Die gute Schule (Mk 8 1-10)

Leben
wir können es nicht
kaufen oder schaffen
lebensWERT ist es nicht,
weil wir es LEISTEN

Leben ist Geschenk
wer denken kann
muss danken
GOTT SCHENKT ES
EINmal ganz am Anfang
und NEU an jedem Tag

Aller Augen warten auf dich,
und du gibst ihnen ihre Speise
zur rechten Zeit.
(Psalm 145,15)
***
Die Geschichte vom reichen Kornbauern. Der so gut geerntet hatte, dass er nicht wusste, wohin mit allem. Der dem Irrtum erlegen war, dass neue Scheunen seiner Seele Ruhe bringen würden.

„Du Narr! Noch diese Nacht wird man deine Seele von dir fordern, und wem wird dann gehören, was du dir angehäuft hast?“
Die Geschichte vom reichen Kornbauern:
Tagesevangelium am Erntedanktag.

Gewesen. Unsere neue Perikopenordnung sieht eine andere Evangelienlesung vor. Ein Text aus dem Evangelium nach Markus, der in der alten Ordnung an keinem Sonntag vorkam, auch nicht am Erntedanktag. Ich lese aus Kapitel 8 ab Vers 1:

Zu der Zeit, als wieder eine große Menge da war und sie nichts zu essen hatten, rief Jesus die Jünger zu sich und sprach zu ihnen:
2 Mich jammert das Volk, denn sie harren nun schon drei Tage bei mir aus und haben nichts zu essen.
3 Und wenn ich sie hungrig heimgehen ließe, würden sie auf dem Wege verschmachten;
denn einige sind von ferne gekommen.
4 Seine Jünger antworteten ihm: Woher nehmen wir Brot hier in der Einöde, dass wir sie sättigen?
5 Und er fragte sie:
Wie viele Brote habt ihr? Sie sprachen: Sieben.
6 Und er gebot dem Volk, sich auf die Erde zu lagern. Und er nahm die sieben Brote, dankte, brach sie und gab sie seinen Jüngern, dass sie sie austeilten, und sie teilten sie unter das Volk aus.
7 Sie hatten auch einige Fische; und er sprach den Segen darüber und ließ auch diese austeilen.
8 Und sie aßen und wurden satt. Und sie sammelten die übrigen Brocken auf, sieben Körbe voll.
9 Es waren aber etwa viertausend; und er ließ sie gehen.

Ja, meine Lieben: Wen reißt diese „Speisung der Viertausend“ eigentlich heute noch vom Hocker?

Die, die Gott nichts zutrauen, ohnehin nicht. Sieben Brote und einige Fische macht NACH der Speisung der Vielen noch sieben Körbe, gefüllt mit Resten: Das gibt es nur im Märchen. Und die Bibel wird zum Märchenbuch.

Andere haben ganz andere Dimensionen des Hungers und der Einöde im Kopf. Man denke nur an Moria auf Lesbos, wo vor dem Brand über 12.600 Menschen eingepfercht lebten. In einem Flüchtlingslager, das eigentlich nur für 2800 Personen ausgelegt war. Ohne Hoffnung auf baldiges Leben in Freiheit, und dann auch noch unter Corona-Quarantäne.

Oder nehmen wir mal ein richtiges Flüchtlingslager, denn die wirklich großen Lager liegen ja gar nicht in Europa.
Zum Beispiel Dschabaliya im Gaza Streifen. Da leben auf 1,4 Quadratkilometern 110.000 Menschen.
Zum Vergleich: Unsere Stadt Brandenburg hat mehr als 150 mal mehr Fläche, aber lange keine 100.000 Einwohner mehr.
Was also würde da die Jesus-Speisung von Viertausend nützen?

Die allerdings könnten wir hier in Deutschland ganz allein und ohne große Anstrengung regeln. Wir könnten gleich beide und noch andere Flüchtlingslager Jahr für Jahr versorgen.

Denn 18 Millionen Tonnen Lebensmittel landen laut einer WWF-Studie in Deutschland jährlich auf dem Müll. Das ist ein Drittel des aktuellen Nahrungsmittelverbrauchs für unsere 80 Millionen Einwohner, würde also rein rechnerisch für über 25 Millionen Flüchtlinge reichen. Und Lebensmittel wandern bei uns kaum in die Tonne, weil sie verdorben wären. In jeder Sekunde landen 313 Kilo in unsere Mülltonnen, Jahr für Jahr. Über 1000 Tonnen, allein während wir jetzt Gottesdienst feiern.

Für uns Deutsche müsste man das „Speisungswunder“ wahrscheinlich einfach mal ganz auf den Kopf stellen, so wie ich es kürzlich gelesen habe:

„Zu der Zeit, als wieder eine große Menge Essen da war und sie keine Hungrigen hatten, rief Jesus die Jünger zu sich und sprach zu ihnen: Mich jammert, dass die ganze Nahrung nun schon drei Tage bei uns ist, und wir haben keine Esser. Und wenn ich sie verderben ließe, würde alles weggeworfen.
Seine Jünger antworteten ihm: Woher nehmen wir Leute hier in der Einöden, dass wir sie sättigen?
Und er fragte sie: Wie viele Leute habt ihr?
Sie sprachen: Sieben.
Und er gebot den Leuten, sich auf die Erde zu lagern. Und er nahm die 4000 Brote, dankte, brach sie und gab sie seinen Jüngern, dass sie sie austeilten, und sie teilten sie unter den Leuten aus. Sie hatten auch einige Fische; und er sprach den Segen darüber und ließ auch diese austeilen.
Und sie aßen, und nichts blieb übrig. Und sie sammelten die übrigen Brocken auf, nur sieben Krümel. Und er ließ sie gehen.“

Ja, das wäre es, das Wunder, über das sich alle wundern würden. Oder wenn Jesus zu Beginn der Corona-Pandemie Toilettenpapier und Mehl für alle gehabt hätte, die in unseren Supermärkten vor den leeren Regalen standen.

Aber Markus geht es ja gar nicht zuerst um das augenscheinlich Wunderbare. Also dass die Speisung von viertausend Menschen mit sieben Broten und ein paar Fischen – viele Übersetzer sprechen sogar von KLEINEN Fischen – alle satt macht.

Sicher AUCH. Aber nicht ZUERST.
Zuerst geht es um Jesus, dessen Wort die Menschen so fesselt, dass sie auch weite Wege auf sich nehmen, um in seiner Nähe sein zu können.

Es geht um den Sohn Gottes, der diese Menschen nicht nur sieht, sondern der ihnen nahe ist, der einfühlsam MIT ihnen ist. „Mich jammert das Volk“ ist keine Höflichkeits-Floskel: Es ist die Erklärung der Liebe Jesu zu den Menschen, die sich da versammelt haben.

Er sieht sie nicht nur, wie sie ihm zuhören. Er fühlt mit ihnen, ist das, was wir heut gerne „empathisch“ nennen. Sie haben symbolische drei Tage mit ihm verbracht. Eine runde Lerngemeinschaft sind sie geworden, eng verbunden im Suchen, Fragen und Hören. „Der Mensch lebt nicht von Brot allein, sondern von allem, was aus dem Mund des Herrn geht“ (5. Mose 8,3).

Aber jetzt, NACH allem Suchen, Fragen und Hören, geht es ganz grundlegend um die Realität: Den Hunger. Noch bevor das Brot später zum Symbol des Abendmahls wird, ist es Symbol für alles, was wir zum Überleben brauchen: Tag für Tag.

Darum zeigt Jesus uns, dass GOTT es ist, der genau dafür sorgt. Der für uns sorgt.

Erstens lässt er uns erkennen, dass alle Logik des Habens ins Leere führt. „Wie viele Brote habt ihr?“, fragt Jesus die Jünger, heute fragt er uns. Dass auch unter uns der Letzte merkt, dass mit der Logik des „Was habe ich?“ nichts in Bewegung kommt. Denn sieben Brote und ein paar Fische sind und bleiben nichts auf so viele.

Nichts, aber gerade so doch alles: Nämlich sieben. Die Zahl der Vollkommenheit. Gott brauchte sieben Tage, um die Welt zu erschaffen und der Seele Ruhe zu geben. Und er braucht sieben Brote, um alle satt werden zu lassen. Und das geschieht durch seinen Segen.

Vielleicht bewirkt dieser Segen ja etwas, was Markus gar nicht erzählt:
Die Viertausend kramen nach und nach auch in der eigenen Tasche. Und entdecken: Da ist ja noch ein Stück Brot. Ich lege es zu den anderen dazu. Da habe ich auch noch einen getrockneten Fisch. Und mein Wasservorrat reicht auch für den kleinen Jungen dort drüben. Nach und nach öffnen sich Herzen und Beutel – und alle werden satt.

Vielleicht war es so, vielleicht ganz anders. Wir erfahren nichts über das Wie, denn es ist unwichtig. Wichtig ist das DASS. Sie werden satt, ALLE. Und gehen nach Hause: Gestärkt an Seele UND Leib.

Meine Schwestern, meine Brüder:

Erntedank ist uns Schule dafür, dass das Verhältnis zu Gott nur im DANK gut werden kann.

Egal, wie gut oder schlecht unsere Ernte in diesem Jahr war: Wir werfen täglich weg, was andere zum Leben brauchen. Egal, wie erfolgreich wir in diesem Jahr waren: Wir scheitern schon bei dem Versuch, Flüchtlinge in Europa gerecht zu verteilen, geschweige denn, ihnen menschliche Perspektiven zu eröffnen. Egal, wie perfekt wir im letzten Jahr waren, wir scheitern an Klopapier und Papiertüten für das Mehl.

Erntedank erinnert: Gott ist noch nie gescheitert. Er ist nicht gescheitert, als er unsere Mütter und Väter aus Ägypten befreite; er ist nicht gescheitert, als die Viertausend Hunger hatten; er ist nicht gescheitert, als uns Papier für Mehltüten knapp wurde.

Gott hat seine Menschen ins Leben geholt. Er hat sie in die Freiheit geführt. Er sieht ihre Sorgen und Bedürfnisse. Und schenkt ihnen alles, was sie brauchen: Für den Leib UND die Seele.

Er schenkt UNS alles, was wir brauchen:
Die Liebe Gottes, die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes.

Wir erfahren sie am Tisch des Herrn,
und sie bewahren auch unsere Leiber und Seelen,
so lang diese Welt sich dreht.
Uns bleibt da nur:
Der DANK. Für all den Segen, den Gott über uns ausschüttet.
AMEN

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