Hier kennt man sich (aus Joh 10)

Unser Gottesdienst Misericordias Domini zum Nachhören ist für vier Wochen hier zu finden.

Schlechte Hirten
vor ihnen wird gewarnt
sie bringen ihr Schäflein ins Trockene
weiden sich selbst
Wölfe im Schafspelz

Der gute Hirte
Glücksfall für die Menschen
seine Herde
ist seine Leidenschaft
sein Leben
wird ihr Leben
durch seine Liebe

Der gute Hirte
wer ihn kennt
lernt sie kennen
Misericordias Domini
die Barmherzigkeit des Herrn

Christus spricht:
Ich bin der gute Hirte.
Meine Schafe hören meine Stimme,
und ich kenne sie,
und sie folgen mir;
und ich gebe ihnen das ewige Leben.
(Johannes 10,11a.27-28a)
***
Aus Joh 10

11 Ich bin der gute Hirte. Der gute Hirte lässt sein Leben für die Schafe. 12 Der Mietling, der nicht Hirte ist, dem die Schafe nicht gehören, sieht den Wolf kommen und verlässt die Schafe und flieht – und der Wolf stürzt sich auf die Schafe und zerstreut sie -,
13 denn er ist ein Mietling und kümmert sich nicht um die Schafe.
14 Ich bin der gute Hirte und kenne die Meinen und die Meinen kennen mich, 15 wie mich mein Vater kennt; und ich kenne den Vater. Und ich lasse mein Leben für die Schafe.

16 Und ich habe noch andere Schafe, die sind nicht aus diesem Stall; auch sie muss ich herführen, und sie werden meine Stimme hören, und es wird eine Herde und ein Hirte werden.

27 Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie und sie folgen mir; 28 und ich gebe ihnen das ewige Leben, und sie werden nimmermehr umkommen, und niemand wird sie aus meiner Hand reißen.
29 Was mir mein Vater gegeben hat, ist größer als alles, und niemand kann es aus des Vaters Hand reißen.
30 Ich und der Vater sind eins.

Misericordias Domini: Die Barmherzigkeit des Herrn. Dieser dritte Sonntag der Osterzeit lebt aus dem Bild vom „guten Hirten“.

Kaum ein biblisches Bild ist so oft gebraucht, bedacht, gemalt, besungen und dabei sowohl belächelt als auch bewundert. Und Johannes, der jüngste unserer Evangelisten, von dem Predigttext und Wochenspruch für diesen Sonntag stammen, hat dieses Bild vom Guten Hirten für die Christenheit geprägt.

So begleitet viele Menschen dieses Bild nicht nur einmal im Jahr durch einen Gottesdienst, sondern auch darüber hinaus, manche sogar täglich.

Bei einer Rentnerin hing es über dem Sofa im Wohnzimmer, dieses große Bild in Öl.
Schneebedeckte Gipfel im Hintergrund, davor ein klarer, tiefblauer Bergsee, und auf einer grünen Wiese eine Schafherde.

Im Vordergrund ein kleiner Junge, der auf einem großen Stein sitzt. Man sieht, wie er vom Schnitzen aufsieht und mit großen, leuchtenden Augen dem entgegenblickt, der von der Seite das Bild betritt:

Einem Hirten, den Stab in der linken und mit der rechten Hand das Schaf haltend, das über seiner Schulter liegt. JESUS ist der Hirte, der hier gemalt worden ist. Daran hatte ich keinen Zweifel.

Es ist über fünfzig Jahre her, dass ich es das erste Mal sah, und vierzig, als es ich zum letzten Mal sah. Doch vergessen habe ich dieses Bild bis heute nicht. Immer, wenn ich den 23. Psalm lese oder die Johannespredigt vom guten Hirten höre, sehe ich dieses Bild wieder vor mir.

Ich habe auch immer gleich ein Lied im Ohr, dass ich schon als Kind gelernt habe. Nein, es ist nicht EG 274 „Der Herr ist mein getreuer Hirt“. Das singe ich auch gern. Aber das habe ich erst gelernt, als ich schon im Pfarramt war.

Ich singe mein Lied im Ohr, meinen Hirtenohrwurm, jetzt einfach mal laut. Schließlich ist das Musikinstrument dieses Jahres ja die Stimme, also kann ich es einfach mal singen. Es ist auch auf eurem Liedblatt, wer mag, kann also mitsingen:

1. Weil ich Jesu Schäflein bin,/ freu ich mich nur immerhin/
über meinen guten Hirten,/ der mich wohl weiß zu bewirten,/
der mich liebet, der mich kennt/ und bei meinem Namen nennt.

2. Unter seinem sanften Stab/ geh ich ein und aus und hab/
unaussprechlich süße Weide,/ dass ich keinen Mangel leide,/
und so oft ich durstig bin,/ führt er mich zum Brunnquell hin.

3. Sollt ich denn nicht fröhlich sein,/ ich beglücktes Schäfelein?/
Denn nach diesen schönen Tagen/ werd ich endlich heimgetragen/ in des Hirten Arm und Schoß./ Amen, ja, mein Glück ist groß.

Das Öl-Bild hing über ihrem Sofa im Wohnzimmer, nicht in einem Kinderzimmer. Ihre Kinder hatten sich daran offensichtlich trotzdem satt gesehen. Als die Rentnerin starb, haben sie das Bild auf den Müll geworfen. Vielleicht fanden sie es auch nur einfach zu kitschig.

Und den Liedtext dichtete eine sehr erwachsene Frau, und es war auch kein Kinderlied: Luise von Hayn schenkte ihn ihrer Freundin
zu deren 36. Geburtstag.

Von den ursprünglich sieben Strophen kamen diese drei in den Abendmahlsteil (!) des Gesangbuches der Herrnhuter Brüdergemeine, auf deren Gottesacker Luise von Hayn 1782 beerdigt wurde.

Heute ist es auch in einigen regionalen Anhängen in unserem EG zu finden, in unserem reformierten nicht. Für den Stammteil war es der Auswahlkommission vor vierzig Jahren wohl auch zu kitschig.

Was ist das nun mit dem Bild vom Guten Hirten?
Alles religiöser Kitsch? Oder göttliche Lebenskunst? Alles Kinderkram? Oder ernstzunehmende göttliche Weltsicht? Und woher kommen die Schwierigkeiten, die viele mit diesem Bild ganz offensichtlich haben?

Von der Schriftstellerin Ulrike Kolb, (sie hat „Frühstück mit Max“ geschrieben), ist zu unserem Text zu lesen:

„Das Gleichnis widerstrebt mir in solchem Maß, dass ich keinerlei Phantasie zu seiner Rechtfertigung aufbringen mag. Gesetzt den Fall, ich erwarte meinen Seelenfrieden aus den Potentialen…(des Christentums), so wird erwartet, mich (!) mit einem SCHAF zu identifizieren …

Ich war …bei einer schafezüchtenden Freundin, wo ich die Gelegenheit hatte, mit der hier zum Vergleich menschlich-göttlicher Beziehung herangezogenen Tierart nähere Bekanntschaft zu machen. (Schafe sind)…in besonders erschreckendem Maß dem Drang ausgesetzt…, hinterherzulaufen. Immer hinter dem Leithammel her…“

Dass dem Hirten im Bild Schafe gegenüberstehen, ist für viele tatsächlich ein Problem. Davon höre ich auch immer wieder. „Na, Hr. Pastoor? Alles in Ordnung bei Ihren Schäfchen?“ Der Fragende ist ein Oberstleutnant aus dem Rheinland. Einer, der sehr wohl weiß, dass Pastor Hirte heißt. Wir kommen gut miteinander zurecht.

Er hat mir mal erzählt, warum er aus der Kirche ausgetreten ist. Als er an einer Podiumsdiskussion seiner (!) Kirchengemeinde in Uniform Anfang der 80ger Jahre teilnahm, wurde er mit Eiern beworfen.

Da platzte ihm der Kragen – er sei eben kein Schaf, dass auf Gedeih und Verderb willenlos einem Leithammel hinterherlaufen müsse. Das könnten ja die anderen machen, wie Schäfchen durch das Leben laufen.

Ich könnte da allerdings auch auf andere Schafe verweisen.
Auf die, die einfach nicht bei der Herde bleiben, oder auf Shaun, das Zeichentrick-Schaf oder auch auf Socke Mäh, das in unserer Kirchenzeitung „schafsinniges für Schafe“ in Karikaturen fasste. Leider ist diese Karikaturenreihe seit Jahren eingestellt.

Es gibt also genügend Beispiele für Schafe, die mit einem Leithammel nicht viel am Hut haben. Oder ich hätte darauf verweisen können, das Schafwolle bis heute nicht ohne guten Grund bei vielen Menschen hoch im Kurs steht.

Doch ich denke, das hätte nicht viel genutzt. Denn ich weiß auch, dass ich auch nicht gern als Schaf bezeichnet werde, weil ich das nicht wirklich als Kompliment verstehen kann.

Wichtiger, ja für mich entscheidend ist dagegen, dass das Bild vom guten Hirten ja nicht in den luftleeren Raum gesprochen ist, dass Johannes es auch nicht erfunden hat. Es ist ein altes Bild der Bibel.

Jesus selbst hat GELEBT im ersten Teil der Bibel, auch die Menschen, die ihm begegneten. Sie haben das Wort „Hirte“ ganz sicher gehört in der langen Linie der Bibelworte über die Hirtenschelte bei Ezechiel, aus der eingangs gelesen wurde, bis hin zur Glaubensgeborgenheit ausstrahlenden 23. Psalm.

Sie werden darum verstanden haben:
Es geht bei der Rede vom guten Hirten nicht um einen einfachen Vergleich, sondern zuerst um einen in der biblischen Tradition stehenden Titel. Es gibt viele Hirten auf der Welt, sowohl gute als auch schlechte. Aber nur den einen mit dem Titel „Guter Hirte“.

Johannes schreibt nicht: Jesus ist der großartige Hirte, und ihr seid dumme Schafe. Er spricht vielmehr in Bildern, die etwas Besonderes zu beschreiben versuchen. Darum sollte man die Gesamtheit aller Hirten – Herden Aspekte dieser Bilder nicht überstrapazieren.

Natürlich sind nicht alle Hirten auf dieser Welt schlechte Hirten.
Jesus bietet sich als Alternative zu Mietlingen dar. Der Mietling ist heute einem Angestellten mit Arbeitsvertrag vergleichbar. Und zwar so einer, der seinen Job erledigt, solange er seinen Nutzen aus ihm ziehen kann.

Mir fallen da zuerst solche Manager ein, die selbst mitten in der Finanzkrise hohe Bonuszahlungen nicht nur bekamen, sondern gar auch noch NAHMEN. Solche kennt man auch aus anderen Bereichen wie Industrie oder Verkehr oder Politik. Es gibt sie überall, die Wölfe, die nehmen, was ihnen nicht gehört, und einfach den Job wechseln, wenn es eng wird.

Jesus ist dagegen der mit dem Titel „Der gute Hirte“, also genau der, der sich wie im Buch Ezechiel der Gottesherde selbst annimmt und auf beste Weide führt.

Es geht hier also nicht um irgendeine romantische Ideologie, als sei die Freiheit des Menschen in ein idyllisches Ordnungsgefüge innerhalb eines heutzutage elektrifizierten Weidezauns aufzulösen.

Es geht hier nicht um willenlosen Gehorsam, sondern um die sichere Zugehörigkeit zum Hirten. Es geht um eine stabile Identität im Leben.

Schafe wissen, wo sie hingehören, wo ihr Platz ist, sie vertrauen dem Hirten. Sie folgen ihm zu Weide oder Tränke. Ihr Leben ist geführt, gesichert und geschützt, sorglos. Es geht im Bild also um den Hirten des Lebens, auf den Verlass ist. Den einzigen. Um Gott selbst. Gott in Christus.

Meine Schwestern, meine Brüder,

nun zur Herde. „Herde“ ist wie „Hirte“ ein Titel. Und wenn es beim Hirten um Gott in Christus geht, geht es bei der Herde um die Menschen. Es geht um uns.

Dazu die Rede von den „anderen Schafen“, die „nicht aus diesem Stall“ – wörtlich: „nicht von diesem Hof“ sind. Da Jesus gerade im Tempel redet, ist mit den Schafen „aus diesem Stall“ Israel gemeint.

Die Schafe „nicht aus diesem Stall“ sind dann die Nichtjuden, biblisch gesprochen die „Heiden“. Auch ihnen gilt der Dienst dieses Hirten, der seine Schafe von überall sammeln und auf beste Weide führen wird, wie wir es vorhin ähnlich bei Ezechiel hörten (34, 11ff). Er „muss“ das tun, weil Gott ihm den Auftrag dazu gegeben hat.

Und wie die Gemeinde damals, für die das Johannesevangelium geschrieben wurde, hören wir heute: Der „Gute Hirte“ wird sich von durch nichts und nie davon abbringen lassen, seine Herde zusammenzuführen. Das Leben jedes Einzelnen geführt, gesichert und geschützt, sorglos, EWIG werden zu lassen.

Das wird am Ende noch einmal bekräftigt: „Niemand kann sie aus meiner Hand reißen“ Glaube ist Bleiben – und dieses Bleiben in seiner Hand ist durch Gott in Christus sicher.

Denn Gott begründet seine sehr enge Beziehung zu den Menschen durch seinen Sohn Jesus Christus. Weil er durch Ostern lebt, haben wir die Möglichkeit, Gott besonders nah zu sein, ihn zu kennen, wie der Text sagt.

Dabei geht es nicht um das Kennen, was alles vom Anderen zu wissen vorgibt. Wohl aber um das Kennen, wo man sich des Anderen sicher ist. Die Beziehung ist getragen vom Glauben, dass man sich aufeinander verlassen kann,

Der „Gute Hirte“ ist also das Bild göttlicher Lebenskunst. Beschrieben wird eine große Familie, die zusammengehören kann und will. Und: anders als viele Familien in unserer Welt GLÜCKLICH miteinander ist. beim Einschlafen die fröhlichen Schafe zählt, die über einen Zaun springen. Oder weiß, dass es stimmt:

Sollt ich denn nicht fröhlich sein,/ ich beglücktes Schäfelein?/
Denn nach diesen schönen Tagen/ werd ich endlich heimgetragen/ in des Hirten Arm und Schoß./ Amen, ja, mein Glück ist groß.

Glücklich eben: Weil man Leben findet. Sogar ewiges Leben.

Der Hirte setzt sein Leben ein für seine Herde. Vor Karfreitag so wie danach. Dass wir das wissen, dass wir ihn kennen und wissen, das er uns besser kennt als wir uns selbst – das hat Folgen:

Alle Glaubensschwäche oder Wankelmütigkeit ist bedeutungslos, denn Gott ist größer. Jede Unsicherheit aus Angst oder falscher Bescheidenheit ist unangebracht, denn denen, die zu Jesus und seiner Herde gehören, wird der Gute Hirte nachgehen, wohin sie sich auch je verirren mögen. Wohin und wann auch immer.

„27 Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie und sie folgen mir; 28 und ich gebe ihnen das ewige Leben, und sie werden nimmermehr umkommen, und niemand wird sie aus meiner Hand reißen.“

Das ist es, was die Barmherzigkeit Gottes, was die „Miserikordias Domini“ ausmacht:

Die Liebe Gottes, die Gnade unseres Herrn Jesus Christus
und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes

werden uns der Gute Hirte sein,
wo auch immer wir auf dieser Welt sind.
In der Herde Gottes werden wir nichts
und niemanden je fürchten müssen.
AMEN

EG W 591
1. Großer Hirte aller Herden
in dem Himmel und auf Erden
liebster Heiland Jesu Christ:
Lass in diesen letzten Zeiten
sich dein Reich noch mehr ausbreiten,
als bisher geschehen ist.
2. Lass es sich zu deinen Ehren
in mir selbst zuerst vermehren;
breite es in meinem Haus,
unter meinen Anverwandten,
guten Freunden und Bekannten,
ja im ganzen Lande aus.
3. Gib dich allen zu erkennen,
die sich darum Christen nennen,
weil sie sind auf dich getauft.
Lass dein Wort bei denen walten,
die von dir sich ferne halten;
du hast ja auch sie erkauft.

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