Der komplette Gottesdienst zum Nachhören ist für vierzehn Tage hier zu finden.
Gott erwählt Israel
eine unlösbare Verbindung
für IHN
und doch offen für alle
auf der Suche nach dem Reich Gottes
Wohl dem Volk, dessen Gott
der HERR ist
dem Volk,
das ER zum Erbe erwählt hat!
Ps 33,12
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Welches Verhältnis hat Israel zu Gott?
Welches Verhältnis haben wir als Kirche Christi zu Israel?
Diese beiden Fragen sind Fragen des jährlichen Israelsonntags.
Für uns in einer christlichen Kirche ENTSCHEIDEND dazu ist das, was Jesus Christus zu diesen Fragen gesagt hätte. Was ist für seinen Glauben wesentlich, was ist für IHN das wichtigste, welches das „höchste Gebot“?
So oder ganz ähnlich ist Jesus ja auch gefragt worden, und seine Antwort darauf klingt uns fast wörtlich in den Ohren. Denn wir hören in unseren Gottesdiensten nicht an jedem Sonntag, aber doch sehr oft auf den Heidelberger Katechismus (Frage 4), der die Antwort Jesu so zitiert:
„Du sollst den HERRN, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüt. Dies ist das höchste und größte Gebot. Das andere aber ist dem gleich: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. In diesen beiden Geboten hängt das ganze Gesetz und die Propheten.“
Damit zitiert der „Heidelberger“ wörtlich aus Matthäus 22 (VV 37-40). Bei Lukas fällt dieses Jesuswort inhaltlich gleich, aber deutlich kürzer aus, sieht man einmal davon ab, dass hier das Gleichnis vom barmherzigen Samariter als Erläuterung angefügt wird.
Unser ältestes Evangelium jedoch (das nach Markus) ist etwas ausführlicher als Matthäus. Ihr habt es vorhin vorgelesen bekommen. Es beginnt nämlich Jesu Antwort mit einem Satz, den ich oft überlese, wenn ich den Heidelberger so oft höre: „Das höchste Gebot ist das: „Höre, Israel, der Herr, unser Gott, ist der Herr allein…“
Schema, Jisrael! Höre, Israel! Damit zitiert Jesus den Satz, der das Glaubensbekenntnis Israels ist. Dessen Anfangsbuchstabe Schin an vielen jüdischen Haus- oder Wohnungstüren zu finden ist. Und dieses Glaubensbekenntnis ist SEIN Bekenntnis.
Warum Matthäus und Lukas das „Schema, Jisrael!“ weglassen, weiß ich nicht, ich ahne ein paar Gründe, aber die tun hier nichts zur Sache. Was allerdings etwas zur Sache tut, ist dass es sehr wahrscheinlich ist, dass Markus Jesus hier richtig zitiert. Denn damit bekommt das Gebot, Gott über alles zu lieben, eine stärkere, tiefere Bedeutung. An den Gott Israels zu glauben – für Jesus ist es das Erste, das Wichtigste im Leben, das ist sicher.
Jesus gehört mit Leib und Seele zu Israel.
Wenn WIR nun mit Leib und Seele zu Jesus gehören wollen, sind wir da nicht auch selbst Israel?
Natürlich würde uns mancher das Recht dazu absprechen wollen. Gründe gäbe es viele: Unsere Mütter seien nicht jüdisch. Unsere Väter auch nicht. Der Messias käme erst noch, Jesus sei nur ein Prophet. Und als Deutsche hätten wir den Juden mehr Leid zugefügt als alle anderen Volker der Erde.
All das ist wohl richtig.
Doch es gibt ja auch in der Christenheit Menschen, die uns das Recht absprechen würden, „richtige“ Kirche zu sein. Die Katholische Kirche bezeichnet uns als „Glaubensgemeinschaft“, und nicht nur hier in Hohenbruch oder Brandenburg denkt so mancher, die Reformierten seien so eine Art „Sekte“.
Wörtlich genommen ist aber das ganze Christentum eine „Sekte“, also eine „Partei“, eine „Schulrichtung“ aus dem Judentum. Auch wenn es nahezu ausgeschlossen ist, dass Jesus eine eigene „Kirche“ wollte, genauso wenig wie später Luther eine wollte.
All die Trennungen innerhalb des Gottesvolkes, all der Zank und Streit gründen auf dem menschlichem Versagen, einander nicht zuhören zu können, Macht behalten zu wollen, herrschen zu können. Ja, vielleicht waren all die Abspaltungen und Neugründungen historisch unausweichlich, aber in jedem Falle theologisch eine Niederlage.
Ich kann es theologisch nicht anders denken, und ich glaube fest daran:
Ich gehöre zu Israel, weil ich dem Gott Abrahams und Sarahs gehöre. Ich glaube, dass in Jesus Gott Mensch wurde, um das politische Israel, aber auch ALLE Menschen guten Willens die Augen für diesen Gott zu öffnen und ihnen zu zeigen, wie sehr er die Menschen liebt.
Darum weiß und fühle ich mich Israel zugehörig, egal wie andere Menschen darüber denken und urteilen mögen. Israel bewahrt einen Schatz, der für mich so wertvoll ist, dass ich nie auf ihn verzichten möchte.
Von diesem Schatz spricht nicht nur Jesus im Tages-Evangelium, sondern auch der Predigttext für heute. Ich erzähle ihn jetzt einmal mit eigenen Worten nach. NachLESEN könnt ihr ihn zuhause in eurer Bibel, genauer im Buch Deuteronomium, also dem 5. Mosebuch, Kapitel 4, die Verse 5-20:
Mose hielt Israel diese Rede:
Ich verkünde euch die Gebote, wie sie mir Gott, mein HERR, für euch gegeben hat, damit ihr sie künftig befolgt, egal wo ihr leben werdet.
Hört sie, denkt über sie nach, lebt danach!
Dann werdet ihr unter den Völkern dieser Welt für eure Weisheit berühmt werden. Denn wenn die anderen Völker hören, nach was für Geboten ihr lebt, werden sie voller Hochachtung auf euch blicken und sagen: „Was für ein herrliches Volk das ist! Wie klug und einsichtig es doch ist!“
Denn kein anderes Volk auf dieser Welt hat einen Gott, der ihm mit seiner Hilfe so nahe ist wie uns der HERR, unser Gott, an jedem Tag unseres Lebens. Er hilft uns, sooft wir zu ihm rufen. Und kein anderes Volk wird je nach so guten Geboten leben wie wir.
Doch gebt Acht und vergesst nie, was ihr erlebt habt! Haltet die Erinnerung das, was ihr erlebt habt, euer Leben lang lebendig und erzählt es allen weiter. Denkt an diesen großen Tag am Berg Horeb: Da kamt ihr heran und stelltet euch an den Fuß des Berges. Und der Berg geriet in Flammen, die bis zum Himmel loderten, aber ringsum war er von dunklen, schwarzen Wolken umgeben.
Und aus dem Feuer heraus sprach Gott selbst zu euch. Ihr alle konntet seine Stimme deutlich hören, auch wenn ihr nichts sehen konntet – aber die Stimme Gottes drang bis in euer Herz.
Er verkündete euch die Zehn Worte, die den Bund zwischen ihm und euch bedeuten. Und diese zehn Worte schrieb er auf zwei Steintafeln.
Mir aber hat Gott befohlen, euch diese Worte zu erklären und einzuprägen, nach denen ihr nun leben sollt.
Noch einmal, erinnert euch: Gottes Stimme war zu hören, aber zu sehen war Gott nicht. Darum macht euch keine Gottesbilder wie andere Völker, denn das würde nicht den geringsten Nutzen für euch haben, im Gegenteil: Es würde euch immer weiter von Gott wegbringen.
Dabei ist es völlig egal, was diese Bilder darstellen würden. Egal, ob Frau oder Mann, Säugetier oder Vogel, Kriechtier oder Fisch oder Wal: Nichts von dem würde unserem Gott gleich sein können.
Es würde euch auch nicht helfen, wenn ihr zum Himmel hinaufseht und Sonne, Mond oder Sterne anbetet, wie andere Völker es tun. Ja, Gott hat dieses ganze Himmelsheer geschaffen. Aber er IST es nicht.
Er IST GOTT. Er ist der, der euch aus der Sklaverei errettet hat und in die Freiheit führt.
Jetzt seid ihr ein Volk, dass sich SEIN Volk nennen kann. GOTTES Volk.
Mose schwört sein Volk auf Gott ein. Aber er fordert nicht einfach, der wirbt, er schwärmt, er malt die Zukunft in wunderbaren Farben. Gottes Wort macht Israel weise, Gottes Worte helfen ihm an jedem Tag des Lebens, und alle, die genau hinsehen, werden nicht umhin können, zu erkennen:
„Was für ein herrliches Volk das ist! Wie klug und einsichtig es doch ist! … Und kein anderes Volk wird je nach so guten Geboten leben!“ Wer sollte nicht zu diesem Volk gehören wollen?
Doch Mose spricht zugleich eine Warnung aus.
Allerdings warnt er NICHT davor, dass jetzt oder später auch ANDERE Menschen zu Israel gehören wollen könnten. Denn dann würde doch diese ganze Werberede zu nichts nütze sein, wenn man still und leise ganz für sich sein wollte, niemandem davon sagen, niemanden Teil haben lassen wollte.
Mose warnt vielmehr davor, Gott zu einem weltlichen Ding verkommen zu lassen. Zu einem Bild, das man sich irgendwo hinstellt und ansieht. Oder zu einem Menschen wie du und ich, den man wie den Kumpel von nebenan auch links liegen oder notfalls verprügeln kann.
Darum erinnert Mose an die Begegnung Israels mit Gott am Horeb. An dieser Begegnung ist nichts, was ein Mensch auf dieser Welt hätte erleben können. Ein riesiges Feuer, das lichterloh und himmelhoch brennt, die Welt drum herum aber bleibt dunkel und schwarz.
Und auch wenn das menschliche Auge nichts weiter sehen kann als dieses Feuer, eine Stimme war laut und deutlich hörbar. ALLEN drang sie direkt ins Herz. Niemand hatte den leisesten Zweifel daran: Diese Zehn Worte waren GOTTES Worte. SEINE Worte an SEIN Volk.
Höre, Israel, Gottes Wort!
Und ICH höre, und was ich höre, lässt mich froh werden: Ja, genau darum möchte ich selbst zum Volk Gottes gehören. Besser kann kein Mensch auf dieser Welt leben als in diesem Volk! Gerechter als hier kann es nirgends im Leben zugehen! Denn dieses Volk kennt seine Lebens-Richtung. Es ist ausgerichtet auf GOTT. Ein Gott, der lebt und liebt. Darum erreicht seine Stimme die Herzen der Menschen. Heute, immer.
Meine Schwestern, meine Brüder,
Lydias Wohnung in Charkiw, der zweitgrößten Stadt in der Ukraine, ist zerstört. Sie geht mit ihrem Sohn und einem Fernsehteam zurück in diese Wohnung im 8. Stock eines Plattenbaus, nur 30 km von Russland entfernt. Unter Tränen, sie fragt sich, wie all das je wieder aufgebaut werden kann. Sie kommen auch nur zurück, weil sie nach einem alten Erbstück suchen wollen.
Was sie vorfindet, ist mit Worten kaum zu beschreiben, ihr könnt es euch in der ARD-Mediathek aber immer noch ansehen*. Dreißig Jahre hat die Familie hier gewohnt, es ist sogar noch Geschirr in den Küchenschränken, noch ein Teekessel auf dem Herd. Die meisten Fliesen aber sind von der Wand gefallen, durch die zerstörte Außenwand kann man fast bis nach Russland sehen.
Ihr Sohn findet, was sie suchen. Die Familienbibel, seit 1904 von Generation zu Generation weitervererbt. Sie hält die Bibel in die Kamera, ihr Glück ist nicht zu übersehen.
Und ich denke, als ich das sehe: Ja, so ist es – das Wort Gottes veraltet nicht. Egal ob das durch die zehn Worte oder durch Jesus Christus. Die Liebe zu diesem Wort, zu dieser Schatzkiste, wird zum Denkmal. Am Horeb und in Charkiw.
Ich muss dazu weder an den Fuß des Horeb noch nach Jerusalem noch nach Charkiw fahren. Ich muss nichts „sehen“. Gottes Schatzkiste ist überall zu finden. Darin Worte lebendiger Liebe, die ins Herz treffen.
Diese Schatzkiste gab es ja einmal wirklich: Die Bundeslade, reich verziert, darin die zehn Worte auf Steintafeln. Verlorengegangen in den Wirren eines Krieges.
Sie ist nicht mehr zu sehen,
wird aber niemals verstummen.
Diese zehn Worte, Gottes ewiger Bund mit seinem Volk, der Ausweis seiner Gerechtigkeit, die Mensch, Tier und Erde achtet, Gottes fleischgewordenes Wort in Christus – sie KÖNNEN nicht verloren gehen. Selbst wenn die reichen und satten Gesellschaften dieser Erde kein Israel und keine Kirche mehr kümmern, weil sie lieber all dem nachleben, was sie sehen und anfassen können, wird mir nicht bange:
Denn dieser Schatz, seit über dreitausend Jahren unübertroffen und weitergereicht von Mose bis zu uns, wird immer neu und selbst aus Schutt und Ruinen gehoben werden – wie die von Generation zu Generation vererbte Familienbibel Lydias in Charkiw.
Die Liebe Gottes, die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes
werden diesen Schatz bewahren –
für alle
als Erbe für alle Zeit.
AMEN