Gott wird Gerechtigkeit schaffen
sein Advent ist das Ende
kein Unrecht, Leid und Schmerz
für alle und jeden
auf ewig
Wir
sind wir auf dem Weg zum Heil der Welt
oder verlaufen wir uns
leben wir für Gottes Gerechtigkeit
oder für die Macht der Menschen
den Lauf der Welt
nehmen wir ihn hin
oder mischen wir uns ein
Bereitet dem HERRN den Weg;
denn siehe, der HERR kommt gewaltig.
Jesaja 40,3.10
***
„Schwerer als Israel aus dem Exil zu holen, ist es,
das Exil aus Israel zu holen.“
Ein Sprichwort, das ich vor fast genau zehn Jahren einmal in einer Kirchenzeitung las („Unsere Kirche“, 14.12.2012). Es fiel mir ein, als ich am Montag, wieder einmal, diesen bekannten Text aus Jesaja 40 las. Die ersten 11 Verse sind Predigttext für heute.
Schon der zweite Jesaja, die Fachwelt nennt ihn Deuterojesaja, wörtlich „der andere Jesaja“, um ihn vom älteren ersten Jesaja zu unterscheiden – schon Deuterojesaja hätte dieses Sprichwort wohl aus vollem Herzen gesprochen:
„Schwerer als Israel aus dem Exil zu holen, ist es,
das Exil aus Israel zu holen.“
Das Exil aus Israel holen: Es hatte sich eine Grunddepression unter den Israeliten ausgebreitet, die seit Generationen fern der Heimat im erzwungenen Exil leben mussten. Viele lebten inzwischen nicht nur äußerlich, sondern auch innerlich im Exil.
Die Urgroßeltern hatten noch die Schönheit Jerusalems und die Herrlichkeit Zions gepriesen. Sie hatten Tag für Tag ihres Lebens gehofft, zurückkehren zu können in ihr gelobtes Land und die Heilige Stadt.
Sie waren zerknirscht, weil sie ihre militärischen Niederlagen und die daraus folgende Deportation in Feindesland als Strafe Gottes für eigene Verfehlungen begriffen. Doch ihre Hoffnung auf Rückkehr hatte sich vor ihrem Tod nicht mehr erfüllt.
Kaum jemand von den Urenkeln war jemals in Jerusalem gewesen, und wenn, kamen sie mit Berichten von Ruinen, Schutt und Asche zurück, in denen ihr Jerusalem jetzt lag. Kaum jemanden von den Exulanten zog es inzwischen noch dorthin zurück. Hier, in ihrem äußeren Exil, hatten sie alles, was sie zum Überleben brauchten, dort nicht.
Darum verstanden die Urenkel auch nicht so recht, wie das gemeint sein sollte, dass eigene Verfehlung Ursache für ihre Verbannung sein sollte. Schließlich waren sie hier geboren. Exil, Verbannung: Sie kannten es doch gar nicht anders.
Und wenn Gott sie aus dem erwählten Volk zum verbannten Volk hatte werden lassen: Auch gut. Man überlebte ja. Manche irgendwie sogar nicht einmal schlecht. Wozu sich da Gedanken über Herkunft, Heimat oder Gott machen?
Und waren solche Gedanken nicht nur schmerzlich, sondern eigentlich überflüssig? War solch ein Gott nicht eher eine Nervensäge, die man beiseite legen sollte, damit sie NICHT mehr an den Nerven sägte? Wenn dieses Leben überhaupt zu etwas gut war: Wozu sich dann auch noch ein schlechtes Gewissen einreden lassen?
Deuterojesaja wusste, dass sie sich irrten. Denn ihm war Gott ganz anders begegnet. Wenn er Gott nicht gehabt hätte, wäre er längst in Verzweiflung versunken. Gott war der, für den es zu leben lohnte. An jedem Tag neu.
„Schwerer als Israel aus dem Exil zu holen, ist es,
das Exil aus Israel zu holen.“
Wie sollte Deuterojesaja das nun anstellen, sein Volk wach zu rütteln, zu erwecken? Er musste neu, anders vom Gott Israels reden. Man kann gut erkennen, dass der Predigttext aus vier Bausteinen zusammengesetzt ist. Aus vier Prophetenworten, die alle die gleiche „Schlagrichtung“ haben. Zuerst Kapitel 40, 1+2:
1 Tröstet, tröstet mein Volk!, spricht euer Gott.
2 Redet mit Jerusalem freundlich und predigt ihr, dass ihre Knechtschaft ein Ende hat, dass ihre Schuld vergeben ist; denn sie hat die volle Strafe empfangen von der Hand des HERRN für alle ihre Sünden.
Das kann die Exilanten aufhorchen lassen, ihr Prophet widerspricht der lähmenden Gottessicht: Gott ist nicht der, der jedwelche Verfehlungen zwischen sich und den Menschen auftürmt. Gott ist der Freundliche, der Tröstende.
Martin Luther dazu „DAS ist eigentlich der Bischöfe und Pfarrherrn oder Prediger Amt, dass sie lehren, aufrichten und trösten sollen, dass sie den betrübten und bekümmerten Herzen den Balsam der Heiligen Schrift reichen und mitteilen sollen und zu ihnen sagen: Fürchte dich nicht.“
Doch Trostworte haben ein Problem:
Sie sind entweder kostbar oder umsonst.
Denn sie stehen schnell im Verdacht einer Beruhigungspille, die notwendige Veränderungen verhindert.
Mit Recht sind darum viele Menschen skeptisch, vor allem gegen die Trostpflaster von Hochglanzkalendern, die für jede Not den passenden Spruch bereit halten. Oder Beerdigungsreden, die alle Trauer wegzutrösten versuchen.
Diese Skepsis hat es zu Deuterojesajas Zeiten schon gegeben. Darum weiß er: Gegen diese Skepsis hilft nur eine Rede, die zugehört hat, die das Herz des Anderen zu erreichen sucht. So ein Trost muss Hände und Füße bekommen und wirksame Kraft zum Aufrichten werden.
Kap. 40, 3+4:
3 Es ruft eine Stimme: In der Wüste bereitet dem HERRN den Weg, macht in der Steppe eine ebene Bahn unserm Gott!
4 Alle Täler sollen erhöht werden, und alle Berge und Hügel sollen erniedrigt werden, und was uneben ist, soll gerade, und was hügelig ist, soll eben werden.
Gott zeigt sich Israel darum nicht nur freundlich trostvoll, sondern leidenschaftlich – kraftvoll. Eine himmlische Stimme fordert auf, eine Prozessionsstraße durch die unwirtliche Wüste zu bahnen. Berge und Täler sollen eben werden, die kleinste Unebenheit soll verschwinden.
Berge und Täler sind dabei gleichzeitig Symbole für die Depression: Probleme, die wie Berge im Weg stehen; Täler voller Trauer und Schmerz. Das sind die alltäglichen Barrieren für Menschen, die kein Licht mehr im Leben sehen können. Diese Barrieren müssen beseitigt werden.
Gott wird sich nicht nur finden lassen, er wird kraftvoll sein und kommen. Die Geschichte der Welt ist für Deuterojesaja keine Sache von Aufstieg und Niedergang von Supermächten. Für ihn ist Geschichte Plan und Wille Gottes. Und allein von der Schöpfermacht Gottes, die Himmel und Erde schafft, ist es denn auch zu erwarten, dass Berge und Täler eben werden. Rettung des Lebens – das ist Werk Gottes.
„Schwerer als Israel aus dem Exil zu holen, ist es,
das Exil aus Israel zu holen.“
Ob die Israeliten im Exil nun neuen Lebensmut fassen? Ob sie glauben können, dass Gott alle Berge und Täler der Welt und des Lebens eben werden lässt?
Zieht das Exil endlich aus? Oder wehrt es sich?
Über Berufung und Gegenwehr Kapitel 40 5-8:
5 … die Herrlichkeit des HERRN soll OFFENBART werden, und alles Fleisch miteinander wird es sehen; denn des HERRN Mund hat’s geredet.
6 Es spricht eine Stimme: Predige!, und ich sprach: Was soll ich predigen? Alles Fleisch ist Gras, und alle seine Güte ist wie eine Blume auf dem Felde.
7 Das Gras verdorrt, die Blume verwelkt; denn des HERRN Odem bläst darein. Ja, Gras ist das Volk!
8 Das Gras verdorrt, die Blume verwelkt, aber das Wort unseres Gottes bleibt ewiglich.
Noch einmal eine himmlische Stimme. Wer hört sie? Wohl jeder, der die Herrlichkeit des Herrn jetzt schon erkennt, aber nicht über sie redet. Man könnte sagen: Das Gewissen hört sie.
Doch dem so ins Gewissen Geredete zuckt mit den Achseln fragt zurück: Was soll ich denn unter diesen Umständen, den Umständen dieses Lebens predigen? Seine Resignation klingt aus jedem seiner Worte: Alles Fleisch ist Gras, das Pflänzlein Hoffnung ist verdorrt….
Doch Deuterojesaja lässt diesen Einwand der Vergeblichkeit nicht gelten. Ja – kraftlos mögen die Menschen vielleicht sein. Doch das Wort unseres Gottes ist unerschöpflich und überlegen. Es steht unbeirrt auf gegen Arroganz und Erschöpfung. Darum hat es zuverlässig Bestand und verleiht dauerhaft Stehvermögen.
So wird die Rückkehr nach Zion Gottes Gottheit vor der Weltöffentlichkeit erweisen. „Alles Fleisch miteinander“ wird sehen können, welches Gewicht der Einspruch Gottes gegen die Mächte und Mächtigen dieser Welt hat. Die Herrlichkeit Gottes wird Kleinglauben überwinden und Menschenfurcht als grundlos entlarven. Nicht nur in der Zeit der Welt. Sondern ewig.
Das ist Grund zur Freude, Kap 40 9-11:
9 Zion, du Freudenbotin, steig auf einen hohen Berg; Jerusalem, du Freudenbotin, erhebe deine Stimme mit Macht; erhebe sie und fürchte dich nicht! Sage den Städten Judas: Siehe, da ist euer Gott;
10 siehe, da ist Gott der HERR! Er kommt gewaltig, und sein Arm wird herrschen. Siehe, was er gewann, ist bei ihm, und was er sich erwarb, geht vor ihm her.
11 Er wird seine Herde weiden wie ein Hirte. Er wird die Lämmer in seinen Arm sammeln und im Bausch seines Gewandes tragen und die Mutterschafe führen.
Die Freudenbotschaft der Späherin Zion. Sie ist vorausgeeilt und waltet ihres Wächteramts, den zurückgebliebenen Bewohnern Judas den Advent Gottes zu melden.
Gott hat sein Hirtenamt -erinnert Euch an Psalm 23! nie vernachlässigt. Verborgen ging er in der Welt mit seinem Volk.
Er lässt sich seine Menschen niemals rauben, auch wenn Maßstäbe und Erwartungen dieser Welt das glauben machen wollen.
Mit höchster Sorgfalt geht Gott jedem Einzelnen in der Schar der Heimkehrer ein. Viele sind stark und brauchen nur die Richtung, andere dagegen müssen getragen werden, und die Schwächsten brauchen warme Geborgenheit im „Bausch seines Gewandes“, wie Luther übersetzt.
Meine Schwestern, meine Brüder:
„Schwerer als Israel aus dem Exil zu holen, ist es,
das Exil aus Israel zu holen.“
Die Worte, die der andere Jesaja hier gefunden hat, MÜSSEN wohl Gottesworte sein. Sie haben schließlich das äußere UND innere Exil beendet.
Denn wir wissen, dass die Israeliten nach Israel – Jerusalem zurückkehrten und dort von in neues Leben anfingen. Und wir wissen, dass diese Worte für die Israeliten so wichtig geworden sind, dass sie in die Heiligen Schriften Aufnahme fanden, so dass wir sie heute noch hören können.
Diese Worte haben auch darüberhinaus große Wirkung behalten. Wir wissen zum Beispiel auch, dass sich die Qumran-Brüder aufgrund dieser Verse von Gott berufen fühlten, in die Wüste am Toten Meer hinaus zu ziehen, um dort in einer besonderen Gemeinschaft das Gottes Heil und Tost zu finden.
Und heute? Sind die Menschen denn heute ganz „bei Trost“?
Werden auch Menschen heute Gott so hören und erleben, dass sie mit ihm neu leben und sein letztes Kommen herbeisehnen? Ihr Exil verlassen? Das Exil ihrer Herzen beendet wird?
Wer selbst unter uns Christen ist denn schon „ganz bei Trost“? Erlebnishunger macht viele unruhig.
Viele leiden unter dem Druck, Anerkennung von Menschen zu brauchen und ihre Sitten befolgen zu müssen.
Viele sind mit dem Leben auf dieser Welt unzufrieden und verzetteln sich in Fragen nach dem Warum und dem Woher.
Advent Gottes – viele würden es bitter nötig haben, Richtung zu kennen, getragen zu werden, im Bausch seines Gewandes Wärme und Geborgenheit zu erleben. Trost ist so nötig wie eh und je, weil so viele nicht bei Trost sind. Sie sind nicht nur im Exil, sondern das Exil ist in ihren Herzen.
Im Konflikt zwischen Menschenwahn und Menschenleid greift Waldemar Rode 1937 Jes 40 in seinem Trostlied EG 15 auf. Eindringlich fasst er die vier Jesajaworte in vier Liedstrophen.
Rode hat erlebt, dass der Gottessohn Christus die alten Worte des Propheten ihm zu Herzen brachte. Dass die Mächte und Herrscher dieser Welt, egal ob sie Hitler, Putin oder „das macht man aber so“ heißen, vor der Herrlichkeit Gottes blass und bedeutungslos werden MÜSSEN.
Ganz bei Trost werden wir sein,
wenn der Advent Gottes sich die Bahn in unser Leben frei macht:
Die Liebe Gottes, die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes
führen uns nicht nur aus dem Exil,
sie nehmen es auch aus unseren Herzen. AMEN
LIED Tröstet, tröstet 15 1-4
1. »Tröstet, tröstet«, spricht der Herr,
»mein Volk, dass es nicht zage mehr.«
Der Sünde Last, des Todes Fron
nimmt von euch Christus, Gottes Sohn.
2. Freundlich, freundlich rede du
und sprich dem müden Volke zu:
»Die Qual ist um, der Knecht ist frei,
all Missetat vergeben sei.«
3. Ebnet, ebnet Gott die Bahn,
bei Tal und Hügel fanget an.
Die Stimme ruft: »Tut Buße gleich,
denn nah ist euch das Himmelreich.«
4. Sehet, sehet, alle Welt
die Herrlichkeit des Herrn erhellt.
Die Zeit ist hier, es schlägt die Stund,
geredet hat es Gottes Mund.