Die Gefahr:
Dass Hoffnung untergeht im Leid
dass Menschen unter Menschen verlassen sind
ein Leben ohne Gott
ohne Antwort für das Leben
Die Hoffnung:
Der Tag wird kommen
wo jeder Mensch, der
je gelebt hat und lebt
Gott so sehen wird, wie er ist
Liebe, Frieden, Gerechtigkeit
GOTT lässt schon jetzt
Menschen in seinem Geist zusammen wohnen
leben im Glanz seines Reiches
Selig sind, die Frieden stiften,
denn sie werden Gottes Kinder heißen. (Mt 5,9)
***
Wenn man heute wüsste, dass am 1. Dezember die Welt untergeht: Was würde man in den verbleibenden Wochen noch machen?
Urlaub machen. Alle Corona-Beschränkungen wären dann ja hinfällig und man könnte überall hin, in jede Gaststätte, jedes Theater, jedes Museum, jedes Schwimmbad. Vorausgesetzt natürlich, die wären dann geöffnet, weil deren Mitarbeiter nichts besseres zu tun hätten in den letzten Wochen der Welt als zu arbeiten.
Andere würden sicherheitshalber lieber noch aufräumen und saubermachen. Man weiß ja nie: Vielleicht wird der Richter des jüngsten Gerichtes Schulnoten in Ordnung und Sauberkeit verteilen. Und diese Noten berechtigen einen dann zur Nutzung von mehr oder weniger bequemen Wolken. Aufräumen und Saubermachen – wie gesagt, man weiß ja nie.
Andererseits: Wenn im Himmel alles anders und alles besser wird, brauche ich auch nicht mehr aufzuräumen und sauber zu machen. Das kommt mir sehr entgegen. Denn es gibt nur wenige Sachen zwischen diesem Himmel und dieser Erde, die mir noch weniger Spaß machen als Aufräumen und Saubermachen. Und meine Hoffnung, dass unter dem neuen Himmel und der neuen Erde alles selbstreinigend ist und von allein an seinem Platz steht, ist ungebrochen.
Nur WILL ich das, dieses Ende der Welt? Das Ende von Schmutz und Unordnung?
Da bin ich mir schon nicht mehr ganz so sicher.
Auf der einen Seite ist da die Sicht der Bibel. Auf ein Jüngstes Gericht, vor dem jede und jeder für das gerade stehen muss, was sie oder er getan oder gelassen hat.
Wo am Ende alle und alles gerichtet ist.
Neu und endgültig ausgerichtet auf die uneingeschränkte Herrschaft Gottes.
Der sich alles Geschöpf dann nicht nur nicht entziehen KANN, sondern es auch gar nicht WILL.
Das sind schöne Gedanken, finde ich.
Dann wäre die Ordnung des Universums in Gottes Sinne hergestellt, und auch ich könnte endlich sehen, was ich heute glaube.
Nur weiß ich leider nur nicht, worauf ich mich da GENAU einlasse. Alles wird anders, alles wird besser sein: Das höre ich, das glaube ich, aber die Schönheit dieser Welt KENNE ich. Und ich mag sie, meine Welt. Sicher gibt es auch viele Stunden, auf die ich gut und gern verzichten könnte. Aber ohne sie gäbe es ja auch die anderen nicht, die wunderbaren, die das Leben schön machen. Richtig schön. Ihr wisst schon: Die Sache mit Sekt und Selters.
Also kann ich mich mit dem Ende dieser Welt zwar ganz GRUNDSÄTZLICH anfreunden.
Aber bitte noch nicht zu meinen Lebzeiten. Das kann doch warten, bis ich gestorben bin. Und meine Tochter auch. Und meine Enkel, sollte ich je welche haben.
Darum ist es auch ganz gut, dass ich nichts davon weiß, wann denn nun die Welt untergeht, und auch nie im Leben wissen werde. Am 1. Dezember 2020 jedenfalls GANZ sicher nicht.
Sicher nicht.
Vielleicht nicht…
Wusstet ihr eigentlich, dass der große Doktor Martin Luther sich auch damit versucht hat, aus der Bibel Weltuntergangstermine zu errechnen? Nach dem dritten (wie bereits er selbst lernen musste) gescheiterten Versuch hat er dann aufgegeben.
Ich habe mich gefragt, wie er überhaupt auf die Idee kam, das zu versuchen. Wo er doch ganz offensichtlich ein Paulusfan war, wie man seinen Äußerungen über den Römerbrief entnehmen kann. Und von Paulus haben wir doch gerade im 1. Thess Kap.5 gelesen:
1 Von den Zeiten aber und Stunden, Brüder und Schwestern, ist es nicht nötig, euch zu schreiben; 2 denn ihr selbst wisst genau, dass der Tag des Herrn kommt wie ein Dieb in der Nacht.
Es ist nicht nötig, euch zu schreiben: Ihr wisst es ja selbst. Der Termin liegt im Dunkeln, und das bleibt auch so. Niemand wird ihn vorher kennen, nur er selbst weiß, wann seine Stunde gekommen ist: Er kommt wie ein Dieb in der Nacht.
Das ist ja nun ein nicht gerade sympathisches Bild.
Mit fällt ein Kollege in meinem letzten Kirchenkreis ein, in dessen Wohnung ein Dieb alles durchwühlt hatte. Er hat mir erzählt, was für ihn das wirklich Schlimme daran war.
Nicht, dass kurz nach seinem Umzug in die neue Gemeinde sein gerade eingerichtetes Zuhause verwüstet wurde. Nicht, dass einige wertvolle Dinge nun wohl für immer verloren waren.
Wohl aber, dass Geräusche in der Nacht nun zu Bedrohungen werden, die einen nicht mehr ruhig schlafen lassen. Ein nie gekanntes Gefühl, dass die eigenen vier Wände ihren Schutz verloren haben – das sei das wirklich Schlimme.
Es war für ihn ein „Einbruch“ in mehrfachem Wortsinn.
Einbrüche gibt es ja nicht nur in Wohnungen. Börsenkurse brechen ein, Schülerzahlen, Geburtenraten, Leistungen, Mitgliederzahlen.
Auch Krankheiten brechen in unsere Gesundheit ein oder Todesfälle in unser Leben. Corona lässt grüßen.
So ist die Zahl der Einbrüche in die Sicherheiten von uns Menschen groß; die damit verbundenen weltlichen Verluste summieren sich in einem langen Leben doch erheblich.
Verluste: Ist es das?
Bringt der Tag des Herrn schließlich doch Verluste?
Müssen wir uns vor ihm fürchten wie vor einem Dieb in der Nacht?
Und, was noch viel schlimmer wäre: Wird der Tag des Herrn zum endgültigen Unheil für die Menschen, die NICHT mit ihm rechnen?
Wenn ich mir den Briefabschnitt weiter durchlese, denke ich, dass Paulus das so nicht gemeint haben kann. Er schreibt ja weiter:
3 Wenn sie sagen: „Friede und Sicherheit“, dann überfällt sie schnell das Verderben wie die Wehen eine schwangere Frau, und sie werden nicht entrinnen.
Am Ende der Wehen einer Frau steht aber kein Unheil, sondern ein neugeborenes Kind. Neues Leben- das ist ganz sicher kein Unheil. Aber WENN die Wehen einmal einsetzen, dann gibt es kein Halten mehr. DAS ist der Punkt.
Es geht Paulus vor allem um die Unausweichlichkeit. So, wie eine schwangere Frau die Wehen ertragen muss, wird der Mensch den Tag des Herrn ertragen müssen. Ob er ihn heute nun für möglich hält oder nicht.
Er wird sich, damit zum ersten Bild zurück, anders als die Wehen auch nicht ankündigen. Er kommt wie ein Dieb in der Nacht. Zu einer Zeit, in der niemand mit ihm rechnet.
Da helfen alle Kameras, Lichtschranken oder Alarmsirenen nicht:
Gerade dann, „wenn sie sagen: „Friede und Sicherheit…““, wird er kommen. Wenn Menschen meinen, dass alles in Ordnung sei. Meinen, dass sie selbst völlig in Ordnung seien.
Aber sie irren. Sind nicht „erleuchtet“. Sie leben in der Dunkelheit der Ahnungslosigkeit. Oder zumindest des Nichtwissens. Es wird sie treffen, ohne dass sie eine Vorstellung davon haben, was sie da trifft. Ohne dass sie sich irgendwie darauf einstellen konnten.
Darum Paulus weiter:
4 Ihr aber seid nicht in der Finsternis, dass der Tag wie ein Dieb über euch komme.
5 Denn ihr alle seid Kinder des Lichtes und Kinder des Tages. Wir sind nicht von der Nacht noch von der Finsternis.
Kinder des Lichtes und des Tages. Sie sind wach und schlafen nicht. Sie sind nicht untätig, sondern tun etwas. Sie sehen, was auf sie zukommt. WER auf sie zukommt.
Die Geschwister in Thessaloniki SIND Kinder des Lichtes und des Tages. Sie müssen es nicht werden, sie sind es bereits. Und mit ihnen die anderen Geschwister aus den anderen Gemeinden. „WIR“, schreibt Paulus, „WIR sind nicht von der Nacht noch von der Finsternis“.
Uns wird der Tag des Herrn nicht treffen wie der Dieb des Nachts. Schlafend im Dunkel. Völlig unvorbereitet, ohne Ahnung davon, was gerade geschieht. Wir wissen, was auf uns zukommt. WER auf uns zukommt.
6 So lasst uns nun nicht schlafen wie die andern, sondern lasst uns wachen und nüchtern sein.
Auch dieses letzte Bild in unserem Text ist auf den ersten Blick wieder wenig sympathisch. Wer sich Nacht für Nacht im Bett herumwälzt und keinen erholsamen Schlaf finden kann, für den ist es nicht erstrebenswert, nicht zu „schlafen wie die anderen“.
Wer schon DIE Tage fürchtet, an denen man so lange auf ein ordentliches Frühstück warten muss, bis die Schwester im Labor endlich die richtige Ader gefunden hat und einem ausreichend viel Blut abzapfen konnte, der wird es wenig anziehend finden, von nun an nüchtern bleiben zu sollen.
Aber auch dieses Bild ist eben nur ein Bild. Und in Bezug auf den Tag des Herrn sagt es: Dieser Tag wirkt in unser Leben hinein. Darum werden wir ihn ernst nehmen.
Wer von einem Dieb in der Nacht überrascht wird, hat sehr wahrscheinlich auch selbst irgendeinen Fehler gemacht. Das Fester im 1. Stock angekippt gelassen. Oder die Haustür nur zugezogen und nicht abgeschlossen. Oder überall herumposaunt, dass er mit der ganzen Familie vier Wochen in Australien ist. Oder was man sonst noch falsch machen kann.
Ist man aber wachsam und sicherheitstechnisch auf der Höhe der Zeit, wird zuerst jemand anderes überrascht sein: Der Dieb selbst nämlich, weil er nicht zum Zuge kommt.
Wir öffnen unsere Augen und sehen die Welt, wie sie ist. Morgen ist der 9. November. Dieser Tag spricht nicht nur von der Freiheit, 31 Jahre nach dem Fall der Mauer. Er erinnert an brennende Synagogen und damit wie kaum ein anderer Tag an die Sprache des Terrors und des unendlichen Leides, das Menschen über Menschen zu bringen vermögen.
Wir leben im Licht, sind Kinder des Lichts. Wir verschließen die Augen nicht vor der Realität dieser Welt. Wir leben unser Leben unter den Augen Gottes, der in uns Christus entgegen kommt. Liebe, Frieden und Gerechtigkeit in Person. Das braucht diese Welt, das leben wir. Kinder des Lichts: Darum geht es.
Meine Schwestern, meine Brüder:
Weil wir mit Gott rechnen in unserem Leben, wird auch der Tod nicht unser Ende sein. Das ändert unser Leben. Liebe, Frieden und Gerechtigkeit Gottes bestimmen uns. Wir werden nie in einen Tag hineinleben, als ob es kein Morgen gäbe. In keinen Tag, vor allem nicht in den letzten. Der Tag des Herrn WIRD kommen.
Und so schön das Leben auf dieser Welt sein kann, zumindest manchmal:
Was dann auf uns zukommt, muss schöner werden. Für immer.
Denn seit Karfreitag sehen wir, WER auf uns zukommt:
Wir sehen Gott in Jesus Christus.
Und der wird für uns NIE einen Verlust bedeuten können.
NICHTS wird der Dieb bei Nacht uns nehmen können.
Lothar Zenetti hat das so formuliert:
„Drei Räuber/ kreuzigt man heute/ auf Golgatha:
Der Linke nahm mir mein Geld,
der Rechte nahm mir mein Gut,
der in der Mitte nahm mir meine Schuld.
Auf Golgatha/ kreuzigt man heute/ drei Räuber.“
Heute. Wir SIND Kinder des Lichtes und des Tages. Was auch kommt, es kann keinen Verlust bringen, denn wir leben unter den Kreuzen von Golgatha.
Und in froher Erwartung auf den Advent Gottes.
Seine Liebe, die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sind mit uns.
So ist unser Leben ein Gewinn.
An jedem Tag, auch am letzten.
AMEN