Warum lebe ich?
Was trägt mich?
Wozu bin ich hier?
Wie fülle ich meine Tage?
Was kann lohnendes Ziel meines Lebens sein?
Wie gelange ich dorthin?
Du bist getauft:
Du gehörst jetzt schon
IHM.
Denn der Herr aller Zeiten
und Schöpfer aller Welten
hat dich erwählt.
So spricht der Herr, der dich geschaffen hat:
Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst;
ich habe dich bei deinem Namen gerufen;
du bist mein!
Jesaja 43,1
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Wenn wir in der Bibel von Taufen lesen, geht es nahezu ausschließlich um die Taufe erwachsener Menschen. Das ist auch kaum anders vorstellbar. Denn anders als für uns, 2018 Jahre nach Christi Geburt, lebten Christen damals nicht als uralte Institution. Sie waren „frisches Ereignis“. Es gab keine Jahrhunderte alte Kirchengebäude, keinen Papst in Rom, keine Kirchenverfassungen oder Grundordnungen. Es gab keine Tradition, Säuglinge kurz nach ihrer Geburt in die Kirche zu tragen und zu taufen, um an ihnen die Zuwendung Gottes gleich zu Lebensbeginn deutlich sichtbar werden zu lassen.
Aber da diese gute alte Tradition der Kindertaufe mehr und mehr abreißt, wird AUCH FÜR UNS die Taufe Erwachsener wieder immer wichtiger, und wir können die biblischen Tauf-Erzählungen darum mit neu erwachter Aufmerksamkeit lesen.
Einen besonders frischen Blick auf eine Erwachsenentaufe überliefert uns Lukas in seiner Apostelgeschichte, ich lese aus Kapitel 8 die Verse 26 bis 36 und 38/ 39 (Neue Genfer Übersetzung):
26 Philippus aber bekam von einem Engel des Herrn folgenden Auftrag: »Mach dich auf den Weg in Richtung Süden! Benutze die einsame Wüstenstraße, die von Jerusalem nach Gaza hinunterführt.«
27 Philippus machte sich auf den Weg; und als er diese Straße entlangging, kam dort in seinem Reisewagen ein Äthiopier gefahren, ein Eunuch. Es handelte sich um einen hohen Würdenträger, den Finanzminister der Kandake, der äthiopischen Königin. Der Mann war in Jerusalem gewesen, um ´den Gott Israels` anzubeten,
28 und befand sich jetzt auf der Rückreise. Er saß in seinem Wagen und las im Buch des Propheten Jesaja.
29 Der ´Heilige` Geist sagte zu Philippus: »Geh zu dem Wagen dort und halte dich dicht neben ihm!«
30 Philippus lief hin, und als er neben dem Wagen herging, hörte er den Mann laut aus dem Buch des Propheten Jesaja lesen. »Verstehst du denn, was du da liest?«, fragte er ihn.
31 »Wie kann ich es verstehen, wenn niemand es mir erklärt?«, erwiderte der Mann. Und er bat Philippus, aufzusteigen und sich zu ihm zu setzen.
32 Der Abschnitt der Schrift, den er eben gelesen hatte, lautete:
»Man hat ihn weggeführt wie ein Schaf, das geschlachtet werden soll.
Und wie ein Lamm beim Scheren keinen Laut von sich gibt,
so kam auch über seine Lippen kein Laut ´der Klage`.
33 Er wurde erniedrigt und all seiner Rechte beraubt.
Niemand wird über Nachkommen von ihm berichten können,
denn sein Leben auf der Erde wurde ihm genommen.
34 Der Äthiopier wandte sich an Philippus: »Bitte sag mir, von wem ist hier die Rede? Spricht der Prophet von sich selbst, oder spricht er von jemand anders?«
35 Da ergriff Philippus die Gelegenheit und erklärte ihm, von dieser Schriftstelle ausgehend, das Evangelium von Jesus.
36 Als sie nun, ´ins Gespräch vertieft,` die Straße entlangfuhren, kamen sie an einer Wasserstelle vorbei. »Hier ist Wasser!«, rief der Äthiopier. »Spricht etwas dagegen, dass ich getauft werde?«
38 Und er befahl, den Wagen anzuhalten. Beide, Philippus und der Äthiopier, stiegen ins Wasser, und Philippus taufte den Mann.
39 Als sie wieder aus dem Wasser stiegen, wurde Philippus plötzlich vom Geist des Herrn ergriffen und an einen anderen Ort versetzt, und der Äthiopier sah ihn nicht mehr. Trotzdem erfüllte ihn eine tiefe Freude, als er nun seine Reise fortsetzte.
Dieser letzte Satz hat es mir seit Kindertagen angetan. Der ganz offenbar mächtige/ und ganz sicher reiche Mann ist erfüllt. Erfüllt von einer „tiefen Freude“, obwohl er Philippus nicht mehr sehen kann, der ihn gerade getauft hat.
Nur warum? Was genau ist geschehen? Hatte dieser Mann in seinem Leben nicht schon mehr erreicht als die meisten anderen Menschen? Er war Finanzminister einer ganz und gar nicht unbedeutenden Königin, hatte die Freiheit, das Geld und die Zeit zu einer weiten Reise. Wer genauer erahnen will, WARUM diese Taufe diesen Mann so berührt, muss sich einzelne Worte genauer durchdenken, die Lukas benutzt.
Bei aller Macht, allem Reichtum, allem Interesse an dem Volk Israel und seiner Religion: Der Finanzminister ist ein Eunuch, ein Entmannter, ein Verschnittener. Das macht ihn zu einem geteilten Menschen.
Auf der einen Seite gehört dieser Wallfahrer er zu dem großen Kreis der „Gottesfürchtigen“, zu einer Gruppe Gebildeter, die sich vom Glauben Israels angesprochen fühlten. Der jüdische Glaube kam damals vielen intellektuellen und ethischen Grundbedürfnissen entgegen.
Der jüdische Wortgottesdienst mit seiner Verehrung des einen, universalen und allmächtigen Gottes, dem Schöpfer der Welt und Lenker ihrer Geschichte, dem Herr aller Menschen und doch besonders seines erwählten Volkes.
Einem Gott, der klare Gebote gab und eine ethische Lebensführung forderte, zu dem man ein ganz persönliches Verhältnis haben konnte und der allen Gerechten und Frommen, die sich zu seinem erwählten Volk hielten, eine heilvolle Zukunft und ewiges Leben eröffnete.
Das alles konnte er in keiner anderen antiken Religion finden, das sprach den Kämmerer (so bezeichnet ihn Luther in seiner Übersetzung) an. Und damit war der Kämmerer damals mitnichten allein; sein besonderes Interesse haben damals viele Menschen geteilt, das lässt sich an verschiedensten Orten der antiken Welt belegen.
Aber da BLEIBT die andere Seite: Als Eunuch wird der Mann in Jerusalem auf besonderer Schwierigkeiten gestoßen sein. Schließlich steht in 5.Mose 23,2:
Kein Entmannter oder Verschnittener soll in die Gemeinde des HERRN kommen.
So durfte er nicht am Tempel beten. Auch die Thora wird ihm nicht zugänglich gemacht. Und es wird weder einfach noch billig für ihn gewesen sein, eine Prophetenrolle zu erwerben.
Gerade die Texte Jesajas hatten damals eine große Bedeutung, wie man seit den Funden von Textrollen in den Höhlen von Qumran weiß. Der Finanzminister beschäftigt sich nun auf dem Rückweg mit Jesajatexten. Sicher wird er traurig gewesen sein, weil ihm außer dieser Rolle eine größere Nähe zu Gott verwehrt worden ist. Aber er liest laut aus Jes 53, einer für die christliche Deutung des Todes Jesu so wichtigen Stelle. Im Bild des geschächteten Schafes wird von einem Leben geredet, das alle Grenzen menschlicher Urteile, Erfahrungen und irdischer Wirklichkeit überwindet.
Sehr begreiflich ist, dass sich der Kämmerer mit dem Unbegreiflichen schwer tut. Philippus erschließt es für ihn, indem er die Stelle auf Christi Tod und Auferstehung bezieht. Und dass das Leben mit dem Auferstandenen die alten Grenzen des Gottesvolkes aufhebt. Vielleicht ist auch Jesaja 56 zur Sprache gekommen, der diese Aufhebung bereits ankündigt:
3 Und der Fremde, der sich dem HERRN zugewandt hat, soll nicht sagen: Der HERR wird mich scheiden von seinem Volk. Und der Verschnittene soll nicht sagen: Siehe, ich bin ein dürrer Baum.
4 Denn so spricht der HERR:
Den Verschnittenen, die meine Sabbate halten und erwählen, was mir wohlgefällt,
und an meinem Bund festhalten,
5 denen will ich in meinem Hause und in meinen Mauern
ein Denkmal und einen Namen geben;
das ist besser als Söhne und Töchter.
Einen ewigen Namen will ich ihnen geben,
der nicht vergehen soll.
Für den bis jetzt ausgeschlossenen Wallfahrer aus Äthiopien eröffnet sich damit eine überraschende Möglichkeit der Zugehörigkeit. Das hat er sicher rasch begriffen und bittet um die Taufe. Die wird ihm gewährt.
Da sind wir bei der zweiten Stelle des Textes, die mich schon immer fasziniert. Dieser Satz des Äthiopiers in der Lutherübersetzung: „Was hindert’s, dass ich mich taufen lasse?“ in seiner erfrischenden Unbekümmertheit, so unkompliziert und direkt.
Genauso unkompliziert das, was folgt: Er lässt den Wagen halten, beide Männer gehen zum Wasser, und Philippus tauft ihn.
Keine Einwände des Philippus: Da musst Du erst mal zwei Jahre zum Konfirmandenunterricht gehen. Oder Erwachsenenunterricht beim Pfarrer nehmen. Das Unservater und das Glaubensbekenntnis und den Katechismus auswendig können, wenigstens die wichtigsten Stücke. Die Zustimmung des Presbyteriums einholen. Bis zum nächsten Gottesdienst warten, damit die Gemeinde Zeuge deiner Taufe sein kann.
Nichts von all dem. Der Wagen hält, sie gehen zum Wasser, Philippus tauft ihn. Dieser nahezu sorglose Umgang mit der Taufe ist für viele heute unerhört. Und das war er schon wenige Generationen nach Lukas.
Aufmerksame Zuhörer werden gemerkt haben, dass mitten im Predigttext ein Vers fehlte, nämlich Vers 37, wo steht:
„Philippus sagte: »Wenn du mit aufrichtigem Herzen glaubst, kannst du getauft werden.« – »Ja«, antwortete der Äthiopier, »ich glaube, dass Jesus Christus der Sohn Gottes ist.«“
Dieser Vers ist aber nur in jüngeren Handschriften vorhanden. Der Eindruck ist also begründet, dass es sich hier um den späteren Einschub einer Tauflehre handelt. Ganz so einfach geht es dann doch nicht: Erst musst Du bekennen, dann kannst du getauft werden.
Mit diesem eingeschobenen Vers haben wir einen Beleg für eine sehr frühe Verschiebung in der Bedeutung der Taufe: Aus der TEILGABE am Heil Gottes wird ein gesetzlich verstandener EINTRITTSRITUS in die Kirche.
Das ist die Taufe -leider- heute noch. Ich kenne keine Kirche, in der man einfach Mitglied sein kann, ohne getauft worden zu sein. Vielleicht ist das kirchenrechtlich nicht anders möglich.
Aber der Taufe als Sakrament fügt das schweren Schaden zu. Sie ist Geschenk Gottes, nicht einer Kirche. Sie schenkt Gottes Heil, nicht das Heil einer Kirche.
Und genau da sind wir doch an DEM Punkt, an dem deutlich wird, WARUM der Äthiopier so froh wird. Lukas lässt uns das sehen. Denn er beschreibt GOTT als den, der das Entscheidende bewirkt. Gottes Wort beschäftigt den Kämmerer.
Gottes Geist führt Philippus zu dem Kämmerer –
und lässt ihn gleich nach der Taufe verschwinden.
Deutlicher kann das nicht erzählt sein:
Der Kämmerer begegnet zuerst Gott, vielleicht AUCH der Gemeinde oder der Kirche.
So wichtig für das Gespräch mit dem Kämmerer der weltgewandte Jude Philippus auch ist: „Ich bin getauft“: Mit dem Wissen um dieses Geschenk Gottes zieht der Fremde fröhlich nach Hause. Das Heil Gottes ist in sein Leben getreten.
Meine Schwestern, meine Brüder,
diese Geschichte ist uralt und doch eine Geschichte von morgen. Lukas lässt uns sehen, wie die Kirche von morgen lebt.
Diese Kirche folgt Gott.
Sie ist bereit und in der Lage, wie Philippus anderen das Wort Gottes zu öffnen.
Sie hat die innere Freiheit, Grenzen der religiösen Vorurteile zu überschreiten, weil sie Gotteswort von Menschenwort zu scheiden lernt.
Es zählt eben nicht „kein Entmannter…soll in die Gemeinde des Herrn kommen“, sondern „der Verschnittene soll nicht sagen: Siehe, ich bin ein dürrer Baum…“ Es zählt keine Gemeindegrundordnung oder das Gesetz des Mose, sondern die Begegnung mit Gott selber, egal ob in Gestalt des Engels Philippus oder den Heiligen Geist.
Wo die Regeln aus dem gesunden Menschenverstand ans Ende gekommen sind, wo das Trennende unüberwindlich geworden ist, da handelt der Geist Gottes: Seine Mission ist nicht zu stoppen, seine Passion für uns Menschen kennt und achtet unsere Grenzen nicht.
Die Kirche von morgen folgt Gott.
Der Gehorsam des Philippus, sein Gespräch mit dem Kämmerer über die Schrift und die Taufe sind es, was Kirche morgen ausmacht: Lehre, Sakramente und Nachfolge. Es geht der Kirche von morgen nicht um sich selbst, ja, sie macht sich beinahe selbst überflüssig:
Am Ende der Geschichte wird sogar der für die Glaubens-Vermittlung so nötige Mitchrist überflüssig. Denn die Ursache für die Fröhlichkeit des Kämmerers ist die verbürgte Vergewisserung der Menschenfreundlichkeit Gottes, und diese Vergewisserung verbürgt die Taufe.
Und genau jetzt sind WIR diejenigen,
die von tiefer Freude erfüllt unsere Straße weiter ziehen können.
Ich bin getauft:
Alle Trauer kann von mir abfallen,
denn ich werde nicht allein weiterziehen, GOTT ist mit mir.
Ich bin getauft:
Alle Zukunftssorge kann von mir abfallen,
denn GOTT sorgt für mich.
Ich bin getauft:
Aller Kleinglaube kann von mir abfallen,
denn GOTT sorgt für den Erfolg seiner Passion, nicht ich.
Wir sind getauft:
Die Liebe Gottes,
die Gnade unseres Herrn Jesus Christus
und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes
sind unsere Taufgeschenke.
Nichts und niemand kann sie uns nehmen.
AMEN