Werdet göttlich! (Joh 1 1-5 9-14 18)

Unser Gottesdienst vom 2. Weihnachtstag zum Nachhören
ist für vier Wochen hier zu finden.

Martin Luther:
Wir fassen keinen andern Gott
als den,
der in jenem Menschen ist,
der vom Himmel kam.
Ich fange bei der Krippe an.

Das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns,
und wir sahen seine Herrlichkeit.
Johannes 1,14a
***
Der Bibeltext aus dem Evangelium nach Johannes Kapitel 1:

1 Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott,
und Gott war das Wort.
2 Dasselbe war im Anfang bei Gott.
3 Alle Dinge sind durch dasselbe gemacht, und ohne dasselbe ist nichts gemacht, was gemacht ist.
4 In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen.
5 Und das Licht scheint in der Finsternis, und die Finsternis hat’s nicht ergriffen.

9 Das WAR das wahre Licht, das alle Menschen erleuchtet, die in diese Welt kommen.
10 Es war in der Welt, und die Welt ist durch dasselbe gemacht; und die Welt erkannte es nicht.
11 Er kam in sein Eigentum;
und die Seinen nahmen ihn nicht auf.
12 Wie viele ihn aber aufnahmen, denen gab er Macht,
Gottes Kinder zu werden:
denen, die an seinen Namen glauben,
13 die nicht aus menschlichem Geblüt
noch aus dem Willen des Fleisches
noch aus dem Willen eines Mannes,
sondern aus Gott geboren sind.
14 Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit.

18 Niemand hat Gott je gesehen; der Eingeborene, der Gott ist und in des Vaters Schoß ist, der hat es verkündigt.

LASST UNS BETEN:
Gott,
Du bist der Ingenieur des Weltalls,
die Architektin des Universums.
Du bist die Intelligenz
hinter der Schwerkraft,
stärker als die Kraft, die alles im Gleichgewicht hält,
Sterne und Mond,
Sonne und Erde.
Wir preisen Dich und Deinen Plan für uns.

Und heute, zu Weihnachten staunen wir,
dass Du Mensch wirst.
Lass uns erahnen: So bist Du also, Gott!
Umfassend und gigantisch,
aber auch menschlich zugewandt.
Dein Geheimnis
kann uns das Leben schenken,
nach dem wir suchen.
Du wirst unser Heil
durch Jesus Christus, deinen Sohn, unseren Herrn.
AMEN

GNADE SEI MIT EUCH und Friede von dem, der da ist,
der da war und der da kommt. Amen!

Seit Jesus mit seinen Predigen, Taten und seiner Leidenschaft in diese Welt trat und das Leben der Menschen änderte, macht sich die Christenheit darüber Gedanken, wer dieser Jesus aus Nazareth, den sie ihren Herrn nannte, nun eigentlich war. Historisch und theologisch.

Das einzig halbwegs verlässliche historische Datum seines Lebens, das man kannte, war der Tag seiner Hinrichtung am Kreuz. Das war auch der Moment der größten historischen Aufmerksamkeit für Jesus aus Nazareth.

Darum wohl sind auch die Berichte über seine Passion und Auferstehung zuerst aufgeschrieben und theologisch gedeutet worden. Die frühe Christenheit feierte darum zunächst nur Jesu Auferstehung, also das Osterfest.

Doch wer diese Welt verlässt, muss auch irgendwie hineingekommen sein. Irgendwann im Lauf der Geschichte kam man darum überein, auch Jesu Lebensanfang zu feiern. Da die Bibel kein Geburtsdatum nennt, legte man den 25. Dezember fest. Dies geschah unter dem römischen Kaiser Konstantin, vermutlich um das Fest des römischen Sonnengottes sowie das germanische Julfest (beide zur Wintersonnenwende) durch ein christliches Fest zu überlagern.

Papst Liberius feierte am 25. Dezember 352 die erste historisch verbriefte Weihnachtsmesse in Rom, was dem Datum endgültig seinen Platz im Kalender sicherte.

Bei der Frage, WAS die Christen da eigentlich feiern, wurde bald deutlich:
Eine historische Geburtstagsfeier konnte das kaum sein. Denn da war theologisch weit mehr als der Geburtstag eines Menschen. Man feierte zu Weihnachten, dass Gott auf diese Welt kam, indem er Mensch wurde.

Doch wie sollte die Kirche diese „Menschwerdung“ beschreiben? Dass der unendliche, ewige Gott in dieses endliche, zeitlich ohnehin begrenzte Leben tritt und dann nach kurzen 30 Jahren durch Hinrichtung wieder verlässt?

Die biblischen Evangelien sind da eine Hilfe, beschreiten aber sehr unterschiedliche Wege, wenn sie das Geheimnis der Anfänge Gottes als Mensch auf Erden zu umschreiben suchen.

Das EVANGELIUM NACH MARKUS, wahrscheinlich um 70 nach Christus geschrieben und unser ältestes Evangelium, beginnt mit dem Zeugnis des Täufers, der in biblischer Tradition DEN ankündigt, der nicht wie Johannes selbst mit Wasser, sondern mit dem Heiligen Geist taufen würde.

Jesu Taufe durch Johannes wird dann als „Einsetzung“ beschrieben. Die Stimme vom Himmel „Du bist mein lieber Sohn, an dir habe ich Wohlgefallen“ (1,11) macht Jesus dann zu dem, der er ist.

Nach 40 Tagen der Versuchung in der Wüste und der Gefangennahme des Täufers – dafür braucht Markus nur ganze 3 Verse – beginnt Jesus sein Wirken mit einer „Zeitansagepredigt“:
„Die Zeit ist erfüllt, und das Reich Gottes ist nahe herbeigekommen. Tut Buße und glaubt an das Evangelium!“

DER ANFANG von allem liegt für Markus also unerwartet, aber nachvollziehbar im Beginn des WIRKSAMwerdens Jesu als erwachsener Mensch. Dem würden unsere anderen Evangelisten grundsätzlich nicht widersprechen.

Das EVANGELIUM NACH MATTHÄUS,
wie das nach Lukas wahrscheinlich ein Jahrzehnt später entstanden, setzt mit einem Stammbaum Jesu ein und führt damit Jesus heilsgeschichtlich bis auf Abraham zurück. Ihm ist wichtig: Jesus ist legitimer Nachfolger von König David.

Matthäus hat dann eine eigene Weihnachtsgeschichte, die Ereignisse VOR dem Erwachsensein Jesu erzählt.

Die Hauptfiguren kennen wir alle: Joseph, der auf den Engel hört und Maria nicht verlässt, sondern schützt;
die Gelehrten aus dem Osten, die irgendwann zu drei Königen wurden und das Jesuskind mit königlichen Geschenken besuchen;
Schließlich ist da Herodes und der Kindermord, den es historisch zwar nicht gegeben hat, der aber begründet, warum Maria und Joseph auf die Flucht nach Ägypten gehen und Jesus zu einem neuen Mose wird.

MATTHÄUS DEUTET DEN ANFANG von Jesu Leben als Erfüllung all dessen, was die Propheten vom Messias, also vom Christus, vom Gesalbten, vorhersagten

Das EVANGELIUM NACH LUKAS dann Lk stellt das Geschehen um die Geburt Jesu in den Horizont der Weltgeschichte. Seine Weihnachtsgeschichte in Kapitel 2 ist die bekannteste, wird Jahr für Jahr in den Christvespern verlesen und als Grundhandlung der diversen Krippenspiele verarbeitet.

Auch seine Hauptfiguren und Requisiten kennen wir alle:
Die kaiserliche Volkszählung durch Augustus, der lange Weg nach Bethlehem, die Suche nach einer Herberge, die Geburt Jesu im Stall in einer Futterkrippe, die gesellschaftlich am Rande stehenden Hirten als erste, die Jesus die Ehre geben, die Engelchöre.

LUKAS BESCHREIBT DEN ANFANG Jesu Lebens als Beginn einer universellen Heilsgeschichte für alle Menschen mit besonderem Augenmerk auf die gesellschaftlich Benachteiligten.

Im Vergleich zu Matthäus und Lukas ist die Weihnachts-Sicht des JOHANNES die unbekannteste. Die meisten Menschen nehmen sie gar nicht als etwas war, was überhaupt mit Weihnachten zu tun haben könnte.

Und doch ist die Weihnachtsgeschichte nach Johannes weltberühmt. Ich denke auch, dass ihr alle den Bibeltext für heute (vorhin verlesen) nicht zum ersten Mal gehört habt.
(Wenn ihr vor genau einem Jahr hier im Gottesdienst wart, habt ihr ihn auch schon als Predigttext gehört. Meine Predigt dazu kann man noch im Netz nachlesen; für die, die das Internet nicht so mögen, habe ich ein paar ausgedruckte Exemplare am Ausgang zum Mitnehmen hingelegt.)

Heute liefere ich euch eher eine Bibelarbeit als eine Predigt in üblichem Sinne ab, aber ich denke, es kann euch auch von Nutzen sein, dass ich heute eher ÜBER den Text als IN den Text sehe.

Wenn man ÜBEr die Weihnachtsgeschichte nach Johannes sieht, die meistens als „Prolog“ (also als Vorrede oder Einleitung) bezeichnet wird, ist zu sehen: Johannes holt weit, sehr weit aus, nämlich bis VOR die Entstehung des Kosmos und unserer Welt.

Die beiden ersten Worte des Johannesevangeliums stimmen nicht zufällig mit den ersten beiden Worten der Bibel in 1. Mose 1,1 überein: „Im Anfang“.
Denn auch mit dem Thema des Werdens aller Dinge allein durch das Wort Gottes nimmt Johannes den Schöpfungsbericht auf. Gerade beim Aspekt von Licht und Finsternis wird das deutlich (1.Mose 1,4f).

Diese „Schöpfungs-Weihnachtsgeschichte“ des Johannes gipfelt im Vers 14:
„Das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit“.

Und hat den wundervollen Weihnachts-Nachsatz Vers 18:
Niemand hat Gott je gesehen;
der Eingeborene, der Gott ist
und in des Vaters Schoß ist,
der hat es verkündigt.

Der EVANGELIST JOHANNES sieht den ANFANG DER GESCHICHTE JESU also VOR dem Anfang jeder Geschichte.
Das Wort Gottes, das den Kosmos und diese Welt schuf,
Gott selbst und Jesus
sind für Johannes eine unauflösliche Einheit.

Damit sagt er zu Weihnachten zwei große theologische Wahrheiten,
um die die Menschen nicht herumkommen,
die sie aber oft und gern verdrängen:

ERSTENS: Weil Gott zur Weihnacht Gott Mensch wurde,
kann der Mensch durch die Weihnacht göttlich werden.
Noch einmal die Verse 12 und 13:

12 Wie viele ihn aber aufnahmen, denen gab er Macht,
Gottes Kinder zu werden
(also zu Gesalbten, zu „Christen“ zu werden):
denen, die an seinen Namen glauben,
13 die nicht aus menschlichem Geblüt
noch aus dem Willen des Fleisches
noch aus dem Willen eines Mannes,
sondern aus Gott geboren sind.

ZWEITENS: ALLES, was wir von Gott erkennen oder wissen KÖNNTEN, wissen wir durch Jesus aus Nazareth.
Unsere Augen sehen an der Krippe: Nichts Außergewöhnliches.
Unser Glaube sieht IN der Krippe:
Christus, der uns zu Christen macht.

Noch einmal Vers 18:
Niemand hat Gott je gesehen;
der Eingeborene, der Gott ist und in des Vaters Schoß ist,
der hat es verkündigt.

Weihnachten als die Menschwerdung Gottes:
WENN das in einer Weihnachtsgeschichte steht,
DANN in der Weihnachtsgeschichte des Johannes.

Ich hoffe, euch ist jetzt durch meine „Bibelarbeitspredigt“ vor allem eines deutlich:

Unsere Weihnachtsfeste versuchen, alle drei Weihnachtsgeschichten historisch und theologisch zusammenzubringen. Denn alle drei Weihnachtsgeschichten bringen wesentliche Aspekte des Weihnachtsgeschehens zur Sprache:

Jesus war historisch Jude, und ohne das Alte Testament ist das Neue Testament theologisch nicht zu verstehen. Was Gott je versprochen hat, ist in Jesus erfüllt.
Matthäus.

Jesus war kein religiöses Randereignis der Geschichte.
Er ist die Einmischung Gottes in das politische Tagesgeschäft und formuliert das Wort „Gerechtigkeit der Liebe Gottes“ klar und deutlich.
Lukas.

Die Schöpfung des Kosmos und das Heil der Weihnacht sind nicht voneinander getrennt zu verstehen:
Weil Gott Mensch wird, kommt sein Heilsplan alle Schöpfung und jedes Geschöpf aus dem Dunkel ins Licht.
Johannes.

In unseren Gottesdiensten von Heiligabend bis zum zweiten Weihnachtstag reden wir aber zuerst über die Weihnachtsgeschichten nach Lukas als auch über die nach Matthäus. Und damit wir die Menschwerdung Gottes nicht völlig aus dem Blick verlieren, teilen wir den zentralen Vers 14 des Johannes-Prologs in zwei Teile und machen ihn zum weihnachtlichen „Leitstern“, also zum Tages-bzw. Wochen-Spruch:

Teil 1 mit „Das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns,
und wir sahen seine Herrlichkeit“ setzen wir über den ersten und den zweiten Weihnachtstag,
und die zweite Hälfte
„wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit“
über die Zeit vom 1. Sonntag nach Weihnachten bis zum Epiphaniastag am 6. Januar.

Damit, meine Schwestern und Brüder,

müsste Weihnachten doch das schönste Fest des Jahres für die „Gemeinschaft der Heiligen“ sein! Doch viele der „Heiligen“ verlieren den weihnachtlichen Überblick und verfallen in Hektik.

Dass die ersten beiden Weihnachtsgeschichten sogar sichtbar für alle auf Weihnachtspyramiden oder die Weihnachtskrippen gestellt werden und nicht wenige Krippenspiele die Hirten und die heiligen drei Könige gemeinsam an der Krippe knien lassen, lässt viele schon nicht einmal mehr den Unterschied zwischen Matthäus und Lukas erkennen. Sie meinen daher, sie hätten schon am Heiligen Abend alles gehört und gesehen, und bleiben danach lieber zuhause als an den Weihnachtsfeiertagen in dier Kirche zu frieren. Die Menschwerdung Gottes nach Johannes gerät für viele sogar völlig aus dem Blick.

Kurt Marti beschreibt das Dilemma so:
„Immer wieder erschien der Engel und schrie, Gott sei Mensch geworden,
hier und dort,
in den Ländern des Elends und auch bei uns in Europa,
wir aber waren entzückt vom Christbaum und hörten nicht.“

Die Weihnachtsgeschichte nach Johannes sagt uns heute:
Lasst euch das Fest der Feste nicht kleinreden. Lichterketten, Christbäume, Weihnachtshits und Festtagsessen sind nur Geburtstagsparty.

Weihnachten aber ist mehr als ein Baby in einem Futtertrog.
Zu Weihnachten vollendet der, der Himmel und Erde gemacht hat,
das Heil für alle, die auf der Erde lebten, leben und leben werden.

Zu Weihnachten gibt Gott allen Menschen die Chance,
göttlich zu werden:

In den Spiegel zu sehen und zu verstehen,
dass da Gottes Ebenbild zu sehen ist.
Einzigartig, unersetzlich, unzerstörbar.

Gottes wahres Menschsein der Liebe auf dieser Welt
als Weg eigenen Menschwerdens auf dieser Welt zu ergreifen,
also wirklich Gottes Ebenbild zu sein, weil Gott Mensch wurde.

Die Grenzen von Geburt und Tod mit dem lebendigen Wort Gottes zu sprengen und Teil der Ewigkeit Gottes zu werden. All das, womit diese Welt uns einzuzwängen und von Gott fernzuhalten versucht, in seine Schranken zu weisen, denn:

Das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns,
und wir sahen seine Herrlichkeit.

Und die sehen wir noch heute:
Die Liebe Gottes, die Gnade unseres Herrn Jesus Christus
und Gemeinschaft des Heiligen Geistes.

Feiert Weihnachten,
werdet göttlich. AMEN

EG 69
1. Der Morgenstern ist aufgedrungen,
er leucht’ daher zu dieser Stunde
hoch über Berg und tiefe Tal,
vor Freud singt uns der lieben Engel Schar.
Offb 22,16
2. »Wacht auf«, singt uns der Wächter Stimme
vor Freuden auf der hohen Zinne:
»Wacht auf zu dieser Freudenzeit!
Der Bräut’gam kommt, nun machet euch bereit!«
Jes 52,8; Mt 25,1-13
3. Christus im Himmel wohl bedachte,
wie er uns reich und selig machte
und wieder brächt ins Paradies,
darum er Gottes Himmel gar verließ.
4. O heilger Morgenstern, wir preisen
dich heute hoch mit frohen Weisen;
du leuchtest vielen nah und fern,
so leucht auch uns, Herr Christ, du Morgenstern!

 

Dieser Beitrag wurde unter Predigten abgelegt und mit , , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.