totschlagen.
MUSS man aber nicht. Ein großer Vorteil für uns: Wir müssen uns nicht mehr an irgendwelche Sendezeiten halten. Wir können einfach Fernsehen, wann immer uns danach ist. Moderne Technik hat schon Vorteile.

Aber eine Alexa – sowas kommt uns nicht ins Haus. Ihr wisst schon, dieses Ding, was einem Wetterberichte vorliest, Witze erzählt, Kochrezepte beschafft, Einkaufszettel schreibt und gleich noch alles bestellt – und was die sonst noch alles kann.

Die, kaum dass man „Alexa“ sagt, ihre elektronischen Ohren aufsperrt und in die Wohnung hineinhört, was ihre Herrschaft so für Anliegen haben mag. Selbst wenn die gerade gar keine hat.

Der Staatssicherheitsdienst hätte seine pure Freude an dieser Technik gehabt. Pech, dass er nicht durchgehalten hat und unsere Geheimdienste heute all das nicht verwenden dürfen. Benutzen KÖNNEN vielleicht schon, aber eben nur GANZ „ge-heimlich“. Also: Eine Alexa – die kommt uns nicht ins Haus.

Aber: Sie war schon da! Fast unbemerkt, nämlich verbaut in der Amazon-Fernsehbox. Na gut, habe ich gedacht, man kann sie ja Ein- und auch wieder richtig Ausschalten. Dann kann ich sie doch auch mal benutzen.

Alexa, wie wird morgen das Wetter, Alexa, fährt morgen früh um 8 ein Regionalexpress nach Potsdam (oder fällt der wegen des Sturmes aus), Alexa, erzähl mir einen Witz.

Irgendwann habe ich genug ausprobiert und sage: Alexa, du bist doof. Ihre Antwort kam ohne Zeitverzug: „Und du bist nicht freundlich.“ Ja, Alexa bleibt einem keine Antwort schuldig und bewahrt sogar die Etikette.

Wer es immer noch nicht gemerkt hat: Künstliche Intelligenz ist auf dem Vormarsch. Von vielen unbemerkt, aber doch unaufhaltsam. Und Alexa ist nur ein nettes Spielzeug gegen all das, was HEUTE schon alles geht. Nehmen wir nur selbstfahrende Autos: Die machen schon jetzt weniger Fehler beim Fahren als Menschen, wesentlich weniger sogar.

Auch wenn mancher von euch jetzt den Kopf schütteln mag, zumindest innerlich:
Die Wahrscheinlichkeit, dass immer mehr Tätigkeiten nicht mehr durch Menschen, sondern künstlich intelligente Maschinen verrichtet werden, wächst. Und sie wächst von Tag zu Tag.

Es gibt Wissenschaftler, die mit nachvollziehbaren Argumenten behaupten, dass in wenigen Jahrzehnten nicht nur EINFACHSTE Berufe überflüssig werden. Sogar Allgemeinmediziner oder Altenpfleger könnten noch in diesem Jahrhundert von Maschinen abgelöst werden, die weniger falsch und damit viel mehr richtig machen als ihre heutigen menschlichen Originale.

Wenn man das weiterdenkt, bedeutet das einen Dammbruch in der menschlichen Geschichte. Es ist ja schon heute so, aber es wird sich weiter verschärfen: Immer weniger Menschen werden eine bezahlte Arbeit finden können, die ihnen Freude bereitet. Immer mehr Menschen werden gezwungen sein, immer wieder neue Berufe in ihrem Arbeitsleben zu erlernen.

Und immer mehr Menschen werden dieser Belastung nicht gewachsen sein. Denn die modernen und die Berufe, die man sich für die Zukunft vorstellen kann, werden immer komplizierter und anspruchsvoller sein. Und es wird dann deutlich weniger bezahlte Arbeitsmöglichkeiten als arbeitswillige Menschen geben.

Wenn das so kommt, und es spricht einiges dafür –
dann wird es Aufgabe der Gesellschaften sein müssen, dafür zu sorgen, dass der Reichtum, der so vor allem maschinell produziert wird, gerecht verteilt wird. Ich denke, dass man um ein bedingungsloses Grundeinkommen für alle – vielleicht noch in diesem Jahrhundert – nicht mehr herumkommen wird.

Das ist vielleicht irgendwie zu organisieren. Aber was wird aus dem Selbstwertgefühl der Menschen? Wie werden sie damit umgehen, dass ihr Leben letztlich von Maschinen abhängt, um die sich ein paar wenige kümmern?

Auch wenn es sich auf den „ersten Blick“ nicht so anhören mag – im Text des Tagesevangeliums für heute geht es um genau das: Das Selbstwertgefühl von Menschen. Nach Matthäus Kapitel 20, die ersten 16 Verse:

Das Himmelreich gleicht einem Hausherrn, der früh am Morgen ausging, um Arbeiter anzuwerben für seinen Weinberg.2 Und als er mit den Arbeitern einig wurde über einen Silbergroschen als Tagelohn, sandte er sie in seinen Weinberg. 3 Und er ging aus um die dritte Stunde und sah andere auf dem Markt müßig stehen
4 und sprach zu ihnen: Geht ihr auch hin in den Weinberg; ich will euch geben, was recht ist. 5 Und sie gingen hin. Abermals ging er aus um die sechste und um die neunte Stunde und tat dasselbe.
6 Um die elfte Stunde aber ging er aus und fand andere stehen und sprach zu ihnen: Was steht ihr den ganzen Tag müßig da?
7 Sie sprachen zu ihm: Es hat uns niemand angeworben. Er sprach zu ihnen: Geht ihr auch hin in den Weinberg.
8 Als es nun Abend wurde, sprach der Herr des Weinbergs zu seinem Verwalter: Ruf die Arbeiter und gib ihnen den Lohn und fang an bei den letzten bis zu den ersten. 9 Da kamen, die um die elfte Stunde angeworben waren, und jeder empfing seinen Silbergroschen. 10 Als aber die Ersten kamen, meinten sie, sie würden mehr empfangen; und sie empfingen auch ein jeder seinen Silbergroschen.
11 Und als sie den empfingen, murrten sie gegen den Hausherrn
12 und sprachen: Diese Letzten haben nur eine Stunde gearbeitet, doch du hast sie uns gleichgestellt, die wir des Tages Last und die Hitze getragen haben. 13 Er antwortete aber und sagte zu einem von ihnen: Mein Freund, ich tu dir nicht Unrecht. Bist du nicht mit mir einig geworden über einen Silbergroschen?
14 Nimm, was dein ist, und geh! Ich will aber diesem Letzten dasselbe geben wie dir. 15 Oder habe ich nicht Macht zu tun, was ich will, mit dem, was mein ist? Siehst du darum scheel, weil ich so gütig bin?
16 So werden die Letzten die Ersten und die Ersten die Letzten sein.

Eine lange Geschichte voller Unvernunft. Würde so etwas heute in unserer Arbeitswelt geschehen, gäbe es ganz sicher Diskussionen, die mindestens genau so gereizt und laut geführt würden wie die Diskussion der letzten Tage um Thüringens Unfall-Ministerpräsidenten aus der gelben 5% Partei.
Vielleicht sogar noch lauter und gereizter. Weil es nicht nur die Thüringer (und politisch Interessierten) träfe.

Die Unternehmer würden das Verhalten ihres Kollegen sicher nur kopfschüttelnd kommentieren. Das sollte keine Schule machen. Ein faires Tagelöhner-Gehalt auch an solche zu zahlen, die nur Teilzeit gearbeitet haben, vielleicht gar nur eine Stunde: Wenn das Schule machte, wäre es nicht nur mit dem Arbeitsfrieden dahin. Sowas kann sich auf Dauer auch nicht rechnen, damit ruiniert man seinen Betrieb.

Die Fachkräfte würden sagen: Anstatt den Tag damit zu verplempern, alle Augenblicke auf dem Arbeits-Marktplatz zu erscheinen, um Gelegenheitsarbeiter anzuwerben, hätte der Chef mal rechtzeitig für ausreichende Anstellung mit solchen Arbeitern sorgen sollen, die ihr Handwerk verstehen. Vielleicht wäre das ja teurer geworden. Aber die Qualität der Arbeit hätte gestimmt, und die Kosten-Nutzen-Rechnung wäre ganz sicher aufgegangen.

Mitarbeiter von Zeitarbeitsfirmen hätten gesagt: Uns beißen wieder die Hunde. Da sucht der sich lieber Schwarzarbeiter als zu uns zu kommen. Selbst wir waren ihm noch zu teuer, denn für uns hätte er Sozialabgaben leisten müssen.

Nun mag man einwenden, sowas hätte es zu Jesu Zeiten doch noch gar nicht gegeben. Aber das ist so nicht ganz richtig. Für die eigenen Knechte oder auch Sklaven war der „Besitzer“ auch damals schon verantwortlich. Wurde ein solcher Arbeiter krank oder erlitt er gar einen Unfall, musste der Arbeitgeber für ihre Behandlung und Versorgung sorgen. Und auch damals schon gab es auf diese Weise Kassen- und Privat-Patienten.

Manche Grundsicherungsempfänger heute hätten gesagt: Warum soll ich als Saisonkraft in die Ernte gehen, wenn dabei kaum mehr rüberkommt, als ich jetzt OHNE Schweiß und Quälerei bekomme? Kann mir das einer mal bitte sagen, warum ich DAS machen sollte!?

Und unsere Gewerkschafter würden aus dem Schimpfen ganz sicher überhaupt nicht mehr rauskommen. Wozu es denn Flächentarifverträge gäbe, wenn jeder mit fadenscheinigen Argumenten darum herumkommt, sich an die zu halten.

Gleicher Lohn für gleiche Arbeit, Gleichberechtigung von Frau, Mann und Diversen und ordentliche Beteiligung der Mitarbeitenden an den Gewinnen der Firma – so sieht ein gesunder Betrieb in einer fairen Gesellschaft aus. Einfach nur am Tagesende ein paar Almosen verteilen – so billig kommt Herr Weinbergsbesitzer aus der Nummer nicht raus.

Einzig ein paar Langzeitarbeitslose hätten sich wohl darüber gefreut, mal wieder arbeiten gehen zu können, den eigenen Körper zu spüren, sehen zu können, was man geschafft hat, und am Ende dafür auch das Geld für den nächsten Tag in die Hand bekommen zu haben.

Wobei der Unmut unter ihnen auch heute vorprogrammiert gewesen wäre. Denn dass das unfair ist, wenn für zwölf Arbeitsstunden auf dem selben Arbeitsplatz genauso viel bezahlt wird wie für eine, dass rechnet dir jedes Kind schon nach der ersten Klasse vor.

Fazit: Alle finden, dass das UNGERECHT läuft, was Jesus da erzählt. Und sagen das auch laut.
Und was heißt DAS denn überhaupt: So werden die Letzten die Ersten und die Ersten die Letzten sein? Ist das dann morgen immer noch so oder werden dann die Letzten wieder die Ersten werden? Was soll das?

Meine Schwestern, meine Brüder:

Das ist kein Gleichnis zur Gerechtigkeit, sondern zu einem großen Wunder: Das Wunder der Güte, die ihresgleichen nicht hat.

„Doch du hast sie uns gleichgestellt!“ Uns, die wir „des Tages Hitze und Last getragen haben!“ Das ist das zentrale Problem. Darin zeigt sich das Wunder: Das ALLE Arbeiter zu Ersten gemacht werden. Das ALLE am Ende das Tages haben, was sie für den nächsten brauchen.

Hier steht nicht: Es ist egal, ob ihr wenig oder viel arbeitet. Schon Adam hört von Gott: „Im Schweiße deines Angesichtes sollst du dein Brot essen“ (1. Mose 3,19), und wer die Bibel kennt, der weiß auch, dass Arbeit nicht nur nicht schändet, sondern auch Erfolg versprechend ist.

Weil sie nicht nur Brot, sondern auch all das schaffen kann, was man Wohlstand nennt. Was Menschen für ein gedeihliches Miteinander in ihrem Leben gut gebrauchen können. Bis hin zur Fürsorge für diejenigen, die nicht arbeiten können, weil sie zu alt oder zu krank dafür sind.

Und auch hier im Gleichnis hat Leistung sich doch gelohnt: Alle haben etwas geleistet, alle könnten beruhigt in den nächsten Tag gehen.

Aber eines hat Leistung noch nie vermocht: Leistung macht nicht glücklich. Der Gerechtigkeitsprotest verhindert das. Es wird nach Tarifordnung gerufen. Das menschliche Rechtsdenken in Leistung und Lohn macht die meisten Arbeiter im Weinberg ärgerlich und unzufrieden. Sie gehen unglücklich nach Hause.

Bis auf die, die ÜBERWÄLTIGT sind: Der volle Tagessatz! Für nur eine Stunde Arbeit! Ist das zu glauben? Ein Glückstag! Und das für MICH, wo ich doch mittags schon dachte, dass der Tag unwiederbringlich verloren ist, und dass ich auch morgen nicht mal etwas habe, um den Tag zu überleben.
Wem habe ich so ein großes Geschenk zu verdanken!?

In diesem Gleichnis: Einem Herrn, der GÜTIG ist. Der weiß, wie ich mich fühle. Der ein Mittel kennt, das mich GLÜCKLICH macht: LIEBE. Der einfach verschenkt. Obwohl er es nicht muss. Obwohl er nichts dafür kriegt.
Außer meinem breiten Lächeln,
das jeder sehen wird, wenn ich nach Hause komme.

LIEBE: Wer sie geschenkt bekommt, weiß, dass er für den Anderen mehr wert ist als alles auf der Welt. Für den wird „des Tages Last und Hitze“ so leicht, dass er sie mit einem Lächeln tragen kann.

DAS ist ein Selbstwertgefühl, das jeden Menschen glücklich macht. Das einen AUCH zu Höchstleistungen treiben kann, aber ebenso auch tiefen-entspannt lässt, wenn man zu gar keiner Leistung fähig ist.
Oder Maschinen einem alle Arbeit der Welt abnehmen würden.

Und wir – wir kennen Gott, der die Güte in Person ist, weil er uns in Christus liebt und uns einen Glauben schenkt,
der DAS für die WAHRHEIT hält:

Seine Liebe, die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes
werden am Ende des Tages
ALLE zu Ersten gemacht
und alle Morgen frisch und neu sein lassen.
AMEN

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