Der Rahmen ( 1 Kön 3 5-15)

Den kompletten Gottesdienst zum Nachhören finden sie für vierzehn Tage hier.

Was ist wichtig in meinem Leben,
was nicht?
Was ist wirklich wertvoll,
wo scheint es nur so?
Wie halte ich es mit dem,
was ich habe oder was ich kann?
Besitze ich, als wenn es mir GEHÖRTE
oder habe ich, so dass ich es VERWALTE?
Will ich die Liebe Gottes besitzen
oder ihr ein treuer Verwalter sein?

Wem viel gegeben ist,
bei dem wird man viel suchen;
und wem viel anvertraut ist,
von dem wird man um so mehr fordern.
Lukas 12,48
***

Wozu benötigt man eigentlich einen Bilder-Rahmen? Bilderrahmen haben selbst – oder gerade – im Zeitalter der digitalen Fotografie ihre besondere Bedeutung nicht verloren.

Als ich mit dem Fotografieren angefangen habe, musste ich mir noch sehr gut überlegen, wofür ich einen Abschnitt auf dem Film im Apparat „opfern“ wollte, da war also jedes Foto etwas Besonderes, solange es nicht verwackelt oder anders unscharf oder falsch belichtet worden war.

Denn ein Film hatte – bestenfalls! – für 72 Fotos Platz, und den auch nur, wenn man das übliche Kleinbildformat 24×36 noch einmal halbierte. Solche Fotoapparate gab es ja, zum Beispiel die Penti, erinnert ihr euch an diesen goldfarbenen Verkaufsschlager aus DDR-Zeiten? Die passte gut in die Manteltasche und machte ordentliche Fotos, wenn man mit ihr umgehen konnte. Meine Großmutter hatte so ein Ding, und ich war immer sehr neidisch darauf.

Wollte man allerdings besser aufgelöste Fotos oder Dias, egal ob in Schwarzweiß oder Farbe, dann musste das Film-Format größer sein. Mindestens das normale Kleinbildformat, das wie schon erwähnt 24×36 MILLIMETER beträgt, besser natürlich NOCH größer. Fotografen und Semiprofis nutzten darum auch gern ein- oder zweiäugige Spiegelreflexkameras mit Bild-Formaten von 6×6 oder 6×9 ZENTIMETER.

Damit sind dann sehr ordentliche großformatige Fotos hinzubekommen, aber die Qual beim Fotografieren wurde eher größer. Denn Filme waren und sind relativ teuer, und bei dem Format 6×9 cm passen nicht einmal 10 Fotos auf einen 1,20 m langen Roll-Film – und keine 72 wie bei der Penti.

Meine digitale Spiegelreflexkamera heute hat je nach Grundeinstellung Platz für tausende Fotos auf der eingesetzten Speicherkarte, sie kann automatisch Blende, Belichtungszeit und Entfernung einstellen.

Seitdem kann ich einfach „draufhalten“: Irgendetwas „Ordentliches“ wird schon drauf sein, und taugt das Foto gar nichts:
Ich kann es mit ein paar Tasten-Klicks einfach wieder löschen und der Platz auf der Karte für ein neues Foto ist frei. Da können es bei gutem Licht im Urlaub schon mal ein paar hundert Fotos werden – am Tag.

Wenn dann in der Unmenge digitaler Fotos eines gefunden ist, das einem besonders wichtig ist, dann soll das nicht nur in einen der modernen digitalen Rahmen, die man sich irgendwo auf den Schrank stellt und die dann eine pausenlose Foto-Show zeigen.

Nein, dann soll es zumindest ausgedruckt oder besser bei dem älteren Fotografen um die Ecke tatsächlich auf Fotopapier entwickelt werden. Dann sucht man einen passenden Rahmen, vielleicht mit entspiegeltem Glas davor, und gibt ihm mit dem Bild darin einen Ehrenplatz.

Dort kann und will man sich das Bild immer wieder einmal ansehen. Der Rahmen fokussiert den Blick auf das, was auf dem Bild dargestellt wird. Zugleich gibt er dem Bild einen Schutz und hebt es hervor. Der Rahmen macht deutlich: Dieses Bild ist mir wichtig, und jeder, der mich besucht, kann das auch sehen, dass es mir wichtig ist.

Und was für Fotos gilt, ist ja auch bei Gemälden so. Je wichtiger das Gemälde ist, desto aufwändiger der Rahmen. Der kann dann auch schon mal selbst ein paar hundert Euro kosten. So werden ein Foto oder ein gemaltes Bild ein besonderer Teil von mir, und das über mein Leben hinaus.

Denn gerahmte Fotos oder Bilder wandern bei der Auflösung einer Wohnung nach dem Tod nicht so leicht auf den Müll wie Fotos aus einer Kramkiste. Gerahmte Bilder besieht man sich dann schon genauer, vielleicht behält man sie selbst. Oder sie werden auf dem Flohmarkt verkauft oder, wenn sie besonders wertvoll erscheinen, auf einer Auktion meistbietend versteigert.

Auch unser Bibeltext hat offenbar einen Rahmen bekommen, zumindest einen akustischen. 1. Kön 3 Vers 5 heißt es nämlich: „Und der HERR erschien Salomo zu Gibeon im Traum des Nachts“ und an seinem Schluss in Vers 15 steht da: „Und als Salomo erwachte, siehe, da war es ein Traum.“

Um welchen Traum es geht? Ich lese den Text in der Übertragung der Guten Nachricht, der hört sich besser, Zürcher oder Luther könnt ihr ja zuhause nachlesen (5-15a):

5 Als … (Salomo) im Heiligtum übernachtete, erschien ihm der HERR im Traum und sagte zu ihm: »Wünsche dir, was du willst; ich will es dir geben!«
6 Salomo antwortete: »Du hast in großer Treue an deinem Diener, meinem Vater David, gehandelt, so wie auch er stets treu zu dir gehalten und dir aufrichtig gedient hat. Du hast ihm deine große Treue auch darin erwiesen, dass du ihm einen Sohn gegeben hast, der einst auf seinem Thron sitzen sollte, wie das jetzt wirklich eingetreten ist. 7 HERR, mein Gott! Du hast mich, deinen Diener, anstelle meines Vaters David zum König gemacht. Ich bin noch viel zu jung und unerfahren und fühle mich dieser Aufgabe nicht gewachsen. 8 Und doch hast du mir das Volk anvertraut, das du dir erwählt hast, und ich trage die Verantwortung für so viele Menschen, die niemand zählen kann.
9 Darum schenke mir ein Herz, das auf deine Weisung hört, damit ich dein Volk leiten und gerechtes Urteil sprechen kann. Wie kann ich sonst dieses große Volk regieren?«
10 Dem HERRN gefiel diese Bitte.
11 Deshalb sagte er zu Salomo: »Du hättest dir langes Leben oder Reichtum oder den Tod deiner Feinde wünschen können. Stattdessen hast du mich um Einsicht gebeten, damit du gerecht regieren kannst. 12 Darum werde ich deine Bitte erfüllen und dir so viel Weisheit und Verstand schenken, dass kein Mensch vor oder nach dir mit dir verglichen werden kann. 13 Aber auch das, worum du mich nicht gebeten hast, will ich dir geben: Ich werde dir Reichtum und hohes Ansehen schenken, sodass zu deinen Lebzeiten kein König sich darin mit dir messen kann. 14 Und wenn du meine Gebote so treu befolgst wie dein Vater David, dann schenke ich dir auch ein langes Leben.«
15 Als Salomo erwachte, merkte er, dass der HERR im Traum mit ihm gesprochen hatte.

Dafür, dass dieser Text nachträglich gerahmt worden ist, sprechen meines Erachtens vor allem zwei Gründe: Ein inhaltlicher und ein formaler.

Der Inhaltliche: Wenn ich an meine Träume denke, weiß ich, dass ich mich an viele Einzelheiten gar nicht erinnern kann. Selbst wenn ich direkt aus einem Traum aufwache. Und das geht den meisten Menschen so.

Oft erinnern sie ÜBERHAUPT nicht, was sie geträumt haben. Mit meinem Vater habe ich mich oft darüber unterhalten, ob wir nun eigentlich in Schwarz-Weiß oder in Farbe träumen, und wir waren uns jahrelang in der Antwort auf allein diese Frage unsicher. Und an einen so langen Dialog in einem Traum, wie er hier beschrieben ist, kann ich mich überhaupt nicht erinnern. Auch hier sagt die Traumforschung, dass es den meisten, wenn nicht allen Menschen auch so geht wie mir.

Und der formale: König Salomo war schon ein halbes Jahrtausend tot, bevor dieser Text so aufgeschrieben wurde, wie wir ihn heute nachlesen können.
Nimmt man nun den inhaltlichen und den formalen Grund zusammen, ist es eher unwahrscheinlich, dass Salomo das so wie hier beschrieben auch tatsächlich geträumt hat.

So, wie er jetzt für uns aufgeschrieben ist, lässt dieser Traum kaum eine Unschärfe erkennen. Deutlich liegt uns vor Augen: Der junge Salomo will ein guter König werden. Darum weiß er besser als Millionen Politiker nach ihm, worum es beim Regieren gehen muss: Darum, dazu beizutragen, dass das Volk eine RICHTUNG sieht und spürt. Rechtes, ge-rechtes Urteil zu sprechen und damit zu helfen, dass auf dieser Erde, in diesem Erden-Leben, gutes Miteinander und damit gutes Leben möglich werden.

Also erbittet der junge, aber kluge König mehr als Klugheit. Er erbittet Weisheit. Und Gott gewährt ihm Weisheit – und auch all das, worum nicht so kluge Herrscher vielleicht gebeten hätten: Reichtum, Erfolg, Kriegsglück. Und das nicht nur in sparsamer, homöopathischer Dosis, sondern reich, im Überfluss: Niemand wird sich zu Lebzeiten mit Salomo messen können.

Nun könnte man ja sagen: Das ist ja schön für Salomo. So weit ich mich erinnern kann, habe ich noch nie einen solchen Traum gehabt, in dem mir Gott erschien und mich nach einem Wunsch fragte. Wenn ich mich erinnere, waren es Alpträume, die mir Angst machten, oder schöne Träume, die mich fühlen lassen, was ich im Augenblick nicht bekomme oder haben kann.

Man könnte sogar sagen: Da ist einer reich und klug geboren und kriegt den Hals nicht voll und möchte noch mehr, als er schon hat, und bekommt es sogar. So wie es auch sonst Lauf dieser Welt ist: Wer wenig hat, dem wird auch das Wenige genommen, und wer viel hat, bekommt immer mehr.

Aber darum hat dieser Text nicht seinen Rahmen bekommen. Man erinnert sich 500 Jahre später immer noch gern an Salomo. Darum bekommt dieser Text seinen traumhaften Rahmen. Denn weder vorher noch je irgendwann später hat es in Israel einen bedeutenderen König gegeben als Salomo, niemals wieder wurde Israel politisch so bedeutend wie unter seiner Herrschaft. Sein Bild will man immer wieder einmal vor Augen haben, will es geschützt für die Nachwelt aufheben.

Ja, auch sein Vater David war ein großer König. Er hat Israel zu einer damals bedeutenden Größe geformt. Aber mit seiner Folgsamkeit Gott gegenüber war es nicht so makellos, wie es hier im Traum dargestellt wird. Salomo selbst ist ja der Beweis in Person, dass sein Vater David in die Ehe eines Anderen eingebrochen ist, ihn umgebracht und ihm die Frau genommen hat.

So etwas wissen wir von Salomo nicht. Kein Wunder, siebenhundert Haupt- und dreihundert Nebenfrauen werden ihn ausgelastet haben (1. Kön 11,3). So dass sie ihn gegen Ende seiner Lebenszeit offenbar so in Anspruch nahmen, dass er den Weg reiner Gottesfurcht nicht mehr ganz so stringent verfolgte wie am Anfang.

Doch wie auch immer: Salomo war und blieb der größte Herrscher Israels. Sein Reichtum soll unermesslich gewesen sein. Unter ihm lebte das Volk weitgehend in Frieden und Wohlstand. Und die Weisheit Salomos ist nicht nur Name eines biblischen Buches, sondern sie ist bis heute sprichwörtlich.

Ihr kennt doch die Geschichte der beiden Frauen, die sich vor ihm darum streiten, welche von beiden ihr Kind im Schlaf erdrückt haben soll. Salomo lässt sich ein Schwert bringen und gibt vor, das noch lebende Kind einfach zwischen den beiden streitenden Frauen aufzuteilen. Die wirkliche Mutter will dann aber lieber auf ihr Kind verzichten als es sterben sehen – und Salomo erkennt, welche Frau lügt und welche Wahrheit spricht.
Und so werden weise Urteile bis in unsere Zeit hinein als „salomonische Urteile“ bezeichnet.

Das Andenken an diesen König will Israel nun in keinem Pappkarton im Keller verstauben lassen. Dieser große König bekommt einen schützenden Rahmen und einen Ehrenplatz.

Außerdem ist man sich sicher, den GRUND für diesen großen Erfolg des Salomo zu kennen:
Dieser König ist Gott begegnet.
Er hat nach GOTTES Wahrheit gesucht und ist ihr gefolgt.
Wie könnte man diese Gottesbegegnung eines Lebens besser beschreiben als in einem Traum? Das ist in der Antike ein bewährtes und erprobtes Mittel, um Göttliches zur Sprache zu bringen: Man entzieht das Leben dem irdischen Klein-Klein und kann so zu dem kommen, was größer ist als dieses Leben, „traumhaft“ eben.

Meine Schwestern, meine Brüder:

So wird dieser „Traum“ zur Anfrage an den Menschen, so lange diese Welt sich dreht: Welche Maßstäbe sollen dein Leben regieren?
Gott hat den Menschen erschaffen und ihn FREI in diese Welt gesetzt. Frei, denn er hat immer die Möglichkeit sich so oder anders zu entscheiden. Auch wenn es für viele eher die QUAL der Wahl ist, weil Lebensentscheidungen oft die zwischen Pest und Cholera zu sein scheinen.

Hier aber geht es um die „erste“ Frage:
Was ist das Wichtigste in deinem Leben?
Vor dieser Frage stehen alle Menschen, und sie stehen IMMER da, und sie MÜSSEN ihre Entscheidung treffen.

Salomo bittet Gott um Weisheit, Israel in GOTTES Sinne zu regieren.
Paulus – erinnert euch an die Lesungen zu Beginn (Phil 3, Mt 13) – hat sich für die Nachfolge Christi entschieden, alles andere erachtet er „für Dreck“. Denn Christus ist für ihn die absolute Wahrheit Gottes, und für die lässt er alles stehen und liegen – er hat SEINEN „Schatz im Acker“ gefunden, er WEIß, was ihm seine „kostbare Perle“ wert ist.

Und wir?
Wir sind hier, weil wir um diese Entscheidungen WISSEN. Wir haben sie uns eingerahmt und so aufgestellt, dass wir sie uns immer neu ansehen können.

Die kleinen Rahmen um den Traum des Salomo oder die Entscheidung gegen den Dreck bei Paulus oder den wertvollen Schatz im Acker oder die kostbare Perle.

Den großen Rahmen um die vielen Gottesbegegnungen, von denen wir durch das Buch der Bücher sicheres Zeugnis haben: Gerahmt durch die Buchdeckel und die Schrift am Buchrücken – „Die Bibel“ oder „ Die Heilige Schrift“. Dreitausend Jahre Gottesbegegnungen, unser wichtigster Schatz im Lebensacker: Jeder kann sie in unserem Bücherregal oder auf dem Abendmahlstisch sehen.

Und Kirche ist der Ort, an dem wir uns diesen Schatz lebenslang ansehen und ihn für unser Leben fruchtbar werden lassen können. Hier finden wir sie:

Die Liebe Gottes, die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes.

Gott wird unser Leben gelingen lassen, so wie er das Leben Salomos gelingen ließ.
AMEN

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