Tun was zu tun ist (Luk 17, 7-10)

Freiheit von der Sklaverei der Welt
Gefangen sein in der Liebe
Wer Jesus glaubt, ist abhängig
nicht von eigener Lebensleistung
sondern vom dreieinen Gott
der die Barmherzigkeit in Person ist
Wer sich gefangen nehmen lässt
von ihm
wird frei
schon jetzt
und auf ewig

Wir liegen vor dir mit unserm Gebet
und vertrauen nicht
auf unsre Gerechtigkeit,
sondern auf deine große Barmherzigkeit.
Daniel 9,18

***
„Leistung muss sich wieder lohnen“. Diese Parole entstand Mitte der 80ger Jahre. Als ich die in den Medien von der anderen Seite der Mauer wahrnahm, wurde mir wieder einmal deutlich, wie weit die Lebenswelten in Deutschland Ost von denen im Westen entfernt waren.

Denn ich fand nicht, dass beispielsweise meine ehemaligen Kollegen in den Getriebewerken Brandenburg zu wenig leisten würden. Wohl aber, dass sie sich wenig dafür kaufen konnten. Und daran hätte sich auch nichts geändert, wenn sie noch mehr geleistet hätten.

Im Westen dagegen: Boris Becker gewann 1985 das Tennisturnier in Wimbledon und kassierte allein dafür 520.000 harte Westmark. Unfassbar! Dass sich im Westen also Leistung NICHT lohne, das war für mich ganz offensichtlicher Blödsinn.

Und das galt nicht nur für Spitzensportler, sondern eigentlich für alle aus dem Westen, die ich persönlich kannte, auch für meine Verwandten dort. Die konnten in Südfrankreich Urlaub machen oder richtige Autos fahren. Denen schadete es auch nichts, wenn sie für das Brötchen nicht 5 Pfennige, sondern das Zehnfache zahlen mussten.

Übrigens war es Helmut Kohl, der den Slogan „Leistung muss sich wieder lohnen“ in die Debatte der sogenannten „geistig-moralischen Wende“ einbrachte. Nicht Guido Westerwelle. Der hat ihn nur am häufigsten und schrillsten gebraucht, das aber nur am Rande.

Nach dem Sieg des Kapitalismus über den real existierenden Sozialismus haben wir im Osten schnell lernen dürfen oder müssen, wie sich der profitträchtigen Leistung  alles unterordnet. Geld regiert die Welt in allen Bereichen des Lebens, selbst in der Organisation unserer Kirchen. Kein Zweifel: Wirtschaftlich sinnvolles Denken.

Für viele Menschen hier im Osten begann sich damit aber auch ihre Haltung zur ehrenamtlichen Arbeit zu verändern. Unter dem Motto „was nichts kostet, ist auch nichts wert“ wurde für nicht wenige aus einer Selbstverständlichkeit eine Ausnahme. „Leistung muss sich wieder lohnen“ wurde für viele zum Lebensmotto. Erfolg wurde an allseits akzeptiertem Maßstab messbar: Am monatlichen Einkommen, am Vermögen auf der Bank, an Statussymbolen. So will sich Leistung messen.

„Wir sind nur unnütze Sklaven und haben zu tun, was uns aufgetragen ist“.

Dieser Satz wird heute auf wenig Begeisterung stoßen. Denn alles, was wir über Sklaven wissen oder zu wissen glauben, ist das Gegenteil von dem, was wir erleben wollen. Niemand will wie ein Sklave ver- oder gekauft werden, rechtlos leben und genauso sterben.

Außerdem: Wir „haben zu tun, was uns aufgetragen ist“ – das klingt nach Kadaver- Gehorsam, das will niemand hören. Und erst recht nicht, wenn man dann noch als „unnütz“ bezeichnet wird.

„Wir sind nur unnütze Sklaven und haben zu tun, was uns aufgetragen ist“: Das hört sich menschenunwürdig an.

Und doch: Es ist ein Jesus- Wort. Es ist der Schluss-Satz eines Gleichnisses, das wir in Lukas 17 in den Versen 7-10 finden können, ich lese aus der Neuen Genfer Übersetzung :

7 »Angenommen,
einer von euch hat einen Knecht, der ihm den Acker bestellt oder das Vieh hütet.
Wenn dieser Knecht vom Feld heimkommt, wird dann sein Herr etwa als Erstes zu ihm sagen: ›Komm und setz dich zu Tisch!‹?
8 Wird er nicht vielmehr zu ihm sagen: ›Mach mir das Abendessen, binde dir ´einen Schurz` um und bediene mich! Wenn ich mit Essen und Trinken fertig bin, kannst auch du essen und trinken.‹?
9 Und BEDANKT er sich hinterher bei dem Knecht dafür, dass dieser getan hat, was ihm aufgetragen war?
10 Wenn IHR also
alles getan habt, was euch aufgetragen war, dann sollt auch ihr sagen:  Und jetzt der schon zitierte Schluss-Satz:
›Wir sind Diener, weiter nichts; wir haben nur unsere Pflicht getan.‹«

Klingt das nun angenehmer in unseren Ohren?

Die Genfer Übersetzung ist nicht die erste, die scheinbar den Ur-Text ein wenig zu entschärfen sucht, indem sie zunächst „Sklave“ mit „Knecht“ übersetzt. Das hat schon Luther getan; zu seiner Zeit gab es ja bei uns keine Sklaven mehr.

Wir erfahren an verschiedenen Stellen in der Bibel ziemlich genau, was es hieß, ein Sklave zu sein. Es gab solche in gehobener Position als Bevollmächtigter seines Herrn. Oder es gab sie wie hier bei Lukas als gewöhnliche Ackersklaven. Aber für beide galt derselbe Grundsatz: In jedem Fall waren sie ihrem Herrn zum Dienst verpflichtet und hatte keinen Anspruch auf Dank oder Lohn.

Und doch war jüdische Sklave, und um den geht es hier bei Lukas, nicht rechtlos. Er war dem Gesetz nach KEIN Leibeigener.  Er hatte Anspruch auf Nahrung, Kleidung und Unterkunft. Und das nicht nur für sich, sondern auch für seine Familie.

Und was NOCH wichtiger ist: Nach sechs Jahren war die Zeit der Dienstverpflichtung abgelaufen. Das unterschied den jüdischen Sklaven von den nichtjüdischen in der antiken Welt. Für die war die Sklaverei viel schwerer zu ertragen. Denn eine Aussicht auf Entlassung hatten die in der Regel nicht.

Jüdische Sklaven haben also ein ganz anderes Lebensgefühl. Sie leben auf ihre Freilassung hin. Hoffen prägt ihren Alltag. Ihr derzeitiger fast rechtloser Zustand dauert nur eine begrenzte Zeit. Sechs Jahre waren in einem Menschenleben damals sicher viel mehr als heute. Aber nach dieser Zeit konnte ein neues Leben beginnen. Der Knecht im Mittelalter und der jüdische Sklave haben also vieles gemein; Luther übersetzt also nicht zu Unrecht mit „Knecht“.

In unseren Ohren klingt „Knecht“ angenehmer als „Sklave“, dem Knecht Alfred bei Michel aus Lönneberga sei Dank. Vielleicht kennen die Älteren unter uns ja sogar noch einen Knecht persönlich; die waren ja bis in die 50ger Jahre überall in der Landwirtschaft anzutreffen.

Inzwischen sind aber auch die „Knechte“ unter uns ausgestorben.  Und doch weiß jeder, was gemeint ist, wenn einer „knechten“ oder „knechtisch“ sagt. Mit gemütlich- bäuerlichen Bildern im schwedischen Småland hat das wenig zu tun.

Schließlich lässt die Neue Genfer das böse Wort „unnütz“ einfach weg und macht aus dem Sklaven im zitierten Schluss- Satz einen Diener: „Wir sind Diener, weiter nichts, wir haben nur unsere Pflicht getan“.

Klingt das nun angenehmer in unseren Ohren als: „Wir sind nur unnütze Sklaven und haben zu tun, was uns aufgetragen ist“?

Das Gleichnis ist NUR misszuverstehen, wenn man nicht bedenkt, wem Jesus dieses Gleichnis erzählt. Und vor allem warum.

Jesus sagt es seinen Jüngern. Er sagt es ihnen, weil sie ihn gebeten haben, ihren Glauben zu stärken. Sie stehen in einem aufreibenden Missions- und Verkündigungsdienst. Sie wollen einerseits erfolgreicher sein; also mehr Glauben ausstrahlen, so dass die Menschen diesen ausstrahlenden Glauben besser wahrnehmen können und ihm leichter folgen.

Und sie wollen offenbar, dass ihr Tun einen Lohn einbringt. Wenn schon keinen materiellen in dieser Welt, dann wenigstens einen ideellen vor Gott.

Jesus aber lässt sie wissen: Darum kann es nicht gehen, nicht in eurer Beziehung zu Gott. Darum nutzt Lukas hier das Wort „unnütz“: Er will zeigen, wie bescheiden, ja ARMSELIG der Mensch vor Gott steht. Die Jünger hören: Gott schenkt euch so viel mehr, als ihr je mit euren Taten verdienen könntet. Schon darum dürft ihr keinen Sonderlohn erwarten.

Euer Bekenntnis soll vielmehr lauten: „Wir sind vor Gott wie Sklaven. Wir sind unwürdig und haben nur getan, was wir zu tun schuldig waren. Als Jünger haben wir keine Ansprüche zu stellen, weder an die Gemeinde, noch an Gott selber.“ Ein Sklave hat nichts zu fordern, er hat zu dienen.

Wer das Lukasevangelium dann als Ganzes liest, der kann schnell merken: Lukas geht es hierbei nicht um „preußische Pflichterfüllung“. Sein Schwerpunkt liegt auf dem selbstlosen und liebevollen Dienen. Denn es geht um die intensive Bindung an den einen, größten Herrn, der GOTT ist, niemand sonst.

Der Theologe Eduard Schweizer schreibt dazu:
»Ein Gott, dem wir vorrechnen könnten, was er uns schuldig ist, wäre nicht mehr Gott. Er wäre ja gar kein Gegenüber mehr. Er würde zu so etwas wie einem Automaten, bei dem man 50 Pfennig einwirft und unten die dementsprechende Portion Schokolade beziehen kann. Einem solchen Gott stünde der Mensch tatsächlich als Herr gegenüber, der sich überlegen kann, ob sich der Einwurf lohnt … Dann sänke Gott ab zu so etwas wie einem von vornherein festgelegten Schicksalsablauf, wonach auf die gute Tat die Belohnung, auf die böse Tat die Strafe folgte … Umgekehrt wäre ein Gott, der zwar Forderungen aufstellte, sich aber überhaupt nicht oder höchstens strafend um das kümmerte, was wir tun, ein blinder Tyrann« (Zit Ende)

Die „Pflicht“, die ein Gottes- Sklave also zu erfüllen hat, ist nicht mehr und nicht weniger als ein Leben in Liebe. Das kann das Zubereiten eines Abendessens sein, wie hier in unserem Gleichnis, oder auch das Mitfeiern eines Festes, wie im Gleichnis vom verlorenen Sohn.

Hier wird auch deutlich: Wer zu Gott umkehrt, den erwartet ein Fest. übertragen ein erfülltes Leben. Hochmütige, die auf ihre Verdienste pochen, sind Gott ein Greuel , schreibt Lk 16,15. Der tugendstolze Pharisäer muss hinter dem schuldbewussten Zöllner zurückstehen Lk 18 (9ff). Und wenn einen einzelnen ein Unglück trifft, dann ist darin mitnichten eine Strafe für besondere Sünden zu sehen (Lk 13,1ff).

DIESEN Dienst gilt es für einen Jünger sachgerecht auszuführen. Schließlich verlangt Gott Rechenschaft von jedem Menschen, wie Lukas im Gleichnis von den anvertrauten Pfunden klarstellt. Wem Gott viele Talente geschenkt hat, von dem kann er auch viel erwarten.

Den Christen wird ja oft vorgehalten, wie vertrösteten die Menschen auf eine Belohnung für gute Taten im Jenseits und seien deshalb im Diesseits selbstgerecht. Lukas aber lässt keinen Zweifel: GOTT ist der, der für dich da IST und immer da sein WIRD. DARUM hast zu tun, was Gottes Wille ist: Etwa einem Menschen siebenmal zu verzeihen, statt einmal Rache zu nehmen.

Meine Schwestern, meine Brüder:

Heute hätte Jesus UNS dieses Gleichnis gesagt. Wir hätten ihn zuvor gefragt, was wir denn tun könnten, um in der Gemeinde so zu arbeiten, dass sie strahlender, größer, schöner würde.

Aber diese Frage führt damals wie heute eine Sackgasse. Denn je mehr wir uns anstrengen und leisten, desto deutlicher wird jedem uns werden, was alles liegen bleibt und wozu unsere Kräfte nicht ausreichen. Je mehr ich schaffe, desto deutlicher sehe ich, was alles liegen bleibt.

Wer aber so arbeitet, wird tieftraurig. Der würde zum Beispiel als Kirchdienst die Menschen begrüßen und sich dabei fragen: Lohnt sich dieser ganze Aufwand? Es kommen ja doch nur dieselben. Dafür den Saal heizen? Dafür Orgel üben? Dafür im Winter Blumen kaufen? Dafür stundenlang an einer Predigt sitzen? Wie wird die Belohnung von Gott dafür ausfallen?

Genau diese Frage wird Gott euch aber nie stellen! Sagt Jesus hier. Macht einfach weiter. Wie der Sklave, der vom Feld kommt und ohne Pause weiter macht. Paulus sagt das Gleiche: Ihr werdet aus Glauben, nicht aus Leistung gerecht! Am Ende wird Euch der Herr alles gegeben haben, was ihr braucht. Wie der Sklave, der am Ende seines Arbeitstages keinen Mangel leiden wird, würde Lukas ergänzen.

Unser Wert vor Gott wird NIEMALS von unserem Leistungsvermögen abhängen. Deshalb liegen wir aber nicht gleich den ganzen Tag auf der faulen Haut. Wir tun, was wir können. Und wir wissen um unsere Unzulänglichkeit und Verstrickung in Schuld, OHNE dass uns das weniger wert macht.

Natürlich freuen wir uns, wenn man uns spüren lässt, dass wir unsere Sache ordentlich gemacht haben. Aber es fühlt sich nicht nur falsch an, sondern es IST falsch, wenn beispielsweise ein christlicher Bürgermeister für jahrzehntelange treue Pflichterfüllung das Bundesverdienstkreuz an die Brust geheftet bekommt. Es IST falsch, weil ihn das in den Augen vieler Menschen wertvoller werden lässt als den, der im Auftrag der Stadt die Abfälle auf der Straße wegsammelt. Und genau das will Gott nicht.

GOTT ist unser einziger Lebensherr. Und vor ihm ist keiner mehr wert, weil er viel leisten kann.  Niemand kann nämlich mehr leisten, als Gott ihm vorher hat zukommen lassen. UNSERE Lebensleistung wird einzig und allein an der TREUE gemessen.

GERADE unter uns muss gelten: NIEMAND hat hier irgend einen Anlass, sich seiner Leistungen zu rühmen.
Vor Gott werden wir frei davon, nach einer Belohnung schielen.
Wir werden frei davon, immer auf das sehen zu müssen, was liegenbleibt.
Wir werden frei dazu, einfach einen Schritt nach dem anderen zu tun um an Ende sagen zu können:

Wir haben getan, was wir Gott zu tun schuldig waren.
Und er hat uns immer gegeben, was unser Leben nötig hat:

Die Liebe Gottes, die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes.
GOTT gebührt dafür Dank, NICHT uns.
Amen.

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