Unser Erntdedankgottesdienst zum Nachhören ist für vier Wochen hier zu finden.
Leben
kaufen oder erschaffen
wir könnten es nicht
und lebensWERT ist es nicht,
weil wir das LEISTEN würden
Leben ist Geschenk
GOTT SCHENKT Leben
Überleben
jeder
und allem
EINmal ganz am Anfang
und NEU an jedem Tag
IHM lasst uns antworten
und Danken
Aller Augen warten auf dich,
und du gibst ihnen ihre Speise
zur rechten Zeit.
Psalm 145,15
***
Ich lese den Predigttext aus dem Buch des Propheten Jesaja
Kapitel 58 ab Vers 4.
Da lässt Jesaja zunächst Gott direkt zu Wort kommen:
4 Siehe, wenn ihr fastet, hadert und zankt ihr und schlagt mit gottloser Faust drein. Ihr sollt nicht so fasten, wie ihr jetzt tut, wenn eure Stimme in der Höhe gehört werden soll.
5 Soll das ein Fasten sein, an dem ich Gefallen habe, ein Tag, an dem man sich kasteit oder seinen Kopf hängen lässt wie Schilf und in Sack und Asche sich bettet? Wollt ihr das ein Fasten nennen …?
6 Ist nicht DAS ein Fasten, an dem ich Gefallen habe:
Lass los, die du mit Unrecht gebunden hast, lass ledig, auf die du das Joch gelegt hast! Gib frei, die du bedrückst, reiß jedes Joch weg!
7 Heißt das nicht:
Brich dem Hungrigen dein Brot, und die im Elend ohne Obdach sind, führe ins Haus! Wenn du einen nackt siehst, so kleide ihn, und entzieh dich nicht deinem Fleisch und Blut!
Und nun spricht Jesaja selbst,
bekräftigt eindrücklich Mahnung und Zuspruch ab Vers 8:
8 Dann wird dein Licht hervorbrechen wie die Morgenröte, und deine Heilung wird schnell voranschreiten, und deine Gerechtigkeit wird vor dir hergehen, und die Herrlichkeit des HERRN wird deinen Zug beschließen.
9 Dann wirst du rufen und der HERR wird dir antworten.
Wenn du schreist, wird er sagen: Siehe, hier bin ich.
Wenn du in deiner Mitte niemand unterjochst und nicht mit Fingern zeigst und nicht übel redest,
10 sondern den Hungrigen dein Herz finden lässt und den Elenden sättigst, dann wird dein Licht in der Finsternis aufgehen, und dein Dunkel wird sein wie der Mittag.
11 Und der HERR wird dich immerdar führen und dich sättigen in der Dürre und dein Gebein stärken. Und du wirst sein wie ein bewässerter Garten und wie eine Wasserquelle, der es nie an Wasser fehlt.
Ohne Unten kein Oben, ohne Dunkel kein Hell, ohne Süden kein Norden. Das ist logisch, so denken wir.
Darauf können wir auch beim Denken nicht verzichten, das macht uns die Orientierung im Leben erst möglich.
Und mit solchen Begriffspaaren ist das auch relativ einfach, von denen gibt es noch viel mehr: Ohne West kein Ost, ohne links kein rechts, ohne Frau kein Mann… Euch fallen sicher auch noch mehr Beispiele ein.
Schwieriger wird es allerdings, wenn die Begriffspaare komplexer, mehrdeutiger werden. Wie zum Beispiel ohne Licht kein Schatten. Das ist zwar auch noch logisch, aber nicht mehr ganz so einfach, zumindest wenn man auch an die übertragene Bedeutung denkt.
Denn so sehr man den Schatten des Sonnenschirms oder des Waldes auch schätzt – auf die Schattenseiten DES LEBENS möchte mancher lieber verzichten. Wäre es vielleicht nicht sogar besser, wenn Gott sie gar nicht erfunden, oder zumindest: Wenn er sie nicht zulassen würde?
Braucht man diese Schattenseiten wirklich auch für die Orientierung im Leben?
Seit ich einmal in einer Kurve, in der Rollsplitt lag, mit dem Motorrad stürzte und mir ein Bein brach, weiß ich: Ohne Unfall keine unfallfreie Fahrt. Unfallfreie Fahrt: Die wünsche ich mir auch, wenn ich am Donnerstag auf Motorradrüstzeit an den Rennsteig fahre. Ich wünsche sie nicht nur für mich, sondern für alle, die mit mir unterwegs sein werden, vor allem für Christian, der seinen dreizehnjährigen Sohn auf dem Sozius haben wird.
„Ohne Licht kein Schatten“ bedeutet also konsequent weiter gedacht ohne Gesundheit keine Krankheit, ohne gute Tage keine schlechten Tage, ohne echte Wertschätzung des Lebens keine Bedrohung des Lebens, ohne Liebe kein Hass, oder jeweils umgekehrt, und das so weiter und so fort.
Doch auf Hass, Bedrohung des Lebens, schlechte Tage und Krankheiten würde man liebend gerne verzichten, wenn man es denn könnte…
Oben und unten, Licht und Schatten, Liebe und Hass: Diese Paarungen können wohl alle irgendwie noch nachvollziehen.
Wie aber steht es mit der Paarung Erntedank und Fasten?
Denn auf die scheint uns ja unser Bibeltext aus dem Jesajabuch ja hinführen zu wollen.
Trotz vieler Schwierigkeiten, die Klimawandel und folgende Wetterkapriolen für Garten- und Landwirtschaft bedeuten, sind auch in diesem Jahr der Raum um diese Kanzel und um unseren Abendmahlstisch wieder reich ge-schmückt und be-stückt.
Warum soll man da jetzt über das Fasten nachdenken?
Andererseits:
Ohne reiche Ernte gibt es kein wirkliches Fasten, denn eine wirklich schlechte Ernte bedeutet Hungern, und Hungern und Fasten sind beileibe nicht dasselbe.
Also lasst uns mal schauen, was das Nachdenken über das Fasten uns am Erntedanksonntag einbringen kann.
Die von Jesaja überbrachten Gottesworte lassen ja an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig:
„Wenn ihr fastet, hadert und zankt ihr und schlagt mit gottloser Faust drein… Soll das ein Fasten sein, an dem ich Gefallen habe, ein Tag, an dem man sich kasteit oder seinen Kopf hängen lässt wie Schilf und in Sack und Asche sich bettet? Wollt ihr das ein Fasten nennen …?“
Das sagt uns zumindest zweierlei:
Das Klima beim Fasten war angespannt, es war sogar gereizt. Es gereichte nicht zum Guten, sondern zum „gottlosen Dreinschlagen“ mit der Faust.
Das bringt uns zum Zweiten:
Es geht hier nicht um Heilfasten, auch nicht darum, dass jemand ein paar Kilo abnehmen müsste. Es geht um religiös motiviertes Fasten: Ein Fasten, was den Menschen von der Welt entfernen und näher zu Gott bringen soll.
Und gerade das ist vollkommen gescheitert, wie man den folgenden Gottesforderungen entnehmen kann:
„Ist nicht DAS ein Fasten, an dem ich Gefallen habe:
Lass los, die du mit Unrecht gebunden hast, lass ledig, auf die du das Joch gelegt hast! Gib frei, die du bedrückst, reiß jedes Joch weg!
Heißt das nicht: Brich dem Hungrigen dein Brot, und die im Elend ohne Obdach sind, führe ins Haus! Wenn du einen nackt siehst, so kleide ihn, und entzieh dich nicht deinem Fleisch und Blut!?“
Wohin Gott in seinem Volk auch sieht: Unrecht, Unterdrückung, Hunger, zum Himmel schreiende Armut – und das in einer Gesellschaft, die ganz offenbar so wohlhabend ist, dass sie sich das Fasten leisten kann. Zur Erinnerung: Fasten kann nur jemand, der weder Hunger, Obdachlosigkeit oder Armut erleiden muss.
Gott kann vielmehr von seinem Volk ein ethisch untadeliges Verhalten erwarten:
„Brich dem Hungrigen dein Brot, und die im Elend ohne Obdach sind, führe ins Haus! Wenn du einen nackt siehst, so kleide ihn, und entzieh dich nicht deinem Fleisch und Blut!“
Und Jesaja selbst fügt dem noch hinzu:
„Wenn du in deiner Mitte niemand unterjochst und nicht mit Fingern zeigst und nicht übel redest…“
„Wenn du in deiner Mitte niemanden unterjochst“ –
falls das vorhin jemand falsch verstanden haben sollte: Es geht nicht um das Joch von Ochsen oder um das ach so schwere Joch des Lebens, das der Eine oder die Andere für sich selbst verspüren sollte.
Nein, es geht um die Unterdrückung von anderen Menschen zum eigenen Vorteil!
„Und nicht mit Fingern zeigst“ –
mit dem Finger auf andere Leute zeigen, mit dem Finger drohen, „den Finger zeigen“, wie es da wörtlich steht (und was heute wohl jeden unter uns an den strafbar gezeigten Mittelfinger erinnert).
Es geht darum, anderen Fehler vorzuwerfen, sie anzugehen, zu vorzuführen, und die eigenen Hände in Unschuld zu waschen.
„Und nicht übel redest“ – ganz offen oder gar hinter dem Rücken über andere herziehen, sie schlecht machen, sich über sie zu erheben oder sie zu verspotten,
darum geht es hier.
Fasten bei fortwährender Unmenschlichkeit:
In Unterdrückung, in Hohn, in Spott.
Daran ist kein gutes Haar. Das spaltet die Gesellschaft, das schreibt Unterdrückung und Ausbeutung fest, das ruiniert den gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Das ist kein gottgewolltes Fasten, das missbraucht den Namen Gottes, das ist reine Heuchelei.
Doch warum sollen wir das heute hören?
Sollen wir uns lediglich daran erinnern lassen, dass sich an himmelschreiender Ungerechtigkeit auf dieser Welt durch die Jahrtausende hindurch so gut wie nichts geändert hat?
Dass auch Jesus mit seinem Gebot der Liebe zu Gott, dem Nächsten und sich selbst nichts daran ändern konnte? Dass die meisten Forderungen der Bauern, die sie vor genau 500 Jahren im Deutschen Bauernkrieg erhoben haben, bis heute kaum etwas von ihrer Brisanz verloren habe, wenn es um die große „Beschwernis des Nächsten“ (Memminger Artikel 12), also um unmenschliches Joch geht?
Erntedankfest ist kein Erntefest wie andere.
Hier bei uns geht es um den Dank, den Dank Gott gegenüber, dem wir diese Ernte, diese Welt, unser Leben verdanken, also unsere gesamte Lebensernte.
Und auch wenn wir heute nicht fasten:
Es geht uns nicht anders wie den Fastenden darum, dass wir von Gott GEHÖRT werden, dass unser Dank bei ihm ANKOMMT.
DARUM sind wir hier in einer Kirche zusammen.
Gott soll nicht einfach vorgeführt bekommen, was wir alles geschafft haben oder uns leisten können. Gott soll unseren DANK hören, zur Kenntnis nehmen.
Wir sind ganz genau wie die Fastenden damals auch heute hier, damit unsere „Stimme in der Höhe gehört werden soll“ , wie es im Anfangsvers (4) unseres Textes heißt.
Wir müssen also im übertragenen Sinn herausbekommen, welches Begriffspaar wir eigentlich mit Gott zusammendenken müssten, damit wir der Wahrheit Gottes näher kommen. So wie wir der Wahrheit des Lichtes näher kommen, wenn wir an den Schatten denken.
Meine Schwestern, meine Brüder:
Jesaja führt uns vor Augen, dass kein Mensch GOTT näher kommen kann, ohne den MENSCHEN Gottes nahe sein zu wollen.
Wer Gott nah kommen will, muss „den Hungrigen sein Herz finden lassen“ – Vers 10.
Wer also Gott danken will, muss auch seinen Menschen danken wollen.
Denn das Leben auf dieser Erde gibt es nur als GEMEINSAMES Leben. Jedes Korn, jedes Brot, die Weintrauben und der Kohl, die Möhren, Äpfel, Kartoffeln oder Südfrüchte und Kaffee erinnern uns: All das gibt es nur, weil wir NICHT allein, NICHT nur für uns selbst auf dieser Erde leben.
Mit der Dankbarkeit gegenüber Gott für alles, was wir zum Leben brauchen, MUSS sich also die Dankbarkeit für Gottes Menschen verbinden – denn das, wir zum Leben brauchen, gibt zum allergrößten Teil durch die Hand anderer Menschen.
Dann wird Gott unsere Dankbarkeit auch wahrnehmen.
UND Jesaja lässt uns erkennen:
Wenn wir UNSEREN Durst und Hunger nach Gerechtigkeit auch die ANDEREN Menschen sehen und spüren lassen würden, dann würde Gerechtigkeit vor unserem Lebenszug herziehen –
und Gott selbst würde unseren Lebenszug beschließen.
Gott würde uns also den Rücken frei halten, so dass wir beherzt und frei leben könnten. Und wenn wir uns nach ihm umdrehen würden, also in unsere Vergangenheit hineinsehen, dann würden wir auch erkennen, wie Gott unser Leben begleitet hat.
Also:
Wer Gott als Licht des Lebens denken will,
muss den Menschen als Gottes Schatten denken.
Wer Gott nahe kommen will,
muss den Menschen nahe kommen wollen und sie endlich als Gottes Ebenbild erkennen.
Wer Gott danken will,
muss auch den Menschen danken können.
Wer Gottes Gerechtigkeit näher kommen will,
muss für die Gerechtigkeit auf dieser Welt eintreten.
Der Prophet aus der Urzeit lässt uns heute zu Erntedank erkennen, dass all das zusammenwachsen muss,
weil es zusammengehört.
Wir finden unser Heil im Dank zur Ehre Gottes.
„Dann wird dein Licht hervorbrechen wie die Morgenröte, und deine Heilung wird schnell voranschreiten… der HERR wird dich immerdar führen und dich sättigen in der Dürre und dein Gebein stärken. Und du wirst sein wie ein bewässerter Garten und wie eine Wasserquelle, der es nie an Wasser fehlt.“
Die Liebe Gottes,
die Gnade unseres Herrn Jesus Christus
und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes
werden uns dahin führen.
Amen.
EG 418
1. Brich dem Hungrigen dein Brot.
Die im Elend wandern,
führe in dein Haus hinein;
trag die La-ast der andern.
2. Brich dem Hungrigen dein Brot;
du hast’s auch empfangen.
Denen, die in Angst und Not,
stille A-angst und Bangen.
3. Der da ist des Lebens Brot,
will sich täglich geben,
tritt hinein in unsre Not,
wird des Le- bens Leben.
4. Dank sei dir, Herr Jesu Christ,
dass wir dich noch haben
und dass du gekommen bist,
Leib und Se- el zu laben.
5. Brich uns Hungrigen dein Brot,
Sündern wie den Frommen,
und hilf, dass an deinen Tisch
wir einst al- le kommen.