(Hebr 13, 15+16)
So lange es Ackerbau und Viehzucht gibt auf dieser Welt, gibt es sie – die Feste der eingebrachten Ernten. Und es gibt sie überall auf der Welt.
Es sind die Kreisläufe der Natur,/ in denen Menschen mit Roden, Pflügen, Streuen und Pflanzen/ ihre Kulturarbeit in der Landschaft beginnen/ und mit der jährlichen Ernte zu einem Höhepunkt bringen.
Diese Kreisläufe haben auch außerhalb von Kirchen, Synagogen oder Moscheen ihre Anziehungskraft. Selbst in weniger ländlichen Gebieten
empfinden viele Menschen anlässlich der Ernte Freude und Dankbarkeit.
Denn wer darüber nachdenkt, kann erkennen: Trotz allem, was wir Menschen an Technik oder sonstigen Arbeitserleichterungen
in die Landwirtschaft einbringen können, /trotz aller chemischen Düngekunst oder gar Gentechnik, /trotz Gewächshäusern, unendlichen Folienfeldern oder Beregnungsanlagen:
Ob eine Ernte gut oder schlecht wird,/ liegt nicht in unserer Menschen- Hand. /Solange diese Welt sich dreht, werden Menschen nicht die Herren werden/ über Sonne und Regen, Frost und Hagel, Schädlingsbefall, Krankheiten oder Flächenbrände.
Darum bekamen Erntefeste schon früh Opfercharakter:
Das Darbringen der Erntegaben wurde – bewusst oder unbewusst – zum Versuch, positiven Einfluss auf die nächste Ernte zu nehmen.
Man könnte ein wenig überspitzt sagen: Menschen versuchten mit geregelten jährlichen Überweisungen oder verdeckten Schmiergeldzahlungen ihr „Schicksal“ positiv zu beeinflussen.
Auch heute noch.
Mancher mag einwenden: Wer geht denn heute schon noch opfern? Opferfeste, Opferaltäre, Opfergaben – vielleicht irgendwo in Afrika, am anderen Ende der Welt, fernab jeder Zivilisation, aber doch nicht bei uns!
Aber schon unsere Sprache macht deutlich, dass der Opfergedanke sehr wohl für viele zum Leben gehört. Verlieren Menschen bei Unfällen ihr Leben, spricht man von Opfern:
Erbebenopfern, Verkehrsopfern, Absturzopfern.
Man opfert auch anderes: Zeit oder Material oder Geld. Für manche Christen ist selbst die Feier des Abendmahles ein Opfer, das SIE darbringen.
Vielleicht 70 Jahre nach der Hinrichtung Jesu am Kreuz schreibt ein uns unbekannter Verfasser eine Predigt mit einem Briefschluss. Sie ist uns als Hebräerbrief in der Bibel erhalten geblieben.
Dieser Prediger sagt: Jesu Tod am Kreuz ist das größte aller denkbaren Opfer, weil es Gottes Opfer der Liebe für seine Menschen ist. Darum ist das Kreuz der Maßstab für all unsere Opfer. An diesem Maßstab müssen Opfer sich messen lassen.
Der Prediger erwartet darum BESONDERE Opfer von seiner Gemeinde. Ich lese aus den Versen 15 und 16 im Kapitel 13 in eigener Übertragung den Predigttext für heute:
So lasst uns nun durch … (Christus) Gott (anstelle der alten Opfer) allezeit … die Frucht der Lippen darbringen, die seinen Namen bekennen. Dazu vergesst nicht, Gutes zu tun und mit andern zu teilen! … Lobopfer und herzliche Anteilnahme: SOLCHE Opfer gefallen Gott.
Anders ausgedrückt: Bringt solche Opfer, die euer Leben dahin ändern, wie Gott es für euch gedacht hat. Diese Opfer würden Gott wirklich gefallen.
Der herkömmliche Opfergedanke geht doch grundsätzlich davon aus, dass alle Unglücke, Schwierigkeiten oder Barrieren, die uns in unserem Leben treffen können, durch Opfer irgendwie bezahlt werden könnten. Wer opfert, geht davon aus, dass er mit dem Opfer das Seine dazu getan hat, dass das Lebens-System irgendwie nicht aus den Angeln gehoben wird.
Man opfert Zeit, Geld und wissenschaftliche Hochleistung, um den Klimawandel in den Griff zu bekommen, der einem Hitze, Dürren, Stürme oder Hochwasser beschert.
Man opfert Menschen auf den Verkehrswegen, um weiterhin mit ruhigem Gewissen die ganze Welt von A nach B durchqueren zu können.
Mancher opfert gar unterbewusst Zeit und Geld, um für Krankheiten anderer zu zahlen in der Hoffnung, er selbst würde dann schon irgendwie davor verschont werden, zu früh und schmerzhaft an Bauchspeicheldrüsenkrebs zu sterben.
Nicht, dass ich missverstanden werde: Klimawandel, Katastrophen und Krankheiten MÜSSEN unser Nachdenken in Gang setzen.
Wir müssen uns fragen: Was sollten wir anders machen, um Fehlentwicklungen und Leid zu vermeiden oder möglichst gering zu halten. Die Balance im Garten unseres Lebens zu bewahren, für uns und die Menschen, die nach uns kommen werden.
Wer aber denkt, er könne die Lösungen schaffen, indem er sie auf irgendeine Weise KAUFT, hat das Leben nicht verstanden. Er empfindet „das Schicksal“ oder seinen Gott als unberechenbares, ja bedrohliches Gegenüber.
Dieses unberechenbare Etwas setzt dann seine große und endlose Macht gegen den Menschen ein. Und zwar immer dann, wenn er etwas falsch gemacht hat, nur seinem eigenen Willen folgt oder nicht ordentlich dachdenkt.
Im alten Opferdenken gibt es ein Gegenüber zwischen den Göttern des Lebens und dem Menschen/ ähnlich dem von Marionette und einem Puppenspieler:
Der Gott oben zieht an irgendwelchen Fäden, wenn der Mensch unten sich anders bewegt als er es will. Darum muss man sich bei ihm entschulden, freikaufen. Dann hat man getan, was man konnte. Der Rest sind dann Kollateralschäden.
Nur: Man kann sich –vielleicht!- so die Gunst der Götter Macht, Erfolg oder Wohlstand dafür erkaufen. Aber welche Macht haben die, das Leben wirklich lebenswert zu machen? Was bringen sie wirklich zustande gegen das Leiden im Krieg gehen IS, die Toten der Ebola- Epidemie, die Ungerechtigkeit zwischen Überfluss und Hunger?
Der Prediger des Hebräerbriefes setzt dagegen: Es sind zwei Opfer, die unserem Gott wirklich gefallen.
Das eine: Die „Frucht der Lippen, die seinen Namen bekennen“.
Das sind keine bloßen „Lippenbekenntnisse“. Das ist vielmehr das unüberhörbare Bekenntnis zu Gott, der als einziger diesen Namen wirklich verdient.
Unser Gott, dem wir Christen dienen, will Leben anders. Nicht: Wer zahlen kann, bekommt. Darum schenkt er uns alles, was wir haben oder sind. Diese Welt, unser ganzes Leben haben wir von ihm. Nirgends ist das deutlicher zu sehen als bei der Ernte dieses Jahres.
Er will uns nicht durch die Hintertür eines vermeintlichen Schicksals erziehen – er will, dass wir diese Welt als das erkennen, was sie ist.
Als Raum unserer Freiheit, wunderschön, gerade durch ihre Gegensätze von Hell und Dunkel, warm und kalt, Leben und Tod,
gute Ernten und Missernten.
Nur weil es diese Gegensätze gibt, können wir sehen und empfinden, lachen und weinen.
Nur weil es diese Gegensätze gibt, können wir das Leben wirklich ermessen, seine Verletzlichkeit begreifen, lernen, worauf es wirklich ankommt und was eher überflüssig oder Luxus ist.
Heinz Rudolf Kunze fasst es in einem Lied so: Das Leben ist nicht grausam, das Leben ist nicht zart, das Leben ist gedankenlos, reine Gegenwart. Es lässt dich nicht gewinnen, es lässt dich nicht im Stich, es lässt den Dingen ihren Lauf, denn es meint nicht dich!
Aber ich bin immer für dich da…
Für den anderen da sein – das macht das Leben zum Leben. Liebe macht unsere Zeit zur gesegneten Zeit. Damit wir sehen, wie grenzenlos Gottes Liebe zu uns ist, opfert er seinen Sohn. Unsere Antwort darauf: Unser Bekennen. Es muss über unsere Lippen kommen: Gott ist es, der uns Leben schenkt. Nur er.
Dieser neue Tag – Gottes Geschenk an mich! Sicher: Manche Tage fallen schwer, manche leicht. Aber wir wissen doch, dass jeden Tag Sekt wie immer nur Wasser wäre.
Christen bekennen: Gott, der Vater Jesu Christi, verteilt keine
Schicksalsschläge, sondern Optimismus für das Leben.
Das bedeutet nicht, dass man schlechte Entwicklungen übersieht
oder gar Leid ignoriert.
Wohl aber, dass man an jedem Morgen neu sehen kann:
Dieser Tag ist meiner, Gottes Geschenk an mich, ich kann leben und etwas tun.
Darum feiern wir Christen kein Erntefest, sondern das ErnteDANKfest. Denn wer denkt, dankt. Er lässt seine Lippen Gott loben, weil wir ihm nur danken können.
Er opfert uns seine Liebe. Er ist es, der uns Leben in Freiheit schenkt und uns jede Ernte neu sehen, fühlen und riechen lässt. Das ist das erste Opfer: Das Bekenntnis unserer Lippen.
Und das zweite Opfer ist die logische Folge des ersten: Gutes tun und teilen. Herzliche Anteilnahme als Aufgabe des Tages.
Denn wer den neuen Morgen dankbar aus Gottes Hand nimmt, muss sich fragen, was darum heute für ihn zu tun ist. Er wird erkennen, was ER tun kann, was in SEINER Macht steht, um Gottes Liebe für den anderen nicht zu verstellen. Dass der andere das Bekenntnis der Lippen auch hört und versteht.
Dieses Opfer kann jeder bringen, völlig unabhängig davon, ob er arm oder reich, gesund oder krank, jung oder alt ist. Das Bekenntnis zu Gott mit seinem Leben zu Gehör bringen.
Bei einem Treffen von christlichen Unternehmern in Berlin sagte ein Teilnehmer zu mir: Was mein Betrieb erwirtschaftet, gehört eigentlich allen. Ich verwalte es nur und versuche dabei, alles im Blick zu behalten: Das Wohl des Betriebes und das der Menschen, die davon abhängig sind.
Ich denke schon, dass er nicht nur erkannt hat, dass er von Gott reich beschenkt worden ist. Sowohl mit unternehmerischer Gabe also auch mit persönlichem Wohlstand. Er hat auch erkannt, dass er beides teilen wird: Mit denen, die auf ihn und seine Gaben angewiesen sind. Nicht nur sein Geld, sondern auch sein Können, seine persönliche Zuwendung.
Diese beiden Opfer, meine Schwestern und Brüder, ändern jedes Leben zum Guten:
Das hör-und verstehbare Bekenntnis, dass Gott Herr des Lebens ist: Weil es klar stellt, wem ich das Leben ver-danke.
Dann mein Tun, das Gottes Opfer der Liebe erkennt und daraus lebt. Darum nimmt es am Leben des Anderen Anteil. Es ist Herzensangelegenheit – Angelegenheit der Liebe.
Liebe ist das einzige, dass unser Leben wirklich zu tragen vermag/
und ihm einen Sinn gibt, der nicht in der nächsten Pleitewelle
von Investment – Banken oder der nächsten Krankheit durch den Lebensabfluss rinnt.
Liebe erlebt den Frieden Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft. Er bewahrt unsere Leiber und unsere Seelen in Christus Jesus.
Amen.
Nächster Termin: 31. Oktober, 10 Uhr, Dorfkirche Hohenbruch
Danke Malte, für diese schöne Auslegung des heutigen Predigttextes.
Christoph
Ich belohne mich selbst mit: Schweden! Danach: Immer wieder gern.