Sehnsucht nach Leben

Sehnsucht
nach Leben in freundlicher Gemeinschaft
ohne Sorge um das Wie
nicht auf der Durchreise
nicht nur geduldet
mit erfüllten Tagen
voller Freude
mit geteiltem Leid
Hunger des Körpers und der Seele
gestillt
eine Gemeinschaft der Heiligen
hier gilt es
So seid ihr nun nicht mehr Gäste und Fremdlinge,
sondern
Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen.
Epheser 2,19

***

Zeit.
Sich Zeit nehmen. Für sich selbst. Sich Ruhe suchen und sie finden. In der Ruhe seine Gedanken ordnen. Ihnen nachhängen, ihnen hinterher denken. Johannes hat diese Zeit gefunden und konserviert. Nach-Denkens-Wertvolles für sich und seine Mitdenkenden aufbewahrt.

Lasst uns heute, am Tag der Sonntags-Ruhe, etwas aus seinem Schatz heben. Etwas Nach-Denkens-Wertvolles für uns selbst daraus werden lassen.

Der Spezialist des Neuen Testamentes in Sachen Meditation denkt nach über das Brot, das Leben und die Rolle Gottes. Ein Teil dieser sogenannten „Brotrede“ ist heute unser Predigttext.

Nur fünf Brote und zwei Fische hatte Jesus zuvor unter tausende Menschen austeilen lassen. Dennoch wurden alle satt; es blieben sogar zwölf Körbe voller Reste übrig. Als die Menschen ihm am nächsten Morgen nachlaufen, sagt er zu ihnen: „Ich will euch sagen, warum ihr mich sucht: Ihr sucht mich nur, weil ihr von den Broten gegessen habt und satt geworden seid. Aber was Gott euch durch die Wunder sagen will, wollt ihr nicht verstehen.“ (Joh 6, 26).

Darauf sagen sie kurz später zu ihm, und damit sind wir im Predigttext:
30 …: »Wenn wir dir glauben sollen, ´dass du von Gott gesandt bist,` dann lass uns ein Wunder sehen, das es uns beweist. Wo bleibt dieser Beweis?
31 Damals in der Wüste haben unsere Vorfahren Manna gegessen, wie es ja auch in der Schrift heißt: ›Brot vom Himmel gab er ihnen zu essen.‹«
32 Jesus erwiderte: »Ich sage euch: Das Brot vom Himmel hat euch nicht Mose gegeben; es ist mein Vater, der euch das wahre Brot vom Himmel gibt.
33 Denn das Brot, das Gott gibt, ist der, der vom Himmel herabkommt und der Welt das Leben schenkt.«
34 »Herr«, sagten sie da zu ihm, »gib uns immer von diesem Brot!«
35 Jesus antwortete: »Ich bin das Brot des Lebens. Wer zu mir kommt, wird nie mehr hungrig sein, und wer an mich glaubt, wird nie mehr Durst haben.

BROT

Die Zeiten des Brotes als Grundnahrungsmittel sind in Deutschland heute fast vorbei. Der Pro- Kopf- Verbrauch ist in den letzten hundert Jahren um gut die Hälfte zurückgegangen. Lag er im 19. Jahrhundert noch bei knapp 500 Gramm je Kopf und Tag, essen wir heute ungefähr 220 Gramm Brot täglich, was einem Brötchen und vier Scheiben Brot entspricht.

Damit liegen die Deutschen im europäischen Vergleich aber immer noch ganz vorn, haben aber auch die größte Auswahl: 300 Brotsorten und 1200 Arten von Kleingebäck zählte die Bäckerinnung vor ein paar Jahren.

Dennoch haben andere Nahrungs- und Genussmittel das preiswerte und nahrhafte Brot verdrängt. Wurden früher ganze Mahlzeiten mit Brot bestritten – daher kommen in unserer Sprache auch Begriffe wie „Abendbrot“ – wird Brot heute zumindest bestrichen oder durch Müsli oder anderes ersetzt.

Welches Bild habt ihr vor Augen, wenn es um „Brot“ geht? Sind es die vollen Regale in den Supermärkten oder die hungernden Gesichter aus Afrika? Ist es ein voller Brotteller auf dem Abendbrottisch oder sind es Menschen der Nachkriegszeit mit einem Stück Kastenbrot in der Hand?

Ist es das ohne Achtung weggeworfene Pausenbrot auf dem Schulhof oder der verführerische frische Brotlaib aus der Dorfbäckerei, dessen Duft für den Rest der Heimfahrt im Auto schwebt? Oder sind es die Plakate von „Brot für die Welt“, die Brot für alle Menschen dieser Welt fordern?

Auch wenn Brot als Grundnahrungsmittel heute eine geringere Rolle spielt, bleibt uns seine Symbolkraft in Gesellschaft und Sprache erhalten. Der Skandal, dass in den reichen Ländern dieser Erde Nahrungsmittel weggeworfen werden und in den armen Ländern Millionen hungern, ist jedem von uns bewusst. „Brot für die Welt“ heißt unsere weltweit wirkende Hilfsorganisation ja nicht umsonst: Brot für die Welt bedeutet Grundnahrung für alle.

UNSER TÄGLICHES BROT GIB UNS HEUTE.

Diese Bitte des Unservater aber meint mehr. Martin Luthers Erklärung dazu haben viele noch im Konfirmandenunterricht gelernt:

„Alles, was Not tut für Leib und Leben, wie Essen, Trinken, Kleider, Schuh, Haus, Hof, Acker, Vieh, Geld, Gut, fromme Eheleute, fromme Kinder, fromme Gehilfen, gute Regierung, gut Wetter, Friede, Gesundheit, Achtung, Ehre, gute Freunde, getreue Nachbarn und desgleichen“.

Der Heidelberger Katechismus beschreibt (HK 125) nur knapp: „Versorge uns mit allem,
was für Leib und Leben nötig ist“, meint aber dasselbe. Tägliches Brot ist nicht nur die Nahrung des Leibes, sondern auch der Seele und der Gemeinschaft.

BROT VOM HIMMEL

Den Menschen, die mit Jesus reden, ist ebenfalls klar: Brot ist nicht nur Grundnahrungsmittel. Es ist mehr. Dazu fällt ihnen die Geschichte vom Zug durch die Wüste ein. Das Manna, das morgens in der Wüste zu finden war, die Wachteln, die später vom Himmel fielen, all das sicherte ja nicht einfach nur das Überleben.

Es war gleichbedeutend mit der Befreiung des Volkes Israel aus der Sklaverei in Ägypten und mit dem Erreichen des gelobten Landes, in dem Milch und Honig fließen.

Es ist also nicht verwunderlich, dass die Menschen, die durch die „Speisung der Fünftausend“ gerade noch satt geworden waren, mehr fordern. Wie können wir sehen, dass du mehr kannst, Jesus? Dass du gar von Gott gesandt bist?

WO BLEIBT DIESER BEWEIS?

Das aber ist die Frage derer, die -bis heute!- glauben, dass SICHERHEIT für das eigene Leben hergestellt werden kann. Oder dass es zumindest das Ziel sein muss, diese herzustellen. Dass man vorbereitet sein kann auf das, was das Leben für einen bereit hält.

Wenn mein Haus sicher ist, die Versicherungen sicher sind, die Arbeit sicher ist, das Einkommen sicher ist, das Denken sicher ist, dann ist das Leben sicher. Ein Leben, in dem man sich sicher fühlen kann. Ein Leben, in dem man sich mit Sicherheit eingestellt hat auf das, was kommen kann.

Aber bevor man sicher leben kann, müssen Beweise her. Müssen Beweise absichern, dass alles stimmt. Liegen Beweise vor, sind Konsequenzen sicher. Dann weiß man sicher, was man zu tun und zu lassen hat, um sicher zu sein.

Wo bleibt dieser Beweis? Auch heute muss doch da mehr sein als die zwölf Körbe, die übrig blieben. Was bringst Du den Menschen wirklich, Jesus? Wer bist du für die Menschen wirklich, Jesus?

BROT DES LEBENS

Das Leben ist nicht irdische Nahrung allein. Indem Jesus das Bild vom Manna in der Wüste aufnimmt, richten sich die Blicke über das Brot als bloße Nahrung hinaus. Die Befreiung aus der Unterdrückung, das Geschenk der Freiheit und des gelobten Landes waren die Erfahrung der Begleitung Gottes für das Volk. Die Erfahrung des Volkes: Gott schenkte ihnen LEBEN, einen neuen Anfang.

Das war ebenso wenig persönliche Leistung des Mose wie das Empfangen der Tafeln mit den Geboten Gottes. Sie sind Gottes Angebot für das Volk, seinem Leben Ordnung und Struktur zu geben. Ordnung und Struktur sind unerlässlich, wenn aus Menschen eine Gemeinschaft werden soll. Auch sie gehören zum Brot des Lebens.

Satt wurden die Menschen auch an den Fleischtöpfen Ägyptens. LEBEN aber ist mehr. Freiheit, Fürsorge, Liebe, Achtung. „Fromme Eheleute, fromme Kinder, fromme Gehilfen, gute Regierung, gut Wetter, Friede, Gesundheit, Achtung, Ehre, gute Freunde, getreue Nachbarn und desgleichen“, um bei den Worten Luthers zu bleiben.

Aber gibt es für all das, was das Leben vom bloßen Überleben abhebt, Beweise?

Beweise gibt es vor Gericht, Beweise in der Naturwissenschaft, Nachweise in Schulen oder Ämtern.

Aber Beweise für Zuwendung, Treue, Geduld, Liebe, Fürsorge, Beweise für Gott: Wie sollen die aussehen? Wie mathematische Beweise, die nur so lange funktionieren können, wie man sich dem System der Mathematik verpflichtet weiß?

Dabei muss ich schon akzeptieren, dass Eins Eins ist und nicht Zwei, dass 17 durch 2 nicht 8 ist. Tue ich das nicht, hilft mir kein mathematischer Beweis, und sei er noch so genial.

Welche Grundlagen aber muss man akzeptieren, wenn es um einen Gottesbeweis geht? Und selbst wenn ich die kenne und akzeptiere: Würden die helfen, nicht nur zu ÜBERleben, sondern meinen LEBENsdurst zu stillen?

 

Was ich als „Wahres Leben“ begreife und erstrebe, ist Ausdruck meines Glaubens, meiner grundsätzlichen Einstellung zum Leben.
Glaube ist kein einfaches Begreifen und hat mit dem Wunsch nach „objektiver“ Beweisführung nichts zu tun.

Entweder ich glaube an die Freiheit als Lebensziel oder ich glaube nicht an sie. Einen Beweis, dass die Freiheit als Lebensziel taugt, wird es nie geben. Darum wird es auch keinen hilfreichen Beweis geben, dass Jesus selbst das Brot des Lebens ist.

Wer bei Jesus das Leben sucht, dem wird wahres Himmelsbrot angeboten. Das ist eine Nahrung, die unvergänglich ist. Aber diese Nahrung ist Jesus selbst. ER ist das Brot des Lebens.

Das aber ist ein Satz des Glaubens und nichts zum Essen. Wer versucht, damit etwas Sichtbares zu verbinden, das er sich greifen und in den Mund stecken kann, der geht an Jesus vorbei. Wer mit wahrem Leben bloßes Sattsein verbindet, verfehlt das Leben.

GIB UNS IMMER VON DIESEM BROT!

Wie kann der Mensch seinen Lebenshunger stillen? Was kann der Mensch tun, wie kann er sich verwirklichen, so dass er glücklich wird, sich selbst nicht verliert, sinnvoll lebt? Diese Lebenshunger- Fragen werden die Menschen begleiten, so lange sie auf dieser Welt sind.

Und sie werden immer neu lernen müssen: Die Bemühungen, das Leben „zu sichern“, führen in Zwänge der Unfreiheit und Schuld.
Viele, die „etwas vom Leben haben“ wollen, verstehen darunter nichts anderes als Konsum. Aber gerade der Konsum hat es an sich, nicht zufrieden und satt zu machen, sondern immer nur neue Wünsche hervorzubringen. Gier wird geboren. Du sollst nicht begehren….

Trotz aller Angebote und Glücksversprechen gilt für Christen: Leben ist nicht käuflich, Sinnerfüllung nicht machbar. Für uns gilt: Der Mensch lebt letztlich nicht von dem, was er schafft. Arbeit und Kultur, ehrliches Bemühen, selbst alle religiöse Kraft- Anstrengungen helfen nicht: Brot des Lebens ist Geschenk Gottes.

DICH SCHICKT DER HIMMEL!

Wer hat ihn nicht schon einmal gesprochen, diesen Stoßseufzer der Erleichterung? Wenn plötzlich einer da ist in höchster Not. Ein besonderer Mensch, wenn man ihn am dringendsten braucht. Der genau das bringt, was man gerade nötig hat. Dich schickt der Himmel!

Genau so tritt Gott in unser Leben. Gott ist keine Theorie, keine Philosophie, keine Lehre. Gott BEGEGNET uns, ändert den Moment, klärt die Lage, lässt uns die Welt neu anschauen. Gott begegnet uns Menschen und verschenkt sich in Christus, um allen Hunger nach Leben zu stillen. Für immer.

Gott begegnet uns Menschen in seiner Gemeinde. Hier ist alles zu finden, was den Hunger nach Leben stillt. Das Wort Christi, was uns aufbaut, wenn wir leer sind. Seine Gemeinschaft, die uns stärt, wenn wir schwach sind. Seine Gnade, die uns die Lasten abnimmt, unter denen wir so schwer tragen.

IHN schickt der Himmel. Er ist Brot des Lebens, so viel und wann immer es nötig ist.

Dich schickt der Himmel!
Die Liebe Gottes, die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes.
Sie sind es, die uns von Gästen und Fremdlingen zu Mitbürgern der Heiligen und Gottes Hausgenossen machen. Hier ist das Brot des Lebens.
AMEN

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