Ein guter Rat (Jak 5 13-16)

Unser Gottesdienst am 19. Sonntag nach Trinitatis zum Nachhören ist für vierzehn Tage hier zu finden.

Für nur drei Dinge des Tages
Gott dankbar zu sein
manchmal leicht
manchmal unmöglich
Krankheit, innere Not,
Fehlverhalten und Zweifel
werden zur Last der Seele

Gott aber
rührt den Menschen an
fragt
willst du gesund werden
dich und mich
auch wenn das bedeutet
das Leben anders zu leben
anders zu sein

Gott lässt ihn uns sehen
seinen Weg:

Heile du mich, HERR
so werde ich heil;
hilf du mir,
so ist mir geholfen.
(Jer 17,14)
***
Geh hin zur Ameise…! (6.6) Wie lange liegst du, Fauler!
Wann willst du aufstehen von deinem Schlaf? (6.9)
Wenn dich die bösen Buben locken, so folge nicht! (1,10)

Wer im Sommer sammelt, der ist klug;
wer aber in der Ernte schläft, wird zuschanden. (10,5)
Findest du Honig, so iss davon nur, soviel du bedarfst,
dass du nicht zu satt wirst und speist ihn aus. (25,16)

Rute und Tadel gibt Weisheit;
aber ein Knabe, sich selbst überlassen,
macht seiner Mutter Schande. (29,15)
Besser im Winkel auf dem Dach wohnen
als mit einer zänkischen Frau zusammen in einem Hause. (21.9)

Eine linde Antwort stillt den Zorn;
aber ein hartes Wort erregt Grimm.(15.1)
Besser ein Gericht Kraut mit Liebe
als ein gemästeter Ochse mit Hass. (15,17)
Der Mensch wirft das Los;
aber es fällt, wie der HERR will. (16.33)

Mancher mag es sicher kaum glauben:
All das steht in unserer Bibel, der Heiligen Schrift.
Im Buch der Sprüche, um genau zu sein. Es gehört zur Gattung der „Weisheitsliteratur“, die den Lesenden gute Ratschläge geben will. Und guter Rat ist bekanntlich teuer, nicht nur heute, sondern immer schon.

Doch selbst wirklich GUTE Ratschläge hört man nicht immer gern. Meine Frau ist nicht begeistert, wenn ich ihr empfehle, ihren Computer nicht nur zu nutzen, sondern auch die Software darauf zu pflegen. Ich bin nicht begeistert, wenn meine Frau mir sagt, was ich besser tun oder lieber lassen sollte, weder im Beruf noch im Alltag. Und meine Tochter ist sicher auch nicht immer begeistert, wenn ihre Eltern mit guten Tipps für eine 28jährige über den Tisch kommen.

So kommt es wohl, dass die Weisheitsliteratur bei vielen nicht allzu hoch im Kurs steht. Vor allem bei den Theologen und gerade im zweiten Teil der Bibel nicht. Denn hier soll es doch darum gehen, „was Christum treibet“, wie Martin Luther meint.

Und so gibt es immer wieder Theologen, die meinen, Weisheitsliteratur würde eigentlich nicht in die Bibel gehören, weil sie wenig Theologie und viel Volksweisheit transportiere. Ein Zuwachs an Gotteserkenntnis jedenfalls ist aus den meisten Sprüchen, die ich am Anfang gelesen habe, nun wirklich kaum zu erwarten.

Und doch kamen auch die, die unsere biblischen Briefe von Paulus bis Johannes verfassten, letztlich nicht darum, auch Ratschläge weiterzugeben. Und die gehören ja für uns zu den Theologen von Format: Irgendwo musste die Theologie ja auch praktische Folgen zeigen.

Die Theologen heute nennen solche Texte „Paränese“, was soviel wie „Ermahnung“ BEDEUTET und „Rat für gutes Handeln“ MEINT. Da sind Warnungen vor Irrlehrern zu lesen (zum Beispiel im Römerbrief); eine Rede davon, dass die Frauen in der Gemeinde zu schweigen hätten (so im 1. Korintherbrief nachzulesen) oder christliche Hausordnungen, wie man sie im Epheserbrief findet.

Und auch hier ist es ähnlich wie in den Sprüchen:
Gut gemeinte Ratschläge in der Zeit, in der sie gegeben wurden, aber oft wenig theologischer Erkenntniszuwachs.

Interessant SIND sie aber, lassen sie uns doch eintauchen in die Geschichte einer scheinbar ganz andere Welt und nachdenklich werden über das, was wir HEUTE so tun oder lassen.
Und ich kann mich dabei oft des Eindrucks nicht erwehren, dass mancher besser daran täte, über uralte Ratschläge doch einmal nachzudenken.

Eigentlich ist die GANZE Schrift, aus der der Predigttext für heute ist, eine einzige Ermahnung, also eine Sammlung von Ratschlägen verschiedenster Art. Sie ist zwar mit „Brief des Jakobus“ überschrieben, doch ein wirklicher Brief ist sie nicht. Weisheitsliteratur – ja, das passt eher.

So hat es ein einzelner Vers aus diesem Brief zu wirklicher Weltberühmtheit gebracht, die Conditio Jacobaea nämlich, der jakobäische Vorbehalt. Er lautet: „so Gott will und wir leben werden wir dies oder das tun“ (4,13) – der ist Predigttext am Neujahrstag und ist Wahrheit:
Für die Zukunft PLANEN können wir vieles. Nur sollte uns Gott dann noch unter den Lebenden weilen lassen, sonst ist jeder Plan umsonst. Ja, so ist es: So Gott will und wir leben.

Nun aber zum Weisheitstext von heute, ich lese die Verse 13-16 aus dem 5. Kapitel:

13 Macht jemand von euch Schweres durch? Dann bete er! Erlebt jemand eine Zeit der Ermutigung?
Dann singe er Loblieder!
14 Ist jemand von euch krank?
Dann bitte er die Ältesten der Gemeinde zu sich, damit sie für ihn beten und ihn im Namen des Herrn mit Öl salben.
15 Ihr Gebet, im Glauben gesprochen, wird dem Kranken Rettung bringen; der Herr wird ihn seine Hilfe erfahren lassen. Und wenn er Sünden begangen hat, wird ihm vergeben werden.
16 Darum bekennt einander eure Sünden und betet füreinander, damit ihr geheilt werdet.
Das Gebet eines Menschen, der sich nach Gottes Willen richtet, ist wirkungsvoll und bringt viel zustande.

Jakobus rät: Betet, betet in allen Lebenslagen!
Egal ob mit eigenen Worten, durch Psalmen oder für andere. Egal, ob es euch gut geht oder schlecht.
Menschen sollen beten, wenn sie Unglück erleiden.
Und sie sollen auch beten, wenn sie glücklich sind.

Gerade die Kranken in den Gemeinden sollen mit ihrem Leiden ebenso wenig allein gelassen werden wie mit ihren Gebeten. Und wenn sie nicht zum gemeinsamen Gebet des Gottesdienstes kommen können, soll dieses Gebet eben zu ihnen kommen.
Dazu sollen sie die Presbyter der Gemeinde – so steht es wörtlich im Text – ZU SICH BITTEN, also nicht abwarten, ob jemand von selbst kommt.

Für diese Bitte kann es viele Gründe geben, einer davon ist sicher, dass man in mancher Phase der Krankheit eher Ruhe als Besuch braucht. Und in solcher Phase ist sicher auch das Gebet selbst Ruhe, die einem innere Sammlung möglich macht.

Danach aber sollen sie die Presbyter ihrer Gemeinde ZU SICH bitten, „damit sie für ihn beten und ihn im Namen des Herrn mit Öl salben“. Das ist eine besondere Zuwendung Gottes an Seele und Leib. Es tut gut zu wissen, dass die Gemeinde einen nicht allein lässt. Und das auch zu spüren und zu riechen.

Jakobus rät auch zu einem Gebet aller Gemeindeglieder füreinander. Für ihn gehören dieses Gebet, das Sündenbekenntnis und Sündenvergebung zusammen. Das Gebet hat MACHT: „Das Gebet eines Menschen, der sich nach Gottes Willen richtet, ist wirkungsvoll und bringt viel zustande“

Interessant ist auch, dass Jakobus sich offenbar sicher ist, dass ein Gebet, dass sich an Gottes Willen ausrichtet, zwar nicht jeden Wunsch erfüllen kann, aber doch das HEIL wirkt.

Er schreibt nicht: Gebet, Krankensalbung und Fürbitte werden euch wieder jung und kerngesund machen, und alle Krankheit und Gebrechlichkeit auf dieser Welt wird dann ein Ende haben. Er schreibt: HEILEN wird es den Menschen, also gesunden lassen an der Seele. Kranken bringt das Gebet RETTUNG, Sündern bringt es VERGEBUNG.

Damit hat Jakobus eine heute sehr moderne Sicht auf Krankheit. Er nimmt wahr, dass die leibliche und seelische Situation des Menschen zusammengehören. Die Salbung eines Kranken kann dabei ebenso Balsam für dessen Seele werden wie die Feier des Abendmahles am Krankenbett – solange sie nicht als „Sterbesakramente“ missverstanden werden, versteht sich…

In dieser Perspektive wird auch die Rede des Jakobus über „begangene Sünden“ klarer. Es geht hier nämlich nicht um den Sund, den Gott und Mensch voneinander trennen. Es geht um persönliches Fehlverhalten, das einen belasten kann.

Dann liegt es einem, wie man so schön sagt, „auf der Seele“. Das blockiert allzu oft Wege des Heils. Schuld auf der Seele ist eine
Bedrohung des Heils.

Wenn diese Schuld des Menschen im Gebet bei GOTT zum Thema wird, wird der Mensch Erleichterung erleben. Wer etwas Belastendes SO ausspricht, redet es sich wahrhaftig „von der Seele“.

Und: Dieser Mensch redet nicht ins Leere. Er spricht gemeinsam mit anderen Menschen, die ihm beistehen, und begegnet mit ihnen Gott, der da ist, der da war und der da kommt, der lebt und handelt. Das ist die Kraft des Gebetes.

Diese Kraft persönlich erfahren: DAS wird zum „Heil“ für den Menschen. Auch, weil es dabei immer öfter gelingt, das eigene Leben und diese Welt nicht nur durch die eigenen, sondern auch durch die Augen Gottes zu sehen.

Und gerade dieser Augen – Blick kann den Weg in die Freiheit und Liebe Gottes öffnen. In die Erkenntnis, dass Gott seine Schöpfung liebt. Dass er keinen Menschen je aufgeben wird, auch dann nicht, wenn er stirbt oder diese Welt nicht mehr ist. Und dass es darum so ist, dass unsere Wünsche, unsere Wege NICHT die sind, die Gottes Wünsche und Wege sind. Das Gebetserhörung eben auch bedeutet, dass Gott andere Wege wählt als die, die uns lieb sind.

Meine Schwestern, meine Brüder:

Dass ich gern und oft auch mit Gewinn Krimis lese, sehe oder höre, wissen viele. Dabei fällt auch hin und wieder theologischer Gewinn für mich ab.

Da gibt es zum Beispiel von Håkan Nesser den Kommissar Gunnar Barbarotti. Der sieht sich außer mit der Lösung seiner Mordfälle auch mit dem Problem konfrontiert, dass er nicht weiß, ob Gott nun ist oder nicht.

Irgendwann beginnt er dann, ganz hinten in seinem Notizbuch eine Tabelle mit Strichliste zu führen. Linke Spalte: existiert, rechte Spalte: existiert nicht. Dazu redet er immer wieder mit Gott und verhandelt mit ihm. Also: er betet.

Er sagt zu Gott: Wenn du dieses oder jenes geschehen lässt oder so oder so regelst, bekommst du so und so viele Striche, wenn nicht, gibt es die Striche auf der anderen Seite der Tabelle. Und am Ende wird ausgezählt. Wobei allerdings unklar bleibt, wann genau dieses Ende nun sein wird.

Eines Morgens wacht Barbarotti in aller Frühe auf und würde am liebsten gar nicht aufstehen. Es ist Sonnabend und er muss auf die Geburtstagsparty seiner Frau. Erstens ist er der letzte, der freiwillig auf Partys gehen würde, und zweitens ist das ja auch nicht mehr „seine“ Frau, sie hat sich schließlich von ihm getrennt. Darum lebt er jetzt mit seiner über alles geliebten, aber sehr pubertierenden Tochter allein im Haus.

Darum redet er jetzt wieder einmal mit Gott: Ach Herr, wenn es dich gibt, dann lass mich doch, wenn ich jetzt die Treppe runtergehe, so stürzen, dass ich mir das Bein breche. Dann kann niemand sagen, dass ICH mich vor ihrer Party gedrückt hätte. Mit Gipsbein komme ich da ja gar nicht hin. Wenn du das machst, bekommst du auch drei Existenzpunkte von mir.

Danach zieht Barbarotti sich an, raucht eine Zigarette auf dem Balkon und geht die Treppe runter in die Küche, um sich Frühstück zu machen. Zu seinem aufrichtigen Bedauern kommt er dort unverletzt an, zuckt mit den Schultern und macht mit noch schlechterer Laune Kaffee und Frühstück für zwei.

Da kommt seine Tochter in die Küche. Ihr Gesicht ist feuerrot. Papa, es geht einfach nicht, ich kann nicht auf Mamas Party. Ich habe Fieber und muss wieder ins Bett. Du musst für mich absagen.

Barbarottis Gesicht hellt sich auf, er lächelt. Die Tochter mit fast 40 Grad Fieber allein zu lassen, und das gar noch über Nacht bis morgen – nein, das ist unmöglich. Und seine Exfrau wird gar nicht auf die Idee kommen, darüber einen Streit anzufangen. Denn die Tochter, die beide Eltern heiß und innig lieben, ist über jeden Zweifel erhaben.

Entspannt lehnt er sich zurück, nimmt sein Notizbuch zur Hand -und gibt Gott drei Existenzstriche. Versprochen ist versprochen. Ja, das Bein habe ich mir zwar nicht gebrochen. Aber die Lösung mit dem Tochter-Fieber ist einfach genial: Mindestens genau so wirksam und deutlich weniger schmerzhaft. Vielleicht meint Gott es wirklich gut mit mir, sagt er und lächelt in den Tag…

Eine fröhliche Geschichte über eine Gebetserhörung, denke ich. Und auch wenn nicht jedes Gebet so prompt erhört wird wie dieses:
Ich glaube, dass der Rat des Jakobus ein guter Rat ist oder noch werden kann. Diesmal in der Lutherübersetzung:

Leidet jemand unter euch, der bete;
ist jemand guten Mutes, der singe Psalmen.
Ist jemand unter euch krank,
der rufe zu sich die Ältesten der Gemeinde,
dass sie über ihm beten und ihn salben mit Öl
in dem Namen des Herrn.
Und das Gebet des Glaubens wird dem Kranken helfen,
und der Herr wird ihn aufrichten;
und wenn er Sünden getan hat, wird ihm vergeben werden.
Bekennt also einander eure Sünden und betet füreinander, dass ihr gesund werdet.
Des Gerechten Gebet vermag viel,
wenn es ernstlich ist.

AMEN

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