Die Macht der Bilder (Mt 13 44-46)

Unseren kompletten Gottesdienst am 9. Sonntag nach Trinitatis zum Nachhören finden Sie für vier Wochen hier.

Was ist wichtig in meinem Leben,
was nicht?
Was ist wirklich wertvoll,
wo scheint es nur so?
Wie halte ich es mit dem,
was ich habe oder was ich kann?
Besitze ich, als wenn es mir GEHÖRTE
oder habe ich, so dass ich es VERWALTE?
BESITZE ich die Liebe Gottes
oder VERWALTE ich sie als treuer Knecht?

Wem viel gegeben ist,
bei dem wird man viel suchen;
und wem viel anvertraut ist,
von dem wird man um so mehr fordern.
Lukas 12,48
***
Ich mache das ja wirklich selten. Ich erinnere mich konkret eigentlich nur an zwei Gelegenheiten, dass ich es gemacht habe. Was heißt eigentlich gemacht, eher versucht. Und diese beiden Versuche sind bei einigen, mit denen ich es versucht habe, sagen wir mal: Nicht sonderlich gut angekommen.

Worum es geht? Ich habe den Predigttext nicht am Anfang oder gleich nach einer Einleitung, sondern fast oder ganz am Schluss vorgelesen. Weil ich ihn mir als Antwort auf die Fragen gedacht hatte, die ich während der Predigt gestellt und entwickelt habe.

Eigentlich ein Plan, der in Ordnung geht. Nur: Ich habe dabei die Rechnung ohne den Wirt gemacht, also nicht mit der Erwartung einiger derer gerechnet, die mir zuhörten.

Die nämlich fragten sich: Über welchen Bibeltext redet der da eigentlich? Hat er das schon gesagt? Hab ich nicht richtig aufgepasst, hab ich was überhört? Oder kommt der noch irgendwann?

Und über dieses Sichselbstfragen konnten sie mir gar nicht mehr richtig zuhören. Um diesem Problem aus dem Weg zu gehen sage ich es lieber gleich: Ich lese den Bibeltext zu dieser Predigt heute ganz zum Schluss.

Heute geht nämlich es um die Macht der Gleichnisse. Und wenn es um ihre Macht geht, natürlich auch um ihre Ohnmacht. Denn Gleichnisse können vieles zeigen, aber sie halten auch vieles verborgen, sie wecken viele Fragen und beantworten nur wenige.

Auch mit den Gleichnissen Jesu ist das nicht anders. Er soll ja nach allem, was wir über ihn wissen, ein Meister des Erzählens gewesen sein. Das stand früher hoch im Kurs. Als es noch keinen Strom aus der Steckdose gab. Also weder Radio, Fernsehen oder Internet. Ja, es gab noch nicht einmal Bücher oder Zeitungen und Zeitschriften. Da war das Erzählen noch viel beliebter, wohl auch nötiger als heute.

Erzählen – wer kann das eigentlich noch? Viele haben es nicht mehr gelernt. Das liegt natürlich auch daran, dass es ja Leute geben muss, die Erzählungen HÖREN wollen. Aber die meisten um uns herum sehen heutzutage lieber fern oder hören Radio, genießen also die Profi-Erzähler, die nicht mehr am Lagerfeuer sitzen müssen, sondern durch die Errungenschaften der Technik ein Millionenpublikum erreichen können.

Jesus aber hatte aber auch schon ohne moderne Technik ein großes Publikum als Erzähler. Viele meinen, er hätte dabei das Gleichnis als Erzählform zur Vollendung gebracht, wenn nicht gar erfunden. Seine Zuhörer haben seine Gleichnisse so sehr bewegt, dass sie sie aufgeschrieben haben. Und wenn wir heute über zwei von ihnen nachdenken, die nur bei Matthäus überliefert, sind wir damit der ursprünglichen Verkündigung Jesu wohl sehr nah.

Ich will es zu Beginn dieser Predigt auch mal mit dem Erzählen versuchen und dieses Doppelgleichnis über das Himmelreich nacherzählen.

Die erste Geschichte:
Ein Landarbeiter arbeitet wie gewöhnlich auf einem Acker. Er gehört ihm nicht. Er steht in Lohn und Brot. Gesät hat er schon – nun will er den Samen unterpflügen, so war das damals üblich.
Der hölzerne Pflug geht im steinigen Boden schwer. Hart ist diese Arbeit. Viel Schweiß fließt dafür, dass man überleben kann. Gern macht er diese Arbeit sicher nur selten.

Da bleibt der Pflug hängen. Schon wieder ein großer Stein, denkt der Landarbeiter, und wird wohl leise oder gar laut geflucht haben. Denn nun muss er die Erde beiseite schaufeln – mit den bloßen Händen. Aber da ist kein Stein. Er traut seinen Augen nicht: ein verschlossener Krug.

Immer wieder wurden Krüge in den Äckern vergraben angesichts drohender Kriegsgefahren. Wie oft war darüber abends im Gasthaus geredet worden – mancher soll es selbst erlebt haben, aber alle hatten davon gehört. Er gräbt weiter. Schwer kommt der Krug frei. Sein Gewicht ist beträchtlich. Der Landarbeiter öffnet aufgeregt den Verschluss und verliert beinahe das Bewusstsein: Ein Schatz, vielleicht Schmuckstücke aus purem Gold und Edelsteinen.

Er blickt sich um. Niemand hat ihn gesehen. Er verschließt den Krug und gibt ihn vorsichtig wieder in sein Versteck, füllt Erde darüber, glättet die Fundstelle. Vor Aufregung kann er kaum gerade gehen. Die Furche, die er nun bis zum Feierabend zieht, wird krumm, weil er nicht bei der Sache ist. Denn er überschlägt in Gedanken seine finanziellen Möglichkeiten.

Dann geht er zum Eigentümer des Ackers: Du, der steinige Acker, auf dem ich für dich arbeite, ich will ihn dir abkaufen. Ich will ihn mir herrichten. Alles, was er hat, muss er hergeben, um diesen Acker zu bekommen.

Der Acker wechselt so den Besitzer – und unbändige Freude erfüllt den Landarbeiter: Der Schatz ist jetzt sein Schatz, das Kostbarste, was er je besitzen wird.

Die zweite Geschichte:
Ein Kaufmann geht seiner Tätigkeit nach. Er muss wohlhabend sein, denn er kauft und verkauft Perlen. Sein Blick ist im Laufe der Jahre geschult. Schnell ist da die Güte einer Perle ausgemacht, ihr Preis festgelegt. Er ist routiniert, versteht sein Geschäft.

Über die sagenhafte Perle, die besonders wertvolle, unterhalten sich die Perlenhändler abends, wenn sie beim Wein zusammensitzen. Sie alle können die kostbarste Perle mit zärtlichen Worten beschreiben. Keiner von ihnen hat aber je eine solche Perle in den Händen gehabt. Aber im Hörensagen sind sie alle dabei.

Ein neuer Tag bricht an. Der Kaufmann sucht den nächsten Basar auf. Mit seinem Zeigefinger fährt er über die Perlen. Spricht dabei mit den Händlern. Prüft die Rundung, die Reinheit, die Größe. Plötzlich ist ihm, als ob in seinem Kopf eine Sonne explodiert. Denn was er da fühlt und sieht, ist unbeschreiblich. Diese Perle übertrifft alles.

Er müht sich um Beherrschung. „Was willst du für diese da haben?“ Der Preis ist zweifelsohne hoch, aber immerhin will der Andere die Perle verkaufen. Sie werden handelseinig. Der Kaufmann wird dafür all seinen Besitz, auch seine anderen Perlen verkaufen müssen. Aber er wird dafür diese eine erhalten.
Das ist der schönste Tag seines Lebens: Diese Perle ist jetzt seine Perle, und er weiß: Sie ist das Kostbarste, was er je besitzen wird.

Dein Reich komme.
So beten wir im Unservater, manche von uns täglich. Aber wie soll man sich nun dieses Reich vorstellen? Wie den Schatz im Acker? Oder die kostbare Perle? Fragen und Bedenken stellen sich in mir ein, je länger ich nachdenke, desto mehr werden es.

Mir fällt zuerst ein: Mein Bruder bekam zu seiner Konfirmation von seiner Patentante eine alte, goldene Taschenuhr. Seine Freude darüber hielt sich aber sehr in Grenzen.

Was sollte er denn damit anfangen? Ja, sie war schön. Aber in der Schule hätte man ihn damit ausgelacht, man trug Armbanduhren. Es kamen gerade Quarzuhren mit Digitalanzeigen und eingebautem Rechner und Wecker in Mode – aber keine Sprungdeckeluhr mit Kette, die einem gar noch die Hose runterzog und die Tasche ausbeulte.

Treffen diese Bilder Jesu unsere Realität? Hätte Jesus für uns dieses Gleichnis nicht anders erzählen müssen, vielleicht so wie ich es kürzlich in einer Zeitung las:

Glückspilz bekam versehentlich eine Million. Berichtet wurde von einem Lotto spielenden Engländer, der einen zweiten Tippschein mit seinen Standartzahlen abgab, weil er vergessen hatte, dass er schon einen abgegeben hatte. Fünf Gewinner mussten sich den Jackpot teilen, jeder bekam eine gute halbe Million. Englische Pfund immerhin. Unser Glückspilz aber fand seinen zweiten Schein ein paar Wochen später in seiner Hosentasche. Er war selbst Zwei von den Fünfen und bekam so seine zweite halbe Million.

Das wäre ein eher Schatz, mit dem Leute heute etwas anfangen könnten. Von dem würde mancher gar noch ein paar tausend Euro für die Erhaltung Orgel an die Kirchengemeinde spenden.

Ein weiterer Zweifel: Müssen mir eigentlich kleine Schurken erklären, wie das Himmelreich aussieht? Denn der Feldarbeiter hat den Vorbesitzer des Ackers mit Sicherheit übervorteilt. Sicher, der wusste nichts vom Schatz und vermisste ihn darum nicht, ahnte nichts von seinem Glück. Doch der Landarbeiter wusste das und sagte ihm nichts. Sind das also die neuen Regeln im Gottesreich?

Und dann: Ist es nicht völlig lebensfremd, wenn der Perlenhändler alles weggibt, nur um diese Perle zu besitzen? Die kann er doch nicht essen, wovon soll er nun leben? Der Landarbeiter hätte ja wenigstens weiter arbeiten können und seinen Lohn bekommen. Doch wie hätte dieser Perlenhändler jetzt noch seinem Beruf nachkommen sollen? Was will Jesus also damit sagen?

Meine Schwestern, meine Brüder,

ihr merkt: Gott schenkt uns Freiheit.
Er schenkt sie uns sogar dazu, unseren Kopf dazu zu benutzen, die Gleichnisse über das Himmelreich nicht nur zu hören, sondern auch kritisch zu hinterfragen. Alle Fragen, alle Bedenken nicht nur leise für sich zu denken, sondern auch laut zu äußern. Nichts müssen wir mit uns selbst ausmachen, alles können wir offen aussprechen, es diskutieren.

Jesus aber nimmt SICH die Freiheit, der Macht der Bilder, die er nutzt, zu trauen. Und das hat einen guten Grund: Das Reich Gottes ist nämlich nicht ein Reich irgendwelcher Menschen.

Jesus weiß, dass DIESES Reich alles verändern wird, was unsere Welt ausmacht, ALLES, was unser Leben bestimmt und in Fesseln zu halten sucht. Das Reich der Himmel ist Gegenstand und Ziel der Hoffnung, die ein Leben schenkt, das wahrhaft gerecht ist: Also auf Gott und sein Wort ausgerichtet. Es ist kein Reich dieser Welt.

Es ist also auch mit NICHTS von all dem zu vergleichen, was wir hier sehen und begreifen, wofür wir je die richtigen Worte finden, die richtigen Gedanken denken könnten.

Denn Gott selbst wird sein Reich selbst schaffen und vollenden.
Einen „Prospekt“, eine Werbebroschüre wie für einen Urlaub am anderen Ende der Welt, wird es für das Gottesreich nicht geben. Denn in seinem Reich geht es eben nicht einfach nur darum, den eigenen Wohlstand, die glänzende Fülle weltlichen Besitzstandes zu vermehren, alles fairer zu verteilen. Weder mit dem Schatz im Acker noch der kostbare Perle könnte man das erreichen.

Es geht vielmehr um das Glück des Augenblickes, das den Unterschied zwischen Schweißperlen und Perlen für sich erkennt.
Das Glück des unverhofften Findens, das spürt: Hier ist etwas ganz Großes. Größer, als wir alle zusammen je denken können. Auch das steckt in diesen Gleichnissen.

Schweißperlen kennen wir alle. Sie entstehen nur selten freiwillig im Firnesscenter. Sie entstehen, wenn Menschen sich krumm machen, weil sie überleben müssen.

Perlen aber sind so nicht zu machen. Sie sind ein Geschenk einer Muschel. Man findet sie nur mit Glück, NICHT wenn man es erzwingen will. Sie bekommen ihren Wert in dem Augenblick, wenn man die eine Muschel unter den Millionen anderen findet.

Dieses Finden: Das ist der Augenblick höchster Freude, die ein Mensch erleben kann. So wird das Himmelreich sein:
Kein Ärger über Schweißperlen, sondern Freude über die schönste Perle, die diese Welt je gesehen hat.

Das ist ein Augenblick, der keinen Ärger kennt: Keinen Ärger über die Ruinen und Höllen dieser Welt, keinen Ärger über sich selbst oder sich überschätzende Menschen, die ihre Macht gegenüber anderen ausspielen und missbrauchen, keinen Ärger über jedwelche Unzulänglichkeit dieses Lebens.

Jesus zeigt uns, dass wir auch die Freiheit haben, der Macht der Bilder über das Himmelreich zu trauen. Und darum hält er auch keine lange Malte-Predigt, sondern fasst sich in nur ZWEI Sätzen kurz, und jetzt lese ich die drei Verse des Predigttextes aus Mt 13 ab Vers 44:

44 Das Himmelreich gleicht einem Schatz, verborgen im Acker, den ein Mensch fand und verbarg; und in seiner Freude geht er hin und verkauft alles, was er hat, und kauft den Acker.
45 Wiederum gleicht das Himmelreich einem Kaufmann, der gute Perlen suchte, 46 und da er eine kostbare Perle fand, ging er hin und verkaufte alles, was er hatte, und kaufte sie.

Die Liebe Gottes, die Gnade unseres Herrn Jesus Christus
und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes
schenken auch uns die Freiheit,
der Macht dieser Bilder zu vertrauen:

Gottes Reich der Himmel ändert alles,
auch unser Leben.
AMEN

EG 360 Mel 2

1. Die ganze Welt hast du uns überlassen,
doch wir begreifen deine Großmut nicht.
Du gibst uns frei, wir laufen eigne Wege
in diesem unermesslich weiten Raum.

Kehrvers
Gott schenkt Freiheit,
seine größte Gabe gibt er seinen Kindern.

2. Du lässt in deiner Liebe uns gewähren.
Dein Name ist unendliche Geduld.
Und wir sind frei: zu hoffen und zu glauben,
und wir sind frei zu Trotz und Widerstand.

3. Wir wollen leben und uns selbst behaupten.
Doch deine Freiheit setzen wir aufs Spiel.
Nach unserm Willen soll die Welt sich ordnen.
Wir bauen selbstgerecht den Turm der Zeit.

4. Wir richten Mauern auf, wir setzen Grenzen
und wohnen hinter Gittern unsrer Angst.
Wir sind nur Menschen, die sich fürchten können,
wir brachten selbst uns in Gefangenschaft.

5. Wenn du uns richtest, Herr, sind wir verloren.
Auf unsern Schultern lastet schwere Schuld.
Lass deine Gnade, Herr, vor Recht ergehen;
von gestern und von morgen sprich uns los.

6. Gib uns die Wege frei, die zu dir führen,
denn uns verlangt nach deinem guten Wort.
Du machst uns frei, zu lieben und zu hoffen,
das gibt uns Zuversicht für jeden Tag.

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