Das lohnt sich (Mt 4 1-11)

Unseren Gottesdienst an Invokavit zum Anhören gibt es für vierzehn Tage hier.

Die Werke des Teufels
sie zerstören das Leben
sie bringen den Tod
vor dem Tod

Gott sieht dem nicht zu
Christus tritt in die Wüste des Lebens
widersteht dem Teufel
durchschreitet die größten Abgründe
voller Leidenschaft für die Menschen
um am Ende
dem Tod den Platz zuzuweisen
der ihm zusteht
Die Werke des Teufels enden da
wo das Leben mit Gott beginnt

Dazu ist erschienen der Sohn Gottes,
dass er die Werke des Teufels zerstöre.
1. Johannes 3,8
***
Gerade gehört: Wir sollen uns weder Bildnis noch Gleichnis machen. Von Gott schon mal gar nicht, aber in der Folge auch von seinem Ebenbild nicht, dem Menschen. Weder von dem Menschen neben uns und auch nicht von dem Menschen in uns.

Denn Bilder sind nur zweidimensional. Und sie sind zu langlebig. Ein Bild ist ein Bild: Daran ändert man nichts. Das wird entweder eine Fälschung oder, noch schlimmer, Kunstschändung.

Soweit der hehre Vorsatz. Doch im wahren Leben kommen wir ohne Bilder nicht aus. Sie sind in unseren Köpfen. OHNE sie können wir nicht denken. Und MIT ihnen fällt uns das Denken nicht unbedingt leichter.
Das ist ein wunder Punkt unseres Menschseins.

„Und führe uns nicht in Versuchung“, heißt es in der deutschen Fassung des Unser-Vaters. Dagegen gibt es gerade in neuerer Zeit mal wieder lautstarken Protest. Da sei ein Monster-Gott am Werke. Darum ließ sich Papst Franziskus vernehmen:

Es sei nicht Gott, der den Menschen in Versuchung stürze, um zu sehen, wie er falle. „Ein Vater tut so etwas nicht; ein Vater hilft sofort wieder aufzustehen. Wer dich in Versuchung führt, ist Satan“, so der Papst. Franziskus verwies auf einen Beschluss der französischen Bischöfe, die ihre offizielle Übersetzung geändert haben. In katholischen Gottesdiensten dort heißt es nun: „Lass uns nicht in Versuchung geraten.“ So nachzulesen im Netz auf der Seite „katholisch.de“.

Ja, es PASST eben nicht ins Bild vom „lieben Gott“, nicht mal in das vom „liebenden Gott“, was wir da beim Evangelisten Matthäus als Text für diesen Sonntag zu lesen bekommen, ich lese im Verlauf aus Kapitel 4 ab Vers 1:

Da wurde Jesus vom Geist in die Wüste geführt, damit er von dem Teufel versucht würde.

Nein, es ist nicht der Geist SATANS, der Jesus in die Wüste führt, wie Franziskus lieber übersetzen würde. Wenn Matthäus meinen würde, es sei der Geist des Satans gewesen, hätte er das auch geschrieben. Für ihn ist es aber offenbar derselbe Geist, der eben gerade bei der Taufe über Jesus gekommen war.

Wie auch immer: Mir erscheint viel wichtiger, WEM Jesus in der Wüste begegnen wird. Dem „Teufel“, so steht es in den meisten unserer Übersetzungen. Im Griechischen steht da das Wort „Diábolos“. Wörtlich bedeutet das „der Durcheinanderbringer“, übertragen „der Faktenverdreher“. DEM begegnet Jesus.

Ja, es ist nicht nett, dem Faktenverdreher zu begegnen. Er stellt nämlich zuerst unsere Bilder in Frage. Dass der aber in unserer Sprachgeschichte schlicht mit „DEM Bösen“ oder „DEM Teufel“ gleichgesetzt ist, lässt uns manche Facette am „Durcheinanderbringer“ übersehen. Denn das Durcheinanderbringen hat für mich durchaus einen großen Nutzen.

Wenn ich zum Beispiel mit meiner Frau zum Beispiel Rummy spiele, macht das keinen Spaß, wenn die Spielsteine nicht ordentlich gemischt, also durcheinandergebracht sind. Wenn sie gut sortiert wären, wäre das Spiel schnell zu Ende.

Und was beim Spiel gilt, das gilt für mich auch beim Denken. Denn nach dem Durcheinanderbringen bin ich gezwungen, wieder Ordnung zu schaffen. Und dazu muss ich mich bewegen, und das soll, sagt mein Arzt, heilsam sein. Nicht nur für den Körper, sondern auch für den Geist.

Zunächst aber ist für Jesus vor der geistigen Bewegung erst einmal das Fasten angesagt, schreibt Matthäus: Und da er (also Jesus) vierzig Tage und vierzig Nächte gefastet hatte, hungerte ihn.

Vierzig Tage dauert ja auch die Passionszeit, in der viele auch fasten. 46 Tage von Aschermittwoch bis Ostersonntag, abzüglich der 6 Sonntage in den sieben Wochen, macht genau 40. Und wenn es mal ein Schaltjahr ist, dann zählt man den Aschermittwoch einfach nicht mit, zumindest mache ich das einfach so, und schon stimmt es wieder: Vierzig Tage Zeit, um sich bewegen zu lassen.

Ich versuche das auch immer wieder: Vierzig Tage auf etwas zu verzichten, was zu meinem Alltag gehört, um für mich herauszubekommen, was wirklich wichtig ist für mein Leben. Ich habe dabei zuerst gelernt, dass es gar nicht einfach ist, etwas wegzulassen, was zu meinem Alltag gehört. Zumindest dann nicht, wenn es mir wirklich FEHLEN soll.

40 Tage ohne Rauchen – das fiel mir nicht schwer. 40 Tage ohne Alkohol – auch kein Problem. 40 Tage ohne Radio und Fernsehen – dass allerdings ging dann schon an die Substanz. So wie bei anderen Menschen 40 Tage ohne Sich-ärgern oder ohne Nicht-schimpfen: 40 Tage ohne Radio und Fernsehen brachten mein Leben sehr in Bewegung.

Jesus hat gefastet, indem er wahrscheinlich 40 Tage nichts gegessen hat. Mancher mag meinen, meinem Bauch täte das auch mal gut, ich glaube das aber eher nicht. Wie auch immer: Dass Jesus jetzt Hunger hat, kann ich sehr gut nachvollziehen. Und dieser Hunger bringt auch SEIN Leben durcheinander und in Bewegung. Matthäus weiter:

Und der Versucher trat herzu und sprach zu ihm: Bist du Gottes Sohn, so sprich, dass diese Steine Brot werden.
Er aber antwortete und sprach: Es steht geschrieben …: “Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von einem jeden Wort, das aus dem Mund Gottes geht.”

Hier bekommt der Teufel einen anderen Namen: „der Versucher trat hinzu“. Das Durcheinanderbringen und die Versuchung gehören offenbar eng zusammen. Und das kann ich nur bestätigen.

Versuchung: Jeden Tag ist sie da. Selbst wenn ich denke, sie nirgendwo entdecken zu können: Sie tarnt sich gut und versteckt sich oft. Sie ist im Wohnzimmer, getarnt als Fernseher, im Kinderzimmer, getarnt als Tablet oder Smartphone, in der Garage gleich hinter der Tür, getarnt als Bierkasten. Und in der Küche gibt sie sich ganz cool als Kühlschrank.

Und wenn ich sie gar nicht ausmachen kann, versteckt sie sich gerade. Im Gesicht von mir lieben Menschen, die mir frische selbstgebacken Pfannkuchen anbieten: Ach, einen können sie ruhig!

Jede und jeder aber lernt sie dennoch kennen, weil man sie trotz guter Tarnung und stetem Verstecken gelegentlich als das erkennt, was sie ist: Die Versuchung.
Und unter ihnen die ungekrönte Königin:
Die Ausrede, oder besser: Die Raus – Rede.

Ich? Wie ich? Ich? Das war ich doch nicht. Ich bin mir keiner Schuld bewusst. Vorhin (Gen 3, 1-19) Adam zum Allerhöchsten: Ich? Niemals! Die Frau war’s!
Die Frau: Wie jetzt- meint der mich? Neee – die Schlange war’s!

Entschuldung durch Delegierung, Entlastung durch Weiterreichen der Schuld. Die Schlange war’s! Warum Selbstzerfleischung, wenn die Lösung so einfach auf dem Tisch oder noch besser: auf dem Boden liegt? Die einfache Lösung ist meist die unschlagbare: Die Schlange kann sich nicht wehren, nicht nur, weil ihr die Hände zur Abwehr fehlen. Nein, wir haben doch schon immer gewusst, dass sie die Hauptverdächtige war.

Der Teufel – er IST im Spiel, schon immer, sicher seit Adam und Eva. Selbst wenn man nicht glaubt, dass es ihn gibt – die Versuchung kommt immer wieder an ihr Ziel.

Was dafür spricht, dass sie eben keine SACHE ist, dass sie sich nur als Ding – Wort mir Endsilbe UNG tarnt. Sie ist voller Leben, uns in vielem ähnlicher, als uns lieb ist, und was noch schlimmer ist: Sie ist uns unheimlich nah, arbeitet gewissermaßen hinter den feindlichen Linien. Sie ist eben wie der Teufel- das ist das Geheimnis ihres Erfolges.

Du sagst doch, dass du der Gottessohn bist. Der kann doch alles. Der kann auch „am Nordpol den Eskimos Eisschränke verkaufen“. Der hat doch Macht! Also beweis es: Die Lösung liegt doch so nah. Mach dem Hunger ein Ende. Mach aus diesen Steinen Brot. Das müsstest Du doch hinkriegen.

So verstanden geht es bei der ersten Versuchung nicht einfach nur um pure Selbsterhaltung. Nicht vordergründig darum, das Allernötigste zum Überleben zu haben. Es geht vielmehr darum, die Lebensumstände zum eigenen Vorteil zu verändern. Seine Macht zu missbrauchen. Jesus erkennt das und widersteht.

Matthäus schreibt weiter:
Da führte ihn der Teufel mit sich in die heilige Stadt und stellte ihn auf die Zinne des Tempels und sprach zu ihm: Bist du Gottes Sohn, so wirf dich hinab; denn es steht geschrieben…: “Er wird seinen Engeln für dich Befehl geben; und sie werden dich auf den Händen tragen, damit du deinen Fuß nicht an einen Stein stößt.” Da sprach Jesus zu ihm: Wiederum steht auch geschrieben …: “Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht versuchen.

Versuchung Zwei: Wer nichts wagt, der nichts gewinnt –
erst der richtige Kick macht das Leben rund. Einer springt in den Abgrund. 50 Meter freier Fall, das sind Lebens-Sekunden der ganz besonderen Art:

Was passiert, wenn Masse mal Erdbeschleunigung ihm zu ungeahnten Geschwindigkeiten verhelfen? Wenn das, was eben noch ganz klein war, rasend schnell groß wird? Ist es auch nicht zu lang, das Gummiband, an dem er festgemacht ist, und: wird es ihn wirklich halten? Und danach werden sie auf ihn einstürmen: Wie war’s? Was hast Du erlebt? Hattest Du Lebensangst?
Wird er derselbe Mensch sein wie zuvor?

Spring, Jesus: Hier ist der Tempel, hier bist Du Gott so nah wie sonst nirgends. Wenn du Gottes Sohn bist, sind die Engel dein Gummiband. Sie werden dich auffangen, denn wenn du Gottes Sohn bist, wird er dich nicht umkommen lassen.

Das ist nicht nur ein Sprung in Gottes Gummiseil. Wenn der Glaube ein Wagnis ist, dann wage ihn doch, den Sprung. Gibt es ein Wagnis ohne Waghalsigkeit?
Jesus erkennt das und widersteht.

Doch der Durcheinanderbringer ist immer noch nicht fertig, Matthäus weiter:

Wiederum führte ihn der Teufel mit sich auf einen sehr hohen Berg und zeigte ihm alle Reiche der Welt und ihre Herrlichkeit und sprach zu ihm: Das alles will ich dir geben, wenn du niederfällst und mich anbetest.
Da sprach Jesus zu ihm: Weg mit dir, Satan! Denn es steht geschrieben…: “Du sollst anbeten den Herrn, deinen Gott, und ihm allein dienen.”

Jetzt ist es am Ende, das bisher eher freundliche rabbinische Gespräch, in dem die Gesprächspartner ihre Bibelkenntnis belegen und mit Bibelversen argumentieren.
Jetzt zeigt der Teufel sein GANZES Ich:
Alle Welt werde ich dir zu Füßen legen, wenn du zu meinen Füßen liegst. Alle Macht wirst du haben!

Und jetzt nennt Jesus ihn beim hebräischen Namen: Verschwinde, Satan, hebe dich hinweg! Und Matthäus schließt:
Da verließ ihn der Teufel.
Und siehe, da traten Engel herzu und dienten ihm.

Meine Schwestern, meine Brüder:

„Da kann ich nicht Nein sagen“ – das ist mein Seufzer, wenn ich einer Versuchung erliege, von der ich ahne, dass ich ihr lieber widerstehen sollte.

Jesus kann Nein sagen, und hier tut er es drei Mal:

Nein zum Machbarkeitswahn.
Jesus legt Zeugnis ab, dass er sich in seiner ganzen Existenz auf das Wort Gottes angewiesen sieht. Aus Gottes Wort kommt alle Zuwendung, aus Gottes Wort erwartet er auch das Brot zum Überleben. Es SELBST machen zu wollen – das würde die Trennung von Gott bedeuten.

Nein zur Waghalsigkeit.
Ja, Glaube ist Wagnis. Aber er geschieht im Gehorsam.
Luther trifft die Sache, wenn er schreibt: „Es heißt: er hat seinen Engeln befohlen über dir, dass sie dich auf Händen tragen. Ja, aber nur wenn ich auf MEINEM WEG gehe, d.h. wenn ich in dem Amt bleibe, das mir befohlen ist. Wenn du auf DIESEM WEG bleibst, da hast du die Engel zu Wächtern. Willst du aber durch die Elbe gehen, so sprich nicht: er hat seinen Engeln befohlen. …

Nein zum Allmachtswahn.
Am Ende des Matthäusevangeliums ist Jesus wieder auf dem Berg. Er spricht aus, was von nun an gelten soll: „Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden“ (Mt 28,18). Aber der Weg, der dahin führt, führt nicht über Machbarkeit, Waghalsigkeit oder Allmacht. Er führt über Gehorsam und über das Kreuz.

Wenn wir in den nächsten Wochen der Passion Jesu folgen, werden wir über all das nachdenken, was unser geordnetes Leben heftig durcheinanderbringt. Über Ohnmacht, Zurücksetzung und Gewalt.
Über das Leid, das niemand von uns erleben will.

Jesus weist den Durcheinanderbringer zurück und entscheidet sich für den Weg des ersten Gebotes. Er widersteht der Versuchung, sich zum politischen Messias zu machen, auch wenn viele Menschen das gut gefunden hätten. Er entscheidet sich, mit seinem Leben Gott zu dienen. Dien-mütig zu sein. Auch wenn das Leiden bedeutet.

Nun treten die Engel dazu und „dienen“ IHM. Ein schönes Bild: Die Engel lassen uns heute noch sehen, wer der wahre Messias ist. Und WAS er ist. Und nachdem wir wieder alles sortiert haben, was der Durcheinanderbringer aufgemischt hat, können wir durch Christus erkennen:

Die Liebe Gottes, die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes

lohnen das Leben. Lohnen unser Leben. AMEN

 

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