Auf wen noch hören? (2. Pet 1 16-21)

Ein Kind in der Krippe
die Weisen aus dem Morgenland, die einem Stern folgen
Jesus auf dem Berg der Verklärung:

Die Weihnachtsbilder zeigen nicht
was sich außen abgespielt hat
sondern Verborgenes und Unsichtbares
ausgebreitet vor unser aller Augen.

Über dir geht auf der HERR,
und seine Herrlichkeit erscheint über dir.
Jesaja 60,2
***
Wer oft und viel liest weiß, wie wichtig gerade die Form eines Textes ist, will man den Inhalt so verstehen, wie der Verfasser ihn gemeint hat. Verschiedene Texte können schließlich über dieselbe Sache sprechen und doch völlig Unterschiedliches in uns auslösen. Hört zwei Beispiele rund um unser Evangelium:

Text 1
Man fährt von Süden nach Nazareth. Kurz vor der Stadt biegt man rechts ab und erreicht nach einigen Kilometern einen Berg. Er wird seit der Bronzezeit dafür genutzt, religiöse Feiern abzuhalten. Verschiedensten Gottheiten wurde dort schon gedient. Zum Beispiel soll auch Jesus dort eine Erscheinung gehabt haben. In den biblischen Evangelien wird darüber berichtet; hier finden wir das für solche Erscheinungen übliche religiöse Vokabular von lichthaften Gestalten der Altvorderen verbunden mit manifesten Zusagen der Gottheit.

Text 2:
„Wir waren selbst dabei! Wir waren mit ihm auf dem heiligen Berg. Schauten in die Ebene hinunter, sahen die Städte, sahen den großen See, der einst unsere Heimat gewesen war. Und dann, noch höher, stand er: Jesus. Seine Kleider so weiß, wie es kein Bleichmittel hinbekommt, und er selbst in gleißendem Licht. Wir waren dabei und haben mit eigenen Augen gesehen, wie er dort plötzlich mit zwei anderen redete: Mose und Elia waren bei ihm. Die drei sprachen ganz vertraut miteinander und wir fühlten: Sie kennen sich, sie gehören zusammen. Jesus, Mose und Elia. Die größten drei Lehrer und Propheten, die wir je hatten.
In diesem Moment ahnten wir zum ersten Mal, wer Jesus wirklich war.

Da überschattete uns plötzlich eine Wolke und wir hörten diese unglaubliche Stimme: „Das ist mein lieber Sohn!“ Wir begannen am ganzen Körper zu zittern und schlossen die Augen. Doch Jesus beruhigte uns und sagte schließlich: Was ihr hier erlebt habt: Behaltet es noch eine Weile für euch. Ihr werdet einmal wissen, wann ihr darüber reden solltet.“

Die Unterschiede zwischen beiden Textformen sind deutlich.
Der erste könnte in einem Reiseführer stehen: Sachlich, nicht emotional, man kann ihn schnell lesen und begreifen – und ebenso schnell wieder vergessen. Man weiß ja, wo man nachschauen kann. Der Reiseführer steht für den Fall der Fälle ja im Bücherregal. Oder im allwissenden Netz.

Dem zweiten spürt man Begeisterung, etwas Besonderes ab.
Man hört, dass dem Schreiber etwas Unerhörtes passiert ist. Dass er letztlich überzeugt davon ist, seinem Gott begegnet zu sein. Obwohl man Glauben nie wirklich klar BESCHREIBEN kann: Hier kann man doch tiefen Glauben SEHEN. Denn die Bilder, die der zweite Text transportiert, sagen mehr als die Worte, aus denen er zusammengesetzt ist.

Und so ist auch der Predigttext für heute KEIN Text, den man wie den ersten liest, erfasst und wieder ins Regal stellt. Aus ihm spricht deutlich diese Faszination eines tiefen Glaubens. Er steht im vielleicht jüngsten Text des Neuen Testaments. Ich lese aus dem 2. Petrusbrief Kapitel 6 die Verse 16-21:

16 Denn wir sind nicht ausgeklügelten Fabeln gefolgt, als wir euch kundgetan haben die Kraft und das Kommen unseres Herrn Jesus Christus;
sondern wir haben seine Herrlichkeit MIT EIGENEN AUGEN GESEHEN.
17 Denn er empfing von Gott, dem Vater, Ehre und Preis durch eine Stimme, die zu ihm kam von der großen Herrlichkeit: Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe.
18 Und diese Stimme haben wir gehört vom Himmel kommen, als wir mit ihm waren auf dem heiligen Berge.
19 Umso FESTER haben wir das prophetische Wort,
und ihr tut gut daran, dass ihr darauf achtet als auf ein Licht, das da scheint an einem dunklen Ort,
bis der Tag anbricht
und der Morgenstern aufgeht in euren Herzen.
20 Und das sollt ihr vor allem wissen, dass keine Weissagung in der Schrift aus eigener Auslegung geschieht.
21 Denn es ist noch nie eine Weissagung aus menschlichem Willen hervorgebracht worden, sondern getrieben vom Heiligen Geist haben Menschen in Gottes Auftrag geredet.

Wir waren dabei. Dabei auf dem Berg der Verklärung Jesu. Nicht leicht zu verstehen. Geheimnisvoll, aber gerade darum voller Kraft.

Es ist die Wirklichkeit der Macht Christi, um die es hier geht. Dabei geht es hier nicht wie sonst zuerst um Jesu Predigt, Kreuz und Auferstehung. Es geht vor allem um die Parusie, seine Wiederkunft. „Von dort wird er kommen“- so bekennen wir. Und sagen damit: Jesus Christus ist nicht nur unsere Vergangenheit, unsere Wurzel. Er ist unsere Zukunft.

Petrus ruft denen, die mit der Parusie nichts anfangen können, sie beiseiteschieben oder nicht ernst nehmen, zu: Wir sind doch keinem Kindermärchen gefolgt, als wir Euch die Herrlichkeit Christi bezeugt haben! Wir waren mit ihm auf dem Berg, waren dabei, haben sie gesehen: Mit eigenen Augen!

Heute hätte er vielleicht gerufen:
Das war doch kein wissenschaftlicher Fachaufsatz über die Entstehung des biblischen Kanons.
Das war doch nicht so etwas wie das Buch Mormon, das plötzlich wie aus dem nichts das angebliche historische Wort Jesu auftauchen lässt. Viele Jahrhunderte nach seinem Tod im fernen, reichen Amerika, damit auch die Amerikaner ihre persönliche Offenbarung bekommen. Nein, wir waren dabei, haben es selbst gesehen!

Und ich, Petrus, sage euch darum: Lasst euch nicht die Hoffnung nehmen. Lasst euch den Glauben nicht kleinreden. Er hat nicht nur gelebt, sondern er wird wiederkommen.

Denn das haben wir selbst SEHEN dürfen:
Jesus im vertrauten Gespräch mit unseren großen Vorfahren im Glauben, mit Mose und Elia. Wir: Jakobus, Johannes und ich. Ihr wist, wer wir sind. Und wir sagen euch: Es war die Stimme Gottes, die aus dem Himmel zu hören war. Es war das Licht Gottes, das zu sehen war. Nie werden wir diesen Tag vergessen.

Wie wir den ewigen Geistes Gottes förmlich spüren konnten, der durch Mose und Elia sprach und der uns Menschen auf immer Gottes Wort hören lassen kann. Und dieser Geist zeigt uns: Die Zukunft Gottes ist leuchtend hell, sie ist der Morgenstern unseres Lebens, lässt die Dunkelheit weichen und es endlich hell werden. Es ist wie das Licht des anbrechenden Tages für unser Leben.

Ihr wisst es doch: Der Morgenstern zeigt das Kommen des Tages an. Und er wird einmal nicht mehr irgendwo fern am Himmel stehen, klein und unerreichbar. Er wird in den Herzen der Menschen aufgehen. Sein Aufgehen am Ende der Zeit wird sie alle schauen lassen, was wir heute glauben dürfen.

Gottes Treue gilt uns. Seit Mose und Elia, und warum sonst sollte er durch Jesus zu uns gekommen sein: Weil er uns treu ist. Macht euch also keine Sorgen, dass ihr in Jesus irgend einer Theorie, irgend einem möglichen Irrtum hinterherlauft. Gottes Wort kann kein Menschen erfinden.

Denn Gottes Geist spricht. Er lässt sich nicht den Mund verbieten. Er redet immer wieder neu, so dass die Wahrheit Gottes nie in verblassen kann wie die Erinnerung an gute Zeiten. Gott hat unsere Zeit in der Hand. Aber er ist größer als unsere Zeit. Er ist Ewig.

Darum ist er auch am Ende unserer Zeit. Das ist es, worauf wir uns verlassen können. Wann das ist? Das ist doch egal. Wichtig ist, DASS es so ist. Denn damit wissen wir doch, worauf wir uns verlassen können. Immer. Egal, was uns geschieht.

Der völlig be-geisterte Zeuge Petrus will als Zeitzeuge für die Wahrheit der Parusie einstehen. Er will einen tieferen Eindruck hinterlassen. Darum schreibt er, was er schreibt.

Das ist doch auch für uns heute noch so: Wer jemanden treffen kann, der etwas selbst erlebt hat, und dem das auch noch abzuspüren ist – egal ob das Erlebte furchtbar oder himmlisch für ihn war: Das, was man da zu hören bekommt, hinterlässt tiefe Spuren.

Der Rückgriff des Petrus auf die Verklärungsgeschichte will eine tiefe Spur hinterlassen. Die Gewissheit: Gott selbst steht für Jesus und seine Wiederkunft ein. Petrus will die Zeit-Zeugen göttlichen Geschehens lebendig halten. Damit die, die Petrus lesen, Wahrheit finden.

Und das Buch aufschlagen, das zwischen seine Deckeln Wahrheit aufgeschrieben birgt. „Umso fester“ haben wir das prophetische Wort, dass seit Mose und Elia gesprochen wird. Erfüllt und ausgefüllt durch den Geist der Wahrheit Gottes.

Umso sicherer können wir zwar nicht wissen, WAS alles kommt, aber WER kommt. Der Morgenstern Gottes, der unser Herz ergreift und es hell werden lässt.

Meine Schwestern, meine Brüder:

Auf wen sollen wir hören? Letztes Jahr im März begann es, seitdem hören wir täglich irgendwelche Antworten zu dem, was wir zu tun hätten oder lassen sollten. Aber sind es auch die Antworten, die wir brauchen?

Wie können wir wissen, ob all das richtig ist, was gegen die Ausbreitung des Coronavirus unternommen wird? Was unseren Alltag erst aus den Angeln gehoben hat und nun bestimmt?

Selbst wenn Ende dieses Jahres tatsächlich durch Einschränkungen des Lebens und das Impfen dieser Virus seine Bedrohlichkeit für unser Leben verloren hat, wird diese Frage für uns alle bleiben: Auf wen sollen wir hören?

Uns fehlt es nicht an Texten der Kategorie Eins. Heute noch viel weniger als in der Zeit, als Petrus seinen Brief schrieb. Davon quillt unsere multimediale Welt heute eher über. An Informationen fehlt es uns nicht. Viele Patienten wissen heute besser über ihre Krankheiten Bescheid als ihre Ärzte. Manche tatsächlich, manche tatsächlich eher nicht.

Es fällt auch mir von Tag zu Tag schwerer, zu unterscheiden: Zwischen Informationen, die wichtig, und solchen, die eher unwichtig sind. Zwischen wahren und falschen. Sogar zwischen guten und schlechten.

Wenn ich nicht wüsste, woran ich glaube, wüsste ich in dieser Welt auch nicht, auf wen ich hören sollte. In allen Orientierungsfragen unseres Lebens ist doch Verlässlichkeit gefragt. Und die hat eben nichts zu tun mit der Menge an Wissen, die im Regal steht, das Netz füllt und aus den Lautsprechern quillt.

Wenn wir wissen, woran wir glauben, wissen wir auch, was für uns wahr wird. Kennen unsere Wahrheit. Unser Glaube ist es also, der Orientierung möglich macht, der alles Wissen unterscheidet nach wichtig und unwichtig, wahr und falsch, gut und schlecht.

Die erste Frage vor allen anderen bleibt also die: Woran glaube ich? An wen glaube ich? Und da kommt Petrus mit diesem Text der Kategorie Zwei und sagt: Lasst euch erinnern! Lasst euch begeistern!

Und ich erinnere mich. Daran, dass seit Tausenden Jahren die Stimme Gottes zu hören ist. Und dass ich das Privileg habe, diese Stimme zu hören. Auf die Stimme der Boten Gottes, die bezeugen: Ich war dabei.

Mose war dabei, als der Dornbusch brannte und doch nicht verbrannte. Elia war dabei, als Gott das Mehl im Topf und das Öl im Krug nicht ausgehen ließ, bevor die Hungersnot vorbei war. Jesus war dabei, als Wasser zu Wein wurde. Und Petrus, der durch all das begriff: Die Herrlichkeit Gottes kennt keine Grenze. Der Glaube an sie ist das größte, was Gott unserem Leben zu bieten hat. ER ist uns Wahrheit. Er ist uns Licht.

Das Licht unseres Lebens: Der Morgenstern. Jesus steht verklärt auf dem Berg, weil er genau dieses Licht IST.
Damals, in Zukunft.
Das ist Wahrheit, die mich begeistert.
Wahrheit, aus der all mein Wissen und Entdecken ihren Sinn bekommt.
Petrus will uns mit dem Morgenstern anstecken. Denn:

Der Morgenstern zeigt uns
die Liebe Gottes, die Gnade unseres Herrn Jesus Christus
und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes
Sie bewahren unser Leben.
Auf SIE können wir ohne Reue hören.
AMEN.

 

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