von dort wird er kommen
zu richten
die Lebenden und die Toten
was wird sein
Gesetz oder Gerechtigkeit
wer werde ich sein
frei oder verurteilt
wüsste ich es selbst
wenn ich versuchte
ehrlich zu sein
vor dem Richter
vor mir
nach einem Leben voller Unrecht
in einer Welt voller Unrecht
bleibt ein guter Trost
Wir müssen alle offenbar werden
vor dem Richterstuhl Christi.
2 Korinther 5,10
***
Aus dem Evangelium nach Lukas, Kapitel 16, ab Vers 1:
Vom ungerechten Verwalter
1Er (Jesus) sprach aber auch zu den Jüngern: Es war ein reicher Mann, der hatte einen Verwalter; der wurde bei ihm beschuldigt, er verschleudere ihm seinen Besitz. 2Und er ließ ihn rufen und sprach zu ihm: Was höre ich da von dir? Gib Rechenschaft über deine Verwaltung; denn du kannst hinfort nicht Verwalter sein. 3Da sprach der Verwalter bei sich selbst: Was soll ich tun? Mein Herr nimmt mir das Amt; graben kann ich nicht, auch schäme ich mich zu betteln. 4Ich weiß, was ich tun will, damit sie mich in ihre Häuser aufnehmen, wenn ich von dem Amt abgesetzt werde. 5Und er rief zu sich die Schuldner seines Herrn, einen jeden für sich, und sprach zu dem ersten: Wie viel bist du meinem Herrn schuldig? 6Der sprach: Hundert Fass Öl. Und er sprach zu ihm: Nimm deinen Schuldschein, setz dich hin und schreib flugs fünfzig. 7Danach sprach er zu dem zweiten: Du aber, wie viel bist du schuldig? Der sprach: Hundert Sack Weizen. Er sprach zu ihm: Nimm deinen Schuldschein und schreib achtzig.
8Und der Herr lobte den ungerechten Verwalter, weil er klug gehandelt hatte. Denn die Kinder dieser Welt sind unter ihresgleichen klüger als die Kinder des Lichts.
9Und ich sage euch: Macht euch Freunde mit dem ungerechten Mammon, damit, wenn er zu Ende geht, sie euch aufnehmen in die ewigen Hütten.
„Das ist ja wirklich eine schräge Geschichte!“ So oder ähnlich habe ich es eigentlich immer gehört, wenn diese Erzählung aus dem Lukasevangelium Thema war. Egal ob in Bibelstunde, Konfirmandenrüstzeit oder Pfarrkonvent: Sie löst immer eine Art Erheiterung aus, die oft begleitet wird mit einem etwas ratlosen „Wie soll man das denn überhaupt richtig verstehen?“.
Ja, das ist wohl die erste Frage, auch heute:
Wie soll man das denn überhaupt richtig verstehen?
Also habe ich mir vorher zuerst einmal drei Bibelübersetzungen (Lk 16, 1-9) nebeneinander gelegt. Den griechischen Text natürlich auch, man muss ja ordentlich arbeiten. Und das erste, was auffällt, sind die unterschiedlichen Überschriften.
In der Lutherübersetzung, die ich heute auch vorgelesen habe, heißt sie: „Vom ungerechten Verwalter“. Die NGÜ titelt ähnlich: „Das Gleichnis vom ungetreuen Verwalter“. Anders macht es die Zürcher. Sie titelt: „Die Geschichte vom gerissenen Verwalter“.
Die Frage, welche Form hier vorliegt: „Geschichte“ oder „Gleichnis“, ist vielleicht nicht ganz so wichtig. Aber „ungerecht“, „ungetreu“ oder „gerissen“ sind nun wirklich sehr unterschiedliche Attribute.
„Ungerecht“ ist in unserem Sprachgebrauch jemand, der sich allgemein nicht an Recht und Gesetz hält. „Ungetreu“ ist dagegen ein eher eingegrenzter Tatbestand: Jemand, der mit fremdem Eigentum vorsätzlich oder zumindest fahrlässig anders umgeht, als der Eigentümer es will. Und „gerissen“ ist der „schlaue Hund“, und der MUSS weder ungerecht noch ungetreu sein, sondern einfach nur schlauer als die meisten anderen Hunde. Was stimmt nun?
Da hilft wohl nur der anstrengende Blick in den griechischen Text. Was ich schon im Studium gelernt habe, finde ich bestätigt: Es gibt da gar keine Überschriften. Die fügen die Übersetzer selbst ein, um denen, die ihre Bibel lesen, die Sache einfacher zu machen. Man findet eine Stelle mit Überschrift einfacher wieder als in einem fortlaufenden Text. Und einem fällt schneller wieder ein, worum es im Abschnitt geht.
Aber genau damit fallen einige Würfel schon VOR dem Lesen. Überschriften sind genau genommen ein Vor-Urteil. Hier in unserem Falle wird auch eine Fährte vorgegeben: Man liest die Geschichte mit anderen Augen, je nachdem, ob man einen ungerechten, ungetreuen oder gerissenen Verwalter erwartet.
Und dann versucht man oft, das Gelesene mit der Überschrift in Einklang zu bringen. Und schüttelt den Kopf: Wie kann der Verwalter den Besitz, den er verwalten muss, veruntreuen? Oder: Warum ist der Verwalter so ungerecht? Und die dritte Möglichkeit hier ist dann kein Kopfschütteln, sondern ein anerkennendes Nicken: Ja, gerissen ist er wirklich. Ob ich das auch draufhätte?
Das Beste wäre also, wir vergessen einfach, dass wir je eine Überschrift gelesen oder gehört haben. Geben dem Text eine neue Chance. Mal sehen, was dabei herauskommt.
„(Jesus) sprach aber auch zu den Jüngern: Es war ein reicher Mann, der hatte einen Verwalter…“ Verwalter sind bei uns heute eine eher selten anzutreffende Berufsbezeichnung. Ja, es gibt ganze Häuser voller Menschen, die „in der Verwaltung“ arbeiten. Egal, ob in Politik oder Kirche: Stadtverwaltung, Wohnungsverwaltung, kirchliches Verwaltungsamt, Bundeswehrverwaltung: Überall wird verwaltet. Überall und immer: Im Frieden und im Krieg.
Und wer von uns hat nicht schon über den „Verwaltungsaufwand“ gestöhnt, wenn Steuererklärung, Abrechnungen für den Bau oder die Krankenkasse oder die Zulassung eines Motorrades geregelt werden mussten. „Bürokratie“ ist dabei die Stöhn-Überschrift geworden. Und Menschen, die in der Verwaltung arbeiten, werden eher bedauert als beneidet.
Das Bild vom „Verwalter“ ist so bei den meisten heute am ehesten mit dem Beruf des Buchhalters verbunden. In der biblischen Zeit aber war das anders.
So wird Josef als Verwalter des Pharao mit erstaunlicher Vollmacht ausgestattet: „Du sollst über mein Haus sein, und deinem Wort soll all mein Volk gehorsam sein“ (1. Mose 41,40). So lässt er Scheunen bauen, um den Überfluss an Getreide zu bergen. Als die Leute sich in den sieben Jahren des Hungers hilfesuchend an den Pharao wenden, verweist sie dieser weiter zu Josef: „Was der euch sagt, das tut“ (1. Mose 41,55).
Auch der Verwalter zu Jesu Zeiten wird ein mächtiger Mann gewesen sein. Er hatte auf seinem Posten unternehmerische Entscheidungen zu treffen. Da ging es nicht einfach um Tabellen mit Einnahmen, Ausnahmen und Bestand.
Der Verwalter hatte Entscheidungen zu treffen, die über Gedeih und Verderben des ihm anvertrauten Geschäftes entschieden. Verwaltete er gut, wuchs des Betriebsergebnis, im anderen Fall ging es mit dem Betrieb bergab.
Also war der Verwalter auch gefordert zu entscheiden, wie er mit Ausständen umgehen wollte. Er hatte die Entscheidungs-Spanne zwischen hart über fair bis freundlich.
Hart hieße dann: Sofort zahlst du deine Schulden. Konsequenzen: Egal. Selbst wenn du daran in Konkurs gehst. Fair wäre: Wir verabreden, was dir möglich ist, damit du wirtschaftlich beweglich bleibst. Und freundlich: Wir verabreden etwas, was wirklich gut ist für uns beide.
Bisher scheint der Verwalter offenbar nicht die harte Linie gefahren. Darum ist er jetzt in Schwierigkeiten bei seinem Herrn gekommen:
(Der Verwalter)… wurde bei ihm beschuldigt, er verschleudere ihm seinen Besitz. 2Und er ließ ihn rufen und sprach zu ihm: Was höre ich da von dir? Gib Rechenschaft über deine Verwaltung; denn du kannst hinfort nicht Verwalter sein.
Irgendein Neider hatte den Verwalter angeschwärzt. Vielleicht, weil die Geschäfte des Verwalters besser liefen als die eigenen. In jedem Falle fand der Neider den Hebel da, dass er sagen konnte: Der geht mit dem Besitz seines Herrn so um, als wäre es seiner.
Also bestellt der Herr seinen Verwalter zu einem ernsten Gespräch ein. Es ist dabei aber nicht gesagt, dass mit dem Satz: „Du kannst hinfort nicht mehr Verwalter sein“ schon die Würfel gegen ihn gefallen sind.
Denn sonst hätte der Herr den Verwalter ohne Gespräch einfach gefeuert. Ja, der Neider hat seine Angriffe gut durchdacht, und die Lage des Verwalters ist ernst. Aber nur ernst, nicht hoffnungslos.
3Da sprach der Verwalter bei sich selbst: Was soll ich tun? Mein Herr nimmt mir das Amt; graben kann ich nicht, auch schäme ich mich zu betteln. 4Ich weiß, was ich tun will, damit sie mich in ihre Häuser aufnehmen, wenn ich von dem Amt abgesetzt werde. 5Und er rief zu sich die Schuldner seines Herrn, einen jeden für sich, und sprach zu dem ersten: Wie viel bist du meinem Herrn schuldig? 6Der sprach: Hundert Fass Öl. Und er sprach zu ihm: Nimm deinen Schuldschein, setz dich hin und schreib flugs fünfzig. 7Danach sprach er zu dem zweiten: Du aber, wie viel bist du schuldig? Der sprach: Hundert Sack Weizen. Er sprach zu ihm: Nimm deinen Schuldschein und schreib achtzig.
Der Verwalter macht sich ernste Sorgen um seine Zukunft. Er analysiert seine Lage. Sieht sich selbst an. Ich weiß, was ich kann. Und weiß, was ich nicht kann. Also werde ich das, was ich kann, auch jetzt machen.
Naheliegend wäre es gewesen, die Kleinbauern nun vorzuladen und unerbittlich auf die Erfüllung aller Forderungen zu pochen.. Das hätte für die Gläubiger wahrscheinlich katastrophale Folgen gehabt. Er selbst aber wäre auf der „sicheren Seite“ gewesen: Sein Herr hätte ihm den Vorwurf, er verschleudere dessen Besitz, wahrlich nicht machen kann.
Stattdessen tut er das genaue Gegenteil. Er ermäßigt die Schulden der Pächter deutlich. So, wie das im Text beschrieben ist, gewinne ich den Eindruck, er ändert seine übliche Praxis von sonst fair zu jetzt freundschaftlich.
So bekommt auch Vers 4 einen klaren Sinn: 4Ich weiß, was ich tun will, damit sie mich in ihre Häuser aufnehmen, wenn ich von dem Amt abgesetzt werde...
Hier kann ja nicht gemeint sein, dass er als obdachloser Ex-Verwalter mit seinem Köfferchen in der Hand bei einem der Pächter einziehen will. Wenn das das Ziel gewesen wäre, hätte der Verwalter sich ja nur EINEN Pächter suchen müssen und ihm einfach ALLE Schulden erlassen.
Aber genau das geschieht ja nicht. Der Verwalter ruft sich ALLE Schuldner, einen nach dem anderen, betrachtet jeden Fall für sich. Sorgt damit für eine noch engere emotionale Bindung der Pächter an seine Person. Vergewissert sich so der Freundschaft der Pächter und ihrer Familien. Denn wer Freunde hat, wird auch in den Krisen des Lebens nicht allein nach Lösungen suchen müssen.
8Und der Herr lobte den ungerechten Verwalter, weil er klug gehandelt hatte…
Von wem ist hier die Rede? Von Jesus, der den Verwalter lobt? Wenn ich mit den Beobachtungen bis hierher richtig liege, eben NICHT.
Dann ist es vielmehr so: Das hochnotpeinliche Personalgespräch ist zu Ende, der Gutsherr klopft seinem Verwalter auf die Schulter und sagt: Ja, ich verstehe, wie du arbeitest. Das ist klug. Im Griechischen steht da ein Wort, dass man nicht nur mit klug, sondern auch mit „geistesgegenwärtig“ übersetzen kann. Deine Geistesgegenwart – die Gegenwart welchen Geistes eigentlich? – deine Geistesgegenwart hat verhindert, meine Pächter zugrunde zu richten.
Und meinen Betrieb macht das zu einem starken Betrieb. Denn die Pächter werden nicht nur in, sondern für meinen Betrieb arbeiten. In der nächsten Krise wird sich das rechnen.
Meine Schwestern, meine Brüder:
…Denn die Kinder dieser Welt sind unter ihresgleichen klüger als die Kinder des Lichts. Ja, das sind sie wohl wirklich… Und darum sollten wir uns ein Beispiel an ihnen nehmen. So der Schlussvers, und der klar durch Jesus gesprochen:
9Und ich sage euch: Macht euch Freunde mit dem ungerechten Mammon, damit, wenn er zu Ende geht, sie euch aufnehmen in die ewigen Hütten.
Und damit sind wir mitten im Thema des „Gerichtssonntages“. Denn solange diese Welt sich dreht, wird der Mammon ungerecht bleiben und ganz sicher nicht „zu Ende“ gehen. Dafür hängen die meisten Menschen viel zu sehr an ihm. Das war zu Jesu Zeiten nicht anders als heute: Besitz und Vermögen ist für viele das Wichtigste im Leben.
Von den klugen Kindern dieser Welt zu lernen bedeutete dann in Jesu Sinne: Vermögen und Besitz geschickt zu verwalten. Das spielt auch bei dem Evangelisten Lukas immer wieder eine Rolle. Hier, in unserer Geschichte, nutzt der Verwalter anvertrautes Gut für das zukünftige Leben.
Das tut er recht. Ein paar Verse später ist das Gegenteil zu lesen: In der Geschichte vom reichen Mann und armen Lazarus kommt jede Reue des Reichen zu spät. Gründliches Rechnen und geschicktes Verhalten bekommen bei Lukas auch an anderer Stelle deutliche Würdigung: Bei dem Gleichnis vom Turmbau, wo der kluge Bauherr vor Baubeginn prüft, ob sein Geld reichen wird, oder das Wort vom König, der bei Aufstellung eines Heeres erst einmal klärt, wie viele Männer unter Waffen sein Gegner hat.
Und WIR sehen an unserer Geschichte für heute zweierlei.
Erstens, wie wir sinnvoll mit Besitz und Vermögen auf dieser Welt umgehen sollten. Mit Fingerspitzengefühl und Augenmaß für das, was im Leben UNSERER NÄCHSTEN wichtig ist. Für eine menschliche Gemeinschaft, die begreift, dass man gemeinsam in jeder Lebenskrise Freunde hat, denen das Wohl des anderen wichtiger ist als der eigene Besitz.
Und Zweitens lernen wir etwas über das „jüngste Gericht“. Wenn wir selbst mit Besitz und Vermögen so umgehen, dass wir sie zugunsten unserer Nächsten einsetzen, wird uns der letzte Richter eben NICHT vorwerfen, wir seien „ungerecht“ gewesen. Auch wird er uns keine „Untreue“ vorwerfen. Er wird uns auch nicht auf die Schulter klopfen und sagen: Was seid ihr doch für gerissene Hunde gewesen in eurem Leben.
Nein, er wird sagen: Ihr habt alles richtig gemacht. Hier euer Platz in den ewigen Hütten. Ihr ward GERECHT. Recht ausgerichtet. Auf das Wohl der Menschen. Denn das liegt Gott am Herzen, seit er uns erschaffen hat. Darum lässt er uns sehen:
Die Liebe Gottes, die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes
sind an jedem Tag mit uns.
Auch am Tag des Jüngsten Gerichtes.
AMEN