Nehuschtan (4 Mose 21 4-9)

Unseren Gottesdienst Reminiszere zum Nachhören finden Sie für vierzehn Tage hier.

Leben ohne Leid
nicht auf dieser Welt
ist das anders zu ertragen
als im Glauben
an das Mitleiden Gottes

doch Glauben ist
den klugen Menschen
unklug geworden
weggeschoben
aus dem selbstbestimmten Leben
hingeschoben in die Welt
der Klöster und Kirchen
die gestrig sind schon immer
der Sund immer größer

doch wer GOTT Glauben schenkt
findet
Heimat in seiner ewigen Stadt
Gerechtigkeit für alle
in seiner Liebe und Leidenschaft
für diese Welt
für uns

Gott erweist seine Liebe zu uns darin,
dass Christus für uns gestorben ist,
als wir noch Sünder waren.
Römer 5,8
***
König Hiskia. Einer der bedeutenden Herrscher Israels. Die beiden Bücher der Könige (ab 2. Kön 18), die eher historisches Interesse haben, und die Bücher der Chronik (ab 2. Chr 29), die eher – wie man heute vielleicht sagen würde – religiöse Propaganda enthalten, sind sich da sehr einig.

König Hiskia regierte von 725-697 vor Christus. Eine ziemlich lange Regentschaft von fast 30 Jahren. Er war ein Zeitgenosse des großen Propheten Jesaja, der in Hiskias Leben auch eine große Rolle spielt; auch in Jesaja 38 und 39 ist von Hiskia die Rede.

Bedeutend wurde er für Israel aus zweierlei Gründen:
In seiner Regierungszeit zieht Sanherib, der König von Assyrien, mit großer Streitmacht auch gegen Jerusalem. Hiskia kratzt alles zusammen, was er an Silber und Gold finden kann, um Sanherib gnädig zu stimmen und von Jerusalem fern zu halten. Doch Sanherib will Jerusalem.

Was soll Hiskia tun? Er betet, und es wird erzählt, dass Gott sein Gebet erhört und einen Engel schickt, der des Nachts in Sanheribs Heer ein großes Blutbad anrichtet, so dass die restlichen Assyrer ihre Sachen packen und wieder abziehen.

Dass Gott Hiskia so beisteht, hat für die Geschichtsschreiber Israels einen entscheidenden Grund, und dieser ist gleichzeitig der Haupt-Grund für seine Bedeutung:
Hiskia war anders als viele seiner Vorgänger ein frommer König, der nichts zwischen Gott und sich kommen lassen wollte.

Er setzte darum alles daran, die in seinem Königreich ausufernden heidnischen Kulte zurückzudrängen und dem Tempel seine ursprüngliche Bedeutung zurück zu geben. Er ließ ihn von allem heidnischen Gerümpel befreien und gab sich alle Mühe, ihm seinen ursprünglichen Charakter zurückzugeben.

Dabei stieß er auch auf einen Räucheraltar, auf dem Nehuschtan Rauchopfer dargebracht wurden. Nehuschtan – dieser Name erscheint nur 2. Kön 18,4 – kommt wahrscheinlich vom hebräischen NICHOSCHÄT was soviel wie bronzen, ehern bedeutet. Nehuschtan war wohl eine bronzene Verzierung oben auf einer Standarte und stellte eine Schlange dar, so wie sie ähnlich schon im alten Ägypten vielfach in Gebrauch war.

Für die Ägypter war sie ein Herrschaftszeichen, das Leben und Schutz symbolisierte: Sie schützte das Leben des Trägers und derer, die sie verehrten, vor allem vor tödlichen Schlangenbissen. Für die Ägypter war das kein Widerspruch: Die künstliche Schlange schützte vor echten Schlangen und hielt so das Gleichgewicht zwischen Leben und Tod aufrecht.

Doch die Verehrung dieser Bronzeschlange in Jerusalem war Hiskia ein Dorn im Auge; sie war für ihn ein eklatanter Verstoß gegen das erste und zweite Gebot. Darum ließ er sie zerstören, obwohl er von ihrer Geschichte wusste. Es war die bronzene Schlange, von der erzählt wurde, Mose hätte sie gegen Ende der vierzig Jahre andauernden Wüstenwanderung der Israeliten auf dem Weg aus Ägypten ins gelobte Land geschaffen.

Da wären wir bei dem Bibeltext für heute, ich lese aus Numeri (4. Mose) 21 ab Vers 4 in der Übertragung der „Guten Nachricht“:

4 Als die Israeliten vom Berg Hor aus weiterzogen, wandten sie sich zunächst nach Süden in Richtung Schilfmeer, um das Gebiet der Edomiter zu umgehen. Aber unterwegs verlor das Volk die Geduld 5 und sie beklagten sich bei Gott und bei Mose: »Warum habt ihr uns aus Ägypten weggeführt, damit wir in der Wüste sterben? Hier gibt es weder Brot noch Wasser, und dieses elende Manna hängt uns zum Hals heraus!«
6 Da schickte der HERR zur Strafe giftige Schlangen unter das Volk. Viele Israeliten wurden gebissen und starben.
7 Die Leute kamen zu Mose und sagten: »Es war nicht recht, dass wir uns gegen den HERRN und gegen dich aufgelehnt haben. Leg doch beim HERRN ein Wort für uns ein, damit er uns von diesen Schlangen befreit!« Mose betete für das Volk 8 und der HERR sagte zu ihm: »Fertige eine Schlange an und befestige sie oben an einer Stange. Wer gebissen wird, soll dieses Bild ansehen, dann wird er nicht sterben!« 9 Mose machte eine Schlange aus Bronze und befestigte sie an einer Stange. Wer gebissen wurde und auf diese Schlange sah, blieb am Leben.

Ich kann den alten König Hiskia gut verstehen: Ich habe nie so richtig begriffen, wie diese Geschichte von der Bedeutung dieser „ehernen Schlange“, wie Luther übersetzte, in die Bibel geraten ist. Irgendwie erscheint mir die Behauptung, Gott selbst habe sie durch Mose machen und aufstellen lassen, eher fadenscheinig.

Nicht nur, weil Mose sicher nicht alles konnte: In der Wüste ohne Hütte und Schmiede eine Bronzeschlange herzustellen, das schien mir schon immer eher Dichtung als Wahrheit zu sein.

Mein Hauptproblem aber war schon immer dasselbe, was offenbar auch Hiskia sah: Als Israel um das goldene Kalb tanzte, gab es Ärger mit Gott- und das sehr zu Recht. Und hier soll es plötzlich in Ordnung sein, eine Bronzeschlange mit ägyptischer Vergangenheit als Lebensretter aufzustellen?

KÖNNEN die Israeliten diesen feinen Unterschied nicht einfach nur missverstehen? Ist es ein Wunder, dass sie im Missverstehen verharren und die Schlange irgendwann zuhause in ihren Tempel stellen und sie wie einen Gott verehren so wie mancher heute Maria verehrt?

Doch offenbar hatten viele Menschen vor mir einen gnädigeren Blick auf diese Schlangengeschichte als Hiskia oder ich selbst.

Nicht nur, weil es sehr wahrscheinlich ist, dass dieser Schlangenstab des Mose eine Vorlage für das Asklepios – Ritual wurde. Das entwickelte sich ab dem 5. Jahrhundert vor Christus zu einem der erfolgreichsten antiken Kult der alten Griechen.

Der Stab des griechischen Gottes der Heilkunde Asklepios (zu deutsch Äskulap), der auch Äskulapstab genannt wird, ist noch heute das Zunftzeichen der Ärzte und in abgewandelter Form auch der Apotheker (natürlich gn).

Doch auch in der Tradition und Bibel selbst wird diese Geschichte nicht einfach als offensichtliche Götzenanbetung gedeutet.

In der jüdischen Tradition sieht man die Aufrichtung dieser Bronzeschlange in einer Linie mit den erhobenen Händen des Mose im Krieg gegen die Amalekiter. Als nämlich die Israeliten die militärische Oberhand nur so lange behielten, so lange Mose die Arme in einer Art Segensgeste erhoben hielt. So musste Mose sich stützen lassen, um die Arme so lange oben zu halten, bis Israel endgültig gewonnen hatte.

Nein, der Sieg habe nicht an den erhobenen Armen des Mose gehangen, ist man sich sicher. Sondern so lange die Israeliten nach oben schauten und ihr Herz ihrem Vater im Himmel unterstellten, konnten sie ihre Feinde überwinden. Wenn sie das aber vergaßen, unterlagen sie. So auch hier: Die Rettung hing nicht an der aufgerichteten Schlange, sondern am Blick des Volkes nach oben, zu Gott.

Und auch die Theologen des Neuen Testaments können mit dieser Geschichte mehr verbinden als den Vorwurf des Götzendienstes.

Für Paulus stehen das Volk Israel und die Gemeinde Christ in derselben Gefahr: Sich von Gott zu entfernen und das Ziel aus den Augen und dem Herzen zu verlieren. So schreibt er in 1. Kor 10,9: „Lasst uns auch nicht Christus versuchen, wie einige von ihnen (also den Vorfahren) ihn versuchten und wurden von den Schlangen umgebracht…“

Ja, man kann diese Geschichte von der bronzenen Schlange als Geschichte von Schuld, Buße und Errettung lesen.

Schuld:
Nach vielen Jahren in der Wüste müssen die Israeliten nun auch noch einen weiten Umweg machen, um die Edomiter zu umgehen. Viele werden sich geärgert haben: Man hatte doch schon ganz andere Herausforderungen als diese überstanden!

Und viele sehnen sich wieder einmal nach den „Fleischtöpfen Ägyptens“ zurück. Da waren sie zwar Sklaven, aber hatten wenigstens zu essen und zu trinken. Die Ernährung durch das tägliche Manna in der Wüste war an Einseitigkeit nicht mehr zu überbieten. Die Gute Nachricht übersetzt treffend: „Dieses elende Manna hängt uns zum Hals heraus!“

Buße:
Die nun auch noch einsetzende Schlangenplage wird von den Israeliten offenbar als Strafe Gottes gesehen. Darum gehen sie in sich und erkennen, dass sie das Ziel aus den Augen verloren haben, dass sie sich von Gottes Willen entfernt und Mose Unrecht getan haben.

Sie begreifen, dass sie umkehren und ihren Weg zu Ende gehen müssen. Und dass sie das nicht aus eigener Kraft und durch eigene Ideen schaffen können. Sie müssen mit Gott und ihrem Wüsten-Guide wieder ins Reine kommen. Also bitten sie Mose: Sprich mit Gott, dass er diese Schlangenplage wieder von uns nimmt!

Errettung:
Mose bittet Gott für das Volk. Welche Worte er dabei wählte, erfahren wir nicht. Wohl aber, dass Gott nicht geschehen lässt, was sich die Israeliten wünschen. Vielmehr soll Mose das altbekannte Symbol der Ägypter herstellen und auf einer Stange hoch oben aufrichten.

Und dann geschieht, was eigentlich nicht sein kann.
Wenn ein Mensch nach einem Schlangenbiss auf diese Blechschlange sieht, wird er überleben. Nicht weil der die Blechschlange ansieht, sondern weil Gott das so will.
Alle wissen das, die die Blechschlange ansehen.
Und werden ihre Rettung erleben.

Diese Sicht auf diese Geschichte von Schuld, Sühne und Errettung ist es wohl, die den Evangelisten Johannes (Kap 3 ab V 14) beeindruckt. Wie wir vorhin in der Evangelienlesung hörten, wird für ihn der aufgerichtete Schlangenstab ein Deutungsmuster für das schwer zu ertragende Kreuz auf Golgatha.

Vielleicht so: So wie die bronzene Schlange ein weit sichtbarer Beleg für das Scheitern menschlicher Bestrebungen und das für den Menschen unfassbare Handeln Gottes ist, so ist das auch mit dem unfassbaren Geschehen auf Golgatha.

Meine Schwestern, meine Brüder:

Eine spannende Geschichte aus sehr alter Zeit, die bis heute in unser Leben hineinwirkt und sich wiederholt. Ich erkenne in ihr ein Gleichnis über die Gefahren der Freiheit unseres Lebens in dieser Welt.

Als das Volk Israel von Mose aus der Sklaverei Ägyptens geführt wird, gehen sie mit ihm. Niemand kann zu diesem Exodus gezwungen worden sein, dazu hatte Mose keine Macht. Sie haben sich frei dazu entschieden, ihm zu folgen, weil sie in den Frondiensten für die übermächtigen Ägypter keine Zukunft für sich sehen konnten.

Die Fleischtöpfe Ägyptens wurden blass und fade neben den strahlenden Zusagen ihres Gottes. Den Zusagen, dass er sie stets begleiten und sie ein Land finden lassen würde, in dem für sie Milch und Honig fließen würden.

Als sie die Wüste erreichten und sahen, wie Gott ihre Verfolger endgültig abschüttelte und scheitern ließ, fühlten sie sich frei und unbesiegbar. Nicht einmal Hunger und Durst konnten sie vom Weiterziehen abhalten, und Gott ließ ihnen Wasser und Manna zukommen, sogar Wachteln gab es.

Aber immer, wenn sie dachten, sie seien sicher und könnten nun auf eigenen Wegen weiterziehen und selbst frei bestimmen, wie sie ihr Leben leben wollten, mussten sie erkennen: Befreit zu sein allein ist keine Freiheit.

Freiheit wurde nur, wenn man begriff, WOFÜR man frei war. Frei für die Wahl des Ziels: Mit Gott in eine Zukunft zu gehen, die man zwar nicht kannte, deren Weg aber zu Gott selbst führen würde. Oder den Weg der scheinbar freien Selbstbestimmung und Überheblichkeit Gott gegenüber zu gehen. Und für die Bibel besteht kein Zweifel: Dieser Weg bedeutet letztendlich Scheitern und Tod.

Wir alle kennen diese Gefahren der Freiheit. An jedem Tag unseres Lebens sind wir ihnen ausgesetzt. Wir wissen um die Wüsten unserer Zeit.

Seit im März 2014 Russland die Krim annektierte und gestern vor zwei Jahren auch noch in die Restukraine einmarschierte, herrscht ein Krieg vor unserer Haustür. Und kein Mensch scheint zu wissen, wie er zu beenden ist.

Seit Gewalt in Wort und Tat wieder hoffähig geworden zu sein scheint, werden in unserem Land Fremde gedemütigt und getötet und Parteien gehindert, ihre Entscheidungen zu fällen oder ihre Aschermittwochsveranstaltungen abzuhalten.

Kein Tag, an dem Menschen das Offensichtliche nicht bedenken: Dass ihre eigene Freiheit unlösbar mit der Freiheit ihres Nächsten verbunden ist und außerdem zu nichts Gutem führen kann, wenn sie kein gutes Ziel gefunden hat.

Mit den Schlangenbissen unserer Wüsten sind wir jetzt in der Passionszeit angekommen. Buße ist angesagt, damit die Erkenntnis wieder Raum gewinnen kann: Die Wege Gottes werden für uns zwar für immer unbegreiflich bleiben. Aber Wege ohne ihn führen ins Nichts.

Die Rettung sieht nur, wer von sich absieht. Wer nach Golgatha hin sieht. Auf das Kreuz, an dem Gott seine Leidenschaft für diese Welt und uns Menschen erkennen lässt. Und das seit Ostern leer ist wie unser Kreuz hier an der Wand, weil bei Gott möglich ist, was bei den Menschen unmöglich bleibt.

Egal, ob wir die Schlange auf dem Stab oder das Kreuz Christi ansehen: Über Stab und Kreuz sind
die Liebe Gottes, die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes zu sehen.
Sie sind unser Ziel und unser Heil. AMEN

LIED Das Kreuz ist aufgerichtet 94: 1.2.4

1. Das Kreuz ist aufgerichtet,
der große Streit geschlichtet.
Dass er das Heil der Welt
in diesem Zeichen gründe,
gibt sich für ihre Sünde
der Schöpfer selber zum Entgelt.
2. Er wollte, dass die Erde
zum Stern des Kreuzes werde,
und der am Kreuz verblich,
der sollte wiederbringen,
die sonst verlorengingen,
dafür gab er zum Opfer sich.
4. So hat es Gott gefallen,
so gibt er sich uns allen.
Das Ja erscheint im Nein,
der Sieg im Unterliegen,
der Segen im Versiegen,
die Liebe will verborgen sein.

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