Rühmen erwünscht !? (Jer 9, 22+23)

Freiheit von der Zwängen der Welt
Gefangen sein in der Liebe
Wer Jesus glaubt, ist abhängig
nicht von eigener Lebensleistung
sondern vom dreieinen Gott
der die Barmherzigkeit in Person ist
Wer sich gefangen nehmen lässt
von ihm
wird frei
schon jetzt
und auf ewig

Wir liegen vor dir mit unserm Gebet
und vertrauen nicht auf unsre Gerechtigkeit,
sondern auf deine große Barmherzigkeit.
Daniel 9,18
***

Wie eine Allerweltsweisheit kommt er daher, der Predigttext aus dem Jeremiabuch. Da steht in Kapitel 9 in den Versen 22 und 23:

22 So spricht der HERR: Ein Weiser rühme sich nicht seiner Weisheit, ein Starker rühme sich nicht seiner Stärke, ein Reicher rühme sich nicht seines Reichtums.
23 Sondern wer sich rühmen will, der rühme sich dessen, dass er klug sei und mich kenne, dass ich der HERR bin, der Barmherzigkeit, Recht und Gerechtigkeit übt auf Erden.
Denn solches gefällt mir, spricht der HERR.

Eigenlob stinkt. Der Volksmund scheint die doch relativ vielen Worte der beiden Prophetenverse auf zwei Worte einzudampfen: Eigenlob stinkt. Erinnert Ihr euch noch an die ziemlich peinliche Fernsehwerbung einer Bank? Da treffen sich zwei Männer seit langer Zeit in einer Kneipe wieder, ziehen ihre Brieftaschen und prahlen mit ihren Fotos:

Mein Haus, mein Auto, mein Boot. Und natürlich hat der mit dem Konto bei der richtigen Bank das größere Haus, das größere Auto, das größere Boot. Das stinkt schon ziemlich heftig. Das ist nicht das Niveau, auf das man sich herablassen sollte. Wir hier in der Gemeinde schon gar nicht. Eigenlob stinkt: Wir wollen nicht stinken.

Aber dumm sind wir darum schon lange nicht. Wir wissen, wie man die Hausbank wechselt, wenn sich eine bessere finden lässt. Wenn wir Geld verschenken, dann doch dahin, wohin WIR wollen, und das ist ganz sicher nicht unsere Bank. Und wenn man dann ein Schnäppchen eingefahren hat bei Kontoführungsgebühren oder einem ordentlichen Bonus für die Neueinrichtung eines Kontos, fühlt man sich nicht unbedingt schlecht. Und ein bisschen stolz ist man vielleicht auch.

Und psychologisch sind wir ja wirklich weiter als Jeremia vor gut zweieinhalb tausend Jahren. Selbstwertgefühl heißt das Stichwort hier. Stolz sein bedeutet nämlich auch, Selbstsicherheit zu haben. Also sich seiner und dessen, was man leistet, in wenigstens ausreichendem Maße sicher zu sein.

Wenn ich Woche für Woche ungefähr zwei Arbeitstage am Schreibtisch verbringe, um Gottesdienst und Predigt vorzubereiten, brauche ich dabei das Gefühl, dass irgendwer diese Arbeit schätzt. Und bei Irgendwer meine ich NICHT zuerst Gott. Denn Gottesdienste und Predigt sind ja für die Gemeinde, also für die Menschen, die zum sich zum Gottesdienst treffen.

Und wenn da nicht immer wieder irgend einer deutlich sagen würde, dass ihm Gottesdienst und Predigt wichtig gewesen sind, oder wenn es immer wieder nur ein und derselbe sagen würde: Dann würde mir bald die Puste ausgehen. Nicht, weil mir niemand auf die Schulter klopft. Sondern weil ich meinen Auftrag dann nicht erfülle. Wenn ich niemanden erreichen würde, müsste ich da nicht den Mund halten?

Ich muss mir also sicher sein, dass ich meine Arbeit wenigstens halbwegs ordentlich erledige, sonst würde sie zu einer Last, und diese Last kann krank machen. Und das wird jedem von euch genau so gehen. Egal, ob in der Ausbildung, im Beruf oder zuhause. Der alt-Berliner Leitsatz „Nich jeschimmpt iss jenuch jeloobt“ ist für der Wahrung des für die eigene Gesundheit nötigen Selbstwertgefühles ein wirklich schlechter Ratgeber. Menschen haben ein gutes Selbstwertgefühl nötig. Alle.

Ein Weiser rühme sich nicht seiner Weisheit, ein Starker rühme sich nicht seiner Stärke, ein Reicher rühme sich nicht seines Reichtums…

Doch wir brauchen weise Menschen. Menschen, die Lebensweisheit haben und weitergeben, sowie die weise Gelassenheit des Alters. „Man muss nicht alles sagen, was man weiß, aber alles wissen was man sagt“, ist deutlicher hilfreicher für das Leben als der Grundsatz, jedem immer die „Wahrheit“ sagen zu wollen, was immer Wahrheit auch ist. Wir brauchen Menschen mit weitem Blick und klarem Verstand.

Wir brauchen auch starke Menschen. Menschen, die Kindern und Jugendlichen Halt und Orientierung bieten können, so dass sie ihre Wahrheit entdecken und lernen, auch für sie einzutreten, wenn es darauf ankommt. Die einstehen für die, die zu schwach sind, die keine Stimme haben. Die helfen können, wo Hilfe nötig ist. Wir brauchen starke Menschen.

Und wir brauchen reiche Menschen. Menschen, die ihren materiellen Reichtum einbringen, um Dinge zu verändern. Die frei sind von der Sorge um das tägliche Brot und damit frei fragen können nach dem Brot für die Welt. Wir brauchen reiche Menschen.

Und doch gilt: Eigenlob stinkt. Macht durch seinen Geruch deutlich, dass es schlecht ist für uns. Denn Eigenlob übersieht die Wirklichkeit und ist gegen Andere gerichtet.

Es übersieht, dass das, mit dem ich erfolgreich bin, im Wesentlichen nicht meine Leistung, sondern Geschenk ist. Ich kann nur predigen, wenn es mir gegeben, also eine Gabe ist. Eine andere kann nur eine gute Lehrerin sein, wenn es ihr gegeben ist, nicht nur Wissen zu vermitteln, sondern auch auf Disziplinschwierigkeiten professionell zu reagieren. Eigenlob übersieht die Wirklichkeit: Was ich kann, ist Gabe.

Und Eigenlob ist gegen andere gerichtet. Eine Siegerpose gegenüber den Unterlegenen. Sieh her, ich bin etwas. Ich bin groß, du bist schon klein und ich mache dich noch kleiner, noch unbedeutender.

Eigenlob: Sich selbst zu rühmen, über die notwendige Wahrung der Selbstsicherheit hinaus, ist gegen andere gerichtet. Und übersieht die Wirklichkeit.

Was aber ist die Wirklichkeit? Was ist die Wahrheit unseres Glaubens?

Zuerst: Die Verse Jeremias sind eben nicht einzudampfen auf die zwei Wörter „Eigenlob stinkt“. Denn da steht noch mehr: wer sich rühmen will, der rühme sich dessen, dass er klug sei und mich kenne, dass ich der HERR bin, der Barmherzigkeit, Recht und Gerechtigkeit übt auf Erden; denn solches gefällt mir, spricht der HERR.

Da ist zuerst die Feststellung: Rühmen ist nicht per se einfach schlecht und abgesagt. Nicht nur in homöopathischen Dosen für das eigene Selbstwertgefühl gut, sondern auch gut darüber hinaus.

Wenn ich mich rühme, soll ich mich Gottes rühmen. Soll sagen: Ich bin klug, weil ich Gott kenne. Nicht irgendeinen Gott, sondern den Gott der Bibel. Er hat ein Herz für die Barmenden, ist barmherzig. Er schafft, was sonst keiner schafft, Gerechtigkeit. Solches Eigenlob stinkt nicht: Ich bin klug, ich kenne Gott. Das ist ein Eigenlob, das der HÖREN will, für den wir leben. Das ist mir kürzlich bei einem Gespräch klar geworden.

Bei einem Besuch hat mir kürzlich eine Frau von ihrer neuen Freundin erzählt, die sie auf einer Kur kennengelernt hat. Da hatten sie oft Zeit und kamen tiefer ins Gespräch. So blieb es der anderen nicht verborgen, dass sie der Kirche nicht nur angehört, sondern sich in ihrer Gemeinde sehr engagiert.

„Was hast du eigentlich von der Kirche?“ fragte die neue Freundin. Und da hat sie erzählt, wie viel Freude es ihr macht und wie viel Erfüllung sie erfährt, wenn sie sich in die Gemeindearbeit einbringt.

Aber jetzt, wieder zuhause, kommt sie ins Grübeln. Ist es wirklich das, was sie in der Gemeinde und auch sonst im Leben hält, wovon sie da erzählt hat? Natürlich ist das alles wichtig, und sie hat sich geradezu in Begeisterung geredet, als sie von all dem erzählte, an dem sie beteiligt ist.

Aber wo ist der Unterschied zum Engagement beispielsweise in einer Wandergruppe? Gibt es nicht unzählige Menschen, die an gemeinsamen Unternehmungen Freude haben, Erfüllung finden? Wo ist der Unterschied zwischen kirchlicher und nichtkirchlicher Aktivität?

Beim Nachdenken wurde dieser Frau deutlich, dass das, was sie in der Gemeinde hält, nicht nur die Gemeinschaft dieser Gruppe ist, sondern dass etwas hinter der Gemeinschaft steht. Das ist etwas, was zu dieser Gruppe dazugehört, aber doch nicht in ihr aufgeht.

Das, was die Menschen dort zusammenhält, ist Gott. Keine bloße Idee, sondern der Gott der Bibel. Den sie nicht fassen kann, den sie auch nicht erklären kann, den sie aber an ihrer Seite weiß und dem sie deshalb glaubt. Ja, das macht sie immer neu froh.

Macht es sie vielleicht sogar stolz? Ja, das tut es. Weil Gott ihr gut tut. Und nun wolle sie gemeinsam mit mir überlegen, wie sie ihrer neuen Freundin ihr Verhältnis zu Gott beschreiben könnte. Und wir wurden uns einig: Dazu muss sie von SICH erzählen, sagen, wie es IHR ergangen ist, WAS sie begeistert. Dass sie froh – und stolz! – ist, Gott zu kennen.

Von Geborgenheit möchte sie sprechen. Dass sie erfahren hat, dass Gott bei ihr, für sie da ist. Und dabei geht ihr auf, dass sie ja gar nicht von IHREM Verhältnis zu Gott spricht, sondern dass es umgekehrt ist. Es geht um Gottes Verhältnis zu ihr. Gott hat ein Verhältnis mit ihr angefangen, damals in der Taufe, vielleicht sogar noch früher, schon als sie noch gar nicht geboren war, weil er schon ihre Eltern gehalten hat. Das ist es, was sie hält: SIE wird gehalten. Gott hält sie. Gott hält ihr seine Treue.

Ein Bonhoeffer-Wort fällt ihr dann ein, das sie einmal in einer Predigt gehört hat: „Gott erfüllt nicht alle unsere Wünsche, aber alle seine Verheißungen.“ Es ist ja nicht so, dass es ihr immer gut ginge. Sie hat auch nicht immer Glück gehabt im Leben. Und zur Kur war sie schließlich auch nicht zum Spaß.

Aber von Gott verlassen hat sie sich nie gefühlt. Gott ist ihr treu geblieben. Gott hat einen BUND mit ihr, so wie er einen Bund mit Israel hat und ihn hält, über tausende Jahre.

Großzügig ist er, hat ein weites Herz für ihre Unzulänglichkeiten, auch für die der anderen in der Gemeinde. Sieht die materiell Armen und die geistlich Armen und lässt sie nicht im Stich. Ja, da ist sie für sich beim Punkt, so schließt sich für sie der Kreis ihres Nachdenkens: Sie fühlt sich geborgen, weil Gott barmherzig ist, weil er treu ist und den Bund, den er stiftet, auch hält.

„Und wieso rackerst du dich da so ab, wo Gott doch von sich aus alles tut?“ hört sie schon den Einwand ihrer Freundin morgen beim Kaffee. Oder ist es ihr eigenes Herz, das da fragt? Von Jesus her ist ihr der Begriff der Nachfolge geläufig. Anders gesagt: Gott möchte, dass wir tun, was er tut. Tut man nicht gern, was der andere möchte, wenn man liebt?

Man möchte nicht nur gern in Geborgenheit leben, sondern auch Geborgenheit geben. Sie möchte auch von anderen als gerecht werden und für Recht und Gerechtigkeit sorgen. Dafür will sie sich einsetzen, denn so vieles, was dem Buchstaben nach Recht ist, erscheint ihr nicht gerecht. Dass sie Gott kennt, gibt ihr Selbstsicherheit: Sie weiß, dass er ihr Leben hält und darum auch, wofür sie lebt. Das ist viel: Davon wird sie ihrer neuen Freundin erzählen, damit sie besser verstehen kann.

Meine Schwestern, meine Brüder:

Um genau diese Form des Rühmens kommen wir nicht herum. Das steht zwar nicht im Text, aber das ist meine Erfahrung. „Darum gehet hin und macht zu Jüngern alle Völker“ – wenn wir diesen Auftrag erfüllen wollen, reicht es nicht, die Hände zu heben, Halleluja zu singen und Gott zur preisen. Niemandem, der Gott nicht selbst kennt oder dem er fern ist, wird das Gott näher bringen.

„Mission“ bedeutet wirklich: Sich zu rühmen, dass man Gott kennt. Gott zu rühmen, indem man über das redet, was MAN SELBST mit Gott erfahren hat.

Wer das NEBENBEI mithört, könnte meinen, dass da Eigenlob zu hören sei. Was man doch für ein Held ist, von Gott erhört und für wert gehalten zu sein, Teil seiner Gemeinde zu werden.

Wer aber wirklich zu-hört, wird verstehen: Niemand ist weise, niemand ist stark, niemand ist reich, wenn Gott es ihm nicht schenkt. Und niemand ist zu dumm, zu schwach oder zu arm, dass Gott ihm nicht zur Seite stehen wird. Denn er hat ein Herz für die Barmenden, und in ihm ist Gerechtigkeit selbst auf dieser Welt: Nämlich Liebe für die, die auf diese Liebe am dringendsten angewiesen sind.

Und wer solches Rühmen hört, wird erahnen, dass unser Glaube für uns das stärkste ist, was wir in unserem Leben geschenkt bekommen. Dass wir nicht uns, sondern Gott rühmen, der es uns gut gehen lässt, weil wir zur Gemeinde derer gehören dürfen, die glauben.

Weil ohne diesen Glauben die Geister dieser Welt uns beherrschen würden, die schließlich nur Last und keine Lust bedeuten.

Darum dichtet Johann Heinrich Schröder (EG 386):
1. »Eins ist not!« Ach Herr, dies EINE
lehre mich erkennen doch;
alles andre, wies auch scheine,
ist ja nur ein schweres Joch,
darunter das Herze sich naget und plaget
und dennoch kein wahres Vergnügen erjaget…

Nur wer solchen Ruhm von uns zu hören bekommt, wird vielleicht einmal selbst Teil der Gemeinde werden wollen.
Teil einer Gottesgemeinde, in der Wirklichkeit werden kann, was der letzte Teil der Strophe besingt:

Erlang ich das Eine, das alles ersetzt,
so werd ich mit Einem in allem ergötzt.

Dieses Eine ist die Liebe Gottes,
die Gnade unseres Herrn Jesus Christus
und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes.
Wer sie kennt, hat allen Grund, sich dessen zu rühmen.
AMEN

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