Den kompletten Gottesdienst können Sie hier für vierzehn Tage nachhören.
In der Nacht, da er verraten ward
setzte sich Jesus an einen Tisch
mit dem Verräter
mit dem Verleugner
mit den Ängstlichen
alle würden ihn verlassen
In der Nacht, da er verraten ward
feiern sie das Passamahl
Hier werden Brot und Wein
durch ihn zu Heil und Leben
für die am Tisch
die ihn so nötig hatten
und ihn doch verließen
Am dritten Tage aber
am Ostertag
gibt sich der
Auferstandene
wird wieder Brot und Wein
verwandelt für uns das Leben
weil wir es so nötig haben
auf IHN alle Hoffnung zu setzen,
und ER spricht:
Ich war tot,
und siehe, ich bin lebendig von Ewigkeit zu Ewigkeit
und habe die Schlüssel
des Todes und der Hölle.
Offenbarung 1,18
***
Machen wir uns auf den Osterspaziergang.
Ihr müsst dabei aber sitzenbleiben.
Ich weiß, einige erleichtert das, der Weg hierher in die Kirche war heute schon anstrengend genug.
Andere würden lieber gleich loslaufen. Da kann ich mir Gründe vorstellen, die mir gefallen. Andere aber auch. Also behaltet eure Gründe jetzt lieber für euch.
Ich kann es eben nicht allen recht machen.
So wird es eben „nur“ oder „zum Glück“ ein gesprochener Spaziergang.
Auf dem Weg nach Emmaus, Lukas 24 (Zürcher Bibel).
13 Und da waren am selben Tag zwei von ihnen unterwegs zu einem Dorf namens Emmaus, das sechzig Stadien von Jerusalem entfernt ist.
„Am selben Tag“, genauer am Nachmittag des Ostertages.
Zwei „von ihnen“ machen sich auf einen Weg. Sie sind unterwegs in ein Dorf namens Emmaus, schreibt Lukas.
Kein Mensch heute weiß wirklich oder genau, wo dieses Emmaus gelegen hat. Ich will euch auf unserem Spaziergang aber nicht mit den Diskussionsforen von Historikern zu dieser Frage langweilen. Denn das ist schließlich gar nicht wichtig.
Ich glaube nämlich, dass Lukas das selbst nicht so genau wusste. Wahrscheinlich hat er diese Geschichte vom Osterspaziergang der beiden erzählt bekommen und war von ihr so begeistert, dass er sie in den Schluss seines Evangeliums aufnahm. Und das kann ich gut verstehen. Auch mich begeistert sie, und glaubt mir: Ich habe sie schon oft gelesen.
Also bleiben wir einfach bei dem, was bei Lukas steht: Sechzig Stadien entfernt von Jerusalem soll es gelegen haben, dieses Emmaus. Ich habe nachgeschlagen: Das sind etwas mehr als 11 Kilometer, eine gute Länge für unseren Spaziergang. Meine Schritte sind ungefähr 75 cm lang. Das wären ungefähr fünfzehntausend Schritte. Ein längerer Spaziergang mit Zeit zum Reden und zum Sehen.
Warum gehen die beiden weg aus Jerusalem? Jesus war gekreuzigt und begraben worden. Mit ihm war auch ihre große Hoffnung auf ihn begraben. Wahrscheinlich wollen sie wieder zurück in ihr altes Leben.
Zurück an die Fischernetze oder Zollstationen, ins Homeoffice am Küchentisch oder in die Fahrerkabine des Linienbusses oder schnell den Laden aufschließen und immer freundlich sein. Alltag eben. Sich wieder an seinen Routinen festhalten. Da weiß man wenigstens, was zu tun ist. Ihre Hoffnung ist ihnen aus dem Blick verschwunden, sie können sie nicht mehr sehen.
Lukas weiter:
14 Und sie redeten miteinander über all das, was vorgefallen war. 15 Und es geschah, während sie miteinander redeten und sich besprachen, dass Jesus selbst sich zu ihnen gesellte und sie begleitete. 16 Doch ihre Augen waren gehalten, so dass sie ihn nicht erkannten.
Fünfzehntausend Schritte: Zeit zum Reden. Zum Reden darüber, was eigentlich passiert war.
Wie hatte so zu Ende gehen können, was doch so hoffnungsvoll begonnen hatte? So hoffnungsvoll, dass sie mit Jesus mitgingen, Arbeit und Haus Arbeit und Haus sein ließen?
Reden kann helfen, zu verstehen. Der andere begreift vielleicht, was ich nicht begreife. Ist er auch am Ende wie ich? Sieht er ein Licht? Was soll, was kann jetzt werden?
Einer geht mit ihnen. Wir wissen: Jesus selbst ist es. Die beiden sehen ihn und sehen ihn doch nicht. Sie kennen ihn, aber ihn kennen sie nicht. „Ihre Augen waren gehalten“ (V 16). Die Beweglichkeit war ihnen genommen. Der Blick starr, voller Schatten. Man sieht nicht, was vor Augen liegt: Wer kennt das nicht.
Doch die Stimme des dritten Mannes dringt in ihr Ohr:
17 …: Was sind das für Worte, die ihr da unterwegs miteinander wechselt? Da blieben sie mit düsterer Miene stehen.
18 Der eine aber, mit Namen Klopas, antwortete ihm: Du bist wohl der Einzige, der sich in Jerusalem aufhält und nicht erfahren hat, was sich in diesen Tagen dort zugetragen hat.
19 Und er sagte zu ihnen: Was denn? Sie sagten zu ihm: Das mit Jesus von Nazaret, der ein Prophet war, mächtig in Tat und Wort vor Gott und dem ganzen Volk,
20 und wie unsere Hohen Priester und führenden Männer ihn ausgeliefert haben, damit er zum Tod verurteilt würde, und wie sie ihn gekreuzigt haben.
21 Wir aber hofften, er sei es, der Israel erlösen werde; doch jetzt ist es schon drei Tage her, seit dies geschehen ist.
22 Doch dann haben uns einige Frauen, die zu uns gehören, in Schrecken versetzt. Sie waren frühmorgens am Grab,
23 und als sie den Leib nicht fanden, kamen sie und sagten, sie hätten gar eine Erscheinung von Engeln gehabt, die gesagt hätten, er lebe.
24 Da gingen einige der Unsrigen zum Grab und fanden es so, wie die Frauen gesagt hatten; ihn aber haben sie nicht gesehen.
Klopas. Einer der beiden, die auf dem Weg von Jerusalem unterwegs sind, wird jetzt mit Namen genannt. Klopas, Cleopas, Kleophas.
Im Neuen Testament taucht dieser sehr seltene Name nur bei Johannes auf (19,25): „Es standen aber bei dem Kreuz Jesu seine Mutter und seiner Mutter Schwester, Maria, die Frau des Klopas, und Maria Magdalena.“
Spätere Zeugen sagen, er sei der zweite Bischof von Jerusalem geworden, gleich nach Jakobus. Und für eine Bauernregel war er auch gut: „Nebelt’s an St. Kleophas, wird der ganze Winter nass.“
Wer war Klopas also? Ein Jünger Jesu offenbar. Denn er sagt, wir haben es eben (V 24) gehört: „Da gingen einige der UNSRIGEN zum Grab…“ Aber in der Namens-Liste des Zwölferkreises taucht er nirgends auf.
Und da der Zweite hier nicht einmal einen Namen abbekommt, ist wohl sicher: Die„Emmausjünger“, wie man sie heute nennt, waren Jünger Jesu, von denen es ja viele gab. Aber in den leitenden Zwölferkreis gehörten sie nicht.
Klopas und der Andere reden und reden. Und als sich einer ihrem Spaziergang anschließt, erzählen sie es dem noch einmal. Entrüstet. Wie, noch keine Zeitung gelesen? Nicht hingesehen, weggehört? So war es! Wie sollen wir jetzt weiterleben? Doch der Dritte hält dagegen:
25 … Wie unverständig seid ihr doch und trägen Herzens! Dass ihr nicht glaubt nach allem, was die Propheten gesagt haben!
26 Musste der Gesalbte nicht solches erleiden und so in seine Herrlichkeit eingehen?
27 Und er fing an bei Mose und allen Propheten und legte ihnen aus, was in allen Schriften über ihn steht.
Nun reden sie zu dritt. Versuchen sich klar zu machen, was warum geschehen ist. Und weil es um ihre Hoffnung, ihren Glauben, ihr Leben geht, also um das, woran sie sich bisher festgehalten haben, ihre Rückbindung, mit anderem Namen um ihre Religion:
Weil es also um ihre Religion geht, nehmen sie die Schrift zu Hilfe. Es geht einmal quer durch die Bibel, von Mose bis zu „allen“ Propheten. Was, bitte, was muss denn noch geschehen, bis ihr versteht, woran ihr glaubt?
28 Und sie näherten sich dem Dorf, wohin sie unterwegs waren, und er tat so, als wolle er weitergehen.
29 Doch sie bedrängten ihn und sagten: Bleibe bei uns, denn es will Abend werden, und der Tag hat sich schon geneigt. Und er ging hinein und blieb bei ihnen.
Nein, du kannst doch jetzt nicht weggehen. Nach vielleicht drei Stunden aufgeregten, spannenden Gesprächs, nach fünfzehntausend gemeinsamen Schritten: Das kann es doch nicht gewesen sein? Wird es nicht schon dunkel?
„Herr, bleibe bei uns, denn es will Abend werden, und der Tag hat sich geneiget“: Grund genug, irgendwann später einmal ein Lied daraus zu machen. Einen Kanon am besten. Die meisten von uns werden ihn kennen.
Er lässt sich nötigen. Er bleibt. Lukas: Genau das hatte er auch vor. Er „tat“ nur „so, als wolle er weitergehen“. Er will bleiben, denn er will ihnen nicht nur die Gedanken sortieren und das Wissen ordnen. Er will sie ERKENNEN lassen:
30 Und es geschah, als er sich mit ihnen zu Tisch gesetzt hatte, dass er das Brot nahm, den Lobpreis sprach, es brach und ihnen gab.
31 Da wurden ihnen die Augen aufgetan, und sie erkannten ihn. Und schon war er nicht mehr zu sehen.
Der Gast wird zum Gastgeber. ER nimmt das Brot, ER bricht es für sie, ER spricht den Lobpreis, ER gibt es ihnen. Wie beim Abendmahl am Gründonnerstag.
Es ist das Wunder, das viele überlesen, die diese Geschichte lesen. Die beiden Jünger, die NICHT zum Zwölferkreis gehören, die darum NICHT bei der Abendmahlsfeier am Gründonnerstag dabei gewesen sind, die sich also NICHT auf ihre Erinnerung berufen können: DIESES Abendmahl wird IHR Abendmahl.
Sie SEHEN plötzlich, wer sie begleitet hat, wer da mit ihnen zu Tisch sitzt. Sie ERKENNEN, dass es wahr ist, was die Engel am leeren Grab den Frauen sagten. Jetzt wissen sie es: Jesus lebt.
32 Und sie sagten zueinander: Brannte nicht unser Herz, als er unterwegs mit uns redete, als er uns die Schriften aufschloss?
Kein Erschrecken darüber, dass Jesus plötzlich nicht mehr da ist. Wie er einfach so verschwinden kann? Nächste Frage: Wie er am Kreuz gestorben und jetzt lebendig bei ihnen am Tisch sitzen konnte?
Diese Fragen der Naturwissenschaft interessieren die beiden nicht. Niemand kann das wissen, wie das ist, gestorben zu sein und wieder zu leben. Wir wissen ja nicht einmal, wie das ist, gestorben zu sein. All das liegt doch hinter den Grenzen dieser Welt.
Sie interessiert nur, dass sie jetzt das eine wirklich wissen: Jesus lebt. Und weil er lebt, wissen sie auch das Wichtigste: Warum sie jetzt weiterleben. Und genau das können sie nicht für sich behalten.
33 Und noch zur selben Stunde standen sie auf und kehrten nach Jerusalem zurück und fanden die elf versammelt und die, welche zu ihnen gehörten;
34 die sagten: Der Herr ist tatsächlich auferweckt worden und dem Simon erschienen.
35 Und auch sie erzählten, was unterwegs geschehen war und wie er von ihnen am Brechen des Brotes erkannt worden war.
Sie gehen zurück. Sofort. Egal, ob es dunkel wird oder schon dunkel ist. Sie treffen die Jünger in Jerusalem, die auch etwas Neues zu berichten haben: Jesus lebt! Simon hat ihn gesehen. Simon Petrus, der gerade noch so getan hatte, als ob er Jesus nie gekannt hätte.
Erst die Engel am leeren Grab, dann der Bericht des Petrus, schließlich ihr Abendmahlserlebnis. Es ist nicht zu verstehen, aber sicher: Jesus lebt. Und sie glauben. Und wissen: DAS ist Ostern. Und: DIESER Oster-Glaube lohnt sich.
Meine Schwestern, meine Brüder:
Solltet ihr euch jemals gefragt haben, warum die Lutheraner an der Lehre der Wandlung von Brot und Wein in Fleisch und Blut Christi festgehalten haben: Die Geschichte von den Emmausjüngern hat es ihnen angetan.
Als reformierte Theologen Luther bedrängten, ihnen endlich zu erklären, wie denn diese Wandlung vonstatten gehen könne, soll er gesagt haben: Wie, das weiß ich nicht. Ich weiß nur: DASS.
In Brot und Wein IST Jesus lebendig. Fragt die Emmausjünger! Und weil er das IST, ist er auch an Fischernetzen oder Zollstationen, im Homeoffice am Küchentisch oder in der Fahrerkabine des Linienbusses oder im Laden: Lebendig.
An all den Orten, von denen wir aufgebrochen sein mögen, um Jesus Christus zu begegnen, und an die wir wieder zurückkehren, um mit unseren Routinen zu leben. Das aber wird ein NEUES Leben sein, ein Leben dem Wissen: Jesus lebt!
WIE das sein kann? Mit Luther geantwortet: Wie, das weiß ich nicht. Ich weiß nur: DASS.
Die Liebe Gottes, die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes werden mit euch sein!
Wie, das weiß ich nicht. Ich weiß nur: DASS.
Wir feiern Ostern.
AMEN