Der Engel (1 Kön 19 1-8)

Entscheidungen des Lebens
kosten
Kraft, Geld, Geduld, Tränen
Leben wird Last
bleischwer

es ist genug
Gottes Engel aber sagt
Was du zum Leben brauchst, ist hier
Sieh her
und dann nach vorn

Wer seine Hand an den Pflug legt
und sieht zurück,
der ist nicht geschickt für das Reich Gottes.
Lukas 9,62
***
„Wer seine Hand an den Pflug legt und sieht zurück, der ist nicht geschickt für das Reich Gottes.“
Sagt der Wochenspruch.
Von einem, der nicht mehr nach vorne sehen WOLLTE, weil ihm die Kraft dazu ausging, erzählt unser Predigttext. Ich lese aus dem 1. Buch der Könige, Kapitel 19:

1 Und Ahab sagte Isebel alles, was Elia getan hatte und wie er alle Propheten Baals mit dem Schwert umgebracht hatte.
2 Da sandte Isebel einen Boten zu Elia und ließ ihm sagen: Die Götter sollen mir dies und das tun, wenn ich nicht morgen um diese Zeit dir tue, wie du diesen getan hast!
3 Da fürchtete er sich, machte sich auf und lief um sein Leben und kam nach Beerscheba in Juda und ließ seinen Diener dort.
4 Er aber ging hin in die Wüste eine Tagereise weit und kam und setzte sich unter einen Ginster und wünschte sich zu sterben und sprach: Es ist genug, so nimm nun, HERR, meine Seele; ich bin nicht besser als meine Väter.
5 Und er legte sich hin und schlief unter dem Ginster. Und siehe, ein Engel rührte ihn an und sprach zu ihm: Steh auf und iss!
6 Und er sah sich um, und siehe, zu seinen Häupten lag ein geröstetes Brot und ein Krug mit Wasser. Und als er gegessen und getrunken hatte, legte er sich wieder schlafen.
7 Und der Engel des HERRN kam zum zweiten Mal wieder und rührte ihn an und sprach: Steh auf und iss! Denn du hast einen weiten Weg vor dir.
8 Und er stand auf und aß und trank und ging durch die Kraft der Speise vierzig Tage und vierzig Nächte bis zum Berg Gottes, dem Horeb.

Glauben Sie an Engel? Eine Umfrage, die ich kürzlich gelesen habe, stellt fest, dass weit über die Hälfte der Deutschen an Engel glauben.

Mein eigener Glaube an Engel hat sich mehrfach geändert. Zuerst war da ein Bild aus dem „Schild des Glaubens“, dieser Kinderbibel, die manche noch kennen werden. Da sah ich den Wächterengel mit flammendem Schwert vor dem Garten Eden, der dafür zu sorgen hatte, das Adam und Eva gefälligst im Schweiße ihres Angesichtes ihr Leben fristen mussten.

Also ein Bild für die Macht Gottes, seinen Willen durchzusetzen. Und da der Garten Eden vor mir und den anderen Menschen sicher zu sein schien, hielt ich diese Engels-Macht für ziemlich effektiv.

Als ich mit dem Studium begann, spielten Engel so gut wie keine Rolle mehr. Im Glaubensbekenntnis kommen sie ja nicht vor, darum erschienen sie mir nicht wichtig. Und in meinem Glaubensalltag kamen sie auch nicht vor, außer bei den Heerscharen bei den Hirten am heiligen Abend. Darum sortierte ich sie innerlich zur Seite.

Aber dann tauchten sie doch wieder auf, denn in der Bibel ist ja immer wieder einmal von ihnen die Rede. Doch ich dachte: Alles Mythologie, vielleicht auch Psychologie. Positive Kräfte im Inneren sollen mobilisiert werden, um Menschen in schwierigen Lebenssituationen zu unterstützen. Und dazu hatte ich damals keinen Zugang, vielleicht auch, weil ich meinte, selbst Engel nicht nötig zu haben.

Natürlich konnte ich etwas mit der Übersetzung des griechischen Wortes Angelos anfangen: Angelos, Engel heißt Bote, auf Gott bezogen Bote Gottes.

Und von denen begegnen einem ja eine Menge sehr menschlicher Wesen. Und ich meine nicht nur Menschen auf Kirchen-Kanzeln. Menschen, die auf irgend eine Weise von Gott erzählen, gibt es immer noch viele. Also gibt es sie in jedem Fall, die Engel, diese Post-Boten Gottes.

Im Laufe meiner Arbeit als Seelsorger habe ich aber gelernt, größer von Engeln zu denken. Als ich einen Jungen kennenlernte, der an Knochenkrebs starb. Der erzählte mir von seinem persönlichen Engel. „Ich seh’ ihn öfter, manchmal an jedem Tag. Er spricht mit mir, erzählt mir vieles. Darum hab ich keine Angst, ich freue mich aufs Paradies“, sagte er.

Auch seinen Eltern gab dieser Engel ihres Sohnes unerwartet Kraft, diese schwere Zeit zu überstehen. Sie reden heute noch von ihm, von dem Licht, dass er in ihrem kranken Sohn entfachte, und das er ausstrahlte, bis zuletzt.

Das war einer der Engel wie der, der Jesus im Garten Gethsemane an die Seite trat, um ihn zu stärken, wie man es in Lukas 22 nachlesen kann. Engel als überirdische Kraft Gottes, die Menschen in der letzten Not beistehen, sie an der Hand nehmen und schließlich auf dem letzten Weg in eine andere Welt begleiten.

So einen Todes-Engel hat sich wohl auch Elia gewünscht. Elia, der große Prophet. Dessen Name schon Programm war. Eli- Ja, mein Gott ist JHWH.

Elia, der EINZIGE Mensch, von dem die Bibel berichtet, dass er in den Himmel gefahren sei, ohne vorher gestorben zu sein. Diesbezüglich hat nicht einmal Jesus an Elia herangereicht. Aber das ist eine andere Geschichte.

Die Bücher der Könige aus dem ersten Teil unserer Bibel erzählen uns die Geschichte ihrer Zeit in einer Art, die uns modernen Menschen oft die Haare zu Berge stehen lässt. Menschen voller Gottesfurcht inmitten von Geschichten voller Intrigen, Machtspielereien und Massenmord. Himmel und Hölle sind hier untrennbar miteinander verwoben. Zeugnisse einer Zeit lange vor den modernen Maßstäben unserer Zivilisation.

Dass die Königsbücher auch Propagandaschriften für den Gott Israels sind, können und wollen sie nicht verbergen. Dabei zählen getötete Feinde vor allem nach Masse. Wie in alten Kriegswochenschauen. So darf und muss man heute historisch Zweifel anmelden an so manchem, was sie uns berichten.

Das betrifft auch die Eliaerzählungen. Auch in ihnen kommen Heilung und Predigt, Fundamentalismus und Massenmord zusammen. Ob beim „Gottesurteil auf dem Karmel“ tatsächlich viele hundert Priester des Baal einzig vom eifernden Propheten Elia ohne Gegenwehr sich haben umbringen lassen, darf getrost bezweifelt werden.

Ohne Zweifel aber kommt es geschichtlich zu handfesten religiösen Auseinandersetzungen beim Sesshaftwerden der Israeliten. Die Gefahr des Abfalls von JHWH, der bisher bei allen Auseinandersetzungen auf der Seite der Israeliten stand, wird von Tag zu Tag größer.

Denn Baal wird ein starker Konkurrent. Die Natur ist eine Macht, die jedem, auch jedem Israeliten, begegnet. Und Baal ist der Gott der Natur. Doch Elia setzt SEINEN Gott dagegen, der herrscht über alles Werden und Vergehen, auch über die Natur. Diesen hartnäckigen, und handgreiflichen Widerstand Elias lässt sich die Königin Isebel nicht länger gefallen. Sie droht dem Propheten mit dem Tod.

Und Elia weiß, dass Isebel die Macht dazu hat. Jetzt bekommt er Todesangst. Er macht sich auf. Kommt nach Beerscheba. Lässt seinen Diener dort, trennt sich so von allem, was noch zu seinem bisherigen Leben gehörte. Geht dann in die Wüste, tief hinein, eine Tagesreise weit.

Völlig erschöpft schleppt er sich unter einen Wacholder. „Es ist genug, so nimm nun, HERR, meine Seele; ich bin nicht besser als meine Väter.“ Elias Körper soll hier vertrocknen, seine Seele wünscht er zu seinem Gott.

Es kommt anders. Elia spürt eine Berührung, ist angerührt. Alle Sinne sind plötzlich wach. Das geröstete Brot duftet. Wasser ist das, was der Körper braucht, wenn er leben soll. Ein Engel ist da.

Dem Wunsch Elias, sein Leben zu beenden, setzt Gott einen Anfang neuen Lebens entgegen. Nach den Verwirrungen und der Aussichtslosigkeit, in die Elia seine scheinbar grenzenlosen Pflichten und Verpflichtungen getrieben haben, reißt Gott den Horizont auf, indem er ihn auf sein Menschsein hin anspricht: „Steh auf und iss!“. Essen und Trinken halten Leib und Seele zusammen. Elias Leib vertrocknet nicht unter dem Ginster, Elias Seele flüchtet sich nicht zu Gott.

DIESER Engel führt Elia nicht weg aus dieser Welt. Er kommt zu ihm, zweimal, um ihn zurückzuholen ins irdische Leben und Kraft für ein neues Leben zu geben. Denn Elia hat noch nicht gesehen, was Gott ihn sehen lassen will.

„Und der Engel des HERRN kam zum zweiten Mal wieder und rührte ihn an und sprach: Steh auf und iss! Denn du hast einen weiten Weg vor dir.
8 Und er stand auf und aß und trank und ging durch die Kraft der Speise vierzig Tage und vierzig Nächte bis zum Berg Gottes, dem Horeb.“

Die Zahl 40 ist eine heilige Zahl. Sie ist die Zahl des grundlegenden Neubeginns.
40 Tage wird Jesus einmal in der Wüste fasten, bis ihn der Teufel versucht.
40 Wochen dauert die Schwangerschaft einer Frau,
40 Jahre ist Israel in der Wüste,
40 Jahre alt wurde -o Wunder- die DDR…

40 Tage und Nächte kann jetzt Elia durch die Wüste gehen, zum Höhepunkt seines Lebens: Er wird Gott auf dem Horeb begegnen.

Was hat ihn nun dazu in die Lage versetzt? Wer hat das Leben von Elia gerettet? Unsere Geschichte sagt:
ELIAS Entscheidung war es, allein und ohne realistische Möglichkeit der Rückkehr in die Wüste zu gehen. Wer ohne Proviant einen Tagesmarsch weit in die Wüste geht, der hat eigentlich keine Chance, da gesund wieder herauszukommen.

GOTTES Entscheidung ist, einen Engel zu schicken. Elia wird angerührt, kann sich ausruhen und stärken. Gottes Engel: Er kommt von weiter her. Von ganz weit, aus dem Himmel. Kein Freund, den man schon kennt, sondern ein Freund, mit dem man nie und nimmer gerechnet hat.

Meine Schwestern, meine Brüder,

ein Freund, der seit vielen Jahren an einer bipolaren Störung leidet (früher nannte man das manisch-depressiv), hat mir einmal gesagt, er fühle sich wie Elia:

Einmal stark wie ein Bär, einmal ganz, ganz kurz vor dem Tod. Wenn er sich stark fühle, WISSE er von Gott, und wenn er nicht mehr weiterwisse, ERLEBE er Gott. Der lasse ihn dann am Leben verzweifeln, aber der verhindere auch, dass er vor der Zeit gehen würde. Durch einen Freund, einen Arzt, eine ungeahnte Wendung. Seither wisse er, dass es Engel gäbe.

Am Leben verzweifeln – das kann allen passieren, auch Kerngesunden ohne bipolare Störung. Das zum Beispiel Menschen einander zum Teufel werden können, passiert nicht nur durch große Namen wie Isebel oder Adolf Hitler oder Wladimir Putin. Sie leben dann nicht irgendwo anders, sondern hier und unter uns.

In größter Verzweiflung unter dem Wacholder ruft Elia nicht nach seinem Diener oder seiner Mutter. Er ruft nach Gott: So nimm nun, HERR, meine Seele. Gott nimmt sie, anders als Elia dachte oder wollte. Gott stärkt sie und gibt sie ihm zurück. Durch einen Engel.

Engel sind die Macht Gottes, uns Menschen zu berühren. Leib und Seele zusammenzuhalten, damit wir nicht vor der Zeit gehen müssen. Die einem eine ungeahnte Kraft geben, Neues zu erleben, von dem man nichts wusste, nicht einmal eine Ahnung hatte.

Engel, die Menschen aus Todesstarre lösen. Jemand, der oder die einen anrührt und sagt: „Du! Auf, komm!“ Einem Brot und Wasser bringen, genau die Dinge, die man in der Wüste des Lebens am allernötigsten braucht.

Aber auch die Engel, die einen an die Hand nehmen und den letzten Weg begleiten von der einen Hand Gottes in seine andere.
Diese Engel Gottes erleben Menschen seit Jahrtausenden. Es ist also mehr als lohnend, auch selbst mit ihnen zu rechnen. Wir WISSEN von Gott, Engel lassen uns Gott ERLEBEN, in einem Moment, an dem alles verloren scheint.

Engel leben sie: Die Liebe Gottes, die Gnade Jesu Christi und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes.
Lasst Engel in Euer Leben und seid bereit, selbst welche zu werden, wenn Gott euch ruft.

AMEN

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