Das Boot (Mt 14 22-33)

Sturm des Lebens
das Wasser steht bis zum Hals
der Boden unter den Füßen
entgleitet

Der Gott Israels
Fels in der Sintflut
Jesus Christus
Herr des Sturms
Gebieter über die Wogen
Heiliger Geist
Quelle wahrer Ruhe und Friedens

Der Dreieine Gott
Grund unserer Hoffnung

Kommt her und sehet an die Werke Gottes,
der so wunderbar ist
in seinem Tun an den Menschenkindern.
Ps 66,5
***

Ein Cartoon: Maria versucht ihr Jesusbaby zu baden. Versucht. Es gelingt ihr nämlich nicht. Weil ihr Baby über dem Wasser schwebt und einfach nicht nass werden will.
Lustig finden das – wenn überhaupt – nur die, denen auch eine bestimmte Begebenheit aus der Bibel dazu einfällt. Sie ahnen, was Maria nicht wissen kann: Der Jesussäugling übt für später.

Mt 14, 22-33:

Und alsbald drängte Jesus die Jünger, in das Boot zu steigen und vor ihm ans andere Ufer zu fahren, bis er das Volk gehen ließe. Und als er das Volk hatte gehen lassen, stieg er auf einen Berg, um für sich zu sein und zu beten. Und am Abend war er dort allein.
Das Boot aber war schon weit vom Land entfernt und kam in Not durch die Wellen; denn der Wind stand ihm entgegen.
Aber in der vierten Nachtwache kam Jesus zu ihnen und ging auf dem Meer. Und da ihn die Jünger sahen auf dem Meer gehen, erschraken sie und riefen: Es ist ein Gespenst!, und schrien vor Furcht.
Aber sogleich redete Jesus mit ihnen und sprach: Seid getrost, ich bin’s; fürchtet euch nicht!
Petrus aber antwortete ihm und sprach: Herr, bist du es, so befiehl mir, zu dir zu kommen auf dem Wasser. Und er sprach: Komm her! Und Petrus stieg aus dem Boot und ging auf dem Wasser und kam auf Jesus zu.
Als er aber den starken Wind sah, erschrak er und begann zu sinken und schrie: Herr, rette mich! Jesus aber streckte sogleich die Hand aus und ergriff ihn und sprach zu ihm: Du Kleingläubiger, warum hast du gezweifelt?
Und sie stiegen in das Boot und der Wind legte sich.
Die aber im Boot waren, fielen vor ihm nieder und sprachen: Du bist wahrhaftig Gottes Sohn!

Auf den ersten Blick ist unsere Geschichte von der Sturmstillung und dem sinkenden Petrus eine der Wundergeschichten, von denen viele denken: Das soll doch glauben, wer will. Kinder oder Kindsköpfe. Wer in Physik mindestens eine 3 auf dem
Abschlusszeugnis hatte, weiß, was geht und was nicht geht.
Das hier geht gar nicht. Nur in Märchen oder Fabeln.

Mit einer gewissen neuzeitlichen Arroganz schiebt mancher gleich alle Menschen, die vor ihm lebten, in die Schublade der Traurigen und Ahnungslosen, die nur an das Spiel von Göttern dachten, wenn es draußen blitzte und donnerte:

Wenn die die Vielfalt von Wissen und Erfahrung gehabt hätten, die unsere Zeit in Universitäten, Instituten, Lexika und Netzwerken gesammelt hat! Dann wären sie froh und klug geworden! Schon ein Physikbuch Klasse 8 hätte den Götterkönig Zeus mit seinem Donnerwagen in die Niederungen der Wirklichkeit abstürzen lassen.

Doch halt:
Die Evangelisten unserer Bibel gehören zu den wirklich gebildeten Menschen ihrer Zeit. Sie waren die Gelehrten der Zeit. Sie konnten anders als die meisten ihrer Zeitgenossen lesen UND schreiben. Naturwissenschaftliches Denken war ihnen nicht fremd. Und ihnen waren die Schriften des ersten Teiles unserer Bibel ebenso vertraut wie die der weltlichen Philosophen wie zB des Sokrates oder Plato, die uns noch heute zum Nach- und Andersdenken zwingen.

Epiktet, griechischer Philosoph und Zeitgenosse des Matthäus, schrieb: „Es sind nicht die Dinge, die uns beunruhigen, sondern die Meinungen, die wir von den Dingen haben.“ Auf unseren Text bezogen kann das zum Beispiel bedeuten:

Nicht der übers Wasser gehende Jesus erschreckt, sondern die Idee, dass er ein Gespenst sein könne. Nicht das Wasser ist es, das Petrus plötzlich nicht mehr trägt, sondern seine Angst davor, dass das doch eigentlich gar nicht gehen könne und gleich etwas Schlimmes passieren müsse. „Es sind nicht die Dinge, die uns beunruhigen, sondern die Meinungen, die wir von den Dingen haben.“

Ich frage mich: Worüber denkt man nun lieber nach? Über diesen staubtrockenen, wahrscheinlich sehr richtigen Satz eines Theoretikers oder über diese Geschichte des Matthäus? Und gebe mir die Antwort gleich selbst: Das Zitat des Philosophen kannte ich gar nicht, die Geschichte des Matthäus aber schon. Also haben die meisten Menschen seither eher über Matthäus nachgedacht als über Epiktet.

Sturmstillung und sinkenden Petrus in die Welt der dummen, abergläubigen Schmaldenker zu verbannen – Matthäus würde sehr wahrscheinlich nur mitleidig fragen:

Was? Ihr kennt das nicht, dass euch der Wind ins Gesicht bläst?
Dass ihr das Gefühl habt, auf schwankendem Boden zu stehen?
Dass ihr in Panik geratet, Gespenster seht, euch die Haare zu Berge stehen? Alleingelassen kurz vor dem Untergang? All das kennt ihr nicht? O ihr Glücklichen…

Natürlich kann man felsenfest unangefochten sagen: Wer Jesus nicht zutraut, dass er über das Wasser gehen kann, der traut Gott nicht zu, Gott zu sein. Aber ich glaube, dass es Matthäus darum nicht geht. Denn es geht hier weniger um eine Geschichte über die Möglichkeiten Gottes als vielmehr um eine über den Glauben.

Das Bild des Sturmes auf See mitten in der Nacht – schlimmer kann es nicht kommen. Lebenssicherheit reduziert in eine Nussschale. Das Bild vom Sturm projiziert alle Ängste und Schwierigkeiten, die sich in der Seele abspielen können, so klar und deutlich so auf eine imaginäre Leinwand, dass sie wohl alle nachfühlen und miterleben können. Auch wir zwei Jahrtausende später, die gelernt haben, dass sogar Riesenschiffe wie die Titanic untergehen können.

Die Erfahrungen von damals sind eben auch den Menschen heute nicht fremd. Auch wenn wir unter ganz anderen Vorbedingungen leben: NEUE Stürme gibt es immerzu, für manchen gar täglich. Von Corona bis zum Zusammenbruch ganzer Lebensplanungen, vom scheinbar pausenlosem Scheitern in Beruf, Familie oder Partnerschaft bis hin zum Tod der liebsten und wichtigsten Menschen.

Ehen, die in Scherbenhaufen enden; Arbeitsplätze, die sich in Luft auflösen; Unfälle, die das Leben von jetzt auf gleich umkrempeln – der Boden wankt oft unter den Füßen wie der eines Bootes im Sturm. Schnell erwacht dann das Gefühl, dass es gar nicht mehr weitergeht. Keine Ideen mehr kommen. Dass Ohnmacht übermächtig wird.

Was geschieht hier den Jüngern? Es war ein ereignisreicher Tag. Man hatte die Speisung der Fünftausend zu organisieren, alle waren ganz sicher rechtschaffen müde. Nun schickt Jesus sie fort, um auf der anderen Seite des Sees Ruhe zu finden und das Nachtlager aufzusuchen. Er selbst sucht Gebetsruhe in Abgeschiedenheit.

Aber anstelle zur dringend benötigten Ruhe geraten die Jünger in den Sturm: Schweres Wetter, pechschwarze Nacht und fehlender Halt. Ich weiß aus meiner eigener Erfahrung genau: Körperliche Erschöpfung macht jede Krise gleich doppelt schlimm. Das Segel zerfetzt, das Ruder zerbrochen, die Seele auf Halbmast.

„Über das Wasser zu gehen ist allein eine göttliche Fähigkeit. Menschen können dies nicht oder erlangen diese Fähigkeit nur durch Zauberei“, schreibt der Theologe Ulrich Luz dazu.

An so etwas wie Zauberei denken auch die Jünger, als Jesus über das Wasser zu ihnen geht: Ein Gespenst! Die Nähe des Göttlichen erwarten die Jünger gar nicht, und das obwohl sie mit dieser Nähe gerade eine neue, wirklich großartige Erfahrung gemacht hatten: Fünf Brote und zwei Fische reichten für die Speisung der Fünftausend, gerade vorhin. Begriffen hatte das niemand.

Nur Petrus scheint sich jetzt daran zu erinnern: Als er Jesus erkennt, will er ihm sogar entgegen – wenn Jesus es ihm befehlen würde. Sein Glaube versetzt die Naturgesetze in den Wartestand – zumindest für einen Augenblick.

Aber als sich die Glaubenserfahrungen mit seinen „Meinungen, die wir von den Dingen haben“ reiben, nimmt er den Sturm plötzlich wieder in ganzer Stärke war – er „versinkt“ im Alltag. Aber er und die anderen Jünger mit ihm erleben: Jesus stillt den Sturm und lässt sie den Frieden finden, nachdem sie sich gerade alle sehnen.

Hier sind wir meines Erachtens am Kern. Jeder, der den Gottesgedanken denkt, weiß: Wenn ein Gott ist, ist er allmächtig, dann hat GOTT Himmel und Erde geschaffen, dann hat GOTT auch die Macht, sogar die Naturgesetze außer Kraft zu setzen.

Das WISSEN die Jünger auch. Dieses Wissen nimmt ihnen aber nicht die Lebensangst. Die BEGEGNUNG mit Gott schafft das. Die Begegnung, aus der GLAUBE wächst. Die Petrus die Schritte AUF dem Wasser möglich macht. Die allen im Boot und im Wasser die große Ruhe der Seele schenkt.

Meine Schwestern, meine Brüder:

„Immer wenn du meinst, es geht nicht mehr,
kommt von irgendwo ein Lichtlein her,
dass du es noch einmal zwingst,
von Sonnenschein und Freude singst,
leichter trägst des Alltags Last
wieder Kraft und Mut und Glauben hast!“

Um solche „Lichtlein“ geht es hier nicht.
Was hätten die im Sturm schon bewirken können?

Darum geht es: Wir sitzen MIT in diesem Boot. MIT „im Schiff, das sich Gemeinde nennt“.

Wir können es also MIT den Jüngern begreifen:
Jesus ist kein Gespenst. Er ist der SOHN GOTTES.

„Seid getrost! Ich bins! Fürchtet euch nicht!“
Darauf können wir uns verlassen!

Gott verhindert das Leben mit seinen All-Tagen nicht. Manche ahnen, dass das Teil eines großartigen Planes sein könnte.
Und erleben immer wieder Stress, Ärger, Krankheit, Sturm.
Segel zerfetzt, Ruder zerbrochen.
Die Seele auf Halbmast.

Der Alltag suggeriert uns: Wir sind ohnmächtig in Familie, Gesellschaft, Kirche. Das kann keiner ändern.
Aber GOTT lässt das Unmögliche geschehen.

Der Glaube, die Begegnung mit Gott im Sturm wird dann zur Begegnung mit der Kraft Gottes, die Berge versetzt, Stürme aufhält und von den Toten auferweckt.

Dann erleben wir sie:
Die Liebe Gottes, die Gnade unseres Herrn Jesus Christus
und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes.

Alle Gefahr ist vorüber. Für Alle. AMEN

MUSIK dann gelesen 380 (alle 7)
Text: Jochen Klepper 1938

1. Ja, ich will euch tragen
bis zum Alter hin.
Und ihr sollt einst sagen,
dass ich gnädig bin.
2. Ihr sollt nicht ergrauen,
ohne dass ich’s weiß,
müsst dem Vater trauen,
Kinder sein als Greis.
3. Ist mein Wort gegeben,
will ich es auch tun,
will euch milde heben:
Ihr dürft stille ruhn.
4. Stets will ich euch tragen
recht nach Retterart.
Wer sah mich versagen,
wo gebetet ward?
5. Denkt der vor’gen Zeiten,
wie, der Väter Schar
voller Huld zu leiten,
ich am Werke war.
6. Denkt der frühern Jahre,
wie auf eurem Pfad
euch das Wunderbare
immer noch genaht.
7. Lasst nun euer Fragen,
Hilfe ist genug.
Ja, ich will euch tragen,
wie ich immer trug.

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