Alles neu (aus Offb 21)

Unsere Zeit auf dieser Welt ist gemessen
gemessen zwischen Anfang und Ende
Geburt und Tod
Die Grenzen unserer Zeit
werden gelöst in der Ewigkeit Gottes
Hier werden alle Tränen getrocknet
Leid und Geschrei werden nicht mehr sein.
Gottes Ewigkeit vermag,
was unserer Zeit unmöglich ist.

Die Erlösten des HERRN werden wiederkommen
und gen Zion kommen mit Jauchzen;
ewige Freude wird über ihrem Haupte sein.
Wir warten auf einen neuen Himmel und eine neue Erde
nach seiner Verheißung,
in denen Gerechtigkeit wohnt.

GNADE SEI MIT EUCH und Friede von dem, der da ist, der da war und der da kommt. Amen!

Das Ende dieses Kirchenjahres, das Ende dieses Lebens, das Ende dieser Erde: Wie soll man umgehen mit diesen Enden? Haben wir dem Ende etwas entgegenzusetzen? Ist der Tod das letzte, das wir sehen werden?

Unzählige Namen, so viele auf unseren Kirchhöfen und in Friedwäldern, eingemeißelt in Grabsteine, angebracht an Bäumen. Frische Namen, die in diesem Jahr dazukamen, Gesichter, die wir kannten, Stimmen, die wir liebten.

Das Wetter im November macht es uns meist leicht, es zu erahnen: Unser eigenes Ende, aber auch den Tod all dessen, was lebt, ja sogar dieser Welt. Was wird bleiben? Wer wird sich erinnern? Endet alles in kollektiver Depression? Wo liegt der Sinn allen Lebens? Gibt es ein Danach?

Berthold Brecht dichtet:
„Lasst euch nicht verführen!
Es gibt keine Wiederkehr! …
Was kann euch Angst noch rühren?
Ihr sterbt mit allen Tieren
und es kommt nichts nachher.“

So hört es sich wohl an,  wenn das Hier und das Jetzt /alles ist, was ein Mensch erwartet. Dann ist das Letzte, was vom Leben zu sehen ist, ein Blick in einen dichten Nebel, grau und kalt. In einen ewigen November eben. Kann, soll das wirklich alles sein?

Kürzlich habe ich auf einer Tagung von einem Wirtschaftswissenschaftler gehört, man brauche keine neuen Konzepte, sondern man brauche endlich wieder Visionen. Denn Konzepte gäbe es mehr als genug, sie auszuprobieren läge an jedem selbst.

Visionen aber, gerade für Deutschland mit seinen großen Problemen von alternder Gesellschaft bis zu dem katastrophalen Kindermangel, seien Mangelware. Man brauche also nicht zuerst neue Konzepte, die sowieso jeder für sich suchen müsse. Alle gemeinsam brauchten Visionen, die sie sehen ließen, WOHIN sich alles entwickeln müsse. Nur wenn man die hätte, hätten Konzepte einen Sinn. Konzepte bedächten die verschiedenen Wege, die man für seinen Betrieb wählen könne. Doch der Weg des einen könne nie einfach der Weg des anderen sein. Zumal niemand am Anfang eines Weges sehen könne, wohin er wirklich führt.

Für manchen mag das eine Überraschung sein: Selbst die, die ihren „Erfolg“ vor allem in Euro und Cent messen, wissen, wie nötig Visionen sind, die doch niemand messen kann.

Visionen entziehen sich ja allem Messen und Planen. Sie sind größer als jedes Ziel, das man sich stecken kann. Sie sind ein großer Traum hinter allen Träumen. Ein Traum, für den es sich lohnt, zu arbeiten, zu planen und zu leben. Visionen geben Richtung, Orientierung. Visionen können einem Ganzen einen Sinn geben.

Wenn das für die messbare Wirtschaft gilt, gilt es erst recht für das nie messbare Leben: Will man irgendwann sein eigenes Lebens-Konzept finden, braucht man zuerst eine Vision von Leben. Die von Bert Brecht ist ein Novembernebel. Was ist die Vision der Christen?

Traumhaft zeichnet der Seher Johannes das Bild einer Gotteswelt;  ich lese uns den Predigttext aus der Offenbarung 21 in der Lutherübersetzung.

Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde;
denn der erste Himmel und die erste Erde sind vergangen,
und das Meer ist nicht mehr.
Und ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem,
von Gott aus dem Himmel herabkommen,
bereitet wie eine geschmückte Braut für ihren Mann.
Und ich hörte eine große Stimme von dem Thron her,
die sprach: Siehe da, die Hütte Gottes bei den Menschen!
Und er wird bei ihnen wohnen,
und sie werden sein Volk sein,
und er selbst, Gott mit ihnen, wird ihr Gott sein;
und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen,
und der Tod wird nicht mehr sein,
noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein;
denn das Erste ist vergangen.
Und der auf dem Thron saß, sprach:
Siehe, ich mache alles neu!…
Ich bin das A und das O, der Anfang und das Ende.
Ich will dem Durstigen geben
von der Quelle des lebendigen Wassers umsonst.

Neuer Himmel, neue Erde…, das Meer ist nicht mehr, das neue Jerusalem
von Gott aus dem Himmel herabkommen, bereitet wie eine geschmückte Braut für ihren Mann: Eine neue Schöpfungsgeschichte. Am Ende der Zeit macht Gott einen ganz neuen Anfang.

Warum aber sollte es das Meer nicht mehr geben? Das Meer war für die Menschen damals nicht der Ort von Entspannung und Urlaub. Das Meer war in der altorientalischen Vorstellung der Ort des Bösen, der gegen- göttlichen Gewalten.

Wenn also Himmel und Erde neu geschaffen werden, wird nichts Böses mehr da sein. Nichts mehr, was uns von Gott trennen könnte. Das sagt auch das Bild der Hochzeit: Die Heilige Stadt, das neue Jerusalem, ist für Gott geschmückt wie eine Braut. In der Ewigkeit wird der Mensch so nah und innig mit Gott verbunden sein, dass beide wie Brautleute nicht mehr voneinander lassen wollen.

Siehe da, die Hütte Gottes bei den Menschen! Und er wird bei ihnen wohnen, und sie werden sein Volk sein und er selbst, Gott mit ihnen, wird ihr Gott sein.

Das ist die große alte Verheißung, die schon im ersten Teil der Bibel immer wieder anklingt: Wir sollen sein Volk sein und er will unser Gott sein.

In dieser Welt sind die Menschen immer wieder von Gott abgefallen. Darum ist es in der neuen Welt Gott selbst, der dafür sorgt, dass der Mensch nicht mehr aus dem göttlichen Bund heraus fällt. Nicht der Mensch unternimmt Anstrengungen, um in Gottes Reich zu kommen. Das schafft er nicht.  Gott selbst wird es darum sein, der dem Menschen entgegenkommt. „Siehe da, die Hütte Gottes bei den Menschen.“ Gott kommt auf uns zu und will bei uns wohnen. Das ist nicht nur zu Weihnachten in der Krippe so. Das wird in Ewigkeit sein!

Und wie sollte das gehen, wenn der Tod das letzte Wort über das Leben spräche? Die Ewigkeit Gottes, die auch unsere Ewigkeit wird, lebt aus dem Osterfest. Aus dem Tag, an dem Gott dem Tod den Platz zuwies, der ihm zusteht. Seither ist der Tod, den wir alle sterben müssen, der Ort des Übergangs zur Auferstehung.

Mancher fragt sich da heute: Wie werde ich auferstehen? Als Säugling oder als Greis? In dem Alter, das ich hatte bei meinem Tod? Gesund oder immer noch krank? Sehe ich da alle wieder, die ich geliebt habe, oder die anderen etwa auch?

Johannes würde auf diese Frage antworten: Darüber brauchen wir nicht zu spekulieren. Die Sonne Gottes scheint über Gut und Böse. Es sterben junge Menschen, es sterben alte Menschen. Darum macht Gott aus uns – neue Menschen. „Siehe, ich mache alles neu!“

Und in Anlehnung an die Geschichte aus dem Johannesevangelium von Jesus und der Frau am Brunnen schließt unser Bild: Gott wird dem Durstigen geben von der Quelle des lebendigen Wassers umsonst. Niemand, der nach Leben dürstet, wird enttäuscht werden. Niemand, der leben will, wird je wieder dafür zahlen müssen. Erst recht nicht mit dem Tod.

Meine Schwestern, meine Brüder:

Das Jetzt, an dem die meisten Menschen schon deshalb so hängen, weil wir Menschen uns nun einmal nur dieses Leben vorstellen können: Dieses Jetzt kennt nicht nur schöne Seiten. Es kennt auch Tränen, Leid, Schmerz. Flüchtende, die ihr Ende im Mittelmeer finden. Gäste eines Konzertes in Paris, die ein Attentat zerreißt. Kinder, die durch Unfall, Krankheit oder Verbrechen sterben. Alte, die leiden an Einsamkeit, Siechtum, Leere.

Viele Menschen kämpfen darum Zeit ihres Lebens, Tränen, Leid und Schmerz abzuschaffen. Die Welt zu verbessern. Gerecht werden zu lassen. Krankheiten zu bekämpfen. Leben zu verlängern.

Aber gerade weil dieser Kampf um eine bessere Welt andauern wird, bis sie untergeht: Er bekommt seinen guten Sinn durch Gottes Ewigkeit, die auch unsere Ewigkeit sein wird. Hier nämlich wird dieser ewige Kampf endlich gewonnen sein.

Darum machen Menschen schon heute auch andere Erfahrungen mit der irdischen Endlichkeit: Angesichts des Todes ist das Leben nicht nur furchtbar, sondern auch frucht-bar in Frage gestellt.  Fehlentwicklungen werden entdeckt. Gemeinsamkeiten wiedergefunden. Freunde haben Mut gemacht. Neue Zuwendung, neue Nähe und neue Liebe werden erfahren. Diese Nähe hilft, dass aus brennendem Schmerz nach und nach neuer Mut wird. Das schon in diesem Leben neues Leben wird.

Johannes hat solche Erfahrungen einfließen lassen in sein Bild von der Zukunft in Christus. So malt die Ewigkeit, die seither für Christen die Wurzel einer einer großen Hoffnung geworden ist.

Von Vaclav Havel stammt der Satz:
„Hoffnung ist nicht die Überzeugung,  dass etwas gut ausgeht,
sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn hat, egal wie es ausgeht.“

Unser Leben hat Sinn, egal wie es ausgeht. Gegen alle augenscheinliche Sinnlosigkeit. Denn es ist ein Leben mit Gott. Unsere Hoffnung hat ihren guten Grund, ein festes Fundament, lebt aus einer großen Vision: Gott ist ewige Liebe- und ewige Liebe gibt nichts und niemanden verloren.

Wir können darum dieses Leben mit anderen Augen sehen. Nach November und dem Winter kommt der Frühling. Kälte, Dunkelheit und augenscheinlicher Tod sind nicht das Ende. Durch allen Tod hindurch feiern wir das Osterfest. Das prägt unsere Gegenwart – heute und jetzt. Das ist unsere Vision vom Leben, wie Gott es gedacht hat.

Diese Vision braucht Bilder, damit sie zur Hoffnung wird. Ohne Bilder könnten wir nicht ausdrücken, was wir meinen und weitersagen müssen, damit die Farbe des Novembernebels nicht zur Farbe des ganzen Jahres wird.

Darum: Nicht die alte Erde in neuem Lack, nicht das jetzige Weltall mit seinen unendlichen Weiten können eine Vision sein. Eine neue Schöpfung dagegen kann das.

Wie schön zum Beispiel Breslau auch geworden ist, gleiches gilt für Dresden, Leipzig oder auch unser Dorf/ unsere Stadt: Trotz aller Pflege und Mühe werden auf dieser Welt  Zeichen steten Zerfalls, des Schmutzes oder der Unbewohnbarkeit immer sichtbar und fühlbar bleiben.

Nur ein Beispiel: Viele Wohnungen in Neubauten, nach dem letzten Krieg in Eile entstanden und vor 30 Jahren noch heiß begehrt, standen irgendwann leer. Ganze Stadtteile, nicht nur in Brandenburg oder Halle, sondern auch im Ruhrgebiet wurden darum in den letzten Jahren abgerissen, „zurück gebaut“. Und niemand hätte dabei geglaubt, dass wir heute neue Häuser dafür bauen müssen. Menschliches Versagen? Überraschende Wendung? Alles Denken und Planen sinnlos? Allein das kann einen sehr mutlos machen.

Gottes neue Schöpfung ist darum KEINE alte Stadt in renovierten Fassaden und mit neuen Häusern. Das NEUE Jerusalem kann uns Vision werden, weil es vom Himmel kommt. Dieser Himmel ist Gottes Sphäre, nicht die Atmosphäre. Das neue Jerusalem ist die ewige Stadt des Lebens, der Gemeinschaft, der Nähe. Denn mitten in dieser Stadt wohnt Gott. Er bewohnt sie, ist Nachbar unter Nachbarn, unmittelbar nah und erreichbar.

„Siehe, ich mache alles alt“, sagt die Zeit.
„Siehe, ich mache alles anders“, sagt die Jugend.
„Siehe, ich mache alles verkehrt“, seufzt das Herz.
„Siehe, ich mache alles stumm“, sagt der Tod.

Aber Jesus sagt uns: „Siehe, ich mache alles neu!“ Und feiert mit uns das Abendmahl.
Die Liebe Gottes, die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes werden uns so leben lassen in Ewigkeit. Amen.

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