In der Nacht, da er verraten ward
setzte sich Jesus an einen Tisch
mit dem Verräter
mit dem Verleugner
mit den Ängstlichen
alle würden ihn verlassen
In der Nacht, da er verraten ward
feiern sie das Passamahl
Hier werden Brot und Wein
durch ihn zu Heil und Leben
für die am Tisch
die ihn so nötig hatten
und ihn doch verließen
Am dritten Tage aber
am Ostertag
gibt sich der
Auferstandene
wird wieder Brot und Wein
verwandelt für uns das Leben
weil wir es so nötig haben
auf IHN alle Hoffnung zu setzen,
und ER spricht:
Ich war tot,
und siehe, ich bin lebendig von Ewigkeit zu Ewigkeit
und habe die Schlüssel
des Todes und der Hölle.
Offenbarung 1,18
***
Ostern: Die wunderbare Erzählung von den Frauen am Grab (Mk 16, 1-8). Die den Tod erwarten, aber unglaublicherweise ein Leben finden, von dem sie nicht einmal ahnten, dass es das geben könnte.
Unser Tages-Evangelium lässt die Frauen vor Erschrecken über das, was sie erleben, voller „Zittern und Entsetzen“ von DER Stelle fliehen, die alles Begreifbare auf den Kopf stellt. „Und sie sagten niemand etwas; denn sie fürchteten sich.“ Kein Wunder. Schließlich hatten sie Todesangst.
Angst vor dem Tod.
Wir alle kennen sie. Sie hat im Wesentlichen drei Aspekte:
Angst vor dem eigenen Tod, Angst vor dem Sterben, Angst vor dem Tod Anderer.
Angst vor dem eigenen Tod:
Ich kenne ziemlich viele Menschen, die diese Angst nicht kennen. Die einen nicht, weil ihr Glaube sie stark macht:
Ihr Glaube an ein Leben nach dem Tode.
Und da ist es egal ob Leben „im Himmel“ bei Gott oder durch Wiedergeburt in einer anderen sterblichen Hülle: Das Ende des Lebens hier wird zum Übergang in etwas Neues.
Andere haben keine Angst vor dem eigenen Tod, weil sie sagen: Tod gehört zum Leben, solange diese Welt sich dreht. Jetzt lebe ich, und irgendwann lebe ich eben nicht mehr. Wie jedes Lebewesen. Warum sollte ich davor also Angst haben?
Aber es gibt auch die, die sehr wohl Angst haben: Vor diesem unvorstellbaren Nichts, das alles, was einem das Leben hier wichtig und wertvoll macht, einfach beendet. Unwiderruflich, zumindest nach allem, was wir wissen können.
Angst vor dem Sterben dagegen haben viele. Denn Sterben kann schmerzhaft sein, lange dauern und davon begleitet sein, dass man sich nicht einmal mehr selbst artikulieren kann mit dem, was man möchte oder nicht möchte. Da hilft es auch nicht, wenn man nicht allein sterben muss. Oder kann. Oder wenn man sich vorher sagt, dass es doch bisher jeder geschafft hat, dieser Welt für immer den Rücken zuzukehren.
Angst vor dem Tod Anderer haben dagegen eigentlich alle, die ich kenne. Denn einen Menschen, den man liebt, gehen lassen zu müssen, ohne ihn weiterleben zu müssen, vielleicht gar mutterseelenallein: Das lässt niemanden kalt.
Ganz sicher auch die drei Frauen nicht, die zum Grab Jesu gekommen waren: Sie wollten das tun, was man damals und heute eben tut – dem toten Körper die letzten Dienste erweisen und irgendwie mit der Trauer fertig werden. Nun sollte ihnen selbst das unmöglich gemacht werden?
Angst vor dem Tod. Aus 2. Mose 14 und 15:
8Und der Herr verstockte das Herz des Pharao, des Königs von Ägypten, dass er den Israeliten nachjagte.
Aber die Israeliten waren mit erhobener Hand ausgezogen. 9Und die Ägypter jagten ihnen nach, alle Rosse und Wagen des Pharao und seine Reiter und das ganze Heer des Pharao, und holten sie ein, als sie am Meer bei Pi-Hahirot vor Baal-Zefon lagerten.
10Und als der Pharao nahe herankam, hoben die Israeliten ihre Augen auf, und siehe, die Ägypter zogen hinter ihnen her. Und sie fürchteten sich sehr und schrien zu dem Herrn…
Niemand, der das nicht nachfühlen könnte: Das Volk in Todesangst. Vor ihnen liegt das Meer, hinter ihnen naht die Streitmacht der Ägypter. Der erste Impuls: Der Ruf nach Gott. Ach Gott, sieh doch! Die Katstrophe naht! Hilf!
Aber der Ruf hält nicht lange an. Schnell ist man dabei, nach dem Schuldigen für die Situation zu suchen. Und der ist offenbar schnell gefunden:
11und (sie) sprachen zu Mose: Waren nicht Gräber in ÄGYPTEN, dass du uns wegführen musstest, damit wir in der Wüste sterben? Warum hast du uns das angetan, dass du uns aus Ägypten geführt hast? 12Haben wir’s dir nicht schon in Ägypten gesagt: Lass uns in Ruhe, wir wollen den Ägyptern dienen? Es wäre besser für uns, den Ägyptern zu dienen, als in der Wüste zu sterben.
Angst vor dem Tod:
In der Angst will und muss man irgendetwas tun. Wenn man dazu noch irgendwie in der Lage ist. Die Frauen gehen zum Grab. Sie wollen den Toten sehen, um sicher zu sein, dass sie sich nicht irren. Sie wollen sich von ihm so verabschieden, wie sich das gehört. Sie hoffen, dass ihnen das in ihrer Trauer hilft.
Die Israeliten suchen und finden einen Schuldigen. Es ist offensichtlich, dass sie das voller Panik machen. Denn es hat sie ja niemand gezwungen, aus Ägypten zu fliehen. Wer hätte sie womit zwingen können? Dennoch rufen sie nach Schuldigen. Bis heute hat sich dieser Mechanismus nicht geändert.
Seit vor einem guten Jahr diese Virusmutation auf dieser Welt auftauchte, läuft es genauso. Ein kurzer Augenblick des Erschreckens, in dem sich zumindest unterschwellig bei jedem, der über dieses Ding nachdachte, die Angst einnistete. Aber wenn man schon sonst nichts tun kann: Nach dem Schuldigen könnte man suchen und auch schnell irgend einen finden.
Da waren die Chinesen, die Europäer, die Italiener, die verkommenen Lebensformen der modernen Menschheit oder Frau Merkel. Niemand kann zwar seine Thesen irgendwie gerichtsfest beweisen, aber es wird Bescheid gewusst und erklärt und eingeordnet. Glauben hat hier Hochkonjunktur – der Glaube an die eigene Wahrheit.
Damals wie heute ein völlig sinnloses Handeln. Denn es hilft niemandem in seiner Angst. Im Gegenteil: Es macht sie immer größer. Denn wer mit ansehen muss, wie keine der Deutungen und Thesen wirklich „Wahrheit“ wird, wird sich in immer größerer Verlassenheit mit ansehen müssen, wie die Welt um ihn herum aus den Angeln gerät.
Aber der große Mann im Glauben lässt sich von den Allwissenden seines Volkes nicht irre machen. 13Da sprach Mose zum Volk: Fürchtet euch nicht, steht fest und seht zu, was für ein Heil der Herr heute an euch tun wird. Denn wie ihr die Ägypter heute seht, werdet ihr sie niemals wiedersehen. 14 Der Herr wird für euch streiten, und ihr werdet stille sein.
Das muss man Mose jedenfalls lassen: Auf den Mund gefallen ist er nicht. Reißt euch zusammen, steht gefälligst gerade, Gott ist es doch, der euch retten wird, und die Ägypter werdet ihr so nie wiedersehen, und ihr: Euch wird jedes Wort im Halse stecken bleiben!
Gegen alle menschliche Einsicht, gegen alles Sehen, gegen allen Verstand: Der Herr wird für euch streiten, und ihr werdet stille sein! 19Da erhob sich der Engel Gottes, der vor dem Heer Israels herzog, und stellte sich hinter sie. Und die Wolkensäule vor ihnen erhob sich und trat hinter sie 20und kam zwischen das Heer der Ägypter und das Heer Israels.
Und dort war die Wolke finster
und hier erleuchtete sie die Nacht,
und so kamen die Heere die ganze Nacht einander nicht näher. 21Als nun Mose seine Hand über das Meer reckte, ließ es der Herr zurückweichen durch einen starken Ostwind die ganze Nacht und machte das Meer trocken, und die Wasser teilten sich. 22Und die Israeliten gingen hinein mitten ins Meer auf dem Trockenen, und das Wasser war ihnen eine Mauer zur Rechten und zur Linken.
23Und die Ägypter folgten und zogen hinein ihnen nach, alle Rosse des Pharao, seine Wagen und Reiter, mitten ins Meer.
28Und das Wasser kam wieder und bedeckte Wagen und Reiter, das ganze Heer des Pharao, das ihnen nachgefolgt war ins Meer, sodass nicht einer von ihnen übrig blieb. 29Aber die Israeliten gingen trocken mitten durchs Meer, und das Wasser war ihnen eine Mauer zur Rechten und zur Linken.
30So errettete der Herr an jenem Tage Israel aus der Ägypter Hand.
Am Ende aller menschlicher Möglichkeiten: Gott handelt. Unfassbar, übermächtig. Die Massen des Meeres stehen als schützende Mauern um das Volk Israel. Das Volk kommt trockenen Fußes durch das Meer. Alle, Mensch und Tier. Und der Weg der Verfolger endet hier. Endgültig.
Gestern begann das Passah-Fest. Seine Feier machen den Auszug aus Ägypten und die Rettung des Volkes lebendig. Jahr für Jahr neu, seit Jahrtausenden.
Er hat ein Gedächtnis gestiftet seiner Wunder: „Wie ihr die Ägypter heute seht, werdet ihr sie niemals wiedersehen.“ Als nach menschlichem Ermessen kein Ausweg mehr da war, handelte der einzige, der handeln konnte.
Gott selbst handelte. ER wendete das Blatt, ließ etwas geschehen, was in die Menschenkategorie „das geht doch gar nicht“ gebucht wird. Das alle naturwissenschaftlichen Gesetze außer Kraft setzt. Was einem am Ende keiner glauben wird, der nicht dabei war. Und nicht einmal die. Sie bleiben sprachlos. „Der Herr wird für euch streiten, und ihr werdet stille sein.“
Was hätten sie über diese Rettung aus Todesgefahr erzählen können, zu der sie nichts, gar beigetragen hatten? Was hätten sie auch sagen sollen? Wie beschreiben? Wie erklären?
Was hätten die drei Frauen von dem Stein erzählen können, der ohne dass sie einen Finger hätten krümmen müssen nicht mehr vor dem Grab lag? Wie hätten sie den Jüngling im langen, leuchtend weißen Gewand beschreiben sollen, so dass er nicht zu einem schlechten Schauspieler geworden wäre? Wie hätten sie erklären sollen, was der Sinn dessen war, was dieser Mann ihnen gesagt hatte: „Er ist auferstanden, er ist nicht hier.“?
Meine Schwestern, meine Brüder:
Wenn die Angst vor dem Tod zuschlägt, egal ob die Angst vor dem eigenen, dem eines geliebten Menschen oder die Angst vor dem Sterben, können Menschen nichts mehr tun.
Aber Gott kann es.
Er erweist sich als der, der die Naturgesetze aus den Angeln hebt. Der so unfassbar mächtig ist, dass er nicht nur Wassermassen zu Schutzwällen aufschichtet, sondern den am Kreuz Gestorbenen aus dem Grab herausruft. Der Menschen aus ihrer Todesangst rettet und sie ob ihrer Rettung sprachlos dastehen lässt.
Für uns ändert es alles,
wenn der Tod nicht mehr die Lebensregeln diktiert. Der Tod sagt: Du hast nur dieses eine Leben. Wenn du das verlierst, verlierst du alles. Was du in diesem Leben nicht erreicht, besessen oder bereist hast, ist für immer für dich verloren. Das ist die Regel für dein Leben.
Der Tod schafft so eine Welt, die vorgibt, für die Ewigkeit zu bauen – und in der das Leben weniger und weniger wert ist. Bis es zu dem Nichts verkommt, das übrig bleibt, wenn der Tod das Erdenleben beendet.
Heute aber wird für uns lebendig: Gott ist der, der wirklich die Macht hat. Der uns aus dem Nichts hat werden lassen, der die Wassermassen zu Schutzwällen gegen den Tod auftürmt, der seinen Sohn nicht hängen lässt, sondern von den Toten erweckt: Gott selbst hat die Macht und er setzt sie ein.
Dietrich Bonhoeffer schreibt in seiner „Ethik“ darum zu recht:
„Wo … erkannt wird, dass die Macht des Todes gebrochen ist, …
dort verlangt man vom Leben keine Ewigkeiten,
dort nimmt man vom Leben, was es gibt,
nicht Alles oder Nichts, sondern Gutes und Böses,
Wichtiges und Unwichtiges, Freude und Schmerz,
dort hält man das Leben nicht krampfhaft fest,
aber man wirft es auch nicht leichtsinnig fort,
dort begnügt man sich mit der bemessenen Zeit
und spricht nicht irdischen Dingen Ewigkeit zu,
dort lässt man dem Tod das begrenzte Recht, das er noch hat. Den neuen Menschen und die neue Welt aber erwartet man allein von jenseits des Todes her, von der Macht, die den Tod überwunden hat.“
Jesus Christus ist diese Macht. Gottes JA zu einem neuen Leben, über das der Tod keine Macht mehr hat. Ostern gibt uns die Sprache wieder über dieses Wunder, das UNS dieses neue Leben heute geschenkt wird.
Israel hat seine Sprache wiedergefunden.
Irgendwann. Zum Schluss unseres Textes heißt es:
20Da nahm Mirjam, die Prophetin, Aarons Schwester, eine Pauke in ihre Hand, und alle Frauen folgten ihr nach mit Pauken im Reigen. 21Und Mirjam sang ihnen vor: Lasst uns dem Herrn singen, denn er ist hoch erhaben…
Auch die drei Frauen am leeren Grab blieben nicht für immer still, denn sonst säßen wir nicht hier. Und auch wenn die Macht Gottes über Angst und Tod manch einen von uns immer noch sprachlos macht, lasst uns heute feiern:
Christus, der Herr, ist auferstanden.
Er ist wahrhaftig auferstanden.
Die Liebe Gottes, die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes
beenden jede Todesangst.
AMEN