In der Nacht, da er verraten ward
setzte sich Jesus an einen Tisch
mit dem Verräter
mit dem Verleugner
mit den Ängstlichen
alle würden ihn verlassen
In der Nacht, da er verraten ward
feiern sie das Passamahl
Hier wird Brot und Wein
durch ihn zu Leib und Blut
für die am Tisch
die ihn so nötig hatten
Am dritten Tage aber
am Ostertag
gibt sich der
Auferstandene
wird wieder Brot und Wein
für uns ins Leben verwandelt
die wir es so nötig haben
auf IHN alle Hoffnung zu setzen,
und ER spricht:
Ich war tot, und siehe, ich bin lebendig von Ewigkeit zu Ewigkeit und habe die Schlüssel des Todes und der Hölle. Offenbarung 1,18
***
Sicher.
Das Wort „Sicher“ hat folgende Bedeutungen, ich lese mal aus meinem Wörterbuch:
Auf alle Fälle. Gut und gern. In Wirklichkeit. Ohne Frage. Gewiss.
Als Synonyme für „Sicher“ nutzen wir entsprechend:
Allemal. Immer. Durchaus. Gewiss. Natürlich. Selbstverständlich. Zweifellos.
Sicher muss offenbar immer dann gesagt werden, wenn etwas gar nicht sicher ist. Hast Du den Müll runtergebracht? Na sicher doch. Aber die Zweifel bleiben beim Anderen. Sonst hätte der gar nicht erst gefragt.
Da hätte auch die Verwendung eines Synonyms nicht geholfen: Allemal! Natürlich! Zweifellos! habe ich den Müll runtergebracht. Wer so viele Worte gebrauchen muss, ist ganz sicher eine unsichere Nummer.
Weil also „Sicher“ gar nicht so sicher ist, wie es sich anhört, haben wir es uns angewöhnt, „Sicher“ mit anderen Wörtern zu verknüpfen.
„Bombensicher“ hält das neue Regal an der Wand, weil die extra gekauften Spezialdübel endlich einmal halten, was die Werbung versprochen hat.
Obwohl man das Wort „Bombensicher“ nach den Anschlägen in Brüssel in der vergangenen Woche nicht gern in den Mund nehmen mag.
Schöner ist dann das „Sicher wie das Amen in der Kirche“.
Manch einer hat das zwar noch nie im eigen Leben „in Echtzeit“ gehört, weil man dazu ja nicht nur eine Kirche von innen gesehen haben muss, sondern auch genau dann, wenn auch gerade Gottesdienst ist.
Alle wissen aber dennoch, was es bedeutet. Trifft man Menschen zu einem Gottesdienst in einer Kirche, ist das Amen nicht weit. Und das nicht nur einmal. Wie oft hatten wir es denn heute schon? Drei Mal? Dreißig Mal?
Damit ist das Amen sicherer als das Halleluja, das bekanntlich gerade in der Passionszeit schon mal ganz ausfallen kann.
So sicher wie das Amen in der Kirche- so sicher kommt Ostern. Immer am ersten Sonntag nach dem ersten Vollmond im Frühling. SEHR viel früher im Jahr als in diesem geht es kaum, im nächsten Jahr ist es erst am 15. April, und 2018 rückt es zwar mit dem 1. April in Scherznähe, wird aber dennoch ganz sicher nicht ausfallen. Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche.
Und genauso sicher ist, dass die Christenheit zu Ostern den Sieg des Lebens über den Tod feiert.
Aber ist sich die Christenheit da auch wirklich sicher? Kann sie dessen sicher sein?
In unserer Welt waltet doch der Tod wie eh und je.
Kugeln oder Granaten töten Menschen in der Ukraine. Sprengstoffgürtel oder Kofferbomben lassen den Terrorismus seine jeden guten Gott leugnenden „Erfolge“ feiern.
Kälte und Hunger fressen Mütter, Kinder, Alte, Starke. In Dürregebieten, Bürgerkriegen, Flüchtlingslagern.
All das hat sich seit Ostern nicht geändert.
Jedem von uns ist der Tod sicher, ist sein Tod sicher.
Todsicher. Vielleicht das sicherste Sicher der Menschen.
Das Ostern nun den letztendlichen Sieg des Lebens über den Tod bedeutet- wie kann sich die Christenheit da sicher sein? Die Antwort ist geradezu logisch: Weil wir uns Gottes sicher sind. Und Gott hat noch nie einen Zweifel daran gelassen, dass der Tod für ihn keine Bedrohung ist.
Und das, was für Gott ewig gilt, ist auch seinen Menschen versprochen. Schon Jesus glaubte das. Es ist so sicher wie das Amen in der Kirche, dass er den Bibeltext kannte, der uns heute Predigttext ist.
Ich lese aus der so genannten Jesaja-Apokalypse, die Verse 6-9 im 25. Kapitel.
6 Und der HERR Zebaoth wird auf [dem Berg Zion] allen Völkern ein fettes Mahl machen, ein Mahl von reinem Wein, von Fett, von Mark, von Wein, darin keine Hefe ist.
7 Und er wird auf diesem Berge die Hülle wegnehmen, mit der alle Völker verhüllt sind, und die Decke, mit der alle Heiden zugedeckt sind.
8 Er wird den Tod verschlingen auf ewig.
Und Gott der HERR wird die Tränen von allen Angesichtern abwischen und wird aufheben die Schmach seines Volkes in allen Landen; denn der HERR hat’s gesagt.
9 Zu der Zeit wird man sagen: »Siehe, das … ist der HERR, auf den wir hofften; lasst uns jubeln und fröhlich sein über sein Heil.«
Die biblische Vision von der Versammlung der Völker auf dem Zion gibt es immer wieder im ersten Teil unserer Bibel; bei Jesaja begegnet sie uns in Verbindung mit den Bildern von einem üppigen Festmahl und dem endgültigen Aus für Tränen, Schmach und Tod.
Das Besondere ist, dass hier die Völker nicht zum Zion kommen, um Gottes Wort zu hören und seine Gerechtigkeit zu lernen. Hier kommen sie, weil sie von Gott zu einem Festmahl eingeladen sind und so zu seinem Volk werden.
Was sich für die meisten unter uns heute ungesund liest: Dieses
„Mahl von reinem Wein, von Fett, von Mark, von Wein, darin keine Hefe ist“, war für damalige Zeit Zeichen des Wohlstandes und Genusses, ein Ausdruck höchster Gastfreundschaft.
Mit dieser Einladung zu einer Mahlzeit mit ausgesuchten Speisen feiert Gott seine Krönung über alle Mächte, alle Götter, alle Welten. Und er tut das „standesgemäß“, so wie ein großer König das tun würde.
Wenn aber Gott „zu Tisch lädt“, so wird hier nicht nur leibliches Wohl im Überfluss sein. Hier gibt es auch geistlichen Genuss, die umfassende Gotteserkenntnis.
So könnte man dann die Beseitigung der Hüllen und Schleier von den Völkern verstehen. Jetzt, bei diesem königlichen Festmahl, werden alle Völker der Welt endlich die Wahrheit erkennen, die Israel bereits auf dem Sinai durch Gott zuteil geworden ist.
Es gibt hierfür aber auch noch eine andere Möglichkeit der Erklärung. Bis heute werden in jüdischen Häusern bei einem Trauerfall die Spiegel mit Tüchern verhängt.
Es ist unklar, welcher Sinn sich hinter diesem Brauch versteckt. Die einen sagen, es soll verhindert werden, dass sich die Seele in einem Spiegel verfängt, also „in die Falle gelockt“ wird. Andere meinen, dass sich darin der Leichnam spiegelt und darum bald ein weiterer Tod im Haus beklagt werden müsse. Wieder andere meinen, dass es unangemessen ist, aus Eitelkeit in den Spiegel zu schauen, wenn man doch gerade einen Menschen verloren hat.
Wie auch immer: In jedem Fall aber ist das Verhüllen mit Tuch ein altes Symbol der Trauer, welche Wurzeln auch immer es hat. Auch das Verschleiern des Gesichtes war schon in biblischen Zeiten ein Brauch der Trauer (2. Sam 15,30 oder 19,5), und wir kennen es bis heute im Trauerschleier.
So können wir die Hüllen und Decken in unserem Vers auch als Zeichen der Trauer verstehen. Wenn Gott also die Decke, die sich die Völker als Zeichen ihrer Trauer umgelegt haben, wegnehmen wird, dann wird er auch ihr Elend und ihre Not wegnehmen.
Erfährt der Mensch den Tod so wie ein Raubtier, das ihm an die Kehle springt, geht es jetzt dem Tod an die Kehle: Gott verschlingt ihn ohne Aussicht auf Wiederkehr.
Bei Jesaja haben „Tod“ und „Schmach“ konkrete geschichtliche Hintergründe. Hier geht es um den Tod, so wie ihn Israel erfahren hat durch den Untergang des eigenen Staates und die Deportation seiner Oberschicht ins babylonische Exil. Es geht also konkret um die Schmach, dass das Volk Israel nicht mehr Herr im eigenen Lande sein kann.
Das macht diese Vision aber nicht kleiner. Denn solange DIESE Erde sich dreht, werden Tod und Schmach die Geschichte bestimmen. Sie bestimmen den Alltag Israels heute, sie bestimmen den Alltag der Welt heute, sie werden diese Welt immer bestimmen.
Wenn also dieser Tod und diese Schmach je verschlungen sein werden, dann ist jeder Tod, jede Schmach verschlungen. DAS ist sicher. Denn der Herr hat’s gesagt.
Meine Schwestern, meine Brüder:
Je bitterer die Realität, desto süßer der Traum.
Der Tod wird weiter seine Rolle spielen: In den Sterbezimmern unserer Häuser, in den Krankenhäusern, den Altenheimen oder Hospizen. Auf den Schlachtfeldern weltweit, in Flüchtlingslagern und Elendsvierteln, an den Orten des Terrors mitten in unseren Städten. Auch nach Ostern werden unsere Friedhöfe nicht an Bedeutung verlieren.
Aber je härter der Alltag in dieser Welt, desto zarter ist das Bild von der Zukunft in unsere Hoffnung gemalt: Gott selbst wird die Tränen von allen Angesichtern abwischen. Verlassene und Hoffnungslose werden getröstet werden. Kein Leid wird die Menschen mehr quälen, kein Volk mehr über seine Unterdrückung klagen müssen.
Hier/ die bitter erlebte und erlittene Gegenwart, dort/ die Liebe Gottes, seine Gnade, die Gemeinschaft in Frieden mit Gott und untereinander. Nicht Tränen und Todesangst, sondern fröhlicher Jubel und ausgelassene Freude.
Für viele Menschen sind das fromme Phantasien, die in das Land der Träume gehören. Eine gnadenlose Vertröstung auf bessere Zeiten. Wie viele Menschen sind so schon um ihr Leben betrogen worden mit leeren Versprechen: Eines Tages … Wann aber wird das sein? Am letzten Tag dieser Welt? Den erlebt von uns doch sowieso keiner…
Aber eine Hoffnung ändert das Leben. Und sie ändert es nicht irgendwann, sondern jetzt. Wenn sie denn groß, zuverlässig, sicher ist.
Unsere Hoffnung ist groß, zuverlässig und sicher, weil sie von Gott kommt. Unserem Gott, der den Himmel und die Erde gemacht hat. Der sein Volk nie und nimmer im Stich lassen wird. Der am Ende allen Völkern ein Festmahl geben wird. Tränen, Tod und Schmach besiegt.
Diese Hoffnung war auch Jesu Hoffnung, als er gefangen genommen und ans Kreuz geschlagen wurde.
Auch Paulus zitiert aus Jesaja 25 (1. Kor 15), auch die Offenbarung des Johannes nutzt die Bilder des Jesaja (Offb 7,17 oder 21,4). Diese Hoffnung war auch ihre Hoffnung.
Natürlich: Die Verheißung des Jesaja zeichnet ein VORösterliches Bild der zukünftigen Gottesherrschaft; wir aber leben NACH Ostern. Natürlich ist die Vision des Jesaja kein Ostertext – aber Ostern lebt AUCH aus dieser Vision Jesajas.
Auch nach Ostern sehen wir kein grundsätzlich anderes Bild der Herrschaft Gottes. Wir können andere Einzelheiten erkennen. Aber das große Festmahl der Völker auf dem Zion -DAS steht noch aus.
Durch Ostern haben wir allerdings einen guten Grund mehr zu wissen, dass Gott damit Ernst machen wird:
Denn Jesus Christus ist auferstanden. Els Erster auf ewig. Die Frauen am Grab / Emmausjünger haben es erkannt.
Nach ihnen dann irgendwann alle Jünger.
Mit ihnen singen wir heute: Jesus lebt, mit ihm auch ich.
GENAU DAS ist es, was unserer Hoffnung auf Gott festen Boden unter die Füße gibt.
Und wenn wir jetzt das Abendmahl feiern, feiern wir damit auch den Ausblick auf das große Festmahl der Völker auf dem Zion. Das Abendmahl ist doch gestiftetes Gedächtnis. Kollektives Lebendighalten der großen Versprechen Gottes.
Wenn wir Abendmahl feiern, haben auch wir jetzt /unseren Teil am Passamahl.
Damals am Gründonnerstag feierten Jesus und seine Jünger mit ihrem Volk das Gedächtnis des Exodus. Die Befreiung aus Elend und Unterdrückung wird dabei so lebendig, so als wären sie selbst dabei gewesen. Und aus dieser Befreiung erwächst die Hoffnung auf die endgültige Erlösung des Lebens aus aller Sklaverei.
Und genau so erwächst diese Befreiung auch heute für uns.
Wir teilen das Brot, das die großen Befreiungstaten Gottes unter uns aufs Neue lebendig werden lässt:
Die Befreiung aus der Sklaverei Ägyptens und
die Befreiung von der Lebenslast der Schuld und dem Fluch des Todes durch das Handeln des Gottes Israels.
Wir teilen den Wein, der Ostern wie auch das Passa zu einem FEST macht.
Wir feiern in der Gemeinschaft der Völker, von der schon jetzt das Tuch der Trauer hinweggezogen ist.
In der Gewissheit, dass auch wir mitfeiern werden, wenn Gott alle Völker an den Zion zum großen Festmahl laden wird.
Wer so feiern kann, dessen Leben ändert sich, dessen Sterben ändert sich. Nicht am Sankt Nimmerleinstag, sondern Jetzt.
Das ist Ostersicher.
Denn
9 Zu der Zeit wird man sagen: »Siehe, das … ist der HERR, auf den wir hofften; lasst uns jubeln und fröhlich sein über sein Heil.«
Amen.