Den gesamten Gottesdienst zum Nachhören finden Sie für vierzehn Tage hier.
Sehnsucht / ich will raus /aus diesem Leben
in wem steckt er nicht, dieser Schrei
raus aus dem Alltag
seinen Regeln
seinen Unveränderlichkeiten
seiner Ungerechtigkeit
seiner Kälte
Gott ist Leben
in dieser Zeit und in Ewigkeit
Das geknickte Rohr wird er nicht zerbrechen
und den glimmenden Docht wird er nicht auslöschen.
Jesaja 42,3
***
DIE Wende des Lebens.
Wo alles auf „Null“ gestellt wird, man also ganz neu beginnen kann. Naja, vielleicht nicht ganz alles. Also diesen Stress beim Geborenwerden – den braucht kein Mensch. Diese unendlichen langen Minuten, manchmal Stunden zu Beginn des Lebens, wo man aus dem warmen Dunkel in das kalte Grelle dieser Welt muss.
Und wenn ich weiter nachdenke – ZURÜCK möchte ich das Meiste nicht. Die erste Schulzeit nicht, wo ich keine Freunde hatte und kaum ein Tag ohne Hänseleien oder gar körperliche Übergriffe abging, weil ich immer der Dicke war. Selbst die von allen immer hochgepriesene Studienzeit möchte ich nicht zurück, zumal ich viele Nächte vor Prüfungsangst nicht schlafen konnte.
Aber so eine RICHTIGE Wende, durch die alles, was auf dieser Welt für die meisten Menschen völlig schräg läuft, ja ihr Leben dunkel und unerträglich macht, sich ändert – die wünsche ich mir sehr. Und ich glaube, dass sie sich die anderen Menschen um mich herum auch wünschen.
Eine Wende als Ende:
Ende von Hunger, Seuchen und Verelendung von fest einer Milliarde Menschen auf dieser Welt;
Ende von Ausgrenzung, Mobbing oder Übervorteilung;
Ende von Übergriffigkeiten, Hetzereien hinter dem Rücken oder ganz offen zur Schau getragenem Rassismus;
Ende von Terror, Gewalt und Tyrannei;
Ende der fortwährenden Zerstörung unserer Welt durch Profitinteressen oder das fortgesetzte private Fehlverhalten, Tierquälereien hinter dem Gartenzaun oder in Massenviehhaltung:
Eine Wende als Ende von all dem will wohl jeder Mensch.
Jedoch, wenn ich DA noch weiterdenke, geht mir auf:
Nicht JEDER Mensch wird sie sich wünscht sie die Wende als Ende. Menschen wie Putin zum Beispiel sicher ganz und gar nicht. Es läuft doch in diesem Leben offenbar alles Bestens für ihn.
Sollte ihm jetzt noch einer seiner Oligarchen-Freunde zu dicht auf die Pelle rücken, wird denen einfallen, dass Söldnerführer und Kurzputschist Prigoschin samt seinem Stellvertreter am vergangenen Mittwoch ganz zufällig mit seinem Flugzeug dicht bei Moskau senkrecht vom Himmel fiel. Oder gefallen sein soll. Überlebende gab es nicht, und wer will schon so enden?
Putin lässt einfach seinen Kreml-Sprecher Peskow erklären, dass die Verwicklung der russischen Führung in diesen Absturz „eine absolute Lüge“ sei und geht zur Tagesordnung über. Die lange Namensliste, auf der die bekanntesten wohl
Anna Politkowskaja
Alexander Litwinenko
Boris Beresowski
und Boris Nemzow sind.
ist einfach nur um einen Namen länger geworden.
Eine Wende als Ende aller Verachtung von Tieren, Menschen und Umwelt: Menschen wir ihn interessiert eine solche Welt überhaupt nicht. Aber die große Mehrheit der Menschen will sie nicht nur, sondern sie sehnt sich danach.
Nicht so eine kleine Wende wie die 1989 in Deutschland. Obwohl selbst die schon unglaublich, kaum zu fassen war. Denn aller Euphorie folgte sehr bald Ernüchterung.
Der Befreiung folgte das anstrengende Leben in Freiheit. Was für die einen eine fallende Grenze war, wurde für die anderen zur Ausgrenzung. Was für die einen das Ende eines Unrechtsstaates ist, bewahren die anderen in Ostalgie: Es war nicht alles schlecht in der DDR. Manches war sogar besser. Die Wende in Deutschland liefert uns sehr schwer Verdauliches, was uns bis zum heutigen Tag quer im Magen liegt.
Solche Wenden unserer Welt-Geschichte lassen immer Gewinner, aber auch viele andere zurück, die sich als Verlierer fühlen oder es tatsächlich sind. Diese Wenden machen das Leben für die einen besser, für andere schlechter. Sie sind nie einfach eine Neuorientierung in die endgültig richtige Richtung. Selbst die einfachen Wende-Manöver beim Segeln sind das nicht.
Doch der Traum von der Wende als Ende allen Unrechts auf dieser Welt – er IST mein Traum und bleibt es wohl. Und ganz sicher ist er nicht nur MEIN Traum.
Schon vor weit über zweitausend Jahren schreibt Jesaja von einer solchen Wende. In Kap. 29 (17-24) kann man lesen:
17 Wohlan, es ist noch eine kleine Weile, so soll der Libanon fruchtbares Land werden, und was jetzt fruchtbares Land ist, soll wie ein Wald werden.
18 Zu der Zeit werden die Tauben hören die Worte des Buches, und die Augen der Blinden werden aus Dunkel und Finsternis sehen;
19 und die Elenden werden wieder Freude haben am HERRN, und die Ärmsten unter den Menschen werden fröhlich sein in dem Heiligen Israels.
20 Denn es wird ein Ende haben mit den Tyrannen und mit den Spöttern aus sein, und es werden vertilgt werden alle, die darauf aus sind, Unheil anzurichten,
21 welche die Leute schuldig sprechen vor Gericht und stellen dem nach, der sie zurechtweist im Tor, und beugen durch Lügen das Recht des Unschuldigen
22 Darum spricht der HERR, der Abraham erlöst hat, zum Hause Jakob: Jakob soll nicht mehr beschämt dastehen, und sein Antlitz soll nicht mehr erblassen.
23 Denn wenn sie sehen werden die Werke meiner Hände – ihre Kinder – in ihrer Mitte, werden sie meinen Namen heiligen; sie werden den Heiligen Jakobs heiligen und den Gott Israels fürchten.
24 Und die, welche irren in ihrem Geist, werden Verstand annehmen, und die, welche murren, werden sich belehren lassen.
18 Zu der Zeit werden die Tauben hören die Worte des Buches, und die Augen der Blinden werden aus Dunkel und Finsternis sehen.
Eine unfassbare Wende:
Menschen, die von Geburt an keine Töne kennen, oder solche, die einfach nicht auf gute Argumente hören WOLLEN:
Sie ALLE – werden HÖREN. „Worte des Buches“- Gottes Wort. Die Zeit der Tonlosigkeit oder Miss- Töne findet ein Ende, die Zeit der Freude für alle wird kommen.
WIE SEHR wird solche Ende-Wende DIE erfreuen, die ihr Gegenüber nur noch an der Stimme erkennt und Lieder nur mitsingen kann, weil sie die aus besseren Zeiten noch auswendig kann.
Oder DEM, dem die Diabetes so zusetzt, dass er eine Netzhaut-Laserung nach der anderen überstehen muss. Er geht darum gar nicht mehr in die Kirche sondern bleibt daheim beim Radiogottesdienst. Den aber hört er allein, weil seine Frau nicht mehr lebt und seine Kinder ihr eigenes Leben leben.
Sie UND er – beide würden doch alles geben, jetzt schon zu sehen und zu hören.
„Denn es wird ein Ende haben mit den Tyrannen und mit den Spöttern aus sein.“
Das trifft die großen und kleinen Tyrannen dieser Welt, von denen wir Wochen für Woche in den Nachrichten die Schreckensmeldungen über Terrorismus, Krieg und Völkermord zu hören bekommen. An Tyrannen mangelt es einfach nie auf dieser Erde. Wie schön wäre es, wenn den Tyrannen endlich das Handwerk gelegt werden könnte. Oder, was NOCH besser wäre: Das sie von ihrem Tun aus ÜBERZEUGUNG ablassen und sich selbst wenden würden.
Und die SPÖTTER belasten das Leben mehr, als Menschen oft wahrnehmen. Vielleicht, weil Menschen gerne lachen. Selbst über schlechte Witze. Doch wer mit Spott, mit Häme über andere herzieht, belastet den Frieden aller.
Denn in vielen von denen, ÜBER die gelacht wird, wächst Zorn. Da werden Tabus gebrochen, Intimsphären verletzt. Spott gegen die Regierung, Spott gegen die Opposition, Spott gegen die Habenichtse, Spott gegen die Reichen, Spott gegen Unternehmer, Spott gegen die, die Arbeit suchen oder noch welche haben, Spott gegen schwache Schüler, Spott gegenüber den Strebern …
Übrig bleiben doch lauter Verspottete. Die einen, die so gerne lachen, dass sie es sogar ertragen, dass über sie gelacht wird. Die anderen, die das nicht ertragen und darunter leiden. Da wäre es doch wunderbar, wenn man OHNE Spott genug zu lachen hätte.
19 und die Elenden werden wieder Freude haben am HERRN, und die Ärmsten unter den Menschen werden fröhlich sein…
Nicht einmal, wenn die Tafel Lebensmittel verteilt, und sie verteilt sie kostenlos, haben die Elenden wirklich Freude, sind die Ärmsten wirklich fröhlich. Vor lauter Angst, wieder einmal zu kurz zu kommen, gibt es Gerangel, Geschubse und Gemecker. Wenn die „Elenden wieder Freude haben“ – dann wäre die Welt eine wirklich andere.
Und die, welche irren in ihrem Geist, werden Verstand annehmen, und die, welche murren, werden sich belehren lassen.
Wer irrt? Die, die dem Sozialismus nachtrauern oder die, die dem Markt Selbstheilungskräfte zutrauen? Irren sich die, die Abtreibungen verteufeln oder die, die „mein Bauch gehört mir“ rufen? Irren sich die, die die Ehe zwischen Mann und Frau als gottgewollt betrachten oder die, die Homsexualität ebenso gottgegeben akzeptieren?
Das Leben ist voller Verirrungen. Wenn sie einmal vorbei sein werden, die Irrungen und Wirrungen des Menschen, wird es eine große Klarheit geben, in der erkannt wird, was jetzt verkannt ist.
Es ist wesentlich leichter, den Verstand zu verlieren als ihn anzunehmen. Davon können all die unter uns ihr Trauerlied singen, die voller Sorge kein Auge mehr zutun können, OBWOHL sie WISSEN, dass das noch niemandem geholfen hat. Die sich nach einem völlig anderen Leben sehnen – obwohl sie auf dieser Welt nur von diesem einen Leben wissen können.
Wie wunderbar muss der Moment sein, wenn der Verstand „richtig“ funktioniert, das Schimpfen, Meckern und Nölen vorbei sein werden: In der das Murren DEM MOMENT weicht, an dem Sehen, Hören und Freude endgültig Oberhand gewinnen.
Meine Schwestern, meine Brüder:
Wie schön wäre es doch, wenn diese Jesaja-Wende eintreten würde.
Aber die „kleine Weile“, wie Luther übersetzt, ist ganz offenbar selbst nach über zweitausend Jahren noch nicht vorbei. Ja, bei Gott sind wohl tausend unserer Jahre bestenfalls ein Tag. Und dieses Zeitempfinden Gottes ist für uns Menschen offenbar ziemlich anstrengend.
Was soll dann die Rede über diese Ende-Wende? Über eine ganz andere Welt, nach der sich die meisten Menschen seit Jahrtausenden sehnen, die sie aber nicht erleben, solange diese Welt sich dreht? Hat hat sich Jesaja geirrt, sich am Ende selbst ver-irrt?
Die Bibel ist unsere „Heilige“ Schrift, weil dort Menschen über ihre Begegnungen mit und ihre Sicht auf Gott reden. Mit der Heiligen Schrift besitzen wir so etwas, was man heutzutage „Schwarmintelligenz“ bezeichnen würde: Wir wissen so nicht nur, was wir selbst von Gott erfahren haben oder über ihn denken. Sondern auch, was Menschen durch die Jahrtausende hindurch dachten.
Mit der Bibel in der Hand und im Herzen lernen wir, die Welt und die Menschen nicht nur durch unsere eigenen Augen zu betrachten. Sondern dass wir auch versuchen müssen, sie durch die Augen Gottes zu sehen.
Natürlich kann kein Mensch, die komplizierte Schöpfung und ihre nicht weniger komplizierten Geschöpfe zu begreifen, so wie Gotte das zweifelsohne kann, können MUSS, sonst wäre ja kein Gott.
So wird jeder unserer Blicke durch die Augen Gottes Stückwerk bleiben. Zum Beispiel der Blick auf die Schöpfung der Welt nach sprichwörtlichen sieben Tagen: Alles war sehr gut. MUSSTE sehr gut sein, denn es war ja GOTTES Werk.
Auch wenn wir nie begreifen werden, warum in diesem vollendeten Schöpfungswerk auch Geschöpfe wie Tyrannen, Spöttern und Heimtückischen leben. Oder auf der anderen Seite Menschen ohne Gottvertrauen, Menschen voller Angst, in Armut, mit kranken Leibern oder Seelen, ohne jede Freude an dieser Welt und all dem Schönen, das sie für uns bereit hält.
Darum reden Menschen in der Heiligen Schrift auch davon, dass all das den Glauben nicht sinnlos macht. Dass Gottes Wirken letztendlich auch all das beenden wird, was Lebensfreude und Gottvertrauen unmöglich macht.
Jesaja schafft uns so ein Bild von großer Schönheit. Jede und Jeder, der dieses Bild in sich aufnehmen kann, wird spüren: Die Ende-Wende Gottes ist so groß und so vollendet, dass sie all die Wenden, die wir erlebt haben oder erleben werden weit übertreffen wird.
Unsere Wenden hinterlassen Gewinner und Verlierer. Gottes Wende aber hinterlässt nur Gewinner. Das ist keine Vision eines Menschen. Das ist die Vision eines Gottes, der für Lebensfreude seiner Menschen sorgt. Selbst Wüsten werden zu fruchtbarem Land voller Leben und Schönheit. Gott bessert nicht aus. Gottes zukünftige Welt wird wirklich NEU sein.
Kommt diese Wende?
Sie kommt.
So sicher, wie Gott GOTT ist.
Wir werden es erleben:
Die Liebe Gottes,
die Gnade unseres Herrn Jesus Christus
und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes
werden sie schaffen, diese größte Wende Gottes.
AMEN